Doch die drei Haufen,

Die er ins Land mir führt –?

ZWEITER ÄLTESTER vortretend.

Die ziehn, mein König,

Durch Thuiskon, Helakon und Herthakon.

 

Pause.

 

HERMANN indem er vom Hügel herabschreitet.

Man soll aufs beste, will ich, sie empfangen.

An Nahrung weder, reichlicher,

Wie der Italier sie gewohnt, soll man's

Noch auch an Met, an Fellen für die Nacht,

Noch irgend sonst, wie sie auch heiße,

An einer Höflichkeit gebrechen lassen.

Denn meine guten Freunde sind's,

Von August mir gesandt, Cheruska zu beschirmen,

Und das Gesetz der Dankbarkeit erfodert,

Nichts, was sie mir verbinden kann, zu sparen.

ERSTER ÄLTESTER.

Was dein getreuer Lagerplatz besitzt,

Das zweifle nicht, wird er den Römern geben.

ZWEITER ÄLTESTER.

Warum auch soll er warten, bis man's nimmt?

 

 

Zweiter Auftritt

Drei Hauptleute treten eilig nacheinander auf. – Die Vorigen

 

DER ERSTE HAUPTMANN indem er auftritt.

Mein Fürst, die ungeheueren

Unordnungen, die sich dies Römerheer erlaubt,

Beim Himmel! übersteigen allen Glauben.

Drei deiner blühndsten Plätze sind geplündert,

Entflohn die Horden, alle Hütten und Gezelte –

Die unerhörte Tat! – den Flammen preisgegeben!

HERMANN heimlich und freudig.

Geh, geh, Siegrest! Spreng aus, es wären sieben!

DER ERSTE HAUPTMANN.

Was? – Was gebeut mein König?

EGINHARDT.

Hermann sagt –

 

Er nimmt ihn beiseite.

 

DER ERSTE ÄLTESTE.

Dort kommt ein neuer Unglücksbote schon!

DER ZWEITE HAUPTMANN tritt auf.

Mein Fürst, man schickt von Herthakon mich her,

Dir eine gräßliche Begebenheit zu melden!

Ein Römer ist, in diesem armen Ort,

Mit einer Wöchnerin in Streit geraten,

Und hat, da sie den Vater rufen wollte,

Das Kind, das sie am Busen trug, ergriffen,

Des Kindes Schädel, die Hyäne, rasend

An seiner Mutter Schädel eingeschlagen.

Die Feldherrn, denen man die Greueltat gemeldet,

Die Achseln haben sie gezuckt, die Leichen

In eine Grube heimlich werfen lassen.

HERMANN ebenso.

Geh! Fleuch! Verbreit es in dem Platz, Govin!

Versichere von mir, den Vater hätten sie

Lebendig, weil er zürnte, nachgeworfen!

DER ZWEITE HAUPTMANN.

Wie? Mein erlauchter Herr!

EGINHARDT nimmt ihn beim Arm.

Ich will dir sagen –

 

Er spricht heimlich mit ihm.

 

ERSTER ÄLTESTER.

Beim Himmel! Da erscheint der dritte schon!

DER DRITTE HAUPTMANN tritt auf.

Mein Fürst, du mußt, wenn du die Gnade haben willst,

Verzuglos dich nach Helakon verfügen.

Die Römer fällten dort, man sagt mir, aus Versehen,

Der tausendjähr'gen Eichen eine,

Dem Wodan, in dem Hain der Zukunft, heilig.

Ganz Helakon hierauf, Thuiskon, Herthakon,

Und alles, was den Kreis bewohnt,

Mit Spieß und Schwert stand auf, die Götter zu verteid'gen.

Den Aufruhr rasch zu dämpfen, steckten

Die Römer plötzlich alle Läger an:

Das Volk, so schwer bestraft, zerstreute jammernd sich,

Und heult jetzt um die Asche seiner Hütten. –

Komm, bitt ich dich, und steure der Verwirrung.

HERMANN.

Gleich, gleich! – Man hat mir hier gesagt,

Die Römer hätten die Gefangenen gezwungen,

Zeus, ihrem Greulgott, in den Staub zu knien?

