Es war das ihre Art sich anzuschmeicheln, man fühlte ihre kalte Nase und das Streifen ihrer spitzen Zähne, während sie wie ein Teig knetender Bäckergeselle auf ihren Pfoten tanzte. Pauline war zwischen den beiden Tieren geradezu im siebenten Himmel; die Katze zur Linken, den Hund zur Rechten, von ihnen frech ausgebeutet, bis ihr ganzer Nachtisch an sie verteilt war.

»Schicke sie weg«, sagte ihre Tante. »Sie werden dir nichts übrig lassen.«

»Was tut es?« antwortete sie schlicht, in ihrem Glücke alles wegzugeben.

Man hatte das Mahl beendet. Veronika nahm die Gedecke fort. Die beiden Tiere zogen ab, als sie den Tisch leer sahen, ohne »Danke« zu sagen, indem sie sich ein letztes Mal beleckten.

Pauline war aufgestanden und stellte sich an das Fenster; sie versuchte die Dinge draußen zu erkennen. Seit der Suppe sah sie dieses Fenster sich verdunkeln und nach und nach schwarz wie die Tinte werden. Jetzt stand draußen eine undurchdringliche Wand, eine Masse von Finsternis, in der alles untergegangen war: der Himmel, das Wasser, das Dorf, selbst die Kirche. Ohne über die Neckereien ihres Vetters zu erschrecken, suchte sie das Meer; sie war von dem Verlangen gequält, zu wissen, bis wohin das Wasser steigen werde; sie hörte nur das Gebrause wachsen, eine laute ungeheuerliche Stimme, deren beständiges Drohen durch das Geheul des Windes und das Prasseln des Platzregens drang und mit jeder Minute anschwoll. Kein Schimmer mehr, nicht einmal das Weiße des Schaumes in diesem Dunkel; nur die vom Sturme gepeitschten Wogen inmitten dieses Nichts.

»Alle Wetter!« sagte Chanteau. »Die Flut kommt steif heran. Und sie hat noch zwei Stunden zu steigen.«

»Wenn der Wind von Norden wehte,« erklärte Lazare, »würde Bonneville elend daran sein, glaube ich. Zum Glück faßt er uns von der Seite.«

Die Kleine hatte sich umgedreht und hörte ihnen mit großen, von beunruhigtem Mitleid erfüllten Augen zu.

»Pah!« sagte Frau Chanteau, »wir sind in Sicherheit, mögen die andern sehen, wie sie durchkommen; ein jeder hat sein eigenes Häufchen Unglück. Sage, Herzchen, willst du eine Tasse recht heißen Tee? Und dann gehen wir schlafen.«

Veronika hatte über den abgedeckten Tisch eine alte, großgeblümte, rote Decke geworfen, an der die Familie ihre Abende zubrachte. Ein jeder nahm seinen Platz wieder ein. Lazare war einen Augenblick hinausgegangen und mit einem Tintenfaß, einer Feder und einer ganzen Handvoll Papier wiedergekommen. Er setzte sich unter die Lampe und begann Noten abzuschreiben. Frau Chanteau, deren zärtliche Blicke seit ihrer Heimkehr den Sohn nicht mehr verließen, wurde plötzlich sehr barsch.

»Bist du wieder bei deinen Noten? Kannst du uns nicht einmal am Tage meiner Heimkehr einen Abend schenken?«

»Aber, Mama, ich gehe doch nicht fort, ich bleibe bei dir... Du weißt sehr gut, daß das Abschreiben mich nicht an der Unterhaltung hindert. Sage mir etwas und ich werde dir antworten.«

Damit versenkte er sich in seine Arbeit, während er zugleich eine Hälfte des Tisches mit seinen Papieren bedeckte. Chanteau hatte sich gemütlich in seinem Lehnstuhl ausgestreckt und ließ die Hände wie entkräftet ruhen. Mathieu schlief vor dem Feuer, während Minouche mit einem Satze wieder auf die Decke gesprungen war und großen Putz machte; mit einem Bein in der Luft leckte sie sich vorsichtig das Haar am Bauche. Eine wohltuende Traulichkeit schien von der kupfernen Hängelampe niederzuströmen, und bald konnte Pauline, die mit halbgeschlossenen Augen ihrer neuen Familie zulächelte, von Mattigkeit überwältigt, von der Wärme gelähmt, dem Schlaf nicht widerstehen. Sie ließ ihren Kopf niedergleiten und schlummerte in der Höhlung ihres gekrümmten Armes unter der ruhigen Helle der Lampe ein. Ihre feinen Augenwimpern glichen einem über ihren Augen gezogenen Seidenschleier, ein leises, regelmäßiges Atmen entströmte ihren Lippen.

»Sie kann sich nicht länger halten«, sagte Frau Chanteau und dämpfte die Stimme. »Wir werden sie wecken, daß sie ihren Tee trinkt, und bringen sie dann zu Bett.«

Es trat jetzt tiefe Stille ein. Im Brausen des Sturmes hörte man nur die Feder Lazares. Es war ein tiefer Friede, die Schlafsucht der alten Gewohnheiten, das allabendlich an derselben Stelle wiedergekäute Leben. Lange schauten sich Vater und Mutter an, ohne etwas zu sagen. Endlich fragte Chanteau zögernd:

»Wird Davoine in Caen einen guten Abschluß machen?«

Sie zuckte wütend die Achseln.

»Jawohl, ja, einen guten Abschluß... Sagte ich dir nicht, der läßt dich hineinziehen!?«

Da die Kleine jetzt schlief, konnte man plaudern.