Kommt er vom Erzengel Michel (Gott meine Stärke) oder von dem angelsächsischen Mickel, nordischen Mickil, die Bedeutung bleibt dieselbe, der Starke, der Gewaltige, wohinein jeder sich beliebig seinen Teil deutscher Derbheit und Plumpheit, auch wohl Dummheit legt./

 

 

Heimweh nach Rügen

 

1842.

 

O Land der dunklen Haine,

O Glanz der blauen See,

O Eiland, das ich meine,

Wie tut's nach dir mir weh!

Nach Fluchten und nach Zügen

Weit über Land und Meer,

Mein trautes Ländchen Rügen,

Wie mahnst du mich so sehr!

 

O wie, mit goldnen Säumen

Die Flügel rings umwebt,

Mit Märchen und mit Träumen

Erinnrung zu mir schwebt!

Sie hebt von grauen Jahren

Den dunkeln Schleier auf,

Von Wiegen und von Bahren,

Und Tränen fallen drauf.

 

O Eiland grüner Küsten!

O bunter Himmelschein!

Wie schlief an deinen Brüsten

Der Knabe selig ein!

Die Wiegenlieder sangen

Die Wellen aus der See,

Und Engelharfen klangen

Hernieder aus der Höh'.

 

Und deine Heldenmäler

Mit moosgewobnem Kleid,

Was künden sie, Erzähler

Aus tapfrer Väter Zeit,

Von edler Tode Ehren

Auf flücht'gem Segelroß,

Von Schwertern und von Speeren

Und Schildesklang und -stoß?

 

So locken deine Minnen

Mit längst verklungnem Glück

Den grauen Träumer hinnen

In alter Lust zurück.

O heißes Herzenssehnen!

O goldner Tage Schein

Von Liebe reich und Tränen!

Schon liegt mein Grab am Rhein.

 

Fern, fern vom Heimatlande

Liegt Haus und Grab am Rhein.

Nie werd' an deinem Strande

Ich wieder Pilger sein.

Drum grüß' ich aus der Ferne

Dich, Eiland lieb und grün:

Sollst unterm besten Sterne

Des Himmels ewig blühn!

Lust des freien Geistes

 

1842.

 

Horch'! Der Himmel klingt von Geigen,

Und du fragst: »Wer führt den Reigen?«

Antwort tönt: »Der freie Geist,

Er, der Einzighochgeborne,

Er, der Leuchtendgotterkorne,

Der die Sonnen tanzen heißt.«

 

Ha! Wie schlingen sich die Pfade!

Ha! Wie brausen die Gestade

In dem Weltenozean!

Dieser wirbelnde Mäander,

Dieses wirre Durcheinander

Seinen Saiten untertan.

 

Auf denn, Herz, zu seiner Wonne!

Tanze du, auch eine Sonne,

Mutig mit den Sternentanz!

Millionen sind die Flieger,

Nur der Schnellste bleibt der Sieger,

Nur der Kühnste greift den Kranz.

Frühlingslied an die Frömmler

 

1843.

 

Schmält mir nicht die alten Heiden,

Denn ein Heide bin ich auch,

Wann ich's Blümlein schau' der Heiden,

Wann ich's Vöglein hör' im Strauch.

 

Weg mit euren dunklen Listen!

Weg mit eurer trüben Kunst!

Denn dem freien, frohen Christen

Werden solche Schmerzen Dunst.

 

Ihr, die uns das Licht verdüstert,

Schreckt die Freude blaß und bleich,

Wißt, was unter Rosen flüstert',

Hat auch Weg zum Himmelreich.

 

Blumen gab der Herr der Imme,

Liebesklang der Nachtigall

Und dem Menschen eine Stimme

Tiefer Brust für Freudenschall.

 

Bleibe Gott und Gottes Ehre

In der ewigen Natur!

Sophoklesse und Homere

Sangen seines Geistes nur.

 

Schmält mir Goethen nicht und Schiller,

Ihr, des engen Eifers heiß,

Alle eure Jammertriller

Geb' ich gern für solche preis.

 

Denn mein Heiland und Befreier

Fuhr herab ins Sündenland,

Der die höchste Sternenleier

Hat für Lust und Leid gespannt.

 

Der mit ersten Morgenröten

Sang der Welten Urgesang,

Gönnet auch den Erdenflöten

Ihren kurzen Freudenklang.

 

Denn besiegt hat er die Lüste

Und den Lüstensatan nur,

Damit jeder fröhlich wüßte,

Gottes Klänge klingt Natur;

 

Denn gebracht hat hellre Lichter

Darum er dem Erdengraun,

Daß die Menschenangesichter

Heller sollten um sich schaun.

 

Ha! Die Frühlingsbäume stäuben

Duft'gen Blütenschnee umher,

Mich beleben, mich beleiben

Will ich voll im Wonnemeer.

 

Alles Heitre blüh' und Schöne!

Spiele, süßer Sonnenstrahl!

Vöglein, singe deine Töne!

Bächlein, klinge hell zu Tal!

Danklied

 

1843.

 

Frischauf, mein Herz, und werde Klang!

Und, Seele, werde Lied!

Und, Freude, töne Lobgesang,

Der mir im Busen glüht!

Denn er, der alle Himmel rollt

Und zählt das Sternenheer,

Denn Gott, der Vater fromm und hold,

Verläßt mich nimmermehr.

 

Ich lag, umhüllt mit Finsternis,

Die aus der Hölle kam,

Und durch die tiefste Seele riß

Mit Tigerklaun der Gram,

Gebrochen war mir alle Kraft,

Erloschen aller Mut,

Da rief ich dem, der alles schafft:

Mach's, Vater, mach' es gut!

 

Und plötzlich ward die Nacht zu Licht,

Zur Wonne ward das Leid,

Und wieder schaut' ich aufgericht't

Des Lebens Herrlichkeit,

Den blauen, lichten Sternenraum,

Der Erde Blumenfeld –

Da war mein Jammer nur ein Traum,

Die Welt die beste Welt.

 

Drum dank' ich dem, der Wunder tut

Und Güte für und für,

Es rieselt jeder Tropfen Blut

Den Lobgesang in mir,

Es wird ein jeder Blick ein Strahl,

Der auf gen Himmel dringt,

Und tausend, tausend, tausend Mal

Das Heilig! Heilig! klingt.

 

Denn wie die Kindlein in dem Schoß

Die treue Mutter hegt,

Läßt seine Treue nimmer los,

Die alles selig trägt,

Und seine Liebe lockt so süß,

Was Liebe mag verstehn,

Daß wir zu ihm ins Paradies

Der Lust und Unschuld gehn.

Letzter Zug an Gott

 

1844.

 

Komm, Gott, komm, Gott vom Himmel

Und sieh in Gnaden drein,

Durchleuchte das Gewimmel

Der Nacht mit Sonnenschein,

Entwirre die Verwirrung,

Die ohne Licht und Rat

Stets tiefer in Verirrung

Verfahren hat den Pfad.

 

Komm, Gott, komm, Gott der Gnaden!

Und hilft nicht Sonnenschein,

So komm mit Blitz geladen

Und blitz' und donnre drein,

Daß wieder innewerden

Erbebend Herr und Knecht,

Daß Gott regiert auf Erden

Und pflegt das höchste Recht.

 

Es war der Tag gekommen,

Der Tag der bittern Schmach,

Der Tapfern, Weisen, Frommen

Das deutsche Herz zerbrach,

Es lag von düstern Schanden

Befleckt das Vaterland

In Ketten und in Banden

Durch welschen Trug und Tand:

 

Gefesselt in Verstrickung

Der freie deutsche Mann –

Da wehte mit Erquickung

Der Geist von dir ihn an,

Da schlug dein hehres Mahnen

Wie Blitz ihm durch die Brust,

Glück brausten seine Fahnen,

Sein Atem Siegeslust.

 

Ach! Von den schönen Tagen,

Von jener Wonnezeit

Tönt's heut nur wie von Sagen

Aus längst verklungner Zeit,

Verworren und beklommen

Weiß keiner kaum, wohin,

Den Weisen selbst und Frommen

Steht still der kluge Sinn.

 

Denn ach, die einen rufen:

Nichts, nichts als Frei und Gleich,

Die andern aber fluchen:

Sie wollen uns ans Reich,

Und böser Geister Schwirrung

Umschwirrt dies Nachtgeheul –

Verwirrung auf Verwirrung,

Stets dichter wird der Knäul.

 

So wirrt sich's durcheinander,

So tobt und schreit es laut –

Wo ist der Alexander,

Der diesen Zank durchhaut?

Wo lebt der hohe Meister,

Wo dräut der mächt'ge Bann,

Der diesen Krieg der Geister

Zum Frieden zwingen kann?

 

Das bist du, Gott der Gnaden,

Du einzig gleich und frei,

Komm von den Sonnenpfaden,

Komm, still' uns dies Geschrei,

Laß hell den Degen klirren

Von deiner Sternenburg,

Hau' von den wüsten Wirren

Den ganzen Jammer durch.

Mut des Verderbens

 

4. März 1844.

 

Und hätt' ich zehntausend Köpfe

Und trüge keinen zu Haus,

Die feigen Schurken und Tröpfe,

Sie machen mir's zu kraus.

 

Und trüg' ich zehntausend Kronen,

Ich würfe sie alle fort,

Vor allen Höhen und Thronen

Steht höchst das hohe Wort:

 

Das heilige Lutherzeichen,

Das schuf und trägt die Welt,

Den Listen und Griffen der Bleichen

Und Feigen zu hoch gestellt.

 

Ja presset mit eurer Presse,

Setzt, presset, drucket allein –

Ich kenn' eine feurige Esse,

Die schmiedet und gießt auch fein.

 

Da sitzt der Meister der Meister,

Da schmiedet er fort und fort,

Und seine Gesellen, die Geister,

Die blasen und schaffen am Wort.

 

Die schmieden und gießen die Lettern

Und streun sie lustig umher

Und sammeln zu Donnerwettern

Ihr leichtgeflügeltes Heer.

 

Doch weit über Hören und Sehen

Glänzt Narren die blitzende Schrift;

Drum donnert, ihr Mächte der Höhen,

Und schleudert Blitz, welcher trifft!

 

Und sammelt ihr auch die Lettern

Zu einem Vernichtungsspruch,

Und muß ich mit in den Wettern,

Ich lebte und liebte genug.

Das Finkenlied

 

5. Januar 1845.

 

Wir singen ein trauriges Finkenlied:

Der edle, freie Fink ist tot,

Ihn weckt zu frohem Lustgesang

Nie mehr ein irdisch Morgenrot,

Er hat ein beßres Land erflogen,

Er schwimmt auf hellern Himmelswogen –

Doch ach, für uns der Fink ist tot.

 

Wir singen ein fröhliches Finkenlied,

Ein Lied aus voller, deutscher Brust,

Und wenn wir auch in Trauern gehn,

Solche Trauer hat in Tränen Lust:

Um Tapfre sind so süß die Schmerzen,

Sie heben himmelan die Herzen,

Des Himmelfluges sich bewußt.

 

Wir singen ein fröhliches Finkenlied –

Wie fröhlich war des Finken Sang,

Wenn er den Dreiklang hellsten Tons

Recht, Vaterland und Freiheit klang!

Den Schlag in guten und bösen Tagen,

Den mußt er immer mutig schlagen,

Der war des deutschen Finken Klang.

 

Den klang er, als vom welschen Gei'r

Der deutsche Hain war stumm gemacht,

Den klang er frisch durch Berg und Tal;

Drob hieb der Gei'r ihm Bann und Acht

Und rief: Wir wolln den deutschen Schnäbeln

Die unverschämten Kehlen knebeln,

Schweigt, Freche! Bebet unsrer Macht!

 

So meint' und dräute welsche Wut,

Doch Gott im Himmel meint' es nicht,

Er schlug mit schärfsten Blitzen drein,

Da ward's in deutschen Hainen licht,

Da blühte deutscher Frühling wieder,

Da klangen wieder deutsche Lieder,

Und fremde Schnäbel krächzten nicht.

 

Und o, der Adler an der Spree,

Da, wo er thront in höchster Horst,

Vernahm des tapfern Finken Schlag

Und sprach: »Der hüte mir die Forst!

Der tut mit unverzagtem Singen

Den wunderschönen Dreiklang klingen,

Der hüte mir die Westenforst!«

 

Und siehe, auf des Aars Gebot

Froh fliegt der treue Finke hin,

Mit Morgenrot die Brust gefüllt,

Gesanges, Sieges freudig hin,

Damit das Land der Roten Erde

Der jungen Wonne selig werde,

Zur Westenforst, da fliegt er hin.