DER DRITTE HAUPTMANN.

Nein, mein Gebieter, davon weiß ich nichts.

HERMANN.

Nicht? Nicht? – Ich hab es von dir selbst gehört!

DER DRITTE HAUPTMANN.

Wie? Was?

HERMANN in den Bart.

Wie! Was! Die deutschen Uren!

– Bedeut ihm, was die List sei, Eginhardt.

EGINHARDT.

Versteh, Freund Ottokar! Der König meint –

 

Er nimmt ihn beim Arm und spricht heimlich mit ihm.

 

ERSTER ÄLTESTER.

Nun solche Zügellosigkeit, beim hohen Himmel,

In Freundes Land noch obenein,

Ward doch, seitdem die Welt steht, nicht erlebt!

ZWEITER ÄLTESTER.

Schickt Männer aus, zu löschen!

HERMANN der wieder in die Ferne gesehn.

Hör, Eginhardt!

Was ich dir sagen wollte –

EGINHARDT.

Mein Gebieter!

HERMANN heimlich.

Hast du ein Häuflein wackrer Leute wohl,

Die man zu einer List gebrauchen könnte?

EGINHARDT.

Mein Fürst, die War' ist selten, wie du weißt.

– Was wünschest du, sag an?

HERMANN.

Was? Hast du sie?

Nun hör, schick sie dem Varus, Freund,

Wenn er zur Weser morgen weiter rückt,

Schick sie in Römerkleidern doch vermummt ihm nach.

Laß sie, ich bitte dich, auf allen Straßen,

Die sie durchwandern, sengen, brennen, plündern:

Wenn sie's geschickt vollziehn, will ich sie lohnen!

EGINHARDT.

Du sollst die Leute haben. Laß mich machen.

 

Er mischt sich unter die Hauptleute.

 

 

Dritter Auftritt

Thusnelda tritt aus dem Zelt. – Die Vorigen.

 

HERMANN heiter.

Ei, Thuschen! Sieh! Mein Stern! Was bringst du mir?

 

Er sieht wieder, mit vorgeschützter Hand, in die Ferne hinaus.

 

THUSNELDA.

Ei nun! Die Römer, sagt man, ziehen ein;

Die muß Arminius' Frau doch auch begrüßen.

HERMANN.

Gewiß, gewiß! So will's die Artigkeit.

Doch weit sind sie im Felde noch;

Komm her und laß den Zug heran uns plaudern!

 

Er winkt ihr, sich unter der Eiche niederzulassen.

 

THUSNELDA den Sitz betrachtend.

Der Sybarit! Sieh da! Mit seinen Polstern!

Schämst du dich nicht? – Wer traf die Anstalt hier?

 

Sie setzt sich nieder.

 

HERMANN.

Ja, Kind! Die Zeiten, weißt du, sind entartet. –

Holla, schafft Wein mir her, ihr Knaben,

Damit der Perserschach vollkommen sei!

 

Er läßt sich an Thusneldens Seite nieder und umarmt sie.

 

Nun, Herzchen, sprich, wie geht's dir, mein Planet?

Was macht Ventidius, dein Mond? Du sahst ihn?

 

Es kommen Knaben und bedienen ihn mit Wein.

 

THUSNELDA.

Ventidius? Der grüßt dich.

HERMANN.

So! Du sahst ihn?

THUSNELDA.

Aus meinem Zimmer eben ging er fort!

– Sieh mich mal an!

HERMANN.

Nun?

THUSNELDA.

Siehst du nichts?

HERMANN.

Nein, Thuschen.

THUSNELDA.

Nichts? Gar nichts! Nicht das mindeste?

HERMANN.

Nein, in der Tat! Was soll ich sehn?

THUSNELDA.

Nun wahrlich,

Wenn Varus auch so blind, wie du,

Der Feldherr Roms, den wir erwarten,

So war die ganze Mühe doch verschwendet.

HERMANN indem er dem Knaben, der ihn bedient, den Becher zurückgibt.

