Die Schnupftabaksdose

Ringelnatz, Joachim

Die Schnupftabaksdose

 

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Joachim Ringelnatz

Die Schnupftabaksdose

Stumpfsinn in Versen

1912

 

Die Schnupftabaksdose

Es war eine Schnupftabaksdose,

Die hatte Friedrich der Große

Sich selbst geschnitzelt aus Nußbaumholz.

Und darauf war sie natürlich stolz.

 

Da kam ein Holzwurm gekrochen.

Der hatte Nußbaum gerochen.

Die Dose erzählte ihm lang und breit

Von Friedrich dem Großen und seiner Zeit.

 

Sie nannte den alten Fritz generös.

Da aber wurde der Holzwurm nervös

Und sagte, indem er zu bohren begann:

»Was geht mich Friedrich der Große an!«

 

Ein männlicher Briefmark erlebte

Was Schönes, bevor er klebte.

Er war von einer Prinzessin beleckt.

Da war die Liebe in ihm erweckt.

 

Er wollte sie wiederküssen,

Da hat er verreisen müssen.

So liebte er sie vergebens.

Das ist die Tragik des Lebens!

Die Ameisen

 

In Hamburg lebten zwei Ameisen,

Die wollten nach Australien reisen.

Bei Altona auf der Chaussee

Da taten ihnen die Beine weh,

Und da verzichteten sie weise

Denn auf den letzten Teil der Reise.

 

So will man oft und kann doch nicht

Und leistet dann recht gern Verzicht.

 

War einmal ein Schwefelholz,

Das sich mit erhabnem Stolz

Einen Anarchisten nannte

Und ein ganzes Haus verbrannte.

Dieses war schon ungewöhnlich,

Doch es kannte auch persönlich

Meyers Taschenlexika,

Ganz speziell das Bändchen »A«,

Weshalb es sich nach dem Brande

An besagtes Bändchen wandte

Mit den Worten: »Sag, was ist

Eigentlich ein Anarchist?«

 

»Nein,« schimpfte die Ringelnatter, »die Mode

Von heutzutage, die wurmt mich zu Tode.

Jetzt soll man täglich, sage und schreibe,

Zweimal die Wäsche wechseln am Leibe.

Und immer schlimmer wird's mit den Jahren.

Es ist rein um aus der Haut zu fahren!«

So schimpfte die Ringelnatter laut,

Und wirklich fuhr sie aus der Haut.

 

Der Vorfall war nicht ohne Bedeutung,

Denn zoologisch nennt man das Häutung.

 

Es war ein Brikett, ein großes Genie,

Das Philosophie studierte

Und später selbst an der Akademie

Im gleichen Fache dozierte.

 

Es sprach zur versammelten Briketterie:

»Verehrliches Auditorium,

Das Leben – das Leben – beachten Sie –

Ist nichts als ein Provisorium.«

 

Da wurde als ketzerisch gleich verbannt

Der Satz mit dem Provisorium.

Das arme Brikett, das wurde verbrannt

In einem Privatkrematorium.

 

»Sie faule, verbummelte Schlampe,«

Sagte der Spiegel zur Lampe.

»Sie altes, schmieriges Scherbenstück,«

Gab die Lampe dem Spiegel zurück.

Der Spiegel in seiner Erbitterung

Bekam einen ganz gewaltigen Sprung.

Der zornigen Lampe verging die Puste.

Sie fauchte, rauchte, schwelte und rußte.

Das Stubenmädchen ließ beide in Ruhe

Und doch: Ihr schob man die Schuld in die Schuhe.

Das Schlüsselloch

 

Das Schlüsselloch, das im Haustor saß,

Erlaubte sich nachts einen Spaß.

Es nahten Studenten

Mit Schlüsseln in Händen.

Da dachte das listige Schlüsselloch:

Ich will mich verstecken,

Um sie zu necken!

