Und war doch eines Königs Tochter!

Ich glaube, ich war schön: wenn ich die Lampe

ausblies vor meinem Spiegel, fühlte ich

mit keuschem Schauder, wie mein nackter Leib

vor Unberührtheit durch die schwüle Nacht

wie etwas Göttliches hinleuchtete.

Ich fühlte, wie der dünne Strahl des Monds

in seiner weißen Nacktheit badete

so wie in einem Weiher, und mein Haar

war solches Haar, vor dem die Männer zittern,

dies Haar, versträhnt, beschmutzt, erniedrigt, dieses!

Verstehst dus, Bruder! diese süßen Schauder

hab ich dem Vater opfern müssen. Meinst du,

wenn ich an meinem Leib mich freute, drangen

nicht seine Seufzer, drang sein Stöhnen nicht

bis an mein Bette? Eifersüchtig sind

die Toten: und er schickte mir den Haß,

den hohläugigen Haß als Bräutigam.

Da mußte ich den Gräßlichen, der atmet

wie eine Viper, über mich in mein

schlafloses Bette lassen, der mich zwang,

alles zu wissen, wie es zwischen Mann

und Weib zugeht. Die Nächte, weh, die Nächte,

in denen ichs begriff! Da war mein Leib

eiskalt und doch verkohlt, im Innersten

verbrannt. Und als ich endlich alles wußte,

da war ich weise, und die Mörder hielten –

– die Mutter mein ich, und den, der bei ihr ist, –

nicht einen meiner Blicke aus!

Was schaust du ängstlich um dich? sprich zu mir!

sprich doch! Du zitterst ja am ganzen Leib!

OREST.

Laß zittern diesen Leib. Meinst du, er würde

nicht noch ganz anders zittern, könnt er ahnen,

was ich für einen Weg ihn führen werde?

ELEKTRA.

Du willst es tun? Allein? Du armes Kind.

Hast du dir keine Freunde mitgebracht?

OREST.

Laß, sprich nicht viel davon. Mein alter Pfleger

ist mit. Doch der es tuen wird, bin ich.

ELEKTRA.

Ich hab die Götter nie gesehn, allein

ich weiß, sie werden da sein, dir zu helfen.

OREST.

Ich weiß nicht, wie die Götter sind. Ich weiß nur,

sie haben diese Tat mir auferlegt,

und sie verwerfen mich, wofern ich schaudre.

ELEKTRA.

Du wirst es tun!

OREST.

Ja, ja. Müßt ich der Mutter

nur nicht vorher in ihre Augen schaun.

ELEKTRA.

Sieh mich doch an, was sie aus mir gemacht hat.

OREST sieht sie traurig an.

ELEKTRA.

Du Kind! du Kind! du kommst, verstohlen bist du

gekommen, von dir selber redest du

als wie von einem Toten, und du lebst!

OREST leise.

Gib acht!

ELEKTRA.

Wer bin denn ich, daß du auf mich

so liebe Blicke heftest? Sieh, ich bin

gar nichts. Ich habe alles, was ich war,

hingeben müssen. Auch die Scham, die süßer

als alles ist, die, wie der Silberdunst,

der milchige, beim Mond, um jedes Weib

herum ist und das Gräßliche von ihr

und ihrer Seele weghält! Meine Scham

hab ich geopfert, so wie unter Räuber

bin ich gefallen, die mir auch das letzte

Gewand vom Leibe rissen! ohne Brautnacht

bin ich nicht, wie die Jungfraun sind, die Qualen

von einer, die gebärt, hab ich gespürt

und habe nichts zur Welt gebracht, und eine

Prophetin bin ich immerfort gewesen

und habe nichts hervorgeholt aus mir

und meinem Leib wie Flüche und Verzweiflung.

Nachts hab ich nicht geschlafen, hab mein Lager

mir auf dem Turm gemacht, und hab geschrieen

im Hofe und gewinselt mit den Hunden.

