MATFRIED.

Nein, mein König,

Wir dienen Eurem Recht, nicht Eurem Haß.

HUGO.

Wir alle hatten einmal eine Mutter,

Und was Ihr tut an Eurem jüngsten Bruder,

Ist wider Satzung und Gefühl.

ALLE.

So ist es!

KARL.

Was spricht er von der Mutter! Was geht vor?

Erklärt es mir –

WALA.

Laßt, teurer, junger König,

Es ist nur ein Gerücht, das uns erschreckt.

ABDALLAH.

Gerücht? Nur ein Gerücht?

KARL.

Was weiß der Maure?

LUDWIG.

Nichts weiß er, nichts!

ABDALLAH.

Du Sohn der schönen Judith,

Des Schleiers denke, der im Garten rauschte,

Zur Mitternacht, zur Zeit verbuhlter Liebe.

LUDWIG.

Reißt ihn hinweg!

 

Alle stürzen sich auf Abdallah.

 

ABDALLAH sträubt sich.

Ihr sollt mich reden lassen –

Hamatelliwas denke, welche drüben

Erschlagen liegt vom Buhlen deiner Mutter –

Erfahre seinen Namen –

LUDWIG.

Reißt ihn fort.

Sperrt den verfluchten Mund ihm!

 

Sie reißen Abdallah hinaus.

 

ABDALLAH wendet im Abgehen das Haupt.

Bernhard!!

KARL aufschreiend.

Ah!!

 

Bricht in die Knie.

 

WALA tritt zu ihm.

Stark, junger Fürst, seid stark –

KARL.

Hier kommt etwas,

Das wie der Wahnsinn aussieht! Bringt mein Pferd,

Bringt augenblicks mein Pferd!

LUDWIG.

Ich reite mit dir.

KARL.

Niemand begleite mich! Verflucht das Auge,

Das meinem Wege folgt, verflucht das Ohr,

Das meine Worte hört! Laßt mich allein sein

Auf dieser Welt mit einer Einzigen!

 

Er springt auf und stürzt durch die Mitte ab.

 

LUDWIG.

Hier nun verbünde ich mich seinem Rechte:

Karl soll der König sein von Aquitanien.

 

Beifälliges Gemurmel.

 

LOTHAR.

Ei, seht, wie rasch man hier die Kön'ge macht.

Ich denk', man fragt auch mich?

LUDWIG.

Erkennst du ihn

Als König an?

LOTHAR.

Und wenn ich sagte nein?

LUDWIG.

Dann mit der stahlbewehrten Faust des Krieges

Greif' ich dich an, bis daß du ja gesagt.

MATFRIED.

Es scheint uns gut, was König Ludwig sagte.

HUGO.

Karl soll der König sein!

ALLE.

Er sei's! Er sei's!

LOTHAR.

Spart Euch den Lärm, ich weiß auch ohne Euch,

Daß zwanzig Stimmen lauter sind als eine. –

So sei er König.

LUDWIG.

Das ist nicht genug.

Du sollst mit mir vor unseres Vaters Antlitz

Bekräft'gen dein Versprechen.

LOTHAR.

Ha – auch das noch?

MATFRIED.

Ihr sollt es tun, Ihr sollt mit Eurem Vater

Versöhnung schließen.

ALLE.

Ja das sollt Ihr! Sollt Ihr!

LOTHAR.

Ah – Felonie!

MATFRIED.

Noch nicht, doch treibt's nicht weiter!

Vasallen sind wir, aber keine Knechte.

Ihr kennt nicht Sohnespflicht, nicht Bruderpflicht,

So sollt Ihr auch nicht Pflichten fordern dürfen

Von andren – vor die Füße werf' ich Euch

Die Treue des Vasallen, kämpft alleine

Für Euer Recht!

ALLE.

Alleine, kämpft alleine!

 

Pause.

 

LOTHAR.

Die Pferde vor und auf den Weg zum Kaiser!

 

Verwandlung.

 

 

Zweite Szene

Inneres des kaiserlichen Zeltes; in der Mitte eine große geschlossene Zelttür; rechts und links kleinere Türen.

 

Erster Auftritt

Bernhard. Rudthardt. Ottgar.

 

RUDTHARDT.

Herzog, nun sagt, wie geht es mit dem Kaiser?

BERNHARD.

Ihr Herrn, ich darf Euch nicht mit Hoffnung täuschen,

Der Kaiser ist weit kränker, als man glaubt.

OTTGAR.

Solch plötzlich Unheil –

BERNHARD.

Ja, sehr wahr – so plötzlich,

Daß man – – nun wohl, Ihr wißt so gut ich,

Wem diese Krankheit Nutzen bringt und Vorteil.

Natur ist unsren Feinden seltsam günstig!

RUDTHARDT.

Ihr scheint noch mehr zu meinen, als Ihr sagt?