 

Worauf es sich wirklich seitwärts verkroch.

Alsbald nun tasteten die Studenten

Suchend,

Fluchend,

Mit Händen

An Wänden.

Und weil sie nichts fanden, zogen sie weiter.

Schlüsselloch lachte heiter.

 

(Die Herren erreichten ihr Zimmer nimmer.

Eigentlich war die Sache noch schlimmer.

Ich selbst war nämlich bei den Studenten –

Doch lassen wir es dabei bewenden.)

 

Es trafen sich von ungefähr

Ein Wolf, ein Mensch, sowie ein Bär,

Und weil sie lange nichts gegessen,

So haben sie sich aufgefressen.

Der Wolf den Menschen, der den Bär,

Der Bär den Wolf. – Es schmeckte sehr

Und blieb nichts übrig als ein Tuch,

Drei Haare und ein Wörterbuch.

Das war der Nachlaß dieser drei.

Der eine Mensch, der hieß Karl May.

 

Ein Pflasterstein, der war einmal

Und wurde viel beschritten.

Er schrie: »Ich bin ein Mineral

Und muß mir ein für allemal

Dergleichen streng verbitten!«

 

Jedoch den Menschen fiel's nicht ein,

Mit ihm sich zu befassen,

Denn Pflasterstein bleibt Pflasterstein

Und muß sich treten lassen.

 

»Ruhe ist viel wert,«

Sagte das Nilpferd

Und setzte sich in 'was Weiches.

 

Der Elefant tat ein Gleiches.

 

Der Ohrwurm mochte die Taube nicht leiden.

Sie haßte den Ohrwurm ebenso.

Da trafen sich eines Tages die beiden

In einer Straßenbahn irgendwo.

 

Sie schüttelten sich erfreut die Hände

Und lächelten liebenswürdig dabei

Und sagten einander ganze Bände

Von übertriebener Schmeichelei.

 

Doch beide wünschten sich im stillen,

Der andre möge zum Teufel gehn,

Und da es geschah nach ihrem Willen,

So gab es beim Teufel ein Wiedersehn.

 

Es lebte an diskretem Orte

Ein Stückchen Seife, bester Sorte,

In einem Porzellanbehälter.

Das ward mit jedem Tage älter.

Weil es mit Moschusduft durchhaucht,

Ward es vom Menschen gern gebraucht.

Einstmals – das wann und wie ist schnuppe –

Geriet es in die Erbsensuppe.

Der Mensch benahm sich miserabel.

Er stach die Seife mit der Gabel,

Beroch sie roh und rief: »Pfui, Spinne!«

Da schwanden ihr vor Angst die Sinne.

 

Die Badewanne prahlte sehr.

Sie hielt sich für das Mittelmeer

Und ihre eine Seitenwand

Für Helgoländer Küstenland.

Die andre Seite – gab sie an –

Sei das Gebirge Hindustan,

Und ihre große Rundung sei

Bestimmt die Delagoabai.

Von ihrem spitzen Ende vorn

Erklärte sie, es sei Kap Horn.

Den Kettenzug am Regulator

Hielt sie sogar für den Äquator.

Sie war – nicht wahr, das merken Sie? –

Sehr schwach in der Geographie.

Dies eingebildete Bassin.

Es wohnte im Quartier latin.

 

Es waren einmal zwei Gummischuh,

Die waren stehen gelassen.

Ihr Herr, der suchte sie immerzu

Und konnte sie nirgend fassen.

 

Er suchte sie nah und suchte sie fern,

Er suchte sie vorn und hinten,

Und die Gummischuhe suchten den Herrn

Und konnten ihn nirgend finden.

 

Der Herr durchsuchte die ganze Welt;

Die Gummischuhe desgleichen,

Und wenn die Sache so weiter geht,

So werden sie nie sich erreichen.

 

Es bildete sich ein Gemisch

Von Stachelschwein und Tintenfisch.

