Er kennt den Herd, den Saal...

Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.

 

Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin

Mit Linnen blendend weiß. Das Edelmägdlein hilft.

Ein Knabe trug den Krug mit Wein. Der Kinder Blick

Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt...

Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut.

– »Verdammt! Dasselbe Wappen! Dieser selbe Saal!

Drei Jahre sind's... Auf einer Hugenottenjagd...

Ein fein, halsstarrig Weib...›Wo steckt der Junker? Sprich!‹

Sie schweigt. ›Bekenn!‹ Sie schweigt. ›Gib ihn heraus!‹ Sie schweigt.

Ich werde wild. Der Stolz! Ich zerre das Geschöpf...

Die nackten Füße pack ich ihr und strecke sie

Tief mitten in die Glut.. ›Gib ihn heraus!‹.. Sie schweigt...

Sie windet sich... Sahst du das Wappen nicht am Tor?

Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?

Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.«

Eintritt der Edelmann. »Du träumst! Zu Tische, Gast...«

 

Da sitzen sie. Die drei in ihrer schwarzen Tracht

Und er. Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet.

Ihn starren sie mit aufgerißnen Augen an –

Den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk,

Springt auf: »Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!

Müd bin ich wie ein Hund!« Ein Diener leuchtet ihm,

Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück

Und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr...

Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach.

 

Fest riegelt er die Tür. Er prüft Pistol und Schwert.

Gell pfeift der Sturm. Die Diele bebt. Die Decke stöhnt.

Die Treppe kracht... Dröhnt hier ein Tritt?... Schleicht dort ein Schritt?...

Ihn täuscht das Ohr. Vorüberwandelt Mitternacht.

Auf seinen Lidern lastet Blei und schlummernd sinkt

Er auf das Lager. Draußen plätschert Regenflut.[215]

 

Er träumt. »Gesteh!« Sie schweigt. »Gib ihn heraus!« Sie schweigt.

Er zerrt das Weib. Zwei Füße zucken in der Glut.

Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt...

– »Erwach! Du solltest längst von hinnen sein! Es tagt!«

Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt,

Vor seinem Lager steht des Schlosses Herr – ergraut,

Dem gestern dunkelbraun sich noch gekraust das Haar.

 

Sie reiten durch den Wald. Kein Lüftchen regt sich heut.

Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad.

Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch.

Friedsel'ge Wolken schwimmen durch die klare Luft,

Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht.

Die dunkeln Schollen atmen kräft'gen Erdgeruch.

Die Ebne öffnet sich. Im Felde geht ein Pflug.

Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: »Herr,

Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit

Und wißt, daß ich dem größten König eigen bin.

Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!« Der andre spricht:

»Du sagst's! Dem größten König eigen! Heute ward

Sein Dienst mir schwer.. Gemordet hast du teuflisch mir

Mein Weib! Und lebst!... Mein ist die Rache, redet Gott.«[216]

 

Die Rose von Newport

Sprengende Reiter und flatternde Blüten,

Einer voraus mit gescheitelten Locken –

Ist es der Lenz auf geflügeltem Renner?

Karl ist's, der Jüngling, der Erbe von England,

Und die sich nähern in goldener Mailuft,

Das sind die Giebel und Tore von Newport,

Drüber das Wappen der Stadt: eine Rose!

Jubelnde Gassen und jubelnde Wimpel

Und ein von treibender Jugend geschwelltes,

Jubelndes Herz in dem Busen des Stuart...

Unter den blühenden Linden des Marktes

Schreitet ein Reigen von blühnden Gestalten

Und eine Schönste mit herzlichem Beben

Bietet dem Prinzen die Rose von Newport:

»Seliges Gestern und Morgen und Heute,

Herr, dir die Rose von Newport bedeute!«[216]

Morgen erzählen die Linden das Märchen

Von der entblätterten Rose von Newport.

 

Sprengende Reiter und wirbelnde Flocken,

Einer voraus mit verwilderten Haaren –

Ist es der Winter, der finstre Geselle?