Ja, so! Du hast, auf meinen Wunsch, den Anzug

Heut mehr gewählt, als sonst –

THUSNELDA.

So! Mehr gewählt!

Geschmückt bin ich, beim hohen Himmel,

Daß ich die Straßen Roms durchschreiten könnte!

HERMANN.

Potz! Bei der großen Hertha! Schau! – Hör, du!

Wenn ihr den Adler seht, so ruft ihr mich.

 

Der Knabe, der ihn bedient, nickt mit dem Kopf.

 

THUSNELDA.

Was?

HERMANN.

Und Ventidius war bei dir?

THUSNELDA.

Ja, allerdings. Und zeigte mir am Putztisch,

Wie man, in Rom, das Haar sich ordnet,

Den Gürtel legt, das Kleid in Falten wirft.

HERMANN.

Schau, wie er göttlich dir den Kopf besorgt!

Der Kopf, beim Styx, von einer Juno!

Bis auf das Diadem sogar,

Das dir vom Scheitel blitzend niederstrahlt!

THUSNELDA.

Das ist das schöne Prachtgeschenk,

Das du aus Rom mir jüngsthin mitgebracht.

HERMANN.

So? Der geschnittne Stein, gefaßt in Perlen?

Ein Pferd war, dünkt mich, drauf?

THUSNELDA.

Ein wildes, ja,

Das seinen Reiter abwirft. –

 

Er betrachtet das Diadem.

 

HERMANN.

Aber, Thuschen! Thuschen.

Wie wirst du aussehn, liebste Frau,

Wenn du mit einem kahlen Kopf wirst gehn?

THUSNELDA.

Wer? Ich?

HERMANN.

Du, ja! – Wenn Marbod erst geschlagen ist,

So läuft kein Mond ins Land, beim Himmel!

Sie scheren dich so kahl wie eine Ratze.

THUSNELDA.

Ich glaub, du träumst, du schwärmst! Wer wird den Kopf mir –?

HERMANN.

Wer? Ei, Quintilius Varus und die Römer,

Mit denen ich alsdann verbunden bin.

THUSNELDA.

Die Römer! Was!

HERMANN.

Ja, was zum Henker, denkst du?

– Die röm'schen Damen müssen doch,

Wenn sie sich schmücken, hübsche Haare haben?

THUSNELDA.

Nun haben denn die röm'schen Damen keine?

HERMANN.

Nein, sag ich! Schwarze! Schwarz und fett, wie Hexen!

Nicht hübsche, trockne, goldne, so wie du!

THUSNELDA.

Wohlan! So mögen sie! Der trift'ge Grund!

Wenn sie mit hübschen nicht begabt,

So mögen sie mit schmutz'gen sich behelfen.

HERMANN.

So! In der Tat! Da sollen die Kohorten

Umsonst wohl übern Rhein gekommen sein?

THUSNELDA.

Wer? Die Kohorten?

HERMANN.

Ja, die Varus führt.

THUSNELDA lacht.

Das muß ich sagen! Der wird doch

Um meiner Haare nicht gekommen sein?

HERMANN.

Was? Allerdings! Bei unsrer großen Hertha!

Hat dir Ventidius das noch nicht gesagt?

THUSNELDA.

Ach, geh! Du bist ein Affe.

HERMANN.

Nun, ich schwör's dir. –

Wer war es schon, der jüngst beim Mahl erzählte,

Was einer Frau in Ubien begegnet?

THUSNELDA.

Wem? Einer Ubierin?

HERMANN.

Das weißt du nicht mehr?

THUSNELDA.

Nein, Lieber! – Daß drei Römer sie, meinst du,

In Staub gelegt urplötzlich und gebunden –?

HERMANN.

Nun ja! Und ihr nicht bloß, vom Haupt hinweg,

Das Haar, das goldene, die Zähne auch,

Die elfenbeinernen, mit einem Werkzeug,

Auf offner Straße, aus dem Mund genommen?

THUSNELDA.

Ach, geh! Laß mich zufrieden.

HERMANN.

Das glaubst du nicht?

THUSNELDA.