Die Wissenschaft, die teilt es ein

In Stachelfisch und Tintenschwein.

Der Fisch bewohnt den Ozean.

Gefährlich ist es, ihm zu nahn.

Das Tintenschwein trifft man in Büchern,

An Fingerspitzen, Taschentüchern.

Es ist – das liegt ja auf der Hand –

Dem Igelschwein noch sehr verwandt.

 

Lackschuh sprach zum Wasserstiebel:

»Lieber Freund, du riechst so übel.

Und du bist nach meiner Meinung

Eine störende Erscheinung.

Darum muß wohl von uns beiden

Einer dieses Schuhhaus meiden.«

Stiefel lächelte dazu

Und begann: »Verehrter Schuh,

Wenn du jenes Sprichwort kennst:

Alles ist nicht Gold, was glänzt,

Nimm es besser dir zu Herzen,

Denn die Welt, sie liebt zu schwärzen,

Was da glänzt, auch zieht sie keck

Das Erhabne in den Dreck.

Will dein Lack mir auch gefallen,

Teurer Schuh, bedenke doch,

Wenn der Lack in Staub zerfallen,

Lebt das fette Leder noch.

Niemals hieltest du den nassen

Kalten Wasserfluten stand,

Denn die Elemente hassen

Das Gebild von Menschenhand.«

Und der Schuh verbeugte sich.

Darauf sprach er ernst und würdig:

»Freund, ich überzeugte mich,

Daß du mir ganz ebenbürtig.

Leider war mir anfangs duster,

Was mir jetzt Gewißheit ist,

Daß du Meisterwerk vom Schuster

Wasser-Dichter Stiefel bist.«

 

Ein Taschenkrebs und ein Känguruh,

Die wollten sich ehelichen.

Das Standesamt gab es nicht zu,

Weil beide einander nicht glichen.

 

Da riefen sie zornig: »Verflucht und verdammt

Sei dieser Bureaukratismus!«

Und hingen sich auf vor dem Standesamt

An einem Türmechanismus.

 

Frau Teemaschine sang auf dem Feuer.

Der Beifall war ganz ungeheuer.

Ja, ihre Base Petroleumkanne

War von dem Liede ganz gefangen.

Ihr rannen die Tränen über die Wangen

Und tropften gerade in eine Pfanne,

In der ein Schweinebraten briet,

Der ausgezeichnet dann geriet.

War auch Petroleum drauf geflossen,

Er wurde trotzdem doch genossen.

Sein Herr war mit dem Koch zufrieden.

 

(Besagter Herr war ein Kosak;

Sein Leibgericht war Siegellack.)

 

Ja, die Geschmäcker sind verschieden.

Rezept

 

Man mische 7 Pfund Palmin

Mit gleichviel Milch und Terpentin.

Dann füge man ein Hühnerei

Und etwas Öl nebst Essig bei.

Dies nun zu festem Brei gerührt,

Wird dann in einen Strumpf geschnürt.

Das Ganze läßt man 13 Wochen

In lauem Seifenwasser kochen.

 

Dann wird es mit Gelee garniert

Und im verdeckten Topf serviert.

(Doch halte man zu rechter Zeit

Ein offnes Töpfchen sich bereit.)

 

Man stirbt hier vor Langeweile,

Dachte die Nagelfeile

Beim Mittagessen!

Und machte sich, wie von ungefähr,

Über den Fingernagel her,

Beim Mittagessen!

Da begann eine silberne Gabel zu schrein:

»Meine Dame – – Sie sind hier nicht allein!«

 

Es war einmal ein Kragenknopf

Mit einer Mechanik am Kopf.

Der Kragenknopf saß im Genick.

Er schnipste mit der Mechanik,

Worauf mit unheilvollem Klang

Ein Kragen, der den Hals umschlang,

Elastisch aus der Angel sprang.