BERNHARD.

Ei nun – ich dachte, daß es Mittel gibt,

Nach unsrem Willen die Natur zu leiten.

RUDTHARDT.

Arzneien, meint Ihr das?

BERNHARD.

Man ruft auch Krankheit,

Wenn die Gesundheit überlästig wird.

RUDTHARDT.

Das wäre – Gift!

OTTGAR.

Um Gott, was sprecht Ihr da?

BERNHARD.

Ich sage nicht, sie taten's – doch ich sage,

Betrachtet, welchen Gang die Dinge gehn,

Und sagt, es sei undenkbar.

RUDTHARDT.

Gift! Dem Vater!

Und dennoch – greuelvolle Möglichkeit.

BERNHARD.

Setzt nun den Fall, der Kaiser stirbt – was dann?

OTTGAR.

Ja freilich auch – was dann?

RUDTHARDT.

Dann kommt Lothar.

BERNHARD.

Und dann?

RUDTHARDT.

Nun, was dann weiter noch geschieht,

Wird seine Sorge sein; gut wird es nicht.

BERNHARD.

Euch sagt des Herzens richtiges Gefühl,

Was wir von diesem Mann zu hoffen haben.

Sagt, wollt Ihr willig an den Block Euch geben?

Und soll Lothar der Kaiser sein?

OTTGAR.

Was tun?

Er ist und bleibt des Kaisers ältster Sohn;

Wer kann ihm wehren?

BERNHARD.

Wir, wenn Ihr mir folgt.

RUDTHARDT.

Das wäre – laßt uns wissen.

BERNHARD.

Hört mich;

Den Augenblick, da Kaiser Ludwig stirbt,

Den laßt uns wahren. Diesem Frankenreich,

Das wie ein kopflos ungeheurer Rumpf

Im Taumel gehn wird, laßt ein Haupt uns finden

Und unser ist der Sieg.

RUDTHARDT.

Und dieses Haupt?

BERNHARD.

Ist Karl. Er soll der Kaiser sein der Franken!

RUDTHARDT.

Kühn – kühn bei Gott.

OTTGAR.

Ein Plan der mit dem Rechte

Sich schwer vereint.

BERNHARD.

Im Buch der Weltgeschichte

Gibt's nur ein einzig Recht, es heißt Erfolg.

Und den versprech' ich Euch.

RUDTHARDT.

Versprecht Ihr den?

Seid Ihr gewiß, daß Karl bereit sich findet?

BERNHARD.

Karl ist bereit.

RUDTHARDT.

So spracht Ihr schon mit ihm?

BERNHARD.

Es ist geschehn. Wenn ich Euch Pläne biete,

So seid gewiß: es ist geklärter Wein.

RUDTHARDT.

Wahr ist's, und ich erkenn' es willig an.

Karl, Ludwigs jüngster Sohn, sei unser Kaiser.

OTTGAR.

Nun, Rudthardt, wenn Ihr meint – ich bin dabei.

BERNHARD streckt ihnen die Hände zu.

Schlagt ein, Ihr Herrn – so darf ich auf Euch zählen?

RUDTHARDT schlägt ein.

Ruft mich, Ihr sollt mich finden.

OTTGAR desgleichen.

So auch mich.

RUDTHARDT.

Ich gehe jetzt und mustre unsre Stellung;

Begleitet Ihr mich, Ottgar?

OTTGAR.

Ja, ich komme.

 

Beide ab nach rechts.

 

BERNHARD allein.

Wißt Ihr's, wem diese Krankheit Vorteil bringt?

Ah – wie sich Stufe mächtig baut an Stufe,

Wie Ring in Ring sich fügt – und diese Hände,

Gleich zwei Titanen voll allmächtiger Kraft,

Zu Füßen mir zu ketten diese Welt!

Nun könnt' ich wie ein König der Ägypter

Anbetend knien vor meinem Genius.

Wohl weiß ich, unterm Grundstein meines Bau's

Liegt ein Begrabener Kaiser; aus der Tiefe

Sieht Ludwig mich mit toten Augen an

Und murrt mit fahlen Lippen: »Du«. Ja ich denn!

Mit meiner Mutter rechtet, der Natur.

Auch sie trägt Blutschuld; eine jede Stunde

Sieht tausendfält'gen Tod, dem Schwächeren

Vom Stärkeren verhängt. – Und dies Wort »Schuld«

Ist nur der Seufzer der Ertrinkenden,

Die in dem Lebensozean der Kräfte

Zu schwach zum Schwimmen. – Du sei meine Göttin,

Die du den Abgrund zwischen Recht und Unrecht

Im Löwensprunge überwältigst: Tat!

 

 

Zweiter Auftritt

Judith von links.

 

JUDITH.

O Herzog, er ist krank, zum Tode krank.