Karl ist's, der Flüchtling, der König von England.

Seit er das Blut seines Volkes vergossen,

Reitet er neben zerschmetterndem Abgrund...

Und die sich nähern in weißem Gestöber,

Das sind die Giebel und Tore von Newport,

Drüber das Wappen der Stadt: eine Rose!

Nirgend ein Jubel und nirgend ein Wimpel,

Polternde Hämmer und kreischende Feilen,

Und ein von eisernen Fäusten gepreßtes,

Ächzendes Herz in dem Busen des Stuart...

Unter den frierenden Linden des Marktes

Bettelt ein Kind mit verschatteten Augen,

Bietet dem König ein dorrendes Röschen:

»Seliges Gestern und Morgen und Heute,

Herr, dir die Rose von Newport bedeute!«

Karl, der die Züge des Kindes betrachtet,

Schmal und gespenstig im Spiegel des Elends

Sieht er das eigene Antlitz und schaudert.

 

Morgen erzählen die Linden das Märchen

Von dem enthaupteten König in England.[217]

 

Der sterbende Cromwell

Vor der Königsburg in nächt'ger Stunde

Knickt der Tod die Eichen in die Runde,

Drinnen sucht er dann ein zäher Leben

Aus den Wurzeln allgemach zu heben –

Whitehall ist Cromwells Sterbestätte,

 

Ein Waldenser kniet an seinem Bette!

»Herr, ich komm, ein Kind des welschen Tales,

Wo du bist der Schutzgott jedes Mahles,

Unsern Dank auf deine Knie zu legen,

Leben, Cromwell, mußt du unsertwegen![217]

Rom befehdet uns mit seinen Pfaffen,

Unser Herzog rüstet frevle Waffen

Gegen unser Tal, den lautern Glauben

Will er oder uns das Leben rauben!

Doch du sahst in deinen Schmerzensnächten

Uns gefoltert schon von Henkersknechten

Und du hobest dich in Fieberschwüle,

Auf den Arm gestützt, empor vom Pfühle

Und du drohtest, über Meer gewendet –

Pfaffen, Henker blieben ungesendet.

Wenn wir, Cromwell, deine Söhne wären,

Herber könnten wir dich nicht entbehren!

Deine bangen Atemzüge geben

Uns den Odem, fristen uns das Leben.

Dennoch – wie du leidest, Herr – unsäglich –

Deine Qualen werden unerträglich?

Dennoch – ob uns Hartes sei beschieden –

Friedestifter, fahre hin in Frieden!«[218]

 

Miltons Rache

Am Grab der Republik ist er gestanden,

Doch sah er nicht des Stuart Schiffe landen,

Ihn hüllt' in Dunkel eine güt'ge Macht:

Er ist erblindet! Herrlich füllt mit lichten

Gebilden und dämonischen Gesichten

Die Muse seines Auges Nacht...

 

Ein eifrig Menschenantlitz neigt sich neben

Der müden Ampel, feine Finger schweben,

Auf leichte Blätter schreibt des Dichters Kind

Mit eines Stiftes ungehörtem Gleiten

Die Wucht der Worte, die für alle Zeiten

In Marmelstein gehauen sind...

 

Er spricht: »Zur Stunde, da« – Hohnrufe gellen,

Das Haupt, das blinde, bleiche, zuckt in grellen,

Lodernden Fackelgluten, zürnt und lauscht...

Durch Londons Gassen wandern um die Horden

Der Kavaliere, Schlaf und Scham zu morden,

Von Wein und Übermut berauscht:[218]

 

»Schaut auf! Das ist des Puritaners Erker!

Der Schreiber hält ein blühend Kind im Kerker!

Der Schuhu hütet einen duft'gen Kranz!

Wir schreiten schlank und jung, wir sind die Sünden

Und kommen ihr das Herzchen zu entzünden

Mit Saitenspiel und Reigentanz!

 

Vertreibt den Kauz vom Nest! Umarmt die Dirne!...«

Geklirr! Ein Stein!...