 

Dort hat sein Dreiklang frisch und frei

Geklungen mehr als dreißig Jahr

In Feld und Berg und Tal voran –

So wollt's der königliche Aar.

Und wollten Uhu, Kauz und Eulen

Das Lied der Finsternis sich heulen,

Er hielt den Ton der Kehlen klar.

 

So klang sein freies Lied voran

Mit vollem, hellem, deutschem Klang,

Daß es die düstre Vogelschar

Zum Fliehen oder Schweigen zwang.

Doch Amseln, Lerchen, Nachtigallen,

Die hört man doppelt lustig schallen,

Wann allen vor der Finke sang.

 

Drum singen wir fröhlich das Finkenlied –

O gebe Gott dem deutschen Wald

Stets solches Dreiklangs Freudenschall!

So bleibt das Glück uns wohlgestalt.

Recht, Vaterland und Freiheit klingen

Bleibt bestes Ding von guten Dingen,

Wann's mächtig durch die Seelen schallt.

Der Schwan von Pulitz

 

An Charlotte von Kathen in Putbus.

 

1846.

 

Schneeweißer Schwan, wo fliegst, wo klingst du her?

Wo kommst du Frühlingsklinger hergeflogen?

Aus meiner grünen Insel stillem Meer?

Aus Pulitz' sturmgeschirmten Wogen?

Flogst du aus seinen stillen Buchten her?

Und trägst im goldnen Schnabel goldne Mär?

 

Hast du die kleinern Inseln auch besehn?

Die steile Oi, vom Vilm die stolzen Buchen?

Den Rugard, Putbus' waldbekränzte Höhn,

Wo Reiz und Schönheit Aug' und Herz versuchen?

O klinge mir den süßen Heimatklang!

Mein greises Haupt, es neigt zum Schwanensang.

 

»Zum Schwanensang? Für diesen kam ich nicht,

Für diesen regt' ich nicht zum Rhein die Flügel,

Für diesen flog ich schnell wie Lieb' und Licht

So weiten Flug nicht über Tal und Hügel. –

Du weißt, still schaurig klingt der Schwanensang,

Heut kling' ich eitel hellen Freudenklang.

 

Heut kling' ich Klang der Himmelsnachtigall,

Die Lieb' und Lenz in Putbus' Hainen singet,

Heut kling' ich nach den süßen Wunderschall,

Der wie aus höherm Himmel niederklinget,

Ich klinge nach – o könnt' ich's recht und ganz! –

Du kennest Klang und Wonne, Licht und Glanz.

 

Nimm Klang und Gruß!« – Und horch'! Der Flügel rauscht,

Und ehe Aug' und Ohr sich noch besinnen,

Wie man im Traum auf Bild und Stimme lauscht

Und fassen will, ist Schwan und Flügel hinnen,

Und wie aus Fernen klingt ein süßer Schall,

Die Himmelsstimme, Putbus' Nachtigall.

Zu Martin Luthers 300jähriger Todesfeier

 

Frühlingsmond 1846.

 

An die Protestanten.

 

Ihr wagt's, die Toten aufzuwecken?

O laßt den alten Luther ruhn!

Erbebt ihr nicht den blassen Schrecken

Des Donnerkinds für euer Tun?

Dreihundert Jahr hat er geschlafen –

Seid ihr die Reinen, Freien, Braven,

Die seiner Klinge Blitz bestehn?

 

Denn Blitz führt seines Wortes Klinge –

Hui! Turm und Mauer, Wall und Burg!

Hui! Feinster Listen Kettenringe

Er stürmt und bricht und haut sie durch. –

Doch horch'! Wie? Naht sein Waffenklirren?

Es lispelt nicht wie Taubengirren –

In Säuseln kommt der Donner nicht.

 

»Wie,« ruft er, »zaubert aus dem Grabe

Prophetenstimmen ihr herauf?

Längst trug ich meiner Arbeit Habe

Zu meinem Gott und Christ hinauf.

Laßt Tote modern bei den Toten!

Zu höchsten Sternen sendet Boten,

Da fragt der Zukunft Donnerlaut.

 

Denn Donnerglocken könnt' ich läuten,

Worob Gesicht und Ohr vergehn,

So nahe ferne Zeichen deuten,

Mit solchem Grausen euch durchwehn,

Daß ihr im Zittern und Verzagen

Mit euren Klagen, euren Fragen

Verstummtet vor dem Schreckenklang.

 

Denn wohl könnt' ich zuerst euch fragen,

Wie ihr das Erbe angewandt,

Das einst in Sorgen, Kämpfen, Plagen

Ich euch errang mit starker Hand,

Das Erb' und Recht des tapfern Wortes;

Ob ihr des goldnen Freiheitshortes

Die kühnen, wachen Wächter seid;

 

Ob von Innozenzen und Gregoren,

Von Loyolas Assassinenschwarm,

Von Rittern von den goldnen Sporen

Euch keiner bog den deutschen Arm,

Ob welschen Schleichern, Spähern, Schranzen

Ihr hieltet vor die rechten Lanzen

Für Gott und Recht und Vaterland.

 

Denn wohl zum zweiten könnt' ich fragen,

Ob Menschenwitz und Satanslist

Mit leersten Künsten nicht sich schlagen

Um meinen Glauben, meinen Christ,

Ob ihr in guten, frohen Dingen

Noch könnt mit mir von Herzen singen:

›Das Wort sie sollen lassen stehn!‹

 

Jawohl zum ersten, zweiten, dritten –

Ich hauche weg wie Wind die Spreu,

Was ihr gelitten, was gestritten,

War's nicht um, für und durch die Treu',

Denn fallt ihr hier der scharfen Frage,

So wird zum Märchen gar die Sage,

Daß keinen Deutschen Gott verläßt.

 

Doch schon zuviel der strengen Worte,

Es ziemt der Zorn dem Feste nicht.«

Er schweigt; ausgießt die Himmelspforte

Den hellsten, vollsten Strom von Licht.

So fährt der alte, tapfre Meister

In Licht und Blitz ins Reich der Geister

Zu seinem Gott und Christ zurück.

Mimerung unter deutschen Eichen

 

1846.

 

Träumend in Mimerung1 wandelte jüngst im Schatten

Deutschesten Hains ich sturmbewegter Eichen,

Und wie sie rauschten, rauschten mir Gedanken

Wild durch die Seele,

 

Dunkle Gedanken – Wie der Blitz, auf schwarzen

Wolken sich wälzend, schaurig durch die Luft schießt,

Schoß es mit Blitzesleuchtung mir mit scharfem

Weh durch die Seele.

 

Hundert und tausend, wie des Blitzes Funken

Fliegen, so flogen Vögel heißer Schwingen

Mir um den Busen, hiehin, dahin flatternd,

Mächtige Wühler.

 

Wühler, aufreißend tiefsten Grund des Herzens,

Reißend der glücklich dicht verhüllten Zukunft

Dunkles Gewölk auf, wo es wie gespenstisch

Mitternachtspiel spielt.

 

Mitternachtspiel; denn gleich entbundnen Geistern,

Nicht wie aus Windeln in der Zukunft Wiege,

Nein, wie aus Gräbern, tanzten vor mir grausig

Säkeln den Tanz ab.

 

»Weh mir der Zeichen!« rief ich, »du gewaltiges

Wehen des Geistes! Schone deiner Blitze!

Schone des Donners! Denn er donnert Schrecken,

Geistesverwirrung.

 

Weh mir der Zeichen! Weh der Sehnsuchtsfragen

Ahnender Sehnsucht, ob von diesen Eichen

Freie Germanen Siegeskränze flechten?

Enkel noch flechten?

 

Ob, wann Gefahr, wann Kriegsgetümmel andrängt,

Blut nur der Fremden deutsche Klingen rötet?

Vielheit der Fürsten wie ein Mann dann vorficht?

Einheit in Treue?

 

Ob, wann aus Welschland ein Orkan, aus Rußland

Brausend ein zweiter Deutschlands Mitte fasset,

Fern kein Arminius sein wird und kein zweiter

Gneisenau-Blücher?«

 

Da hat's gelispelt: »Hoffe! Wahrlich, beide

Augen, du könntest sie am Born der Weisheit

Mimern verpfänden, vollen Trunk der Seele

Schlürftest du doch nicht.

 

Laß drum das Mimern, wolle nicht ergrübeln,

Was von den künftigen Tagen Gott verhüllte:

Tropfen nur schenkt er; wer des vollen Borns will,

Will die Verwirrung.«

Fußnoten

 

1 Mimern ein treffliches deutsches Wort der innersten Betrachtung; ebenso Rernung (osnabrückisch Rärning, französisch rêver). Solche Bezeichnung des verschiedensten Ahnungsvermögens kann kein Poet und Philosoph entbehren.

 

 

Frühlingstraum

1846.

 

Ging ich aus ins Frühlingstal,

Wollte Blüten fangen,

Blumenlust und Sonnenstrahl,

Alt und jung Verlangen.

 

Altes, wieder grün und kraus,

Webte frische Ranken,

Junges in die Welt hinaus

Schneller als Gedanken.

 

Aber weh! Der Himmel zog

Dunkel sich zusammen,

Und ein Donnersturmwind flog

Her mit Blitzesflammen:

 

Wald und Feld und Au und Tal

Ringsumher zerzauset,

Und der Lerch' und Nachtigall

Jeder Ton vergrauset.

 

Nur vom Stumpf und Dornbusch krächzt

Kräh' mir und Neuntöter,

Und aus Turmgetrümmer ächzt

Kauz, der Schwerenöter.

 

Und der ganze Frühlingstraum

Hinnen wie geschwinde!

In den öden, weiten Raum,

Weg in alle Winde!

 

Lenzesbild, du Lebensbild –

Fliege mit, o Wandrer,

Was dir heut verwelkt, verquillt,

Morgen fängt's ein andrer.

Herzenssaitenspiel

 

1846.

 

Was spielte so klingende Saiten

Auf dir, mein altes Herz,

Aus fernsten Tiefen und Weiten

Zugleich mit Schmerz und Scherz?

 

Es fließen die Stunden, die Räume

Zusammen in dem Gewirr

Und Schattenspiele der Träume

Im leichten Flügelgeschwirr.

 

Bald spielt es wie im Reigen

Hell auf zum lustigen Tanz,

Und Sonn' und Blüten neigen

Darüber Frühlingsglanz;

 

Bald bläst wie über Leichen

Die tiefe Flöte Weh,

Wie hohle Töne streichen

Fernher auf tiefer See.

 

Das ist's, die Tiefen, die Weiten,

Das ist's, das meint der Klang,

Das jauchzen, das klingen die Saiten.

Sei drum, mein Herz, nicht bang.

 

Die Sonnen und die Erden –

Wer misset Flug und Schritt? –

Müssen Flieger und Tänzer werden:

Du tanze lustig mit.

 

Und laß sie spielen, die Saiten

Auf dir, du altes Herz,

Und frage nicht Nähen noch Weiten,

Spielt alles doch himmelwärts.

 

So fliege mit tanzenden Himmeln

Und glaube, die Welt ist dein;

Wo Götter und Sonnen sich wimmeln,

Rolle mit in dem Klang und Schein.

Heid' und Christ

 

1846.

 

»Geh drunter durch und laß es rollen!

Laß donnern laut, was Donner ist!

Denn was die Höchsten droben wollen,

Das muß geschehn zu jeder Frist.

 

Sprich: Trotz sei dir, o Himmelskönig!

Auch meine Stirne trägt dein Mal –

Hui! Hoch und Niedrig, Groß und Wenig!

Kühn steh' ich deinem Wetterstrahl.

 

Wie? Knien, wimmern mit den Wichten?

Das hemmt kein Tröpflein deiner Flut –

Zerschlagen kannst du, nicht vernichten:

Auch meine Brust schwellt Götterglut.

 

Reck' aus denn! Schleudre deine Flamme

Mit deinen schärfsten Blitzen aus!

Den Funken vom Prometheusstamme

Ihn löschet keine Allmacht aus.«

 

So klingt des alten Heiden Rede,

So kämpft er, groß im Weltensturz,

Die ungeheure Geisterfehde,

Doch wird ihm Lust und Atem kurz.

 

Was frommt Ich trage keine Ketten,

Was frommt der kühne Spruch dem Mann,

Den von dem finstern Stolz erretten

Kein Sonnenstrahl der Liebe kann?