Verhaßt bin ich geworden und hab alles

gesehen, alles hab ich sehen müssen

so wie der Wächter auf dem Turm, und Tag

ist Nacht, und Nacht ist wieder Tag geworden,

und an der Sonne nicht und an den Sternen

hab ich mich nicht gefreut, denn alles war mir

um seinetwillen nichts, es war mir alles

nur Merkzeichen, und jeder Tag war nur

ein Merkstein auf dem Weg!

OREST.

O meine Schwester.

ELEKTRA.

Was willst du?

OREST.

Schwester, ob die Mutter nicht

dir ähnlich sieht?

ELEKTRA wild.

Mir ähnlich? Nein. Ich will nicht,

daß du ihr ins Gesicht siehst. Wenn sie tot ist,

dann wollen wir zusammen ihr Gesicht

ansehen. Bruder, sie warf unsrem Vater

ein weißes Hemde über, und dann schlug sie

auf das, was vor ihr stand, auf das, was hilflos,

was ohne Augen war und sein Gesicht

nicht nach ihr wenden konnte, was die Arme

nicht freibekommen konnte – hörst du mich? –

auf das schlug sie mit hochgehobnem Beil

von oben zu.

OREST.

Elektra!

ELEKTRA.

Ihr Gesicht

hat sie von ihren Taten.

OREST.

Ich wills tun,

ich will es eilig tuen.

ELEKTRA.

Der ist selig,

der tuen darf! Die Tat ist wie ein Bette,

auf dem die Seele ausruht, wie ein Bett

von Balsam, drauf die Seele ruhen kann,

die eine Wunde ist, ein Brand, ein Eiter

und eine Flamme!

 

Der Pfleger Orests steht in der Hoftür, ein starker Greis mit blitzenden Augen.

 

ELEKTRA.

Bruder, wer ist dieser?

DER PFLEGER hastig auf sie zu.

Seid ihr von Sinnen, daß ihr euren Mund

nicht bändigt, wo ein Hauch, ein Laut, ein Nichts

uns und das Werk verderben kann –

ELEKTRA.

Wer ist das?

OREST.

Kennst du ihn nicht? Wenn du mich liebhast, dank ihm.

Du dankst ihm, daß ich bin. Dies ist Elektra.

ELEKTRA.

Du! du! o nun ist alles wirklich! alles

knüpft sich zusammen! Laß mich deine Hände

dir küssen! Ich weiß von den Göttern nichts,

ich weiß nicht, wie sie sind, drum küß ich lieber

dir deine Hände.

DER PFLEGER.

Still, Elektra, still!

ELEKTRA.

Nein, jubeln will ich über dich, weil du

ihn hast hierhergetrieben. Als ich haßte,

da schwieg ich reichlich. Haß ist nichts, er zehrt

und zehrt sich selber auf, und Liebe ist

noch weniger als Haß, sie greift nach allem

und kann nichts fassen, ihre Hände sind

wie Flammen, die nichts fassen, alles Denken

ist nichts, und was aus einem Mund hervorkommt,

ist ohnmächtige Luft, nur der ist selig,

der seine Tat zu tuen kommt! und selig,

wer ihn anrühren darf, und wer das Beil

ihm aus der Erde gräbt, und wer die Fackel

ihm hält, und wer die Tür ihm auftut, selig,

wer an der Türe horchen darf.

DER PFLEGER faßt sie rauh und drückt seine Hand gegen ihren Mund.

Schweig still!

 

Zu Orest in fliegender Eile.

 

Sie wartet drinnen. Ihre Mägde suchen

nach dir. Es ist kein Mann im Haus. Orest!

 

Orest reckt sich auf, seinen Schauder bezwingend.

Die Tür des Hauses erhellt sich, und es erscheint eine Dienerin mit einer Fackel, hinter ihr die Vertraute. Elektra ist zurückgesprungen, steht im

Dunkel. Die Vertraute verneigt sich gegen die beiden Fremden, winkt, ihr hinein zu folgen. Die Dienerin befestigt die Fackel an einem eisernen Ring im Türpfosten. Orest und der Pfleger gehen hinein. Orest schließt einen Augenblick, schwindelnd, die Augen, der Pfleger ist dicht hinter ihm, sie tauschen einen schnellen Blick.