Ach, was! Ventidius hat mir gesagt,

Das wär ein Märchen.

HERMANN.

Ein Märchen! So!

Ventidius hat ganz recht, wahrhaftig,

Sein Schäfchen, für die Schurzeit, sich zu kirren.

THUSNELDA.

Nun, der wird doch den Kopf mir selber nicht –?

HERMANN.

Ventidius? Hm! Ich steh für nichts, mein Kind.

THUSNELDA lacht.

Was? Er? Er, mir? Nun, das muß ich gestehn –!

HERMANN.

Du lachst. Es sei. Die Folge wird es lehren.

 

Pause.

 

THUSNELDA ernsthaft.

Was denn, in aller Welt, was machen sie

In Rom, mit diesen Haaren, diesen Zähnen?

HERMANN.

Was du für Fragen tust, so wahr ich lebe!

THUSNELDA.

Nun ja! Wie nutzen sie, bei allen Nornen!

Auf welche Art gebrauchen sie die Dinge?

Sie können doch die fremden Locken nicht

An ihre eignen knüpfen, nicht die Zähne

Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen?

HERMANN.

Aus ihrem eignen Schädel wachsen machen!

THUSNELDA.

Nun also! Wie verfahren sie? So sprich!

HERMANN mit Laune.

Die schmutz'gen Haare schneiden sie sich ab,

Und hängen unsre trocknen um die Platte!

Die Zähne reißen sie, die schwarzen, aus,

Und stecken unsre weißen in die Lücken!

THUSNELDA.

Was!

HERMANN.

In der Tat! Ein Schelm, wenn ich dir lüge. –

THUSNELDA glühend.

Bei allen Rachegöttern! Allen Furien!

Bei allem, was die Hölle finster macht!

Mit welchem Recht, wenn dem so ist,

Vom Kopf uns aber nehmen sie sie weg?

HERMANN.

Ich weiß nicht, Thuschen, wie du heut dich stellst.

Steht August nicht, mit den Kohorten,

In allen Ländern siegreich aufgepflanzt?

Für wen erschaffen ward die Welt, als Rom?

Nimmt August nicht dem Elefanten

Das Elfenbein, das Öl der Bisamkatze,

Dem Panthertier das Fell, dem Wurm die Seide?

Was soll der Deutsche hier zum voraus haben?

THUSNELDA sieht ihn an.

Was wir zum voraus sollen –?

HERMANN.

Allerdings.

THUSNELDA.

Daß du verderben müßtest, mit Vernünfteln!

Das sind ja Tiere, Querkopf, der du bist,

Und keine Menschen!

HERMANN.

Menschen! Ja, mein Thuschen,

Was ist der Deutsche in der Römer Augen?

THUSNELDA.

Nun, doch kein Tier, hoff ich –?

HERMANN.

Was? – Eine Bestie,

Die auf vier Füßen in den Wäldern läuft!

Ein Tier, das, wo der Jäger es erschaut,

Just einen Pfeilschuß wert, mehr nicht,

Und ausgeweidet und gepelzt dann wird!

THUSNELDA.

Ei, die verwünschte Menschenjägerei!

Ei, der Dämonenstolz! Der Hohn der Hölle!

HERMANN lacht.

Nun wird ihr bang, um ihre Zähn und Haare.

THUSNELDA.

Ei, daß wir, wie die grimm'gen Eber, doch

Uns über diese Schützen werfen könnten!

HERMANN ebenso.

Wie sie nur aussehn wird! Wie 'n Totenkopf!

THUSNELDA.

Und diese Römer nimmst du bei dir auf?

HERMANN.

Ja, Thuschen! Liebste Frau, was soll ich machen?

Soll ich, um deiner gelben Haare,

Mit Land und Leut in Kriegsgefahr mich stürzen?

THUSNELDA.

Um meiner Haare! Was? Gilt es sonst nichts?

Meinst du, wenn Varus so gestimmt, er werde

Das Fell dir um die nackten Schultern lassen?

HERMANN.

Sehr wahr, beim Himmel! Das bedacht ich nicht.