 

Was frommt ihm Werfen in die Speichen

Des Schicksalswagens frech die Faust,

Der über Trümmer fort und Leichen

Unwiderstehlich weitersaust?

 

Was frommt's, im bittern Gram vermodern,

Wenn auch der Funke nimmer stirbt?

In heißer Flamm' unsterblich lodern,

Wenn Lust und Mut im Trotz verdirbt?

 

Mir horch'! Ich will dir Schönres weisen,

Den hellen, heitern, sanften Weg:

Zu meinem Heiland sollst du reisen,

Ihn schaun, und Trotz und Zorn ist weg.

 

Prometheus auch hat er gehangen

An seinem blut'gen Kaukasus,

Weil er das Sehnen und Verlangen

Der bangen Seelen stillen muß;

 

Weil er das neue Licht getragen,

Der Menschheit junges Morgenrot,

Ist er ans Schandenholz geschlagen,

Gestorben den Verbrechertod.

 

Ihn schau', sein Kreuz und seine Wunden,

Dann geht dir auf ein himmlisch Licht,

Und alle Schrecken sind verschwunden,

Und Stolz und Hochmut kämpfen nicht.

 

Dann laß nur alle Donner rollen,

Gar fröhlich gehst du drunter durch:

Denn wie dein Vater muß Gott wollen,

Und Liebe trägt die Himmelsburg.

Waldgrutz

 

1846.

 

Ihr, süße Blumen, grüne Haine,

O seid ihr endlich wieder mein?

In euch geborgen gar alleine,

Doch nie bin ich bei euch allein:

Ihr sprecht mit wundersamer Stimme

Die einz'ge Sprache ohne Trug,

Der Vogel predigt hier, die Imme,

Der Blütenzweig wie Gottes Buch.

 

O Gottes Buch! O welche Klänge

Aus allerstillster Einsamkeit!

Entflohn dem wilden Weltgedränge

Zu höhrer Welt Gemeinsamkeit:

Denn wie aus längst vergangnen Tagen,

Wie aus der Geister Ewigkeit

Haucht's hier von Fabeln und von Sagen

So dicht, als Lenzwind Blüten schneit.

 

O Gottes Buch! O heil'ge Mächte!

Hier brecht ihr alle Siegel auf:

Geheimnis stummer Mitternächte

Und Sonnenlauf und Mondenlauf,

Und was von irren Wandelsternen

Die tiefe Menschenbrust durchkreist,

Kann hier der stille Lauscher lernen,

Wo alles hoch nach oben weist.

 

O Gottes Buch! O süßes Wehen,

Das säuselnd durch die Zweige geht!

O leises Flüstern aus den Höhen,

Wo aller Herzen Sonne steht!

O süßes Ahnen, süßes Sehnen!

Hier ist dein trauter Liebesort,

Hier findet Gram die ersten Tränen

Und Zorn sein mild Versöhnungswort.

 

Drum kommt, ihr Blumen, kommt, ihr Haine,

Komm, stille, fromme Waldesnacht,

Und werdet, bleibet ewig meine

Mit aller süßen Gottesmacht,

Mit allen Vögeln, allen Immen,

Mit allen Blüten groß und klein,

Mit Millionen Wonnestimmen

Singt mir das Herz in Frieden ein.

Gespräch mit Stöcken und Degen

 

1846.

 

Meine Stöcke stehn gereiht,

Gar ein dicker Haufen,

Steif genug, noch hundert Jahr'

Durch die Welt zu laufen;

 

Und der Säbel mittendrin,

In vergangenen Tagen

Einst von mir zu Schutz und Trutz

Durch die Welt getragen.

 

Und nun stehn sie da so still,

Freud- und Leidgesellen,

Und mir wollen Brust und Aug'

Bei dem Anblick schwellen.

 

Ach! Gesellen, gebt euch drein,

Alles muß auf Erden

Nach dem Sturm der Lust und Kraft

Zahm und stille werden.

 

Tröstet euch, ihr bleibet hier,

Werdet bald mit andern

Lustig über Berg und Tal,

Seen und Ströme wandern.

 

Alter, du doch schäme dich,

Hier vor den Gesellen

Deines weiland Tagewerks

Dich so mürb zu stellen.

 

Dieser Träne schäme dich,

Die dem Aug' entgleitet,

Du, dem die Unendlichkeit

Himmelwandrung spreitet.

 

Dort wird frisch aus frischem Holz

Neuer Stab geschnitten

Und mit neu geschliffnem Stahl

Neuer Kampf gestritten.

 

Also ist es, soll es sein!

Nimm dir kühnes Wollen,

Und so laß dein Küglein froh

Mit den Sternen rollen!

Der Weihnachtsbaum

 

1847.

 

Steht er da, der Weihnachtsbaum,

Wie ein bunter, goldner Traum,

Spiegelt Unschuldkinderglück,

All sein Paradies zurück.

 

Und wir schaun und denken dann,

Wie uns heut das Heil begann,

Wie das Kindlein Jesus Christ

Heut zur Welt geboren ist;

 

Wie das Kind von Himmelsart

Lag auf Stroh und Halmen hart,

Wie der Menschheit Hort und Trost

Erdenelend hat erlost.

 

Also stehn und schauen wir

Gottes Lust und Gnade hier:

Was uns in dem Kindlein zart

Alles heut geboren ward.

 

Blüh' denn, leuchte, goldner Baum,

Erdentraum und Himmelstraum,

Blüh und leucht' in Ewigkeit

Durch die arme Zeitlichkeit!

 

Sei uns Bild und sei uns Schein,

Daß wir sollen fröhlich sein,

Fröhlich durch den süßen Christ,

Der des Lebens Leuchte ist.

 

Sei uns Bild und sei uns Schein,

Daß wir sollen tapfer sein

Auf des Lebens Pilgerbahn,

Kämpfend gegen Lug und Wahn.

 

Sei uns Bild und sei uns Schein,

Daß wir sollen heilig sein,

Rein wie Licht und himmelklar,

Wie das Kindlein Jesus war.

Erinnerung

 

An Charlotte Weigel.

 

1847.

 

Ein Vöglein flog wohl hier zum Rhein

Mit goldnen Flügeln und goldnem Schnabel,

Sang Grüße mir ins Haus hinein,

Als wär's Frau Mär oder Jungfer Fabel.

So schien es, aber Gebär' und Gesicht

Sprachen anders, sie sprachen: Die ist es nicht.

 

Jungfer Fabel trägt leichteren Flug und Sinn,

Leichter als Aprilensonnenstrahlen

Fliegt's ihr auf dem Angesicht her und hin,

Kein Maler könnte die Wechsel malen:

So spielt sie mit Scheinen, selbst eitel Schein –

Diese Leichte, Lustige kann's nicht sein.

 

Wie nenn' ich mir denn das geflügelte Kind?

Wie deut' ich die freundliche, süße Stimme,

Die säuselt wie sanft durch den Blütenwind

Das Lenzgesumse der Honigimme?

Gesäusel, das tief in den Busen dringt

Und längstverklungene Töne klingt?

 

Du bist es, du bist es, die ewig jung

Wie Frühling grünet bei grauen Locken,

Du Seligste bist es, Erinnerung:

Du wehst der Vergangenheit Blütenflocken

Mit stillem Sehnen aufs alte Herz,

Die alte Freude, den alten Schmerz.

 

Du bist es, die echte, die rechte Mär,

Nicht jene, die leichthin tändelt und flattert,

Die, was in der Welt ist herrlich und hehr,

Zum Spott und Gelächter hinunterschnattert –

Du bist es, graulockig, doch ewig jung,

Du bist es, holde Erinnerung.

Rechtes Geistesmatz

 

1847.

 

Denke Gott und aller Welt

Millionen Sonnenstraßen,

Miß, was diese Erde hält,

Miß es dir mit Sonnenmaßen,

Tritt den Staub dir ganz zu Staub,

Tritt ihn mit Prometheus' Sohlen;

So nur kannst du Himmelsraub

Mit Prometheus' Mut dir holen.

 

Hoch und niedrig, groß und klein –

Dieser Stolz, dies Maß muß schwinden,

Dann nur kannst du Flieger sein

Mit dem Adler über Winden:

Seine Federn schweben still

Schaukelnd über Sonnenscheiben,

Wo kein Sehnen weiter will,

Da nur ist ein selig Bleiben.

 

Hehrer Aufblick! Höchstes Ziel!

Maße schwinden und Gewichte,

Und der Geist im zarten Spiel

Schwelgt und jauchzt im heitern Lichte:

Denn um keine Majestät,

Um kein Glück wird mehr gestritten,

Jeder Punkt, auf dem er steht,

Ist ein Punkt der Weltenmitten.

Gottes Scherz

 

1847.

 

Geister lieben Scherze, glaube das,

Gott im Himmel, glaube, liebt Gespaß;

Darum gucken himmlische Gespenster

Dir tagtäglich durch dein Herzensfenster.

 

Was der Tage Herr damit gewollt,

Wie er Scherz und Ernst zusammenrollt,

Dieser schweren Millionenfragen

Lösung wird kein Weiser je dir sagen.

 

Trau' du nur bei Gottes buntem Scherz,

Traue, Menschenherz, auf Gottes Herz,

Laß mit allen Millionenirren

Alle Geisterflügel dich umschwirren.

 

Glaube, nicht ein Frühlingskuckucksruf

War's, daß dich der große Scherzer schuf;

Denke, daß er Himmelsnachtigallen

Hieß das Erdenwillkommslied dir schallen.

 

Spiele so, du kurzes Menschenherz,

Lustig durch des Lebens Gottesscherz,

Laß den großen Spieler, ihn laß sorgen,

Er macht Irrwischnacht zu hellem Morgen.

Stammbuch

 

31. Dezember 1847.

 

»Frei das Wort aus voller Brust!

Aus der Scheide frisch die Klinge!

Das ist Jugendmut und Lust,

Das ist Leben guter Dinge.«

 

O du Glanz vom Morgenrot!

O du Jugendheldensage!

Ach! wie schleppt dich matt und tot,

Langsam tot der Gang der Tage!

 

Kälter rollt des Blutes Tanz,

Stiller wandeln hin die Jahre,

Und bald liegt der ganze Glanz

Welk und farblos auf der Bahre.

 

Nein doch! ruf' ich, aber nein!

Weg mit deinem Hohn, Erfahrung!

Lasse nimmer weg mir schrein

Heilige Herzensoffenbarung.

 

Schiltst du, daß im Nebeldunst

Meine bunten Vögel fliegen,

Weis' ich dir die hohe Kunst,

Die sie lehrt das Licht ersiegen.

 

Schüttelst du nur faule Frucht

Von dem kahlen Lebensbaume,

Mitten in der Tage Flucht

Halt' ich fest am Jugendtraume.

Mut des Geistes

 

1848.

 

Klein wird die Erde, klein der Erde Sonne,

Im Meer der Sonnen o ein Fünkchen nur –

Wo bleibt dir da, o Mensch, die alte Wonne?

Wo bleibt dein Stolz, du Endziel der Natur?

 

Hast du den Mut, mit Erden zu zerstieben?

Hast du den Mut, mit Sonnen zu vergehn?

Den Göttermut, im allgemeinen Lieben

Im höchsten Feuertode zu vergehn?

 

Was Mut? Schaut Erden mir und Sonnen nieder!

Schärft eurem Sehrohr täglich weitres Ziel!

Denn meinen Mut, ihr schauet ihn nicht nieder,

Wieviel Gefunkel eurem Rohr auch fiel.

 

Hoch über euren Zahlen, euren Maßen,

Hoch über eurem Groß und eurem Klein

Fliegt er glückselig eigne Sonnenstraßen,

Und keines eurer Röhren holt ihn ein.

 

So bleibe mir mein Küglein, liebe Erde!

So bleibe Erdensonnenfünkchen mir!

Wohin von Gott ich auch verwehet werde,

Dem Geist ist jeder Punkt des Alls sein Hier.

Hahnenkrei des deutschen Morgens

 

1848.

 

Hat mir ein goldkammiger Hahn gekräht,

Der der Zeiten und Völker Geheimnis singt –

Ihr wißt, es wird nimmer zu Wind verweht,

Was der kluge Schnabel der Weisheit klingt –

Er sang aus verborgener Zukunft Wolke

Mir Wunderrunen vom deutschen Volke.

 

Er krähte – sein goldiger Kamm ward bleich –

Mir der deutschen Treue geschwundene Kraft,

Die Leichengesänge vom heiligen Reich,

Von verrosteten Degen der Ritterschaft,

Von gebrochenen Türmen, geschleiften Wehren

Und des Kaiserpurpurs zerrissenen Ehren.

