Sind wir

Nicht Brüder? – Dieses Possenspiel des Ranges

Sei künftighin aus unserm Bund verwiesen!

Berede dich, wir beide hätten uns

Auf einem Ball mit Masken eingefunden,

In Sklavenkleider du, und ich aus Laune

In einen Purpur eingemummt. Solange

Der Fasching währt, verehren wir die Lüge,

Der Rolle treu mit lächerlichem Ernst,

Den süßen Rausch des Haufens nicht zu stören.

Doch durch die Larve winkt dein Karl dir zu,

Du drückst mir im Vorrübergehn die Hände,

Und wir verstehen uns.

MARQUIS.

Der Traum ist göttlich.

Doch wird er nie verfliegen? Ist mein Karl

Auch seiner so gewiß, den Reizungen

Der unumschränkten Majestät zu trotzen?

Noch ist ein großer Tag zurück – ein Tag –

Wo dieser Heldensinn – ich will Sie mahnen –

In einer schweren Probe sinken wird.

Don Philipp stirbt. Karl erbt das größte Reich

Der Christenheit. – Ein ungeheurer Spalt

Reißt vom Geschlecht der Sterblichen ihn los,

Und Gott ist heut, wer gestern Mensch noch war.

Jetzt hat er keine Schwächen mehr. Die Pflichten

Der Ewigkeit verstummen ihm. Die Menschheit

– Noch heut ein großes Wort in seinem Ohr –

Verkauft sich selbst und kriecht um ihren Götzen.

Sein Mitgefühl löscht mit dem Leiden aus,

In Wollüsten ermattet seine Tugend,

Für seine Torheit schickt ihm Peru Gold,

Für seine Laster zieht sein Hof ihm Teufel.

Er schläft berauscht in diesem Himmel ein,

Den seine Sklaven listig um ihn schufen.

Lang, wie sein Traum, währt seine Gottheit. – Wehe

Dem Rasenden, der ihn mitleidig weckte.

Was aber würde Roderich? – Die Freundschaft

Ist wahr und kühn – die kranke Majestät

Hält ihren fürchterlichen Strahl nicht aus.

Den Trotz des Bürgers würden Sie nicht dulden,

Ich nicht den Stolz des Fürsten.

CARLOS.

Wahr und schrecklich

Ist dein Gemälde von Monarchen. Ja,

Ich glaube dir. – Doch nur die Wollust schloß

Dem Laster ihre Herzen auf. Ich bin

Noch rein, ein dreiundzwanzigjährger Jüngling.

Was vor mir Tausende gewissenlos

In schwelgenden Umarmungen verpraßten,

Des Geistes beste Hälfte, Männerkraft,

Hab ich dem künftgen Herrscher aufgehoben.

Was könnte dich aus meinem Herzen drängen,

Wenn es nicht Weiber tun?

MARQUIS.

Ich selbst. Könnt ich

So innig Sie noch lieben, Karl, wenn ich

Sie fürchten müßte?

CARLOS.

Das wird nie geschehen.

Bedarfst du meiner? Hast du Leidenschaften,

Die von dem Throne betteln? Reizt dich Gold?

Du bist ein reichrer Untertan, als ich

Ein König je sein werde. – Geizest du

Nach Ehre? Schon als Jüngling hattest du

Ihr Maß erschöpft – du hast sie ausgeschlagen.

Wer von uns wird der Gläubiger des andern,

Und wer der Schuldner sein? – Du schweigst? Du zitterst

Vor der Versuchung? Nicht gewisser bist

Du deiner selbst?

MARQUIS.

Wohlan. Ich weiche.

Hier meine Hand.

CARLOS.

Der Meinige?

MARQUIS.

Auf ewig

Und in des Worts verwegenster Bedeutung.

CARLOS.

So treu und warm, wie heute dem Infanten,

Auch dermaleinst dem König zugetan?

MARQUIS.

Das schwör ich Ihnen.

CARLOS.

Dann auch, wenn der Wurm

Der Schmeichelei mein unbewachtes Herz

Umklammerte – wenn dieses Auge Tränen

Verlernte, die es sonst geweint – dies Ohr

Dem Flehen sich verriegelte, willst du,

Ein schreckenloser Hüter meiner Tugend,

Mich kräftig fassen, meinen Genius

Bei seinem großen Namen rufen?

