Fräulein Else - Novelle

Arthur Schnitzler

Fräulein Else

Novelle

Berlin · Wien · Leipzig 1924

Herausgegeben von
Joseph Kiermeier-Debre

Deutscher Taschenbuch Verlag

Originalausgabe 2013

Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

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© 2013 Deutscher Taschenbuch Verlag, München

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eBook ISBN 978-3-423-41776-1 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-02689-5

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Der Nachdruck des Textes folgt originalgetreu der Erstausgabe von 1924.

Die Originalpaginierung wird im fortlaufenden Text vermerkt.

Der Anhang gibt Auskunft zu Autor und Werk.

S. 5

„Du willst wirklich nicht mehr weiterspielen, Else?“ – „Nein, Paul, ich kann nicht mehr. Adieu. – Auf Wiedersehen, gnädige Frau.“ – „Aber, Else, sagen Sie mir doch: Frau Cissy. – Oder lieber noch: Cissy, ganz einfach.“ – „Auf Wiedersehen, Frau Cissy.“ – „Aber warum gehen Sie denn schon, Else? Es sind noch volle zwei Stunden bis zum Dinner.“ – „Spielen Sie nur Ihr Single mit Paul, Frau Cissy, mit mir ist's doch heut' wahrhaftig kein Vergnügen.“ – „Lassen Sie sie, gnädige Frau, sie hat heut' ihren ungnädigen Tag. – Steht dir übrigens ausgezeichnet zu Gesicht, das Ungnädigsein, Else. – Und der rote Sweater noch besser.“ – „Bei Blau wirst du hoffentlich mehr Gnade finden, Paul. Adieu.“

Das war ein ganz guter Abgang. Hoffentlich glauben die Zwei nicht, daß ich eifersüchtig bin. – Daß sie was miteinander haben, Cousin Paul und Cissy Mohr, darauf schwör' ich. Nichts auf der Welt ist mir gleichgültiger. – Nun wende ich mich noch einmal |8| um und winke ihnen zu. Winke und lächle. Sehe ich nun gnädig aus? – Ach Gott, sie spielen schon wieder. Eigentlich spiele ich besser als Cissy Mohr; und Paul ist auch nicht gerade ein Matador. Aber gut sieht er aus – mit dem offenen Kragen und dem Bösen-Jungen-Gesicht. Wenn er nur weniger affektiert wäre. Brauchst keine Angst zu haben, Tante Emma …

Was für ein wundervoller Abend! Heut' wär' das richtige Wetter gewesen für die Tour auf die Rosetta-Hütte. Wie herrlich der Cimone in den Himmel ragt! – Um fünf Uhr früh wär' man aufgebrochen. Anfangs wär' mir natürlich übel gewesen, wie gewöhnlich. Aber das verliert sich. – Nichts köstlicher als das Wandern im Morgengrauen. – Der einäugige Amerikaner auf der Rosetta hat ausgesehen wie ein Boxkämpfer. Vielleicht hat ihn beim Boxen wer das Aug' ausgeschlagen. Nach Amerika würd' ich ganz gern heiraten, aber keinen Amerikaner. Oder ich heirat' einen Amerikaner und wir leben in Europa. Villa an der Riviera.