 

So kräht' er mir traurig vom dürren Ast

Der Schandejahrhunderte Weh und Ach,

Er krähte, daß unter der Töne Last

Vom eisigen Jammer das Herz mir brach,

Daß mir mit mordlich scharfen Harpunen

Die Brust durchschossen des Sanges Runen.

 

Doch sieh! Bald fliegt er auf grünen Baum,

Bald kräht er von blühendem Zweig sein Lied,

Das hell, ein leuchtender Zeitentraum,

Der Zukunft sonnige Bahnen zieht:

Er kräht gar lustig aus heitrer Wolke

Verjüngte Freuden dem deutschen Volke.

 

Er krähte: »Der düstern Jahrhunderte Lauf

Verrann, Germaniens Luft wird klar,

Neu wachen die Heinriche, Friedriche auf,

Mit ihnen der Seher, der Helden Schar,

Die deutsche Sonne mit glänzenden Tagen

Lenkt über die Häupter der Völker den Wagen.«

 

O Goldkamm, du glückverkündender Hahn,

So singst und klingst du vom grünen Ast –

O süßer, heiliger, deutscher Wahn!

Ich halte die Herrlichkeit fest umfaßt:

Was seine Runen geklungen haben,

Die Weissagung soll mir kein Grab begraben.

Frei und Gleich, und der Bassermann

 

1848.

 

Blast, blast, Trompeten, blast ein Lied!

Es ist das Vaterland erstanden.

Schaut, wie der böse Feind entflieht

Mit seinen Schanden, seinen Banden,

Mit seiner Helfershelfer Schar,

Mit seiner Großmama, der Lüge;

Schaut, wie der freie deutsche Aar

Froh fliegt die alten Sonnenflüge,

Er klingt und singt sein Frei und Gleich,

Er klingt und singt vom Deutschen Reich.

 

Blast, blast, Trompeten! Laßt den Klang

Dem Adler nach zur Sonne tönen!

Nie mehr wird deutschen Hochgesang

Der Kerker Weheruf durchstöhnen,

Der Weheruf des freien Worts,

In Sklavenketten festgebunden:

Uns ist des Nibelungenhorts

Versunknes Gold am Rhein gefunden,

Der edle Hort von Frei und Gleich,

Das Gold, der Glanz vom Deutschen Reich.

 

Blast, blast, Trompeten! Blast dem Mann,

Des Hand zum großen Fund sich reckte,

Dem deutschen Mann, dem Bassermann,

Der wie aus bösem Schlaf uns weckte.

Er spricht den kühnen Zauberspruch,

Und flugs entsteigt der Hort den Tiefen,

Und Geister wie aus einem Buch,

Millionen Geister, welche schliefen,

Unisono von Frei und Gleich,

Das singen sie und Deutsches Reich.

 

Drum lebe hoch der Bassermann!

Baß klingt sein Name vor den meisten,

Der uns den edlen Hort gewann,

Daß selbst die Schwachen sich erdreisten:

Das große Wort von Frei und Gleich,

Kaum hat sein Mund es ausgesprochen,

So ist die Lüge blaß und bleich

Zu ihrer Höll' hinabgekrochen.

So schlug der Klang von Frei und Gleich,

So schlug der Klang vom Deutschen Reich.

 

Blast denn, Trompeten! Blast und klingt!

Und Bäum' und Steine, werdet Lieder!

Die alte deutsche Fahne schwingt

Die stolzen, goldnen Flügel wieder;

Zur Sonne fliegt der deutsche Aar,

Dort holt er sich die alten Blitze,

Und legt sie auf den Weihaltar,

Geschenk dem leeren Kaisersitze,

Worunter wohne Frei und Gleich

In Ewigkeit als Deutsches Reich.

Hermann von Boyen in Walhall

 

1848.

 

Blast! Blaset hell von Walhalls Zinnen!

Tut weit die goldnen Pforten auf!

Weckt alle Ehren, alle Minnen!

Es steigt ein hoher Glanz herauf.

 

Weckt jede Harfe, jede Leier!

Erleuchtet jeder Wonne Schein!

Ein Held, ein Retter, ein Befreier,

Licht, Recht und Schwert1 tritt bei euch ein.

 

Licht, Recht und Schwert, das sind die Fahnen,

Worunter Hermann Boyen stritt,

Die läßt den Enkeln er als Ahnen

Für deutscher Zukunft Heldenschritt.

 

Wird wo gesungen, wo gelesen

Von einem hohen, edlen Mann,

Der rein und fleckenlos gewesen,

So bleibt der Boyen Vordermann.

 

Schon steht er da im Götterglanze

Auf Idas ewig grüner Au,

Schon grüßen aus dem Heldenkranze

Sein Scharnhorst ihn, sein Gneisenau.

 

Der Blücher grüßt, Bülow der Schnelle,

Sein Streitgenoß und Siegsgenoß,

Grolman der Freund, der Ernste, Helle,

Des Auge Schlachtenblicke schoß.

 

Doch steigen von der hohen Stätte

Zur kleinen Erde wir hinab

Und legen Hoffnung und Gebete

Auf unsers deutschen Hermanns Grab.

 

Wir beten: Ewig lebe Treue

Für König, Gott und Vaterland,

Wie dieser stille Schlachtenleue

Sich ihre Ehrenkränze wand!

 

Wir beten: Nimmer möge fehlen

Die freie, fromme Heldensaat

Von solchen festen, starken Seelen,

Gerüstet gleich für Wort und Tat!

 

Wir beten: Nimmer möge fehlen

Der Blitz, der durch die Herzen fährt,

Der rechte Blitz für deutsche Seelen,

Der Blitz von Licht und Recht und Schwert!

Fußnoten

 

1 Weiland einer von Boyens Wahlsprüchen.

 

 

Friedrich Balduin von Gagern

1848.

 

Die Totenglocken schallen,

Still zieht ein Leichenzug,

Umflorte Fahnen wallen

Sanft ohne Schwung und Flug,

Schwarz, Rot und Golden senken

Zur Erde tief den Glanz,

Deutsch Herz muß heute denken

Gar einen blassen Kranz.

 

Den Kranz der deutschen Eichen,

Den Lust- und Siegeskranz,

Den dacht' es, nicht den bleichen

Den grauen Totenkranz,

Geflochten von Zypressen:

Es dachte Siegesgrün,

Das über dem Vergessen

Der Gräber sollte blühn.

 

Nun muß es anderes denken,

Es traurt von Weh durchbohrt,

Schwarz, Rot und Golden senken

Die Fahnen, schwarz umflort:

Denn eines Helden Leiche

Fährt hin zu anderm Staub,

Ihm trug die deutsche Eiche

Vergebens Siegeslaub.

 

Vergebens? wie? vergebens?

O nein! und aber nein!

Verhüt' es, Herr des Lebens!

Bei Gott! das soll nicht sein!

Er fiel im guten Streite,

Er fiel fürs Vaterland,

Durchlebt der Zeiten Weite,

Sein Name wird nicht Sand.

 

Sein Klang ist der der magern,

Der kahlen Namen nicht,

Friedrich Balduin von Gagern

Verfällt dem Dunkel nicht:

Er wird im Liede klingen,

Wo ja als Schwur erklingt,

Solange deutschen Klingen

Ein guter Streit gelingt.

 

So zieh denn, Heldenleiche,

Zieh hin zur dunkeln Gruft,

Und Haß und Zwietracht weiche

Aus reiner deutscher Luft!

Es flieh' von deutschen Grenzen

Verrat und Untreu' fern!

Der Gagernstern soll glänzen

Darob als Friedensstern!

Klage um Auerswald und Lichnowsky

 

1848.

 

Hast du noch Lebensodem,

O Erde grün und schön,

Um die aus schwarzem Brodem

Nur finstre Nebel wehn,

Auf der blutwilde Horden

Brand, Mord und Zeter schrein

Und frech in Meuchelmorden

Der Freiheit Glanz entweihn?

 

Wie? Sind dies deutsche Fahnen?

Die Farben roter Wut?

Will deutsche Kämpfe mahnen

Das Rot an Brust und Hut?

Wie? Rot der welschen Seine

Das mahnte deutschen Mut,

Für Wolf und für Hyäne,

Doch nicht für Deutsche gut?

 

Sind dies der Freiheit Gaben?

Ist dies der Freiheit Klang,

Von schwarzen Galgenraben

Der Mitternachtgesang?

Nein! Nein! Von Freiheitstötern

Des Blindschleichs Schlangenlist,

Wo unter grausen Zetern

Kein Laut der Freiheit ist.

 

Ist dies die deutsche Treue?

Trifft so das deutsche Schwert?

Springt so der deutsche Leue,

Der grad' aufs Eisen fährt?

Mann steht den Mann, den Satan

Bestehen zwei und drei,

Doch sieht man solche Tat an,

So bricht das Herz inzwei.

 

Zwei Helden sind gefallen,

Nicht, wie der Tapfre fällt

Bei hellem Trommelschallen

Auf blut'gem Schlachtenfeld;

Sie haben andre Rosen

Weiland gepflückt im Streit:

Was war den Waffenlosen

Hier für ein Kampf bereit?

 

Mein Deutschland, Land der Treue!

Mein Deutschland, Land des Muts!

Wann löschet lange Reue

Die Flecken solchen Bluts?

Den Mord, womit der Feige

Den Unbewehrten trifft?

O deutschen Ruhmes Neige!

O deutscher Erde Gift!

 

O wehe, dreimal wehe!

Weh dieser düstern Tat!

Nein, meine Seele gehe

Nie mit in solchen Rat!

Der Ruhm, den Mörder haschen,

Der werde nie mein Ruhm!

Ach! Nimmer wegzuwaschen

Vom deutschen Heldentum!

Erinnerung aus unserm Frankfurter Reichstage von 1848

 

Ärgre dich nicht an den Fratzen,

Eseln unter Löwenhäuten,

An den Katzen ohne Tatzen,

Die den Freiheitsjammer läuten,

Ja den vollsten Freiheitsjammer,

Vaterlandesjammer heulen –

O ein Thor, der mit dem Hammer

Schlüge drein! Ein Held mit Keulen!

 

Doch o weh! Thor hebt den Hammer

Nie auf die, so du gewiesen,

Keilt nicht auf so kleinen Jammer,

Seine Schläge gelten Riesen;

Spuk von Zaubrern, List von Zwergen

Und des Hexenkessels Künste

Können seinem Stahl sich bergen:

Blitz zermalmet keine Dünste.

 

Mehr, o weh! Der Geist der Lügen,

Loke, hat den Thor bezwungen,

Sieg ist seinen Wandelzügen

Übers Reich des Lichts gelungen –

Darum hütet eure Lichter,

Tapfre Deutsche, fromme Christen!

Denn die feinen Bösewichter

Haben hunderttausend Listen.

 

Drum frischauf, ihr Tapfern, Frommen!

Drum frischauf, ihr Hellen, Lichten!

Zagt nicht! Deutschlands Thor wird kommen

Und die Satansbrut vernichten:

Tausendfach gefeite Hauben

Von dem feinsten Höllensegen

Halten nicht vor unserm Glauben,

Halten nicht vor unsern Schlägen!

Das Erdbeben

 

Frankfurt, 10. des Christmonds 1848.

 

Die Welt erbebt und zittert rings,

Und alle Vögel sind im Schweben,

Des Geistes Vögel all, als ging's

Zum letzten Kampf auf Tod und Leben.

 

Komm denn, mein Vogel, leichter Sinn!

Komm, Leichtsinn, auch! Wir müssen's wagen.

Man soll uns nicht als Leichen hin

Lebend'gen Leibs zu Grabe tragen.

 

Durch Blitz und Donner fröhlich hin!

Dein Flügelklang sei Klang der Wonne,

Als flöge Glück mit mir dahin,

Umleuchtet von des Sieges Sonne.

 

Hinein in dicksten Schlachtenkampf,

Wo ältste Königsthrone fallen!

Dort überm Kampf und überm Dampf

Laß Siegeslieder lustig schallen.

 

Dort greife dir den süßen Raub

Des Muts, dem ew'ge Sterne blinken,

Und, muß es sein, laß froh den Staub,

Der nicht du ist, zu Staub versinken.

 

Ha! Was ist Leben? Was ist Tod?

Soweit des Geistes Lüfte wehen,

Wird neu erblühn dein Morgenrot,

Neu deine Sonne auferstehen.

 

Laß unten Krähn und Raben schrein,

Empor, wo Adlerschwingen tönen!

