Einen Monat nach seiner Probefahrt im Golf des Clyde war der Duncan völlig hergerichtet, mit Vorräthen und Lebensmitteln versehen, im Stande in See zu gehen. Die Abfahrt wurde auf den 25. August gesetzt, wodurch es der Yacht möglich ward, gegen den Anfang des Frühlings in die südlichen Gegenden zu gelangen.
Es fehlte nicht, daß dem Lord Glenarvan, sobald sein Vorhaben bekannt wurde, manche Bemerkungen über die Beschwerden und Gefahren der Reise gemacht wurden; aber er beachtete sie nicht im Mindesten, und rüstete sich zur Abreise. Auch tadelten ihn Viele, welche ihn aufrichtig bewunderten. Doch die öffentliche Meinung erklärte sich unumwunden zu Gunsten des schottischen Lord, und alle Journale, mit Ausnahme der Regierungsorgane, tadelten einstimmig das Verhalten der Kommissare bei dieser Gelegenheit. Uebrigens war Lord Glenarvan für das Lob ebensowenig empfänglich, wie für den Tadel; er that seine Pflicht, und kümmerte sich sonst um nichts.
Am 24. August verließen Glenarvan, Lady Helena, der Major Mac Nabbs, Mary und Robert Grant, Mr. Olbinett, Proviantmeister der Yacht, und seine Frau Mrs. Olbinett, welche zur Bedienung der Lady Glenarvan gehörte, Malcolm-Castle nach rührendem Abschied von der Dienerschaft. Einige Stunden nachher waren sie an Bord eingerichtet. Die Bewohner Glasgows zollten Lady Helena, der jungen muthigen Frau, welche auf die ruhigen Freuden eines reichen Lebens verzichtete, um Schiffbrüchigen Beistand zu leisten, theilnehmende Bewunderung.
Die Gemächer Lord Glenarvan's und seiner Gemahlin nahmen im Hinterverdeck des Duncan den ganzen hinteren Raum ein; sie bestanden aus zwei Schlafzimmern, einem Salon und zwei Ankleidecabinetten; sodann befand sich darin ein gemeinsamer viereckiger Raum, umgeben von sechs Cabinen, von welchen fünf für Mary und Robert Grant, Herr und Frau Olbinett und den Major Mac Nabbs bestimmt waren. Die Cabinen John Mangles' und Tom Austin's befanden sich im Hintergrund und hatten einen Aufgang zum Oberverdeck. Die Mannschaft war im Zwischenverdeck untergebracht, und sehr bequem, denn die Yacht führte keine andere Ladung als Kohlen, Mundvorräthe und Waffen. Es hatte daher dem Kapitän nicht an Platz gemangelt für die weiteren Vorräthe und Bedürfnisse; und John Mangles hatte ihn gut benutzt.
Die Abfahrt des Duncan war auf die Nacht vom 24. zum 25. August festgesetzt, beim Beginn der Ebbe um drei Uhr. Zuvor jedoch waren die Bewohner Glasgows Zeugen einer rührenden Ceremonie. Um acht Uhr Abends begaben sich Lord Glenarvan und seine Gäste, die gesammte Bemannung vom Heizer bis zum Kapitän, Alle, welche an dieser opferwilligen Reise sich betheiligen sollten, von der Yacht wieder an's Land in die Kathedrale Glasgows, zu St. Mungo. Diese uralte, zur Zeit der Reformation mit Zerstörung verschonte Kirche, welche Walter Scott so wundervoll beschrieben hat, nahm die Passagiere und Seeleute des Duncan in ihren massiven Hallen auf. Eine zahllose Volksmenge fand sich ein. Hier im Hauptschiffe, das voll Gräber ist wie ein Kirchhof, flehte der ehrwürdige Morton den Segen des Himmels an, und empfahl die Unternehmung der Obhut der Vorsehung. Einen Augenblick vernahm man auch die Stimme der Mary Grant, welche in der alten Kirche sich zum Gebet erhob. Das Mädchen flehte für seine Wohlthäter, und vergoß im Angesicht Gottes innige Thränen der Dankbarkeit. Darauf trennte sich die Versammlung, von tiefer Rührung ergriffen.
Um elf Uhr befand sich wieder ein Jeder an Bord. John Mangles traf mit seinen Leuten die letzten Vorbereitungen.
Um zwölf Uhr wurden die Feuer angezündet; der Kapitän befahl tüchtig zu heizen, und bald sah man schwarze Rauchsäulen emporsteigen, um sich mit dem nächtlichen Nebel zu vermischen. Die Segel des Duncan hatte man in der leinenen Umhüllung, welche sie gegen den Kohlenschmutz verwahren sollten, sorgfältig befestigt, denn der wehende Südwest war der Fahrt nicht förderlich.
Um zwei Uhr fing der Duncan an beim Sieden der Kessel zu zischen; das Manometer zeigte einen Druck von vier Atmosphären; der überflüssige Dampf zischte pfeifend durch die Klappen; die Fluth war auf ihrem Höhestand; man konnte schon im Tageslicht das Fahrwasser des Clyde zwischen den Baken und Biggings[Fußnote: Kleine Steinhügel zur Bezeichnung des Fahrwassers.] erkennen, deren Leuchtfeuer beim Tagesgrauen allmälig erloschen. Alles war zur Abfahrt fertig.
John Mangles meldete es Lord Glenarvan, der sogleich auf's Verdeck kam.
Alsbald wurde die Ebbe merklich; der Duncan pfiff mächtig in die Lüfte, lichtete die Anker und machte sich von den Schiffen der Umgebung los; die Schraubenwinde wurde in Bewegung gesetzt und brachte die Yacht in's Fahrwasser des Flusses. John hatte sich keinen Lootsen genommen, und kein erfahrener Pilot hätte sein Schiff besser geführt. Er gab das Zeichen, und die Yacht setzte sich in Bewegung; schweigend und sicher, die Linke am Steuerruder, gab er mit der Rechten der Maschine seine Befehle.
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