Durch diese Demuth wurde das stolze Herz der Hausfrau zum Wohlwollen gestimmt. »Aber sie sind häßlich,« sagte sie zweifelnd, als der Rothe und der Schwarze zu ihren beiden Seiten niedersaßen, das Gesäß gesenkt, mit dem Schwanze wedelnd und unter den langen Augenhaaren zu ihr aufblickend. »Und warum zwei?«

»Sie sind nicht für die Ausstellung gearbeitet,« entgegnete Herr Hummel begütigend, »es ist Landwaare. Der eine ist nur Ersatzmann.«

Nach dieser Vorstellung wurden sie in einen Verschlag getragen, Gabriel prüfte noch einmal ihre Fähigkeit im Fressen und Saufen, sie erwiesen sich durchaus als regelmäßige, wenn auch nicht durch Leibesschönheit ausgezeichnete Hunde, und Gabriel stieg sorglos zu seiner Kammer hinauf.

Als die Uhr zehn schlug und das Gitterthor, welches den Hof von der Straße schied, geschlossen wurde, ging Herr Hummel selbst zum Hundezwinger hinab, um die neuen Wächter in ihren Beruf einzuweihen. Aber er erstaunte sehr, als er ihnen die Thür öffnete. Denn ohne sein ermunterndes Herrenwort abzuwarten, stürzten die beiden Creaturen zwischen seinen Füßen in den Hof hinaus. Wie von einer unsichtbaren Peitsche getrieben, fuhren sie um das Haus und die Fabrik herum, ohne Aufhören, immer neben einander. Und keineswegs stillschweigend. Sie waren bis dahin gedrückt und kleinlaut gewesen, jetzt wurden sie, entweder wegen guter Leibesnahrung oder weil ihre nächtliche Stunde gekommen war, so geräuschvoll, daß sogar Herr Hummel erstaunt zurücktrat; ihr heiseres, scharfes Gebell übertönte das Horn des Nachtwächters und die Rufe des Hausherrn, welcher ihnen Mäßigung anempfehlen wollte. Ohne Aufhören ging die wilde Jagd im Hofe herum und ein unendliches Gekläff begleitete den Sturmlauf. Die Fensterflügel des Hauses öffneten sich. »Das wird eine lebendige Nacht, Herr Hummel,« rief Gabriel hinunter.

»Aber Heinrich, das ist ja unerträglich,« rief die Gattin aus der Schlafstube.

»Es ist nur die erste Freude,« tröstete Herr Hummel und zog sich in das Haus zurück.

Aber diese Ansicht erwies sich als ein Irrthum. Durch die ganze Nacht klang das Gebell der Hunde aus dem Hofe. Auch in den Häusern der Nachbarschaft wurden Läden aufgerissen und laute Scheltworte nach dem Hof des Herrn Hummel geworfen. Am nächsten Morgen stand Herr Hummel unsicher auf. Selbst ihm war sein kräftiger Bürgerschlaf durch die Vorwürfe der Gattin gestört worden, welche jetzt zornig und mit Kopfschmerzen behaftet beim Frühstück saß. Und als er in den Hof trat und die Beschwerden einsammelte, welche ihm seine Leute von der Außenwelt zutrugen, da war auch er einen Augenblick schwankend, ob er die Hunde für eine Bereicherung seines Hausstandes halten dürfe.

Das Unglück wollte, daß gerade in dieser Stunde der Markthelfer des Herrn Hahn mit herausfordernder Miene in den Hof trat und meldete: Herr Hahn müsse darauf bestehen, daß Herr Hummel das unerhörte Gebell abschaffe, er werde sich sonst genöthigt sehen, sein Recht bei der Polizei zu suchen.

Dieser Angriff des Gegners entschied den innern Kampf des Herrn Hummel. »Wenn ich das Bellen meiner Hunde ertrage, so können's andere Leute auch ertragen. Dort spielen die Glocken, hier singen die Hunde, und wenn Jemand vor der Polizei meine Ansicht hören will, so soll er genug zu hören bekommen.« Er ging in das Haus zurück und trat würdig vor seine leidende Hausfrau. »Du bist meine Frau, Philippine, du bist eine kluge Frau und ich gebe dir nach in jedem Dinge, worin du mir einen verständigen Willen zeigst.«

»Sollen zwei Hunde zwischen dich und mich treten?« frug mit schwacher Stimme die Gattin.

»Niemals,« versetzte Hummel, »Hausfriede muß sein, und dein Kopfschmerz ist mir nicht recht. Und ich wollte dir zu Gefallen die Biester schon wieder abschaffen. Da begegnet mir dies mit diesen Phantasten. Zum zweiten Mal bedrohen sie mich mit Justiz und Polizei. Jetzt steht meine Ehre auf dem Spiel und ich kann nicht mehr nachgeben. Sei mein gutes Weib, Philippine, versuch's einige Nächte mit Baumwolle in den Ohren, bis sich die Hunde an ihre Arbeit gewöhnt haben.«

»Heinrich,« versetzte die Gattin matt, »ich habe nie an deinem Herzen gezweifelt, aber dein Charakter ist rauh. Und die Hunde haben eine zu häßliche Stimme. Willst du, um deinen Willen durchzusetzen, deine Frau durch Schlaflosigkeit leiden sehen und immer kränker werden sehen, so sag's. Willst du, um deinen Charakter zu behaupten, den Frieden mit der Nachbarschaft opfern, so sag's.«

»Ich will nicht, daß du krank wirst, und ich will die Hunde nicht weggeben,« versetzte Herr Hummel, ergriff seinen Filzhut und ging mit starken Schritten nach der Fabrik.

Wenn sich aber Herr Hummel der Hoffnung hingab, den schwersten Hauskampf als Sieger beendet zu haben, so wandelte er in großem Irrthum. Noch war eine andere Macht innerhalb seiner Grenzen übrig, und diese eröffnete den Feldzug auf ihre Weise. Als Hummel in seinem kleinen Comtoir an das Pult trat, sah er neben dem Tintenfaß einen Blumenstrauß.