So in den vollsten Kampf hinein

Im Mut des Guten und des Schönen!

Trinklied zu meinem 79. Jahrestage

 

1848.

 

Schenkt ein und reicht mir den Pokal,

Gefüllt mit Gold von edlen Weinen!

Heut soll ein letzter Sonnenstrahl

Mit Jugendglanz mein Haupt bescheinen!

Viel tausend Sonnen gingen zu Tal

Mit trüben und mit hellen Scheinen,

Doch zieh' ich's Fazit aus der Zahl,

Wippt hoch das Lachen auf das Weinen.

 

Bei diesem Fazit fällt mir ein:

Wo seid ihr, meine Schwinger, Klinger

Von gutem Eisen, gutem Wein?

Wo seid ihr, Klinger, Schwinger, Singer?

Wo ihr, die weiland hell und frisch

Im Freudenkampf mit mir gestritten?

Vom Kampfplatz fern, vom Jubeltisch,

Ach, längst vom Leben abgeglitten.

 

Doch schenkt mir ein! Heut will im Schwung

Ich über Tod und Leben schweben;

Schenkt voll mir ein! Heut will ich jung

Zurück ein Halbjahrhundert leben –

Und fliegen über Staub und Grab

Nach oben alle guten Geister,

Sie winken heut mir Lust herab

Und rufen: Bleib der Freuden Meister.

 

Drum schenkt mir ein! Mein vollstes Glas

Dem Herrscher über Tod und Leben,

Der mir ein Herz gab ohne Haß

Und Harm, sei höchster Klang gegeben!

Ein hoher allen, die den Greis

In seinen kalten, grauen Tagen,

Wofür er kaum zu danken weiß,

Mit treuer, junger Liebe tragen!

 

Ja, zweimal hoch und dreimal hoch

Dir, Liebe, Königin der Erde,

Die mich in süßer Lust erzog,

Daß Mensch ich ward in Lichtgebärde!

Schenkt ein, weil noch die Sonne scheint!

Der Liebe soll mein Letztes klingen!

Und allem, was mich freundlich meint,

Will ich damit mein Schönstes bringen!

An H.L. zur Fahrt übers Weltmeer

 

1849.

 

Glück auf die Reise! Pilgre fort!

Es lockt dich weg mit Wunderklängen,

Die weite Welt, sie lockt dich fort

Vom Vaterhaus, dem stillen, engen.

 

Geh, Sohn! Viel Schönes wirst du schaun

In neuen Toren, neuen Gattern,

Auch bunte Schlösser gnug dir baun,

Die spanischen Schlössern gleich zerflattern.

 

Doch horch', vernimm mein letztes Wort:

Von allen jenen Zauberglocken,

Die rastlos weg von Ort zu Ort

Den lebenslüsternen Jüngling locken,

 

Tönt endlich klagend durch ein Ton

Wie aus der Erde fernsten Enden,

Ein Klang der Sehnsucht, dir, o Sohn,

Die Eingeweide umzuwenden.

 

Zurück zur Heimat klingt der Klang,

Zurück zum engen Vaterhause,

Dir wird in weiter Welt so bang,

Du sehnst dich nach der stillen Klause.

 

O bringst du dann dein eignes Herz

Noch mit aus wildem Weltgewimmel,

So war dein Pilgern froher Scherz,

Ein Spiel auf Erden hin zum Himmel.

Ermannung

 

1849.

 

Laß du die Dinge nur rennen und rinnen,

Blitzet es draußen, so blitze du drinnen,

Brauche den göttlichgeborenen Blitz!

Rasen die Stürme und brausen die Fluten,

Zünden die Blitze mit fressenden Gluten,

Halte, Prometheus, den Geist auf dem Sitz!

 

Mutig gleich schlachtenbegeisterten Rossen,

Wiehernd entgegen den Donnergeschossen

Streite und schreite entgegen dem Sturm!

Streite und schreite, und, gilt es zu stehen,

Schau', wie die Blätter und Halme verwehen,

Schau', wie er steht, wie er fällt, auf den Turm.

 

Streiten und Schreiten und Stehen und Fallen,

So klingt der Spruch von dem irdischen Wallen,

Rastlos und endlos im Ernst und im Spiel.

Wähnst du das Ende der Bahn zu erreichen,

Gleich siehst du's dämmern und fliehn und entweichen.

Mensch, hier auf Erden erreichst du kein Ziel.

Spazierende Gedanken

 

1849.

 

Schau' ich wandelnd die prächtigen Häuser mir an,

Wird's mir schier, als möcht' ich noch bauen,

Und sollte doch ein so steinalter Mann

Himmelauf nur und himmelein schauen;

Wird doch seinem flüchtigen Bleiben allhier

Rappell bald zum Abmarsch geblasen,

Und wird ihm auf Erden sein letztes Quartier

Gebettet bald unter dem Rasen.

 

Ei Fabel! Was fabl' ich das Alte mir vor,

Die Kluft zwischen Himmel und Erde?

Weitauf steht der Welten unendliches Tor,

Wo ich Kleiner schon durchschlüpfen werde:

Sankt Peter mit aller Kardinalpolizei,

Mit all ihrer schrecklichen Presse

Schaut meinen Paß an und rufet: »Passiere nur frei!

Dein Paß ist der beste der Pässe.

 

Dir flammet im Herzen der göttliche Mut,

Dir flammen im Kopfe die Blitze,

Für solche sind Himmel und Erde gleich gut,

Sie bauen nicht bleibende Sitze.

Frei durch denn! Und wolltest du wieder heraus,

Bei dem Tor sind unzählige Pforten:

Soweit Licht scheint, bauen Götter und Geister ihr Haus,

Ihnen tönt's nicht von Stätten und Orten.«

 

So pilgr' ich und finde mich leidlich zurecht –

Das übrige wisse Sankt Peter –

So schrei' ich über Erden- und Himmelgeflecht

Nicht kläglich Mordio! und Zeter!

Denn der's geflochten, das weiß ich, der wird seinerzeit

Alle Fäden aufs schönste entwirren:

Ihm trau' ich, drum lass' ich zu wild und zu weit

Die Gedanken mein Hirn nicht umschwirren.

 

Nein, kein Jung und kein Alt und kein Dort und kein Hier!

Weg, Gedanken, ihr grauen und falben!

Weicht von mir! Ich stelle mein lustig Quartier

Bei dem Ältsten, er heißt Allenthalben:

Bei dem Ältsten der Tage, da nehm' ich den Sitz –

Er blies auch durch mich seinen Odem.

Auf mit Flügeln, mein Geistchen! Und funkle wie Blitz!

Blitze Leben aus Kaltem und Totem!

 

Sei mutig! Dem Kühnen verwelket kein Kranz,

Ein ewiger Lenz ist sein Eigen;

Tanze mit in der Welten unsterblichem Glanz

Der Wonne unsterblichen Reigen.

Sei mutig! Und gleich wird das engste Revier,

Wo du weilest, der weiteste Himmel,

Das Unten und Oben, das Dort und das Hier

Verschwimmt in der Wonne Gewimmel.

Ihr Könige, gebt acht!

 

3. Mai 1849.

 

Was Ehr' im Leibe hat, ruft Einheit, Ehr' und Macht

Und Tilgung langer deutscher Schanden,

Es ruft und flucht aus allen Landen:

Ihr Könige, gebt acht!

Der deutsche Gott lebt noch und wacht.

 

Es lebt und wacht der Gott der Herrlichkeit und Macht,

Sein sind die Wonnen und die Schrecken,

Die aus dem Schlaf die Völker wecken.

Ihr Könige, gebt acht!

Gott ist's, der Sturm und Heitre macht.

 

Erbebt! Das Wetter ist des Herrn, der blitzt und kracht,

Er wird des deutschen Haders Drachen

Zu Staub zerblitzen und zerkrachen.

Ihr Könige, gebt acht

Auf Gottes Acht und Aberacht!

 

Erbebt! Denn alles Volk ruft Einheit, Ehr' und Macht,

Es schreit den Ruf in alle Winde,

Wo es den deutschen Kaiser finde.

Ihr Könige, gebt acht!

Schaut, horcht, woher es blitzt und kracht.

 

Erbebt! Erkennt die Zeit, die Gott der Herr gemacht!

Wollt länger ihr im Stolz erblinden,

So haut euch Gott aus allen Winden –

Ihr Könige, gebt acht! –

Die deutsche Acht und Aberacht.

Die Ausfahrt zur Heimholung des Deutschen Kaisers

 

Frankfurt, 17. Mai 1849.

 

Kaiserstolz und Majestät

Zogen auf geschwinden Sohlen

Wir fürs Deutsche Reich zu holen,

Wovon neue Sage geht.

 

Klang und Sage überall,

Soweit deutsche Zungen klingen:

Einen Kaiser heimzubringen

Rief der Völker Jubelschall.

 

Ach! Wie sollten Dorn und Stein

An der Wandrer Sohlen reißen!

Zu den Scheinen, die nur gleißen,

Warf man unsern Kaiserschein.

 

Kaiserschein, du höchster Schein,

Bleibst du denn in Staub begraben?

Schrein umsonst Prophetenraben

Um den Barbarossastein?

 

Nein! Und nein! Und aber nein!

Nein! Kyffhäusers Fels wird springen,

Durch die Lande wird es klingen:

Frankfurt holt den Kaiser ein!

Aus Frankfurt weg!

 

Mai 1849.

 

Hinweg! Die besten Streiter matt,

Die stärksten Arme todeswund.

Hinweg! Satt ist und übersatt

Gelebt – es kommt die Sterbestund'.

 

Weg! Keinen Augenblick gesäumt!

Sonst stirbst du wie ein feiger Hund.

Du hast vom Kaiserstolz geträumt –

Vergrab einstweilen deinen Fund.

 

Die Besten wissen, wo er liegt,

Einst heben sie ihn ans Sonnenlicht.

Wir sind geschlagen, nicht besiegt.

In solcher Schlacht erliegt man nicht.

Alterswehmut

 

1849.

 

O Erde, Land der Träume,

O Erde, Land des Trugs,

Willst in die hellern Räume

Die Flügel meines Flugs

Mir dunkeln stets und kürzen?

In deines Jammers Staub

Mich elend niederstürzen

In Jagd nach schlechtem Raub?

 

Es soll dir nicht gelingen,

Ich habe meinen Hort,

Der trägt auf Feuerschwingen

Mich durch die Himmel fort;

Ich habe meinen Meister,

Der Held und König ist –

Er ist der Fürst der Geister

Und heißet Jesus Christ.

 

Er stieg vom Himmel nieder

Auf unsre Erdenau'n,

Damit die Menschen wieder

Nach oben könnten schaun,

Damit die armen Wichte,

Von Wahn und Trug umstrickt,

Aufschauten nach dem Lichte,

Woraus die Gottheit blickt.

 

O König aller Liebe,

O Glanz des höchsten Lichts,

Wenn mir auch gar nichts bliebe,

Gar nichts in diesem Nichts,

Worum die Welt sich reißet,

Du bleibst mein Held und Hort,

Und was auch reißt und spleißet,

Nichts reißt von dir mich fort.

 

So mag denn alles schweben

Im Wechsel hin und her,

Mir ist hinfort gegeben,

Was wechselt nimmermehr:

O Liebe, Licht und Leben!

O süßer Gottesheld!

Du, du bist mir gegeben –

Was frag' ich nach der Welt?

Die Rheinfahrt

 

(Ein Bruchstück.)

 

1851.

 

Wir sind am Bord – Engländer, Amerikaner,

Franzosen, Russen – alles will zum Rhein;

Doch sollten Pelasger, Danaer und Trojaner,

Die ältsten Trümmerhäusler, mit uns sein.

Der irdischen Verschollenheiten Mahner,

Wie Herrlichstes zuletzt als Stein und Bein,

Worüber einsam Krähn und Raben fliegen

Und Käuze wimmern, muß im Staube liegen.

 

Doch du, o Rhein, bleibst frisch in deiner Schöne,

Du brausest jugendfrisch durch Felsgestein,

Nie schwinden deiner Sagen Liedertöne

Um Drachenfels, Rheineck und Hammerstein.

Was kümmert das Vergänglichkeitsgestöhne

Unsterbliche? Was dich, ob Stein und Bein

Dereinst als Staub in alle Winde fliegen,

Solange deine Quellen nicht versiegen?

 

Und wir? Zerbröckelt uns an Trümmersteinen

Und an geborstnen Türmen heut der Mut?

Erlischt uns an der Vorzeit blassen Scheinen

Des Lebens junge, helle Sonnenglut?