Ein Finger mühte sich durch Knipsen

Ihn wieder richtig einzuschnipsen,

Doch weil ihm das nicht wollte glücken,

Ergriff besagter Kragenknopf

Schnell die Gelegenheit beim Schopf

Und rutschte an des Menschen Rücken

Mit nie geahnter Blitzesschnelle

Hinab nach jener düstern Stelle,

Die sich der arme Mensch verletzt,

Wenn er sich auf 'was Spitzes setzt.

 

Die Nacht erstarb. Und der Tag erwachte. –

Draußen unter dem Sternenhimmel

Stand ein Droschkenpferd, ein Schimmel,

Und lachte.

 

Der Tag entwich und die Nacht begann.

Auf steiniger Ebene ruhte das Pferd.

Es hatte die Beine gen Himmel gekehrt

Und sann.

 

Und wieder durchzuckten die Sterne den Himmel. – –

Das rechte Auge des Pferdes tränte. – –

Der Mann auf dem Kutschersitze gähnte

Und trank einen Kümmel.

 

An einem Teiche

Schlich eine Schleiche,

Eine Blindschleiche sogar.

Da trieb ein Etwas ans Ufer im Wind.

Die Schleiche sah nicht, was es war,

Denn sie war blind.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Das dunkle Etwas aber war die Kindsleiche

Einer Blindschleiche.

 

Im dunklen Erdteil Afrika

Starb eine Ziehharmonika.

Sie wurde mit Musik begraben.

Am Grabe saßen zwanzig Raben.

Der Rabe Num'ro einundzwanzig

Fuhr mit dem Segelschiff nach Danzig

Und gründete dort etwas später

Ein Heim für kinderlose Väter.

Und die Moral von der Geschicht? –

Die weiß ich leider selber nicht.

 

Der Mensch braucht – ohne sich zu sputen –

Zum Kilometer zwölf Minuten.

Die Wanderratte läuft so weit

In ungefähr derselben Zeit.

 

Da nun genannte Wanderratte

Bis dato stets vier Beine hatte,

Wie schnell läuft da ein Tausendfuß? – –

Ich weiß es wirklich nicht. Weißt du's?

Tante Qualle und der Elefant

 

Die Tante Qualle schwamm zum Strand.

Es liebte sie ein Elefant,

Mit Namen Hildebrand genannt.

Der wartete am Meeresstrand

Mit einem Sträußchen in der Hand.

Das übergab er ihr galant

Und bat um Tante Quallens Hand.

Da knüpften sie ein Eheband.

Der Doktor Storch, der abseits stand,

Der dachte: »Armer Hildebrand!«

Worauf er weiterging und lachte.

– – – – – – – – – – – – – – – –

Warum der Storch wohl so was dachte?

 

Ein Schutzmann wurde plötzlich krank

Und setzte sich auf eine Bank.

Dort saß bereits ein Stachelschwein.

Der Schutzmann setzte sich hinein.

Da schrie er: »Au!« und schrie er: »Oh!«

Und kratzte sich an dem Po-lizeihelm.

Unterm Tisch

 

Es war ein Stückchen Fromage de brie,

Das fiel untern Tisch. Man sah nicht wie.

Dort standen zwei Lackschuh mit silbernen Schnallen.

Die fanden an dem Fromage Gefallen

Und traten nach einiger Überwindung

Mit ihm in ganz intime Verbindung.

Als abends die beiden Schnallengezierten

In einer feudalen Gesellschaft soupierten,

Erhoben sich plötzlich zwei andere Schuhe

Und knarrten verlegen und baten um Ruhe

Und sagten, als alles ruhig war:

»Verehrte, es – riecht hier so sonderbar.«

 

Ein Pinsel mit sehr talentvollen Borsten,

Der mußte viel hungern und viel dorsten.

Er war 60 Jahre alt und hieß Tipfelchen.

Aus festem Tannenholz war sein Stiel.

