»Sie können ihn doch warnen, daß er zu Hause bleibt.«
»Und denen in die Hand spielen?« erwiderte er heftig. »Wenn er nicht kommt, gewinnen sie auch, denn er ist der einzige Mann, der in dem Wirrwarr Ordnung scharfen kann. Und wenn seine Regierung gewarnt wird, dann kommt er nicht, denn er weiß nicht, wieviel am 15. Juni auf dem Spiel steht.«
»Und was ist mit der britischen Regierung?« meinte ich. »Sie wird doch ihren Gast nicht ermorden lassen. Geben Sie ihr einen Tip, dann werden die nötigen Maßnahmen getroffen.«
»Das hilft nichts. Sie könnten diese Stadt mit Zivildetektiven vollstopfen und die Polizei verdoppeln, und Konstantin wäre trotzdem verloren. Meine Freunde spielen nicht um Zuckerbrot. Sie wollen ganz groß starten, vor den Augen von ganz Europa. Ein Österreicher wird ihn ermorden, und alles wird darauf hindeuten, daß die großen Herren in Wien und Berlin ein Auge zugedrückt haben. Das ist natürlich alles erstunken und erlogen, aber auf die Öffentlichkeit wird es unheimlich genug wirken. Ich rede hier nicht das Blaue vom Himmel herunter, mein Freund. Zufällig kenne ich jede Einzelheit der Höllenmaschine und kann Ihnen versichern, daß es sich um die vollkommenste Intrige seit den Borgias handelt. Aber sie wird fehlschlagen, wenn ein gewisser Mann, der das Räderwerk genau kennt, am 15. Juni hier in London am Leben ist. Und der Mann wird Ihr gehorsamster Diener Franklin P. Scudder sein.«
Der Kleine wurde mir immer sympathischer. Seine Kiefer waren zugeschnappt wie eine Rattenfalle, und Kampflust blitzte in seinem scharfen Blick. "Wenn er mir etwas vorschwindelte, dann konnte er die Rolle fürwahr überzeugend spielen.
»Wie haben Sie denn das alles herausgekriegt?« fragte ich.
»Die erste Andeutung fand ich in einem Gasthaus am Achensee in Tirol. Die brachte mich auf die Spur, und auf weitere Spuren stieß ich in einem Pelzgeschäft im galizischen Viertel von Buda, in einem Fremdenklub in Wien und in einer kleinen Buchhandlung um die Ecke von der Racknitzstraße in Leipzig. Vor zehn Tagen fand ich in Paris, was mir noch fehlte. Ich kann Ihnen die Einzelheiten jetzt nicht erzählen, denn das ist eine lange Geschichte. Als ich ganz sicher war, hielt ich es für ratsam, zu verschwinden, und auf den seltsamsten Umwegen bin ich hierher gekommen. Ich verließ Paris als junger franko-amerikanischer Stutzer und ging in Hamburg als jüdischer Diamantenhändler aufs Schiff. In Norwegen war ich ein englischer Student, der Material für Ibsenkollegs sammelte, und als ich Bergen verließ, war ich ein Kinomann mit Spezialfilmen vom Skilaufen. Hierher kam ich aus Leith mit einem Haufen Muster von Papierholzmasse in der Tasche für die Londoner Zeitungen. Bis gestern dachte ich, ich hätte meine Spur einigermaßen verwischt, und fühlte mich pudelwohl. Dann...« Die Erinnerung schien ihn aufzuregen, denn er stürzte noch einen Whisky hinunter.
»Dann sah ich draußen vor diesem Häuserblock einen Mann auf der Straße stehen. Ich bin immer den ganzen Tag in meinem Zimmer geblieben und erst nach Dunkelwerden auf eine Stunde oder zwei hinausgeschlüpft. Ich beobachtete ihn ein Weilchen von meinem Fenster aus und dachte, er komme mir bekannt vor...
1 comment