Nein, wahrlich nicht zum Stöhnen, Wimmern, Weinen

Schnellt heut der Dampf uns siegreich durch die Flut –

Heißt er des Tages Atem, heißt sein Kämpfer,

So werd' er heute trüber Dämpfe Dämpfer.

 

Wie? Auf dem Strom der Katten und der Franken,

Wo nichts als Stolz und Ruhm und Großheit winkt,

Da webten wir der Trümmer Efeuranken

Um das, was stets als Staub zum Staube sinkt?

Da spönnen wir Gespenster aus Gedanken,

Wodurch das Schwert des Vaters Teuto blinkt,

Worin die Karle, Friedriche, Ottonen

Zur Höhe weisen, wo die Höchsten thronen?

 

Frischauf! Auf zum Lebendigen von dem Toten!

Von toten Steinen zum lebendigen Stein!

Von bleicher Vorzeit Schatten zu den roten

Gebilden, rot im Jugendsonnenschein!

Ha! Wird nicht Jugendglanz dem Blick geboten?

Der frische Glanz vom Ehrenbreitenstein?

Nein, weg von diesem mächtigen Felsgesteine!

Weg in die kleine Lahn vom mächtigen Rheine!

 

Auf! In die Lahn! Vom Tode hin zum Leben!

Von toten Steinen zum lebendigen Stein,

Nach Nassau auf, wo heilige Geister schweben,

Die deutschen Geister vom lebendigen Stein!

Mit aller deiner Schöne, deinen Reben

Und Wassern hast du einen, stolzer Rhein,

Nur einen, der dem Manne sondergleichen,

Dem Sohn der kleinen Lahn sich könnte gleichen?

 

Wir stehn in seinem Tal, auf seinen Bergen,

Wir rufen: Sprich das Wort, erhabner Geist,

Das Wort des Fluchs den Schelmen und den Schergen,

Wodurch die Welt um deutschen Raub sich reißt,

Wodurch man deutsche Ehre, wie aus Särgen

Den Leichenmoder, durcheinander schmeißt –

Sprich, Hoher! – Du verstandest zu zerschmettern –

Du Donnrer, rede heut aus Donnerwettern!

 

Komm nieder, laß es schallen, hoher Sprecher!

Von deinen Sternen komm herab ins Tal!

Du Ehrenzünder, komm! Du Schandebrecher,

Komm mit dem allerschwersten Donnerstrahl!

Des Vaterlandes Mahner, Warner, Rächer,

Auf deutscher Erde rede noch einmal:

Wo Kleinste um das Größte sich befehden,

Da sprich zu uns in lautsten Himmelsreden!

 

Wohin? Zwar sind die Donner Gottessprüche,

Vielleicht auch Geistersprüche – doch wohin?

Wir flehen aus dem Jammer unsrer Brüche

Und Wunden, wissend kaum, woher, wohin.

Der Mann des Zorns war Stein, doch nicht der Flüche,

Trug in der stärksten Brust den frommsten Sinn,

Der Mann, im Glauben mächtig und im Beten,

Vor Könige stolz und still vor Gott zu treten.

 

Drum könnt ihr beten, betet hier um Segen,

Um Segen bittet den erhabnen Geist,

Der über unserm Weh auf Sternenwegen

Mit allen guten Geistern selig kreist,

Der allen Geistern, die sich unten regen

In tapfrer Kraft, die deutsche Losung weist:

Seid stark im Lieben, werdet schwach im Hassen!

So wird Gott seine Deutschen nicht verlassen.

Die deutschen auswandernden Krieger

 

1851.

 

O mein Deutschland, will dein Jammer

Breiter, täglich breiter werden?

Finden deine besten Söhne

Keinen Platz auf deutscher Erden?

Klingt der bittre Fluch des Flüchtlings

Durch der Angeln Land und Hessen?

Wird so deutsche Lieb' und Treue

Deinen Tapfern zugemessen?

 

Jammer, den kein Lied kann singen!

Unheil, das kein Wort kann fassen!

Also müssen deine Streiter,

Kampfs- und glücks- und landsverlassen,

Nach Utopien, nach Brasilien

Bettelnd durch die Länder streichen?

Ihre nackten Ehrennarben

Zeigen als ein deutsches Zeichen?

 

Ihr von Siebzehnhundertachtzig

Kassellieder, Stuttgartlieder,

Ihr des Aspergskerkersängers

Alte Lieder, tönt ihr wieder?

Die bei Saratoga fielen,

Die die Mohrensonn' verbrannte,

Werden sie uns heute wieder

Neugeborne, Neugenannte?

 

Heute Achtzehnhundertfünfzig

Hessen, Angeln, Sachsen, Friesen

Laufen in die Welt des Elends

Ehr- und glücks- und landsverwiesen?

Ob dem Jammer bricht das Wort ab,

Wo die Ehre will zerbrechen –

Wo der Helfer? Wo der Rächer,

Solche grimme Schmach zu rächen?

 

Still! Es rufet: Du sollst beten,

Christ, sollst glauben, lieben, hoffen;

Sperrt sich dir die deutsche Welt auch,

Ewig steht der Himmel offen.

Drum laß alles durcheinander

Fallen, stürzen, krachen, brechen,

Droben, glaube, waltet einer,

Der wird letztes Urteil sprechen.

Zaunkönig

 

1852.

 

Zaunkönig, kleinstes Vögelein,

Wie fliegst du einsam und allein?

Was baust du vor dem Maienwest

Dein traurig kaltes Winternest,

In stillster Eck', im kahlen Strauch

Ganz wider jeden Vogelbrauch?

 

Das Vöglein spricht: »Leicht wird gefragt,

Doch Antwort oft mit Not gesagt;

Denn altes Leid und altes Glück

Schaut hinter sich nicht gern zurück.

Wohl tausend Jahr' und noch viel mehr

Ist Antwort und Geschichte her –

Viel tausend Jahre – Wonnezeit!

Da trug Zaunkönig Königskleid,

Goldkronen goldner tausendmal,

Als feinstes Gold im Sonnenstrahl;

Im Fluge und Gesang voran

War er der Vögel Vordermann,

So klein, so golden doch und groß

Saß er dem Glück und Ruhm im Schoß.

Doch zu viel Glück tut selten gut

Und schwellt den grünen Übermut.

So ging es auch dem Vögelein:

Es wollte was Besondres sein;

Ein Ausderspur und ein Fürsich

Hielt's einen gar selbsteignen Strich

Und macht' in stolzer Phantasei

Von Gott und von Natur sich frei,

Wollt' gar im Winter Nester baun.

 

Als das die andern Vögel schaun,

Beginnt Verwundern, Schrein und Graun

Ob solchem unerhörten Stolz,

Und wie die Glut aus dürrem Holz

Schlägt aus dem Graun der Zorn herauf.

Drob rufet alles Volk zuhauf

Der Federträger ein Prophet

Und Seher, stark vom Geist durchweht –

Der Rabe führt und nimmt das Wort.

Er schreit: ›Fort mit dem Frevler! Fort!‹

Er ruft dreimal: ›Schafft ab! Schafft ab!

Was lockt des Himmels Fluch herab!

Fort mit dem kleinen Übermut,

Der sich Gott gleich gebärden tut,

Als hätt' er's Wetter in der Hand!

Er werd' aus unserm Volk verbannt,

Der eitle Geck, der Schneephantast,

Der seines Volkes Sitten haßt –

Man haue Acht und Aberacht

Dem, der vorm Lenz den Frühling macht!‹

 

So ward's. Ich armes Vögelein

Muß drum noch heute einsam sein,

Im kalten Winter, wo andre ruhn,

Als hätt' ich vollen Frühling, tun,

Tragen Moos und Gras fürs öde Nest,

Wo mich der Nord mit Schnee umbläst;

Einsam allein bis diesen Tag

Verbüß' ich, was der Ahn verbrach.«

 

Was meinet diese Kindermär?

Sie schlägt und bohrt mit scharfem Speer

Und spricht: »Mach' dir nicht selbst was weis,

Halt hübsch das eingefahrne Gleis,

Hänge jeden überschwenglichen Traum

An den ersten besten Galgenbaum:

Denn stets jagt Acht und Aberacht

Den, der vorm Lenz den Frühling macht.«

Jesusgebet

 

1853.

 

Ich glaub' an dich, du höchster Geist,

Der Liebe ist und Liebe heißt,

Der ganz aus Gott geboren ist,

Ich glaub' an dich, Herr Jesus Christ.

 

Ich glaub' an dich, du klarster Geist,

Der mir den Weg zum Himmel weist,

Auf grader Bahn zum hellsten Ziel

Aus diesem trüben Erdenspiel.

 

Du reinster Abglanz reinsten Lichts,

O leuchte durch die Nacht des Nichts,

Durch ihrer Wirren Lügenschein

Mir himmelwärts und himmelein.

 

Du, mein Woher und mein Wohin,

Was ich gewesen, was ich bin,

Was ich durch dich, mein Heil, soll sein,

Das leuchte mir ins Herz hinein.

 

Dann bin ich bei dir und in dir,

Dann hab' ich schon den Himmel hier:

Es lebt, umstrahlt von sel'gem Licht,

Wer Jesus Christ im Glauben spricht.

Nachklang aus 1848-49

 

1853.

 

Und fragst du noch nach deutschen Straßen?

Es weist dir keiner Weg noch Steg,

Die hellen Töne sind verblasen,

Dumpf schallt und hallt es: Alles weg!

Wie Glockenläuten hinter Toten

Klingt's aus dem deutschen Eichenhain,

Die Weißen läuten mit den Roten

Unisono hier überein.

 

Ja, weg mit allen Jubelklängen

Vom großen, jungen, deutschen Jahr!

Weg mit den Vaterlandsgesängen

Vom stolzen deutschen Doppelaar!

Sein Fliegen ward zum Eulenflattern,

Er zog die hohen Flügel ein,

Bald hört man ihn die Gans beschnattern

Und Kräh' und Sperling ihn beschrein.

 

Doch schien's ein Jahr voll Mut und Leben,

Der Weissagung, der Hoffnung Jahr;

Als hätt's auf einmal Gott gegeben,

Ward alles allen plötzlich klar;

Als könnten Stein' und Beine sprechen,

Klang aus dem Zauberstein Getön:

Der Kaiserschlummer werde brechen,

Der Barbarossa auferstehn.

 

Kam er? Sie sind zu leicht erfunden,

Die ihm gerufen und geschrien.

Er liegt bis heute fest gebunden –

So spricht der stumme Stein für ihn:

»Wie? Wagt ihr mir den Schlaf zu strafen

In eurer feigen Ungeduld?

Wißt, weil ihr schnarchet, muß ich schlafen –

Straft eurer eignen Faulheit Schuld.«

Rausche durch den Wald

 

1853.

 

Rausche durch den Wald, rausche durch das Herz,

Tränenzorn, du frischer Lebenswind!

Schweige nicht das Wort, schweige nicht den Schmerz,

Rausche, du des Muts erstgebornes Kind!

 

Rausche, brause frisch! Klinge, schalle kühn!

Kühner, weil der Feigheit Pestilenz,

Deutsche Pest, uns leirt Welken und Verblühn,

Winterfrost und Tod vor dem deutschen Lenz.

 

»Wo ist Babel heut? Wo das alte Rom?

Welche Fahnen wehn heut vom Kapitol?

Wie kein Tropfen fließt je hinauf den Strom,

Find't erloschner Stern nimmer neuen Pol.«

 

Leiertest du so mit, verschneiter Greis?

Tod und Nacht, die deutsche Greisennacht,

Weil kein Kaiser kommt, welcher weist und weiß,

Was den deutschen Mut stark und fröhlich macht?

 

Feiger Memmen Klang tönest du so nach,

Weiberhoffen, Weiberzagen nach,

Weil noch immer kein Adlerflügelschlag

Klingt den langen Schlaf Barbarossas wach?

 

Nicht also mit dir! Nimm dir deutschen Schwung,

Deutscher! Nimm einmal dir den deutschen Stolz

Für dein großes Volk, unter Greisen jung,

Grün wie seines Waldes grünstes Eichenholz.

 

Nicht also mit dir! Rausche durch den Wald!

Rausche, brause, Zorn, durch Stein und Bein!

Brause, deutscher Mut, Gottes Zorngewalt!

Greif die Adler dir, laß die Krähen schrein.

 

Sonntagslied

 

1853.

 

Es ist Sonntag und ist stille

Von allem wilden Tun,

Es ist des Höchsten Wille,

Heut soll die Arbeit ruhn,

Aus allem wirren Leben

Und aus Mühseligkeit

Soll heut der Mensch sich heben

Zu Gott, zur Ewigkeit.