BERNHARD.

Mut, teures Herz, ich weiß, daß er es ist,

Kön'ge sind Menschen, Tod ist Menschenlos.

JUDITH.

Doch jetzt in dieser Stunde der Gefahren,

Wenn jetzt er stirbt?

BERNHARD.

So bist du heute abend

Die Mutter eines Kaisers.

JUDITH.

Bernhard?

BERNHARD.

Hör':

Sag' deinem Sohne, alles ist bereit,

Das Heer ist unser, wenn sein Vater stirbt,

So ruf' ich ihn zum Kaiser aus der Franken.

JUDITH.

Wär's möglich, Bernhard?

BERNHARD.

Mehr, es ist gewiß.

Gieß in das Herz ihm deine Flammenworte,

Damit er stark sei – Mut – die Wogen rollen,

Noch einen Ruderschlag – wir sind am Ziel.

JUDITH.

Doch Karl – er fehlt seit gestern – weißt du das?

BERNHARD.

Was sagst du mir?

JUDITH.

Er ließ das Roß sich zäumen

Und ritt hinaus zur Nacht.

BERNHARD.

Höchst sonderbar –

Und kam noch nicht zurück?

JUDITH.

Ich sah ihn nicht.

BERNHARD.

Er wird auf Kundschaft ausgeritten sein,

Ich gehe gleich und suche ihn im Lager;

Befürchte nichts.

JUDITH.

O wäre ich wie du –

Bernhard, ich fürchte mich.

BERNHARD.

Du fürchtest dich

Und weißt, ich lebe? Mut, geliebtes Herz,

Wer landen will, darf nicht die Brandung fürchten –

O Judith – bald ist nichts mehr, was uns trennt.

 

Er führt sie nach rechts, dort verläßt er sie, indem er nach rechts abgeht, währenddessen erscheint.

 

 

Dritter Auftritt

Karl aus der Mitte und bleibt, beiden nachsehend, stehen.

 

JUDITH wendet sich, gewahrt ihn.

Ah – du kamst wieder?

 

Geht auf ihn zu.

 

Sprich, wo gingst du hin?

KARL tritt einen Schritt zurück, da sie die Arme ausbreitet, um ihn zu umarmen.

Bernhard war bei dir?

JUDITH.

Ja, er ging hinaus,

Im Lager dich zu suchen; sag', wo warst du?

KARL.

Bernhard war bei dir?

JUDITH.

Also sagte ich.

 

Pause.

 

JUDITH.

Dein Aug' ist düster, was geschah dort draußen?

Du blickst mich an, als kenntest du mich nicht?

KARL.

Die Augen sind's voll süßer Majestät –

Die Stimme – alles ist's was ich besaß –

O nein – nicht wahr, du bist noch meine Mutter?

JUDITH.

Welch düstre Geister zeugte diese Nacht,

Die zwischen dich und deine Mutter traten?

KARL.

Geister von Fleisch und Blut. – Er war bei dir,

Was war's, wovon Ihr spracht?

JUDITH.

Du warst es.

KARL.

Ich?

JUDITH.

Ja, trauter Sohn, dein Heil und deine Größe,

Die ihm am Herzen ruhn.

KARL.

An seinem Herzen

Will ich nicht ruhn! Verdammt sei der Gedanke!

JUDITH.

O, dies ist undankbare Unnatur!

Du weißt, was er getan, so höre denn

Das Größte, was er dir zu tun gedenkt:

Die Großen unsres Heeres sind gewonnen,

Bereit ist alles, wenn dein Vater stirbt,

So wirst du Kaiser sein des Frankenreiches

KARL.

Ah – sagt' er das?

JUDITH.

Er hat es mir gesagt.

O du, mein Kind, für das ich jahrelang

In Angst gelebt, die Stunde ist gekommen,

Die all mein Sehnen krönt in dir – o Kind,

Vergälle nicht der Mutter diese Stunde!

KARL.

Und nannt' er auch den Preis für diese Krone?

JUDITH.

Den Preis? Was meinst du?

KARL.

Mutter – was ich meine?

JUDITH.

Um Gott – was lauert dir im Auge?

KARL.

Mutter,

Die Krone will ich nicht, die du mir bietest,

Viel Höh'res, Teureres verlang' ich!

JUDITH.

Was?

KARL fällt vor ihr nieder, sie umschlingend.

Mutter, gib meine Mutter mir zurück!

JUDITH.

Gott helfe mir!

KARL.

Weißt du, was du mir warst?

Dies Licht des Lebens, das du mir geschenkt,

Es einte alle seine holden Strahlen

In einem himmlisch leuchtenden Juwel.

Dein Tun und Denken Muster war's des meinen,

Und wenn ich betete, so trat dein Bild

Dicht neben Gottes Bildnis. – Mutter – Mutter –

Gib das mir wieder.