Der lange, hagere Mann trat herein mit der Frage: »Wer ist noch bei dir, Julie?!«

Wir sprangen erschrocken auf. Der Starost stand eine ganze Weile sprachlos, bleich wie eine Leiche. Dann mit drei Schritten fuhr er auf Julien zu, schlang ihre langen, kastanienbraunen Locken um seine Faust und schleuderte die Winselnde zur Erde und schleppte sie auf dem Boden herum, indem er rief. »Verräterin! Nichtswürdige!«

Ich wollte ihr zu Hilfe eilen. Er stieß mich mit gewaltiger Kraft zurück, daß ich rücklings zu Boden taumelte. Wie ich mich wieder aufraffte, ließ er die Unglückliche fahren und schrie mir zu: »Dich erdrossele ich!« In der Verzweiflung nahm ich ein Messer vom Tische und drohte, es ihm in die Rippen zu stoßen, wenn er nicht schwiege. Aber der Wütende warf sich gegen mich, spannte meinen Hals zwischen seine Hände ein und drückte zu. Ich verlor die Luft. Ich fuhr in der Verzweiflung mit dem Messer nach allen Seiten um mich. Ich stieß es wiederholt gegen ihn. Plötzlich stürzte der Unglückliche nieder. Er hatte das Messer im Herzen.

Julie lag wimmernd am Boden neben ihrem ermordeten Mann. Ich stand da wie eine Bildsäule. »O«, dachte ich, »wäre es doch nur ein Traum, und läge ich erwachend auf dem Sofa meines Gartenhauses. Verflucht sei der Rotrock! Verflucht die Brieftasche! – O meine armen Kinder! O meine geliebte, unglückliche, fromme Fanny! – Nahe an den Schwellen meines häuslichen Paradieses werde ich zurückgeschleudert in eine Hölle, die ich nie kannte! – Ich bin Mörder!«

Der Lärmen im Zimmer hatte die Leute im Hause geweckt. Ich hörte fragen, rufen, gehen. Mir blieb nichts übrig als die Flucht, ehe ich entdeckt ward. Ich ergriff das brennende Licht, um mir zum Hause hinauszuzünden.

 

Vollendung des Greuels

 

Indem ich die Treppe hinabging, nahm ich mir vor, in mein Haus zu eilen, meine Frau, meine Kinder zu wecken, sie noch einmal an mein Herz zu drücken, dann wie ein Kain in die Welt hinauszuflüchten, um nicht der Gerechtigkeit in die Hände zu fallen. Aber schon auf der Treppe sah ich meine Kleider ganz vom Blut des Starosten überschüttet. Ich zitterte, erblickt zu werden.

Die Haustür nach der Straße war verschlossen. Als ich zurückeilte, um durch den Hof zu entkommen, hörte ich von der Treppe herab Menschen eilen, schreien und rufen hinter mir. Ich lief über den Hof, zur Scheune. Ich wußte, von da hinaus käme ich in Gärten und Felder außerhalb des Städtchens. Aber die mir nachsetzten, eilten behend genug. Ich war kaum in der Scheune, als mich einer beim Rock erwischte. Mit Höllenangst riß ich mich los und schleuderte meine brennende Kerze in die neben mir hoch aufgetürmten Strohwellen. Es gab plötzlich Flammen. So hoffte ich, mich zu retten. Es gelang. Man ließ von mir los, vermutlich um den Brand zu tilgen.