 

O größter Held der Gnaden,

O süßer Jesus Christ,

Durch den die Welt geladen

Zur Himmelsfreude ist,

Hilf, hilf uns aus den Schmerzen

Der armen Zeitlichkeit!

Hilf! Hebe du die Herzen

Zu Gott, zur Ewigkeit!

 

O hilf uns! Hilf verstehen,

Du süßer Jesus Christ,

Warum du aus den Höhen

Des Himmels kommen bist,

Durch deine Liebesminne,

Durch dein Versöhnungswort

Schleuß Geister auf und Sinne

Heut für den Heimatsort.

 

Was fromme Seelen weisen,

Durchweht von Geisteswehn,

Wovor die größten Weisen

Anbetend stille stehn,

Das Heimatland der Sterne,

Der Geister Lebenslauf,

Schleuß diese sel'ge Ferne,

Schleuß, Heiland, sie uns auf.

 

Was Menschenangesichter

Nicht schauen noch verstehn,

Das können, Licht der Lichter,

Allein durch dich wir sehn –

O dahin lehr' uns schauen,

Vom Erdenstaub zum Licht,

Gib Glauben, gib Vertrauen,

Gib Himmelszuversicht.

 

Es steht uns ja gerichtet

Das Aug' zum Himmelsglanz,

Und wird's von dir gelichtet,

So schaut's den Himmel ganz;

Und ist das Herz befreiet

Durch dich von Erdengier,

So stehn wir recht geweihet

Zur Sonntagsfreud' vor dir.

Trost in Gott

 

1854.

 

Und willst du gar verzagen,

Du armes Menschenherz,

In Sorgen, Ängsten, Klagen,

Im feigen Erdenschmerz?

Und missest du nach Spannen

Dein kurzes Glück und Leid,

Das rinnt geschwinde dannen

Ins Meer der Ewigkeit.

 

Nach oben mußt du sehen,

Hier unten findst du's nicht,

Nur in den Himmelshöhen,

Nur da ist Trost und Licht;

Was hier die Stunden bringen,

Macht Mut der Stärksten scheu,

Von oben muß dir klingen

Der Klang von Gottes Treu'.

 

Vom hohen Sterngewölbe

Herab erklingt der Klang:

Stets gleich und stets derselbe

Bleibt Gottes Weltengang;

Dort in der heitern Bläue,

Dort steht die feste Welt,

Dort Gott der Ewigtreue,

Der alles wohl bestellt.

 

Am hohen Sterngewölbe

Da strahlt in Sternenschrift

Der Gleiche und derselbe,

Den nimmer Wechsel trifft:

Daß sich der Glaube freue,

Daß zittre Lug und Spott,

Strahlt dort der ewigtreue,

Der gute, fromme Gott.

 

Dahin! Da ist dein Himmel,

Da ist dein Heimatland,

Das dir im Erdgewimmel

Verdunkeln Leid und Tand,

Da klingen Wunderklänge,

Die machen frisch und neu,

Da klingen die Gesänge

Von Gottes Lieb' und Treu'.

 

Dahin! Dahin! Und lerne,

Was so herniederklingt

Und auf dem höchsten Sterne

Das Heilig! Heilig! singt,

Dann wird dir stets aufs neue

Aufgehn sein Gnadenschein,

Er selbst, der Ewigtreue,

Mit, in und bei dir sein.

Lebensbescheid

 

1854.

 

Wieviel tausend Sonnen und Regenbogen

Sind an dir und über dich hingezogen!

Wieviel tausend Scherz und Schmerz!

Sprich ein Wort, du altes, krankes Herz.

 

Scherz und Schmerz? Wer mag hier wägen und scheiden?

Frage rundum bei weisesten Christen und Heiden,

Frage rund, vernimm den Klang,

Wie ihn schon Homer und David sang.

 

Soweit Menschen hier blühen und verblühen,

Leuchten die Sterne gleich über Freuden und Mühen –

Wer spricht hier den letzten Spruch?

Wiss', ich hatte beides übergnug.

 

Glücklich jedoch im ältsten Kinderglauben

Fliegen aus meiner Arche Raben und Tauben

Aus in die wilde Lebensflut,

Bringen im Schnabel: Gott macht alles gut.

 

Und glückselig solcher Tauben und Raben

Und des Blattes, das sie im Schnabel haben,

Ruft den Spruch das alte Herz:

Auf der Wage überwog der Scherz.

Gottes Geist

 

1854.

 

O Gottes Geist und Christi Geist,

Der uns den Weg zum Himmel weist,

Der uns die dunkle Erdennacht

Durch seine Lichter helle macht.

 

Du Hauch, der durch das Weltall weht

Als Gottes stille Majestät,

Du, aller Lichter reinstes Licht,

Erleucht' uns Herz und Angesicht.

 

Komm, leuchte mit dem Gnadenschein

Hell in die weite Welt hinein,

Komm, mach' uns in der Finsternis

Des lichten Himmelswegs gewiß.

 

Ach! Hier ist alles Staub und Nacht,

Die Wahn und Sünde trübe macht,

Ach! Hier ist alles Not und Tod,

Geht uns nicht auf dein Morgenrot.

 

Das Morgenrot der bessern Welt,

Das wie ein Strahl vom Himmel fällt,

Als Gottes Macht und Gottes Lust

Durchblitzt die kranke Menschenbrust.

 

O Gottes Geist und Christi Geist,

Der uns wie Kinder beten heißt,

Der uns wie Kinder glauben heißt,

O komm! o komm, du Heil'ger Geist!

 

Komm, Gottes Frieden, Gottes Mut!

Komm, stille Kraft, die nimmer ruht!

Komm, gieße deinen Gnadenschein

In Seele, Sinn und Herz mir ein.

 

Dann wandl' ich wie ein Kind des Lichts

Im Glanze deines Angesichts

Schon meinen kurzen Erdenlauf

Stets himmelein und himmelauf.

Zur Fahnenweihe des Bonner Veteranenvereins

 

1854.

 

Dies wolle Gott im Himmel walten,

Der jedes gute Werk regiert!

Hier stehn wir halbzerrißnen Alten

In frischer Reihe aufmarschiert;

Gebete gehn zur Himmelsbläue,

Wir feiern heut ein großes Fest,

Ein schönstes Fest, ein Fest der Treue:

Wir nageln unsre Fahne fest.

 

Dies meint nicht Treue festzunageln –

Die muß durch Gott gefestet sein,

Daß, wann die Schlachtenwetter hageln

Und Blei und Eisen niederspein,

Die Fahne fliege als ein Zeichen,

Der Ehre Pfand, der Treue Pfand,

Daß in dem Kampf kein Mann will weichen

Für König, Gott und Vaterland.

 

So stehen wir, die Veteranen,

Wie uns die Treue hergebot,

Und denken an zerschoßne Fahnen

Und tapfrer Kameraden Tod,

An heiße Tage, schwere Wunden,

Wo Schlachtendunkel uns umzog,

Doch auch an manche Freudenstunden,

Wo Preußens Adler oben flog.

 

So stehn wir hier, die Veteranen,

Als rief es: Vorwärts! Nehmt's Gewehr!

Vor allen denkt man heut der Ahnen,

Der Heldengeister heut im Heer,

Der höchsten, hellsten Siegesblitze –

Ihr Name klingt Unsterblichkeit –

Der Friedrich Wilhelme, der Fritze;

Durch sie sei unser Tuch geweiht!

 

So stehn wir hier, die Veteranen,

Und viele fallen uns noch ein,

Die leuchten auch als Preußens Ahnen –

Sie schaun auf unser Fest mit ein –

Schwerin und Seidlitz, Zieten, Blücher –

Wer zählte alle Helden her,

Die füllen die Geschichtenbücher

Mit schönster deutscher Siegesmär?

 

Und nun das höchste Hoch der Alten!

Zum Himmel steige das Gebet!

Wir wollen feste Treue halten,

Wo diese Fahne vor uns weht;

Und muß sie einst im Felde fliegen

Den stolzen Preußenadlerflug,

So bleibe Fallen oder Siegen

Der Veteranen Ehrenspruch.

Ermunterung

 

1855.

 

Willst du sinken, nichts als sinken,

Armes, krankes Menschenherz?

Immer nur den Becher trinken,

Den dir füllet Sorg' und Schmerz?

Immer alles nur in grauen,

Schwarzen Erdenfarben sehn?

Lerne doch nach oben schauen,

Wo die heitern Sterne gehn.

 

Dahin schau'! Da ist dein Eigen,

Da dein altes Heimatland;

Dahin schau'! Und lerne steigen

Aus dem dürren Erdensand,

Aus dem trüben Nebelstaube –

Nimm den Flug und zittre nicht,

Glaube, was der Christenglaube

Bald zweitausend Jahre spricht.

 

Da hinauf! Da ist dein Streiter,

Vor dem Not und Tod zerfällt,

Dahin schau'! Und hell und heiter

Blüht dir wieder Gottes Welt –

Schaue, schau' auf diesen Einen:

Immer steht der Held bereit,

Der sein Himmelreich läßt scheinen

Auf dein kurzes Erdenleid.

 

Ja, auf diesen Einen, deinen

Heiland, schaue, halte fest

An dem Einen, der die Seinen

Nun und nimmermehr verläßt;

Aus ihn sollst allein du schauen,

Der vom Himmel niederkam,

Der hinweg des Todes Grauen

Und der Hölle Schrecken nahm.

 

Schaue! Suche! Du wirst finden,

Halt, was du gefunden hast,

Und so gib den leichten Winden

Alle schwere Erdenlast

Mutig! Denn der höchste Sieger

Schreitet dir im Streit voran,

Und die Losung tönt dem Krieger:

Sei ein Christ und steh als Mann!

Abschiedslied

 

1855.

 

Schon dunkeln meine Lebenstage

Sich tief hinab zum Abendschein,

Und ernster fragt die große Frage:

Was bist du? Sprich: Was wirst du sein?

Wie löst das Rätsel deines Lebens

Sich hinter deinem Grabe auf?

War all dein Streben nicht vergebens?

War eitel Irrlauf nicht dein Lauf?

 

Jawohl, die letzten Glockenschläge,

Der letzte Strahl des Abendlichts,

Was klingen sie im Busen rege?

Was leuchtet er aus deinem Nichts?

Was melden deiner Augen Tränen?

Was wird im kranken Herzen wach?

O all dein Irren, Träumen, Sehnen,

Des Lebens langes Weh und Ach.

 

So ist's: Mit Düsternis umhangen

Wie oft war dir die wunde Brust,

Ein Dorn dein Sehnen und Verlangen,

Ein Gift die Süßigkeit der Lust;

Wie mochte sich der Blinde hüten

Auf bunter Täuschung Blumenfeld,

Wie oft die Natter unter Blüten

Den Biß auf ihren Pflücker schnellt?

 

Doch still! Auch lieblich ist verklungen

Dir mancher schöne Erdentag,

Von Gottes Lieb' und Lust durchsungen,

Die tönt Erinnrung fröhlich nach.

Ja, Gott, ich danke für dein Werde!

Fürs Wonnewort: Es werde Licht!

Für deine schöne, grüne Erde

Und all ihr Sonnenangesicht.

 

Ja, Dank dir, Herr, für reiche Freude

Auf schwerstem, längstem Pilgergang.

Es macht des Abends Schlafgeläute

Dem müden Wandrer nimmer bang;

Wie oft er auch auf wüstem Pfade

Von deinem Lichte lief verirrt,

Er weiß, daß deine Huld und Gnade

Ihn nimmermehr verlassen wird.

 

Nein, nimmer! Felsen sind die Worte,

Die Worte dein, Herr Jesus Christ,

Durch welche mir die Himmelspforte

Der Gnade weit geöffnet ist.

Mag dieser Erde Licht verscheinen,

Mag diese Sonne untergehn,

Ich werde selig mit den Deinen

Lobsingend stehn auf höhern Höhn.

 

Ja, süßer Heiland, mit den Deinen,

Sei auch ich unter Kleinsten klein –

Dein Licht wird ewig auf mir scheinen,

Dein Glanz wird ewig bei mir sein.

Hier gilt kein Zagen und kein Fragen,

Hier gilt: Halt fest, den Glauben fest,

Daß Gott nach diesen dunklen Tagen

Dir hellere Sterne scheinen läßt.

Frühlingsruf an den Greis

 

1855.

 

O holder Frühling, lieblicher Mai,

Wie lustig hör' ich noch dein Juchhei!

