Immer höher steigt die Maschine und stürmt durch die Polarnacht dahin. ›St 8‹, das neueste und größte Stratosphärenschiff der Eggerth-Reading-Werke in Bay City, hat seinen Rückflug begonnen.
Im Kommandoraum des Flugschiffes saß Hein Eggerth vor der Steuerung. Sein Blick hing an dem Höhenmesser, dessen Zeiger langsam über die Skala dahinglitt. 13 Kilometer … 14 Kilometer … 15 Kilometer … Seine Hand bewegte ein blankes Gleitstück an dem Steuerapparat, und der Zeiger des Höhenmessers stellte seine Wanderung ein. Eine kurze Zeit noch beobachtete Eggerth das Instrument, dann erhob er sich von seinem Platz.
»So, Wolf! Der Automat ist eingestellt. Vorläufig können wir ›St 8‹ sich selber überlassen.«
Wolf Hansen stand an der großen Backbordscheibe des Stratosphärenschiffes. Zusammen mit Georg Berkoff, dem dritten Mann der Besatzung, schien er dort durch das starke Kristallglas hindurch irgend etwas zu beobachten. Auf die Worte Eggerths hin wandte er sich um.
»Der Robot tut seine Schuldigkeit, Hein? Um so besser! Da draußen ist allerlei zu sehen. Können wir das Licht ausmachen? Es stört die Beobachtung.«
Hein Eggerth nickte und bewegte einen Schalthebel. Die hellen Lampen im Kommandoraum erloschen.
»Was habt ihr denn da, was euch so interessiert?« fragte er.
Noch während er es sagte, bemerkte er, daß von außen her Licht in den Kommandoraum fiel. Licht, das seine Farbe fortwährend änderte. Jetzt eben noch bläulich-grünlich, dann wieder gelblich-rötlich. Einen Augenblick später schien alles wie blutübergossen.
»Ein Südlicht, Hein«, rief ihm Hansen zu, »so schön habe ich noch keins gesehen.«
Hein Eggerth schaute eine kurze Weile mit den beiden andern zusammen hinaus, dann schaltete er das Licht wieder ein.
»Kommt in den Mittelraum. Da werden wir es viel besser beobachten können.«
Die Decke des Mittelraums bestand zum größten Teil aus klarem Kristallglas.
»Alle Wetter, Wolf! Hein hat recht!« rief Berkoff, als sie in den Mittelraum traten. In der Tat konnten sie hier viel besser als vorher das wunderbare magnetische Feuerwerk beobachten.
»Man merkt, daß wir den 80. Breitengrad überflogen haben«, sagte Hansen mit einem Blick auf seine Uhr. »So schön wird Dr. Wille an seinem magnetischen Südpol da unten die Lichter kaum jemals zu sehen bekommen.«
Berkoff schüttelte den Kopf. »Du bist im Irrtum, mein Lieber. Dr. Wille hat sich ja gerade an den magnetischen Südpol gesetzt, weil er ihn für den Einfallspunkt der Sonnenelektronen hält – also sozusagen für den Keimpunkt aller Südlichter.«
»Theorie und Praxis!« lachte Wolf Hansen. »Während der drei Wochen, in denen wir ihm seine Station einrichteten, haben wir kein Südlicht zu sehen bekommen. Hier ein paar hundert Kilometer nördlicher treffen wir sofort auf ein großartiges Exemplar der Gattung.«
»Macht mir den Dr. Wille nicht schlecht!« mischte sich Hein Eggerth ein. »Der Mann hat schon seine guten Gründe dafür, daß er sich gerade auf den magnetischen Südpol gesetzt hat.«
»Ah bah«, warf Hansen ein, »magnetischer Pol, Drehpol, Kältepol. Alles vielleicht ganz interessante wissenschaftliche Punkte, aber schließlich doch einer so scheußlich wie der andere. Die Herren Entdecker sind in diese gottverlassene Gegend gekommen, haben allerlei schöne Namen hinterlassen, aber geerbt haben sie bei ihren abenteuerlichen Fahrten nichts. Die ganze Gegend ist keinen Schuß Pulver wert. Bester Beweis dafür: Keine einzige der verschiedenen Nationen ist bisher auf die Idee gekommen, hier etwa Land zu annektieren.«
»Stimmt nicht, Wölfchen«, widersprach Berkoff, »seit 1840 behaupten beispielsweise die Franzosen, daß ihnen AdélieLand südöstlich von Dr. Willes Station gehört.
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