Der Geistliche sprach sein Schlußgebet, die stattliche Frau neigte das Haupt tiefer, dann beugte sie sich noch einmal zu dem Kleinen herab und legte einen Arm um die Mutter, welche sich weinend an die Trösterin lehnte. So stand die Fremde und sprach leise über dem Haupte der Mutter, während ihr selbst die Thränen aus den Augen herabrollten. Wie Geisterlaut klang das Murmeln der tiefen Frauenstimme in das Ohr der Freunde. Dann hoben die Männer den Sarg vom Boden und folgten dem Geistlichen, der auf den Friedhof führte. Hinter dem Sarge ging die Mutter, das Haupt an der Schulter ihrer Führerin. Die Frau schritt bei den Fremden vorüber, verklärt vor sich hinschauend, sie flüsterte ihrer Gefährtin Bibelworte zu. »Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen. – Lasset die Kindlein zu mir kommen,« vernahmen die Freunde. Die Mutter hing gebrochen am Arme der Fremden und, wie durch den leisen Ton fortgeführt, wankte sie zu dem Grabe. Ehrfürchtig schlossen sich die Freunde dem Zuge an. Der Sarg wurde in das Grab gelassen, der Geistliche sprach den Segen, jeder der Anwesenden warf drei Hände voll Erde auf das geschwundene Leben. Dann traten die Landleute auseinander und machten der Mutter und ihrer Begleiterin den Weg frei. Die Fremde reichte dem Geistlichen die Hand und geleitete die Mutter langsam über den Friedhof auf den Weg, der zum Schlosse führte.
In einiger Entfernung folgten die Freunde, ohne einander anzusehen. Der Professor fuhr sich über die Augen: »Dergleichen macht immer weich,« sagte er traurig.
»Wie sie am Altare stand,« rief der Doctor, »eine Seherin der Vorzeit, als trüge sie einen Eichenkranz auf dem Haupt. Sie zog das arme Weib sich nach durch ihr Murmeln. Es waren zwar unsere ehrlichen Bibelsprüche; aber jetzt verstehe ich, was das Wort raunen in alter Zeit bedeutete, wo man auch den Worten eine zauberische Kraft zuschrieb. Sie beherrschte der Trauernden Seele und Leib, und ihre Stimme regte auch mir das Herz auf. Wer war dieses Weib, war es Mädchen oder Frau?«
»Es ist ein Mädchen,« erwiederte der Professor nachdrücklich. »Sie wohnt im Schloß und wir werden sie dort treffen. Laß sie voraus und uns am Fuß des Felsens warten.«
Sie saßen lange auf einem vorspringenden Stein, der Professor wurde nicht müde, ein Büschel Moos zu betrachten, er bürstete es mit der Hand und legte es bald nach der einen, bald nach der andern Seite. Endlich stand er schnell auf. »Was auch kommen möge, jetzt gehen wir.«
Sie stiegen einige hundert Schritt bis zur Höhe. Die Landschaft vor ihnen war plötzlich verwandelt. Zur Seite lag das Schloß mit einem gemauerten Hofthor und großen Wirtschaftsgebäuden, vor ihnen neigte sich eine weite Fläche Ackerlandes von der Höhe hinab in ein flaches Thal. Das einsame Waldbild war verschwunden, um die Wanderer rührte sich kräftig das Leben des Tages, der Wind trieb Wellen durch das Aehrenmeer, Erntewagen fuhren auf den Feldwegen heran, Menschenstimmen riefen, die Peitsche knallte und die Garben flogen von starker Hand geschwungen über die hohen Leiterbäume.
»Holla, was suchen Sie hier?« frug hinter den Fremden eine tiefe Baßstimme in befehlendem Ton. Die Freunde wandten sich schnell um. Vor dem Hofthor stand ein mächtiger breitschultriger Mann mit kurzgeschorenem Haar und sehr energischem Ausdruck im sonnenbraunen Gesicht. Hinter ihm steckten Wirthschaftsbeamte und Knechte neugierig die Köpfe durch das Thor und ein großer Hund fuhr bellend gegen die Fremden. »Zurück, Nero,« rief der Landwirth und pfiff den Hund zu sich, dabei sah er mit kaltem Polizeiblick auf die Fremden.
»Herr Gutsbesitzer Bauer?« frug der Professor grüßend.
»Der bin ich, und wer sind Sie?« gab der Gutsherr die Frage zurück.
Der Professor nannte die Namen und den Ort, von dem sie kamen. Der Wirth trat einen Schritt näher und prüfte das Aussehen der Beiden von oben herab.
»Dort wohnen ja wohl keine Jesuiten,« sagte er; »wenn Sie aber hierher kommen, Verborgenes zu finden, so war die Reise unnütz, hier finden Sie nichts.«
Die Freunde sahen einander an, sie standen nahe am Hause, aber fern vom Ziel.
»Sie machen uns fühlbar,« erwiederte der Professor, »daß wir ohne Vermittlung eines Dritten an Ihre Wohnung treten.
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