Es sei! Ich will die Sach mir überlegen.

THUSNELDA.

Dir überlegen! – Er rücket ja schon ein!

HERMANN.

Je nun, mein Kind. Man schlägt ihn wieder 'naus.

 

Sie sieht ihn an.

 

THUSNELDA.

Ach, geh! Ein Geck bist du, ich seh's, und äffst mich!

Nicht, nicht? Gesteh's mir nur: du scherztest bloß?

HERMANN küßt sie.

Ja. – Mit der Wahrheit, wie ein Abderit.

– Warum soll sich, von seiner Not,

Der Mensch, auf muntre Art, nicht unterhalten? –

Die Sach ist zehnmal schlimmer, als ich's machte,

Und doch auch, wieder so betrachtet,

Bei weitem nicht so schlimm. – Beruh'ge dich.

 

Pause.

 

THUSNELDA.

Nun, meine goldnen Locken kriegt er nicht!

Die Hand, die in den Mund mir käme,

Wie jener Frau, um meiner Zähne:

Ich weiß nicht, Hermann, was ich mit ihr machte.

HERMANN lacht.

Ja, liebste Frau, da hast du recht! Beiß zu!

Danach wird weder Hund noch Katze krähen. –

THUSNELDA.

Doch sieh! Wer fleucht so eilig dort heran?

 

 

Vierter Auftritt

Ein Cherusker tritt auf. Die Vorigen.

 

DER CHERUSKER.

Varus kömmt!

HERMANN erhebt sich.

Was! Der Feldherr Roms! Unmöglich!

Wer war's, der mir von seinem Einzug

In Teutoburg die Nachricht geben wollte?

 

 

Fünfter Auftritt

Varus tritt auf. Ihm folgen Ventidius, der Legat; Crassus und Septimius, zwei römische Hauptleute; und die deutschen Fürsten Fust, Gueltar und Aristan. – Die Vorigen.

 

HERMANN indem er ihm entgegengeht.

Vergib, Quintilius Varus, mir,

Daß deine Hoheit mich hier suchen muß!

Mein Wille war, dich ehrfurchtsvoll

In meines Lagers Tore einzuführen,

Oktav August in dir, den großen Kaiser Roms,

Und meinen hochverehrten Freund, zu grüßen.

VARUS.

Mein Fürst, du bist sehr gütig, in der Tat.

Ich hab von außerordentlichen

Unordnungen gehört, die die Kohorten sich

In Helakon und Herthakon erlaubt;

Von einer Wodanseiche unvorsichtiger

Verletzung – Feuer, Raub und Mord,

Die dieser Tat unsel'ge Folgen waren,

Von einer Aufführung, mit einem Wort,

Nicht eben, leider! sehr geschickt,

Den Römer in Cheruska zu empfehlen.

Sei überzeugt, ich selbst befand mich in Person

Bei keinem der drei Heereshaufen,

Die von der Lippe her ins Land dir rücken.

Die Eiche, sagt man zwar, ward nicht aus Hohn verletzt,

Der Unverstand nur achtlos warf sie um;

Gleichwohl ist ein Gericht bereits bestellt,

Die Täter aufzufahn, und morgen wirst du sie,

Zur Sühne deinem Volk, enthaupten sehn.

HERMANN.

Quintilius! Dein erhabnes Wort beschämt mich!

Ich muß dich für die allzuraschen

Cherusker dringend um Verzeihung bitten,

Die eine Tat sogleich, aus Unbedacht geschehn,

Mit Rebellion fanatisch strafen wollten.

Mißgriffe, wie die vorgefallnen, sind

Auf einem Heereszuge unvermeidlich.

Laß diesen Irrtum, ich beschwöre dich,

Das Fest nicht stören, das mein Volk,

Zur Feier deines Einzugs, vorbereitet.

Gönn mir ein Wort zugunsten der Bedrängten,

Die deine Rache treffen soll:

Und weil sie bloß aus Unverstand gefehlt,

So schenk das Leben ihnen, laß sie frei!

VARUS reicht ihm die Hand.