Er malte, und was er malte, gefiel.

Doch, wie gesagt, er litt Hunger und Durst.

Da kam eine junge fettige Wurst.

Sie wog 500 Gramm und war vom Stamme Rindvieh.

Kaum hatte der Pinsel die Wurst gesehn,

Blieb er stehn,

Bückte sich tief dabei,

Knickte dann schief entzwei.

Die Wurst aber, mit Namen Schulze,

Sagte: »Mein lieber Tipfelchen,

Hier hast du ein Wurstzipfelchen,

Male mir mal drei Meter Sulze.«

Ein Lied, das der berühmte Philosoph Haeckel am 3. Juli 1911 vormittags auf einer Gartenpromenade vor sich hinsang

 

(Von einem Ohrenzeugen.)

 

Wimmbamm Bumm

Wimm Bammbumm

Wimm Bamm Bumm

 

Wimm Bammbumm

Wimm Bamm Bumm

Wimmbamm Bumm

 

Wimm Bamm Bumm

Wimmbamm Bumm

Wimm Bammbumm.

 

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.

Der war auf seine Gattin sehr stolz.

Die trug eine goldene Haube

Und war eine Messingschraube.

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,

Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.

Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm

In einem Astloch. Sie wurden intim.

Kurz, eines Tages entfernten sie sich

Und ließen den armen Nagel im Stich.

Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.

Noch niemals hatte sein eisernes Herz

So bittere Leiden gekostet.

Bald war er beinah verrostet.

Da aber kehrte sein früheres Glück,

Die alte Schraube, wieder zurück.

Sie glänzte übers ganze Gesicht.

Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

 

Der Spiegel, der Kamm

Und der Schwamm

Und das weiße Handtuch an der Wand

Und ein Mann, der hinter dem Kleiderschrank stand,

Die warteten auf das schöne Mädchen

Käthchen.

Und endlich, endlich kam Käthchen gegangen.

Da küßte der Schwamm ihr Mund und Wangen,

Und sie küßte den Schwamm und beugte sich nieder

Und küßte das Handtuch und küßte es wieder.

Sie ließ sich von dem Spiegel umschmeicheln

Und von dem Kamme ihr Goldhaar streicheln.

Dann sagte sie allen recht schönen Dank.

Dann sah sie den Mann hinterm Kleiderschrank

Und rannte davon und schrie dabei:

»Zu Hilfe! Mörder!« und »Polizei!« – –

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Der Mensch glaubt über den Dingen zu stehen.

Hier war das Gegenteil deutlich zu sehen.

 

Es war eine gelbe Zitrone,

Die lag unter einer Kanone,

Und deshalb bildete sie sich ein,

Eine Kanonenkugel zu sein.

Der Kanonier im ersten Glied,

Der merkte aber den Unterschied.

– – – – – – – – – – – – – – – – – –

Bemerkt sei noch zu diesem Lied,

Ein Unterschied ist kein Oberschied.

 

Das Nadelkissen bildete sich ein,

Mit dem Stachelschwein

Verwandt zu sein.

Das Nadelkissen

Ist, wie wir wissen,

Eine recht nützliche Erscheinung.

Natürlich sind wir ganz seiner Meinung.

 

Es war einmal ein Kannibale,

Der war aus Halle an der Saale.

Man sah ihn oft am Bodensee

Für zwanzig Pfennige Entree.

 

Ein bettelarmer, braver Mann,

Der Tag und Nacht nur Gutes sann

Und gar nichts mehr zu essen hatte

Als eine halbverweste Ratte,

Der auch kein Bett besaß zum Schlafen,

Der ging in seiner höchsten Not

Zu einem reichen, stolzen Grafen

Und bat ihn um ein Stückchen Brot.

Der Graf nahm das gewaltig übel

Und schlug mit dem Champagnerkübel

Den braven Bettler lächelnd tot.

Doch niemand wagte es, den Grafen

Für solche Freveltat zu strafen.

