Zu kurzsichtig, mein Ganzes auszureichen, zu kleingeistisch, mein Großes zu begreifen, zu boshaft, mein Gutes wissen zu wollen, wird er, fürcht ich, fast meine Absicht vereiteln, wird vielleicht eine Apologie des Lasters, das ich stürze, darin zu finden meinen und seine eigene Einfalt den armen Dichter entgelten lassen, dem man gemeiniglich alles, nur nicht Gerechtigkeit widerfahren läßt.

Es ist das ewige Dacapo mit Abdera und Demokrit, und unsre gute Hippokrate müßten ganze Plantagen Nieswurz erschöpfen, wenn sie dem Unwesen durch ein heilsames Dekokt abhelfen wollten. Noch so viele Freunde der Wahrheit mögen zusammenstehen, ihren Mitbürgern auf Kanzel und Schaubühne Schule zu halten, der Pöbel hört nie auf, Pöbel zu sein, und wenn Sonne und Mond sich wandeln und Himmel und Erde veralten wie ein Kleid. Vielleicht hätt ich, den Schwachherzigen zu frommen, der Natur minder getreu sein sollen; aber wenn jener Käfer, den wir alle kennen, auch den Mist aus den Perlen stört, wenn man Exempel hat, daß Feuer verbrannt und Wasser ersäuft habe, soll darum Perle – Feuer – und Wasser konfisziert werden?

Ich darf meiner Schrift zufolge ihrer merkwürdigen Katastrophe mit Recht einen Platz unter den moralischen Büchern versprechen; das Laster nimmt den Ausgang, der seiner würdig ist. Der Verirrte tritt wieder in das Geleise der Gesetze. Die Tugend geht siegend davon. Wer nur so billig gegen mich handelt, mich ganz zu lesen, mich verstehen zu wollen, von dem kann ich erwarten, daß er – nicht den Dichter bewundere, aber den rechtschaffenen Mann in mir hochschätze.

Geschrieben in der Ostermesse. 1781.

Der Herausgeber.

 

 

Personen.

Maximilian, regierender Graf von Moor.

 

Karl,

Franz, , seine Söhne.

 

Amalia von Edelreich.

 

Spiegelberg,

Schweizer,

Grimm,

Razmann,

Schufterle,

Roller,

Kosinsky,

Schwarz, , Libertiner, nachher Banditen.

 

Hermann, Bastard von einem Edelmann.

 

Daniel, Hausknecht des Grafen von Moor.

 

Pastor Moser.

 

Ein Pater.

 

Räuberbande.

 

Nebenpersonen.

 

Der Ort der Geschichte ist Teutschland, die Zeit ohngefähr zwei Jahre.

 

 

Erster Akt

 

Erste Szene

Franken. Saal im Moorischen Schloß.

Franz. Der alte Moor.

 

FRANZ. Aber ist Euch auch wohl, Vater? Ihr seht so blaß.

DER ALTE MOOR. Ganz wohl, mein Sohn – was hattest du mir zu sagen?

FRANZ. Die Post ist angekommen – ein Brief von unserm Korrespondenten in Leipzig –

DER ALTE MOOR begierig. Nachrichten von meinem Sohne Karl?

FRANZ. Hm! Hm! – So ist es. Aber ich fürchte – ich weiß nicht – ob ich – Eurer Gesundheit? – Ist Euch wirklich ganz wohl, mein Vater?

DER ALTE MOOR. Wie dem Fisch im Wasser! Von meinem Sohne schreibt er? – Wie kommst du zu dieser Besorgnis? Du hast mich zweimal gefragt.

FRANZ. Wenn Ihr krank seid – nur die leiseste Ahndung habt, es zu werden, so laßt mich – ich will zu gelegnerer Zeit zu Euch reden. Halb vor sich. Diese Zeitung ist nicht für einen zerbrechlichen Körper.

DER ALTE MOOR. Gott! Gott! was werd ich hören?

FRANZ. Laßt mich vorerst auf die Seite gehn und eine Träne des Mitleids vergießen um meinen verlornen Bruder – ich sollte schweigen auf ewig – denn er ist Euer Sohn; ich sollte seine Schande verhüllen auf ewig – denn er ist mein Bruder. – Aber Euch gehorchen, ist meine erste, traurige Pflicht – darum vergebt mir.

DER ALTE MOOR. O Karl! Karl! Wüßtest du, wie deine Aufführung das Vaterherz foltert! Wie eine einzige frohe Nachricht von dir meinem Leben zehen Jahre zusetzen würde – mich zum Jüngling machen würde – da mich nun jede, ach! – einen Schritt näher ans Grab rückt!

FRANZ. Ist es das, alter Mann, so lebt wohl – wir alle würden noch heute die Haare ausraufen über Eurem Sarge.

DER ALTE MOOR. Bleib! – Es ist noch um den kleinen kurzen Schritt zu tun – laß ihm seinen Willen! Indem er sich niedersetzt. Die Sünden seiner Väter werden heimgesucht im dritten und vierten Glied – laß ihns vollenden.

FRANZ nimmt den Brief aus der Tasche. Ihr kennt unsern Korrespondenten! Seht! Den Finger meiner rechten Hand wollt ich drum geben, dürft ich sagen, er ist ein Lügner, ein schwarzer, giftiger Lügner – – Faßt Euch! Ihr vergebt mir, wenn ich Euch den Brief nicht selbst lesen lasse – noch dörft Ihr nicht alles hören.

DER ALTE MOOR. Alles, alles – mein Sohn, du ersparst mir die Krücke.

FRANZ liest. »Leipzig, vom 1. Mai.