Wir müßten die Häuser sehen, wenn’s licht wär, in fünf Minuten müßte man dort sein.«
»Gehen Sie hin. Ich bleibe da, holen Sie Leute.«
»Ja, Fräul’n, ich glaub schier, es ist g’scheiter, ich bleib mit Ihnen da – es kann ja nicht so lang dauern, bis wer kommt, es ist ja schließlich die Reichsstraße, und –«
»Da wird’s zu spät, da kann’s zu spät werden. Wir brauchen einen Doktor.«
Der Kutscher sah auf das Gesicht des Regungslosen, dann schaute er kopfschüttelnd Emma an.
»Das können Sie nicht wissen,« – rief Emma, »und ich auch nicht.«
»Ja, Fräul’n ... aber wo find’ i denn ein’ Doktor im Franz Josefsland?«
»So soll von dort jemand in die Stadt und –«
»Fräul’n, wissen’s was! I denk mir, die werden dort vielleicht ein Telephon haben. Da könnten wir um die Rettungsgesellschaft telephonieren.«
»Ja, das ist das beste! Gehen Sie nur, laufen Sie, um Himmels willen! Und Leute bringen Sie mit ... Und ... bitt’ Sie, gehen Sie nur, was tun Sie denn noch da?«
Der Kutscher schaute in das blasse Gesicht, das nun auf Emmas Schoß ruhte. »Rettungsgesellschaft, Doktor, wird nimmer viel nützen.«
»Gehen Sie! Um Gottes willen! Gehen Sie!«
»I geh schon – daß S’ nur nicht Angst kriegen, Fräul’n, da in der Finstern.« Und er eilte rasch über die Straße fort. »I kann nix dafür, meiner Seel,« murmelte er vor sich hin. »Ist auch eine Idee, mitten in der Nacht auf die Reichsstraßen ...«
Emma war mit dem Regungslosen allein auf der dunklen Straße. »Was jetzt?« dachte sie. Es ist doch nicht möglich ... das ging ihr immer wieder durch den Kopf ... es ist ja nicht möglich. – Es war ihr plötzlich, als hörte sie neben sich atmen. Sie beugte sich herab zu den blassen Lippen. Nein, von da kam kein Hauch. Das Blut an Schläfe und Wangen schien getrocknet zu sein. Sie starrte die Augen an; die gebrochenen Augen, und bebte zusammen. Ja warum glaube ich es denn nicht – es ist ja gewiß ... das ist der Tod! Und es durchschauerte sie. Sie fühlte nur mehr: ein Toter. Ich und ein Toter, der Tote auf meinem Schoß. Und mit zitternden Händen rückte sie den Kopf weg, so daß er wieder auf den Boden zu liegen kam. Und jetzt erst kam ein Gefühl entsetzlicher Verlassenheit über sie. Warum hatte sie den Kutscher weggeschickt? Was für ein Unsinn! Was soll sie denn da auf der Landstraße mit dem toten Manne allein anfangen? Wenn Leute kommen ... Ja, was soll sie denn tun, wenn Leute kommen? Wie lang wird sie hier warten müssen? Und sie sah wieder den Toten an. Ich bin nicht allein mit ihm, fiel ihr ein. Das Licht ist ja da. Und es kam ihr vor, als wäre dieses Licht etwas Liebes und Freundliches, dem sie danken müßte.
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