Nun, Freund Armin; beim Jupiter, es gilt!

Nimm diese Hand, die ich dir reiche,

Auf immer hast du dir mein Herz gewonnen! –

Die Frevler, bis auf einen, sprech ich frei!

Man wird den Namen ihres Retters ihnen nennen,

Und hier im Staube sollen sie,

Das Leben dir, das mir verwirkt war, danken. –

Den einen nur behalt ich mir bevor,

Der, dem ausdrücklichen Ermahnungswort zuwider,

Den ersten Schlag der Eiche zugefügt;

Der Herold hat es mehr denn zehnmal ausgerufen,

Daß diese Eichen heilig sind,

Und das Gesetz verurteilt ihn des Kriegs,

Das kein Gesuch entwaffnen kann, nicht ich.

HERMANN.

– Wann du auf immer jeden Anlaß willst,

Der eine Zwistigkeit entflammen könnte,

Aus des Cheruskers treuer Brust entfernen,

So bitt ich, würd'ge diese Eichen,

Quintilius, würd'ge ein'ger Sorgfalt sie.

Von ihnen her rinnt einzig fast die Quelle

Des Übels, das uns zu entzweien droht.

Laß irgend, was es sei, ein Zeichenbild zur Warnung,

Wenn du dein Lager wählst, bei diesen Stämmen pflanzen:

So hast du, glaub es mir, für immer

Den wackern Eingebornen dir verbunden.

VARUS.

Wohlan! – Woran erkennt man diese Eichen?

HERMANN.

An ihrem Alter und dem Schmuck der Waffen,

In ihres Wipfels Wölbung aufgehängt.

VARUS.

Septimius Nerva!

SEPTIMIUS tritt vor.

Was gebeut mein Feldherr?

VARUS.

Laß eine Schar von Römern gleich

Sich in den Wald zerstreun, der diese Niederlassung,

Cheruskas Hauptplatz Teutoburg umgibt.

Bei jeder Eiche grauen Alters,

In deren Wipfel Waffen aufgehängt,

Soll eine Wache von zwei Kriegern halten,

Und jeden, der vorübergeht, belehren,

Daß Wodan in der Nähe sei.

Denn Wodan ist, daß ihr's nur wißt, ihr Römer,

Der Zeus der Deutschen, Herr des Blitzes

Diesseits der Alpen, so wie jenseits der;

Er ist der Gott, dem sich mein Knie sogleich,

Beim ersten Eintritt in dies Land, gebeugt;

Und kurz, Quintilius, euer Feldherr, will

Mit Ehrfurcht und mit Scheu, im Tempel dieser Wälder,

Wie den Olympier selbst, geehrt ihn wissen.

SEPTIMIUS.

Man wird dein Wort, O Herr, genau vollziehn.

VARUS zu Hermann.

Bist du zufrieden, Freund?

HERMANN.

Du überfleuchst,

Quintilius, die Wünsche deines Knechts.

VARUS nimmt ein Kissen, auf welchem Geschenke liegen, aus der Hand eines Sklaven, und bringt sie der Thusnelda.

Hier, meine Fürstin, überreich ich dir,

Von August, meinem hohen Herrn,

Was er für dich mir jüngsthin zugesandt,

Es sind Gesteine, Perlen, Federn, Öle –

Ein kleines Rüstzeug, schreibt er, Kupidos.

August, erlauchte Frau, bewaffnet deine Schönheit,

Damit du Hermanns großes Herz,

Stets in der Freundschaft Banden ihm erhaltest.

THUSNELDA empfängt das Kissen und betrachtet die Geschenke.

Quintilius! Dein Kaiser macht mich stolz.

Thusnelda nimmt die Waffen an,

Mit dem Versprechen, Tag und Nacht,

Damit geschirrt, für ihn zu Feld zu ziehn.

 

Sie übergibt das Kissen ihren Frauen.

 

VARUS zu Hermann.

Hier stell ich Gueltar, Fust dir und Aristan,

Die tapfern Fürsten Deutschlands vor,

Die meinem Heereszug sich angeschlossen.