MARQUIS.

Ja.

CARLOS.

Und jetzt noch eine Bitte! Nenn mich du!

Ich habe deinesgleichen stets beneidet

Um dieses Vorrecht der Vertraulichkeit.

Dies brüderliche Du betrügt mein Ohr,

Mein Herz mit süßen Ahndungen von Gleichheit.

– Keinen Einwurf- Was du sagen willst, errat ich.

Dir ist es Kleinigkeit, ich weiß – doch mir,

Dem Königssohne, ist es viel. Willst du

Mein Bruder sein?

MARQUIS.

Dein Bruder!

CARLOS.

Jetzt zum König!

Ich fürchte nichts mehr – Arm in Arm mit dir,

So fordr ich mein Jahrhundert in die Schranken.

 

Sie gehen ab.

 

 

Zweiter Akt

 

Im königlichen Palast zu Madrid.

 

Erster Auftritt

König Philipp unter einem Thronhimmel. Herzog von Alba in einiger Entfernung von dem König, mit bedecktem Haupt. Carlos.

 

CARLOS.

Den Vortritt hat das Königreich. Sehr gerne

Steht Carlos dem Minister nach. Er spricht

Für Spanien – ich bin der Sohn des Hauses.

 

Er tritt mit einer Verbeugung zurück.

 

PHILIPP.

Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden.

CARLOS sich gegen Alba wendend.

So muß ich denn von Ihrer Großmut, Herzog,

Den König mir als ein Geschenk erbitten.

Ein Kind – Sie wissen ja – kann mancherlei

An seinen Vater auf dem Herzen tragen,

Das nicht für einen Dritten taugt. Der König

Soll Ihnen unbenommen sein – ich will

Den Vater nur für diese kurze Stunde.

PHILIPP.

Hier steht sein Freund.

CARLOS.

Hab ich es auch verdient,

Den meinigen im Herzog zu vermuten?

PHILIPP.

Auch je verdienen mögen? – Mir gefallen

Die Söhne nicht, die beßre Wahlen treffen

Als ihre Väter.

CARLOS.

Kann der Ritterstolz

Des Herzogs Alba diesen Auftritt hören?

So wahr ich lebe, den Zudringlichen,

Der zwischen Sohn und Vater, unberufen

Sich einzudrängen nicht errötet, der

In seines Nichts durchbohrendem Gefühle

So dazustehen sich verdammt, möcht ich

Bei Gott – und gälts ein Diadem – nicht spielen.

PHILIPP verläßt seinen Sitz mit einem zornigen Blick auf den Prinzen.

Entfernt Euch, Herzog!

 

Dieser geht nach der Haupttüre, durch welche Carlos gekommen war; der König winkt ihm nach einer andern.

 

Nein, ins Kabinett,

Bis ich Euch rufe.

 

 

Zweiter Auftritt

König Philipp. Don Carlos.

 

CARLOS geht, sobald der Herzog des Zimmer verlassen hat, auf den König zu und fällt vor ihm nieder, im Ausdruck der höchsten Empfindung.

Jetzt mein Vater wieder,

Jetzt wieder mein, und meinen besten Dank

Für diese Gnade. – Ihre Hand, mein Vater. –

O süßer Tag! – Die Wonne dieses Kusses

War Ihrem Kinde lange nicht gegönnt.

Warum von Ihrem Herzen mich so lange

Verstoßen, Vater? Was hab ich getan?

PHILIPP.

Infant, dein Herz weiß nichts von diesen Künsten.

Erspare sie, ich mag sie nicht.

CARLOS aufstehend.

Das war es!

Da hör ich Ihre Höflinge – Mein Vater!

Es ist nicht gut, bei Gott! nicht alles gut,

Nicht alles, was ein Priester sagt, nicht alles,

Was eines Priesters Kreaturen sagen.

Ich bin nicht schlimm, mein Vater – heißes Blut

Ist meine Bosheit, mein Verbrechen Jugend.

Schlimm bin ich nicht, schlimm wahrlich nicht – wenn auch

Oft wilde Wallungen mein Herz verklagen,

Mein Herz ist gut –

PHILIPP.

Dein Herz ist rein, ich weiß es,

Wie dein Gebet.