Und deshalb wurde sein Betragen

Dann mit den Jahren noch viel schlimmer. –

 

So manchen Leser hör' ich sagen:

Ja, ja! – ja, ja! – So ist das immer!

 

Ich aber denke still für mich:

Der Leser ist ein Gänserich.

 

Ein kühnes Roßhaar erklärte den andern:

Es müsse aus der Matratze wandern.

Es poche auf seine Großjährigkeit,

Und es liege in seiner Roßhärigkeit

Der Trieb zum Wandern. Da rief es: »Adieu!«

Und damit schnellte es sich in die Höh'.

Ein Mensch saß auf besagter Matratze.

Das Roßhaar hüpfte auf seine Glatze,

Und weil es sehr gut gedieh an dem Orte,

So wuchsen dort bald noch mehr von der Sorte.

 

Es war einmal ein schlimmer Husten,

Der hörte gar nicht auf zu pusten.

Zwar kroch er hinter eine Hand,

Was jedermann manierlich fand.

Und doch hat ihn der Doktor Lieben

Mit Liebens Malzbonbon vertrieben.

Bemerkt sei noch: Für dies Gedicht

Bezahlte mich Herr Lieben nicht.

 

Ein Kehlkopf litt an Migräne

Und schrie wie eine Hyäne,

Er schrie sich wund.

Doch als ihm niemand zu Hilfe kam

Und niemand sein Geschrei vernahm,

War er auf einmal – – gesund.

Errare humanum est

 

Quitschfidel, mit roter Nase,

Seh ich Kunze gehn.

Warum bleibt er plötzlich mitten auf der Straße

Stehn?

Warum runzelt er die Brauen?

Warum mag er so entsetzlich

Schmerzlich himmelaufwärts schauen?

Warum wird er plötzlich

Blaß?

Oh, nun weiß ich was – – –

Er erblickt mich, winkt. – Fatal!

»Servus, armer Kunze! – eilt! – ein andermal!«

 

Kalte, falsche, rücksichtslose

Freunde hat die Unterhose.

Logik

 

Die Nacht war kalt und sternenklar,

Da trieb im Meer bei Norderney

Ein Suahelischnurrbarthaar. –

Die nächste Schiffsuhr wies auf drei.

 

Mir scheint da mancherlei nicht klar,

Man fragt doch, wenn man Logik hat,

Was sucht ein Suahelihaar

Denn nachts um drei am Kattegatt?

Miliz

 

»Sie haben sich gestern schrecklich betragen!«

Wollte das Putzleder zur Trommel sagen.

Aber die Trommel spannte schnell

Ihr dickes Fell

Und begann einen donnernden Wirbel zu schlagen,

Na – und da blieb dem Putzleder vor Schrecken

Das Wort im Munde stecken.

 

»Oh«, rief ein Glas Burgunder,

»Oh, Mond, du göttliches Wunder!

Du gießt aus silberner Schale

Das liebestaumelnde, fahle,

Trunkene Licht wie sengende Glut

Hin über das nachtigallige Land – –«

 

Da rief der Mond, indem er verschwand:

 

»Ich weiß! Ich weiß! Schon gut! Schon gut!«

 

Es war ein Stahlknopf irgendwo,

Der ohne Grund sein Knopfloch floh.

(Vulgär gesprochen: Es stand offen.)

Ihm saß ein Fräulein vis-à-vis.

Das lachte plötzlich: Hi hi hi.

Da fühlte sich der Knopf getroffen

Und drehte stumm

Sich um.

 

Solch' Peinlichkeiten sind halt nur

Die schlimmen Folgen der Kultur.

 

An der Zehe gleich vorn

Saß ein Leichdorn.

Der Bader, den man befragte,

Der sagte:

Der Leichdorn sei eine Sommersprosse.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Verzeihe mir, Leser, diese Posse!

 

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