Die Sonne gefiel mir. Der Gesang der Amseln gefiel mir. Er war golden wie die morgendliche Sonne. Selbst das Mädchen in Blau war golden wie die Sonne. Vor lauter Gold sah ich zuerst gar nicht den Gast, der mich erwartete. Ich nahm ihn erst ein paar Sekunden – oder waren es Minuten? – später wahr. Da saß er nun, hager, schwarz, stumm, auf dem einzigen Stuhl, der in unserm Vorzimmer stand, und er rührte sich nicht, als ich eintrat. Und obwohl sein Haar und sein Schnurrbart so schwarz waren, seine Hautfarbe so braun war, war er doch inmitten des morgendlichen Goldes im Vorzimmer wie ein Stück Sonne, ein Stück einer fernen südlichen Sonne allerdings. Er erinnerte mich auf den ersten Blick an meinen seligen Vater. Auch er war so hager und so schwarz gewesen, so braun und so knochig, dunkel und ein echtes Kind der Sonne, nicht wie wir, die Blonden, die wir nur Stiefkinder der Sonne sind. Ich spreche Slowenisch, mein Vater hatte mich diese Sprache gelehrt. Ich begrüßte meinen Vetter Trotta auf slowenisch. Er schien sich darüber durchaus nicht zu wundern. Es war selbstverständlich. Er erhob sich nicht, er blieb sitzen. Er reichte mir die Hand. Er lächelte. Unter seinem blauschwarzen Schnurrbart schimmerten blank die starken, großen Zähne. Er sagte mir sofort du. Ich fühlte: dies ist ein Bruder, kein Vetter! Meine Adresse hatte er vom Notar. »Dein Vater«, so begann er, »hat mir 2000 Gulden vermacht, und ich bin hierhergekommen, um sie abzuholen. Ich bin zu dir gegangen, um dir zu danken. Morgen will ich wieder heimkehren. Ich habe noch eine Schwester, die will ich jetzt verheiraten. Mit 500 Gulden Mitgift kriegt sie den reichsten Bauern von Sipolje.«
»Und der Rest?« fragte ich.
»Den behalt' ich«, sagte er heiter. Er lächelte, und es schien mir, als strömte die Sonne noch stärker in unser Vorzimmer.
»Was willst du mit dem Geld?« fragte ich.
»Ich werde mein Geschäft vergrößern«, erwiderte er. Und als gehörte es sich jetzt erst, mir den Namen zu nennen, erhob er sich von seinem Sitz, es war eine kühne Sicherheit, mit der er aufstand, und eine rührende Feierlichkeit, mit der er seinen Namen nannte. »Ich heiße Joseph Branco«, sagte er.
Da erst fiel mir ein, daß ich in Schlafrock und Pantoffeln vor meinem Gast stand. Ich bat ihn zu warten und ging in mein Zimmer, um mich anzukleiden.
III
Es mochte etwa sieben Uhr morgens gewesen sein, als wir ins Café Magerl kamen. Die ersten Bäckerjungen trafen ein, schneeweiß und nach reschen Kaisersemmeln duftend, nach Mohnstrizzeln und nach Salzstangeln.
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