 

Er tritt zurück und spricht mit Ventidius.

 

HERMANN indem er sich dem Fürsten der Cimbern nähert.

Wir kennen uns, wenn ich nicht irre, Fust,

Aus Gallien, von der Schlacht des Ariovist.

FUST.

Mein Prinz, ich kämpfte dort an deiner Seite.

HERMANN lebhaft.

Ein schöner Tag, beim hohen Himmel,

An den dein Helmbusch lebhaft mich erinnert!

– Der Tag, an dem Germanien zwar

Dem Cäsar sank, doch der zuerst

Den Cäsar die Germanier schätzen lehrte.

FUST niedergeschlagen.

Mir kam er teuer, wie du weißt, zu stehn.

Der Cimbern Thron, nicht mehr, nicht minder,

Den ich nur Augusts Gnade jetzt verdanke. –

HERMANN indem er sich zu dem Fürsten der Nervier wendet.

Dich, Gueltar, auch sah ich an diesem Tag?

GUELTAR.

Auf einen Augenblick. Ich kam sehr spät.

Mich kostet' er, wie dir bekannt sein wird,

Den Thron von Nervien; doch August hat

Mich durch den Thron von Äduen entschädigt.

HERMANN indem er sich zu dem Fürsten der Ubier wendet.

Wo war Aristan an dem Tag der Schlacht?

ARISTAN kalt und scharf.

Aristan war in Ubien,

Diesseits des Rheines, wo er hingehörte.

Aristan hat das Schwert niemals

Den Cäsarn Roms gezückt, und er darf kühnlich sagen:

Er war ihr Freund, sobald sie sich

Nur an der Schwelle von Germania zeigten.

HERMANN mit einer Verbeugung.

Arminius bewundert seine Weisheit.

– Ihr Herrn, wir werden uns noch weiter sprechen.

 

Ein Marsch in der Ferne.

 

 

Sechster Auftritt

Ein Herold tritt auf. Bald darauf das Römerheer. – Die Vorigen.

 

DER HEROLD zum Volk das zusammengelaufen.

Platz hier, beliebt's euch, ihr Cherusker!

Varus', des Feldherrn Roms, Liktoren

Nahn festlich an des Heeres Spitze sich!

THUSNELDA.

Was gibt's?

SEPTIMIUS nähert sich ihr.

Es ist das Römerheer,

Das seinen Einzug hält in Teutoburg!

HERMANN zerstreut.

Das Römerheer?

 

Er beobachtet Varus und Ventidius, welche heimlich miteinander sprechen.

 

THUSNELDA.

Wer sind die ersten dort?

CRASSUS.

Varus' Liktoren, königliche Frau,

Die des Gesetzes heil'ges Richtbeil tragen.

THUSNELDA.

Das Beil? Wem! Uns?

SEPTIMIUS.

Vergib! Dem Heere,

Dem sie ins Lager feierlich voranziehn.

 

Das Römerheer zieht in voller Pracht vorüber.

 

VARUS zu Ventidius.

Was also, sag mir an, was hab ich

Von jenem Hermann dort mir zu versehn?

VENTIDIUS.

Quintilius! Das faß ich in zwei Worten!

Er ist ein Deutscher.

In einem Hämmling ist, der an der Tiber graset,

Mehr Lug und Trug, muß ich dir sagen,

Als in dem ganzen Volk, dem er gehört. –

VARUS.

So kann ich, meinst du, dreist der Sueven Fürsten

Entgegenrücken? Habe nichts von diesem,

Bleibt er in meinem Rücken, zu befürchten?

VENTIDIUS.

Sowenig, wiederhol ich dir,

Als hier von diesem Dolch in meinem Gurt. –

VARUS.

Ich werde doch den Platz, in dem Cheruskerland,

Beschaun, nach des Augusts Gebot,

Auf welchem ein Kastell erbaut soll werden.

– Marbod ist mächtig, und nicht weiß ich,

Wie sich am Weserstrom das Glück entscheiden wird.

 

Er sieht ihn fragend an.

 

VENTIDIUS.

Das lob ich sehr.