Die Vögel singen, die Bäche klingen,

Die Kinder und Lämmer zu Felde springen,

Und Kuckuck, Lerch' und Nachtigall

Tönen durcheinander den Freudenschall.

 

Dein Dreimalschelm doch, der Kucku,

Zählt schon mir kürzeste Zahlen zu:

Wie schrie er zu vierzig und fünfzig Malen

Sonst ungefragt mir die langen Zahlen!

Jetzt ruft mit neckischem zwei und drei

Er mir im Fluge: Vorbei! Vorbei!

 

Schrei' er sich heiser mit zwei und drei,

Ich schreie dem fröhlichen Mai Juchhei!

Seinen Abendschimmern und Morgenröten

Seinen Stimmen, die Freude und Liebe flöten.

Mich schreckt kein Kuckucksprophetenschrei,

Sein eins, zwei, drei und sein Vorbei.

 

Drum kling' ich lustig Juchhei! Juchhei!

Auf! Leuchte, Frühling, und jauchze, Mai!

Mich hat vor Gripsgrabbelei und Sorgen

Das fröhliche Sprüchlein vorlängst geborgen:

Auf Leid folgt Freude, auf Winter Mai,

So wandelt Leben und Jahr vorbei.

Trost auf dem Leichenfelde

 

1855.

 

Über Gräbern schaust du in die Welt –

Rede, wo sind alle deine Lieben,

Deine Jugendfreunde all geblieben?

Suche sie im Leichenfeld.

 

Leichenfeld? Jawohl, ein Leichenfeld,

Jeder Erdenfuß tritt hier auf Leichen:

Die Jahrtausende blühen und erbleichen,

Und ein Grabfeld ist die Welt.

 

Grabfeld? Horch'! Des Windes Spiel, der Sand,

Jetzt Gebläs' von kleinsten Würmerzwergen,

Stand einst, Riesenstein, auf Alpenbergen.

Dies der Dinge Übelstand.

 

Ewigkeit, wie saust und braust dein Meer,

Worauf zwischen Särgen, zwischen Wiegen

Die Jahrtausende sich niederwiegen,

Graunvoll rollend hin und her!

 

Du auch, Erde, du mein Mutterland,

Süßer Sehnsucht Land und süßer Lügen,

Wie mit Millionen Flammenzügen

Ziehst und brennst du mich zu Sand!

 

Sei's! Muß alles, was gebar der Staub,

Wieder hier zu Sand und Staub zerstieben,

Meine Lieben all sind mir geblieben;

Denn kein Staub nimmt solchen Raub.

 

Drum nur immer auf dem Leichensand

Festen Muts und Fußes aufgetreten!

Auf des Herzensnordsterns Lichtmagneten

Unverrückt den Blick gewandt!

 

Auf! Empor, wohin dein Stern dir weist!

Schau', wohin die Sonnenadler schweben!

Traue! Denn er winkt unsterblich Leben,

Traue deinen Sonnenvögeln, Geist!

 

Graun, hinweg! Weg alles, was da bebt!

Traue! Glaube! Alle deine Lieben

Stehn im Himmelsbuche eingeschrieben,

Wo sich's ewig liebt und lebt!

Blindes Menschenkind

 

1856.

 

O krankes, blindes Menschenkind,

Wie wehet dich des Tages Wind

Ein steuerloses Schiff im Meer

Auf wilden Wogen hin und her!

 

Vom bunten Schein, der immer log,

Verlockt, du wähnst dich himmelhoch

Und weißt mit aller Kunst und List

Doch nimmer, was und wo du bist.

 

O sei, o werde wieder dein!

Und gleich wird dir gesunder sein;

O kehre bei dir selbst doch ein!

Da leuchtet dir der rechte Schein.

 

Den Schlüssel nimm der linken Brust;

Da liegt dein Schatz von Mut und Lust,

Da schließt dein Glück sich auf und zu:

Das ist dein Selbst, ja das bist du.

 

Da tief geheim liegt der Magnet,

Der ewig unverrücklich steht,

Der Hauch, gehaucht vom höchsten Geist,

Der ewig hin zum Himmel weist.

 

Das ist dein Evangelienbuch,

Das spricht zu dir wie Gottes Spruch,

Dein Angeld auf Unsterblichkeit,

Anweisung auf die Ewigkeit.

 

Das ist der Gottesstrahl und Blitz,

Zermalmend Trug und Lügenblitz,

Der Freudenschein und Schreckenschein,

Der zündend schlägt durch Mark und Bein.

 

Wo diese heil'ge Flamme brennt,

Da brennt das Licht, das Gott erkennt,

Die Heldenkraft, die Männerkraft,

Die Welten denkt und Welten schafft.

 

Da bete an, da kniee hin,

Da stähle frisch dir Herz und Sinn

Und schau' und sieh, ob dein Magnet

Zu seinem Nordpol richtig steht.

Gott hält die Wacht

 

1856.

 

Warum betrübst du dich so sehr,

O Menschenherz, und sinkst im Meer

Des tiefsten Erdenjammers unter?

Schau' auf und werde frisch und munter,

Schau' auf zu Gottes Lieb' und Macht:

Er ist dein Gott, er hält die Wacht.

 

Auf! Aus dem bangen Erdenleid!

Auf! Aus der feigen Zeitlichkeit!

Weg mit dem Grübeln, Sorgen, Grämen

Um eitel Schatten, Scheine, Schemen!

Blick' auf! Gib auf die Höhen acht!

Dort waltet Gott und hält die Wacht.

 

Blick' auf! Gab er dir nicht den Geist,

Der mutig hin nach oben weist,

Zum Lichte hinweist aus dem Dunkeln,

Wo hellere Sterne selig funkeln?

Blick' auf zu dem, der dich gemacht!

Er ist dein Gott und hält die Wacht.

 

Zu ihm blick' auf, zu seinem Sohn,

Der niederstieg vom Himmelsthron,

Erschien, ein milder Stern der Gnaden,

Zu heilen deinen Seelenschaden;

Auf deinen Liebesstern gib acht:

Er und der Vater halten Wacht.

 

Drum auf! Aus kurzer Zeitlichkeit

Schau' auf zur langen Ewigkeit,

Schau' aus dem trüben Erdgewimmel

Empor in deinen lichten Himmel,

Schau' auf zur Weisheit, Lieb' und Macht,

Die halten ewig treue Wacht.

Schlutz aller Lebensverse

 

1856.

 

Könnt' ich Löwenmähnen schütteln

Mit dem Zorn und Mut der Jugend,

Wie gewaltig wollt' ich rütteln

An des Tages blasser Tugend,

An dem Trug der Feigen, Matten –

Wer will ihre Namen nennen?

Die der Väter Heldenschatten

Nur als Leichenschatten kennen.

 

Eisen galt in meinen Tagen.

Horch' ich solchen Stundenweisern,

Hör' ich sagen, fragen, klagen,

Eisern sei ich, übereisern,

Fern sei mir das Los gefallen

Von den edlen Glanzmetallen,

Fern, o fern von jenen allen,

Woraus feine Klänge schallen.

 

Weg vom Silber denn, vom Golde

Hin, wohin die Weiser weisen!

Trage, wie dein Schmied es wollte,

Trage mutig durch dein Eisen!

Preis ihm, der es hart geschmiedet!

Nimmer magst du würdig preisen,

Nimmer, was die Welt befriedet,

Was die Welt erhält, das Eisen.

 

O du Segenglanz des Pfluges!

Gold der Ähren, Gold der Reben!

O du Blitz des Degenzuges,

Dem die Völkerzwinger beben!

Lebenhalter, Ehrenhalter,

Bestes Ding von besten Dingen,

O ich könnte tausend Psalter

Voll von deinen Ehren klingen.

 

Darum Preis dem Rauhen, Harten,

Preis dem Menschenschirmer Eisen!

Mag vom Blanken, Feinen, Zarten

Sich ein andrer Seines preisen,

Kann ich nur ein Fünkchen zählen

In mir echter Männergluten,

Gönn' ich gern den weichen Seelen

Volle Weibersehnsuchtsfluten.

Erinnerungsbilder

 

1856.

 

Her mit deinen Helden, wenn auch in nuce!

Heut sollst du mir deine Sehrmänner nennen,

Die vor dir in gloriosissima luce,

Im Ruhmessonnenschein leuchten und brennen.

Frostwetter ist es, daß Gott erbarm'!

Wir sind an Taten und Ehren arm.

 

Den Größten zuerst – das Wörtlein der Größte

Verpufft mich billig, doch wie dem sei,

Dem Deutschen bleibt der Beste der Größte,

Der Treueste Beste – das bleibt dabei.

Solchen Ehrenspruch begreint mir kein Hohn:

Der Beste war Scharnhorst, der Bauersohn.

 

Den Edelsten jetzt – O Edel! Hochedel!

Wort, das von göttlichen Flammen sprüht!

Vernimm, nie hat's unter menschlichem Schädel,

In menschlichem Herzen nie stolzer geglüht,

Geglühet, geblühet auf deutscher Au

Als im Ritterglanze, im Gneisenau.

 

Den Hellsten – Lieber, hier werd' ich ein Blinder,

Licht suchend unter so strahlenden Lichtern.

Du meinst der Schlachten Treffer und Finder,

Das hellste Aug' von den hellen Gesichtern.

Da schaute vor vielen mit Adlerblick

Der Grolman des wogenden Kampfs Geschick.

 

Den Frommsten – O fröhliches Heldengewimmel!

Wie sind da die Tausende betend gezogen!

Wie sind da die Fahnen und Herzen zum Himmel

In Gottes Hoffnung und Wonne geflogen!

Der Löwe Hiller. Glückseliger Mann,

Wer solchem gleich fechten und beten kann!

 

Den Stillsten – Was meinest du wohl mit dem Stillen?

Eine Frage fast hoch über meinem Erreich.

Ich meine, du meinest den tapfersten Willen:

Solcher Stillen ist Erdreich und Himmelreich –

So merke die Wörter Hell, Frei und Treu,

Darin sitzt der Boyen, der stille Leu.

 

Den Mutigsten – Dornigste Frage der Fragen,

In Deutschland zu fragen nach mutigstem Mut.

Mut war ja von allerältesten Tagen

Ein eigenstes, allerdeutschestes Gut –

Doch der nimmer und vor nichts sich gefürchtet, voran

Stehe hier der Blücher, der deutscheste Mann.

 

Den Stärksten – O der Starke der Starken,

Der herrlich schließet den Heldenreihn,

Der Gewaltigste war in des Vaterlands Marken,

Der Stärkste der unzerbrechliche Stein.

Solange klinget von deutschen Lippen Gesang,

Wird klingen des mächtigen Namens Klang.

Der Dämon des Sokrates

 

1856.

 

Sokrates, der große Geisteskämpfer,

Hatte einen Flüstrer und Erreger,

Einen Weiser, Leiter, Halter, Dämpfer

Und auch Diener und Laternenträger,

Wo es galt durch Finsternis zu wanken.

Dieser Ohrenflüstrer, Haucher, Lauscher,

Aller seiner Triebe und Gedanken

Kluger Mitdurchsprecher, Gegentauscher

Galt ihm, wie uns andern das Gewissen;

Dämon schalt er ihn und all sein Wissen,

All sein Ahnen, Lieben, Denken, Wollen –

Wie in uns auch Geisterchen sich rollen –

Schob er diesem Führer zu und Folger.

 

Ach! ruft jeder, lebt noch wo ein solcher?

Sind sie denn erloschen, jene Sterne,

Woher solche Folger Menschen kamen?

O ihr Gaffer, Greifer in die Ferne!

Könnt ihr des Begleiters kurzen Namen,

Jenes weisen, gottgeweihten Griechen,

Euch in gutes Deutsch nicht übersetzen?

Müsset durch den Hochmut doppelt siechen?

Drum herunter von den hohen Stufen!

Auf die Bank der Schüler mit der Fibel!

Dort wird auch der Kleinste lachend rufen:

Das war ja der Engel aus der Bibel.

Klinglied

 

1856.

 

Zum Himmel auf! Doch du bist mitten drinnen,

Dein Bällchen Erde rollt mit Gottes Sonnen.

Ach! wärest du so mitten in den Wonnen

Des höchsten Lichts mit allen deinen Sinnen!

 

Denn wieviel Nichts, was wir hienieden spinnen!

Was wir als Schönstes wähnen, wann gesponnen!

Wir schauen auf – zerstoben und zerronnen

Fliegt, fliegt's mit deinem Wahn wie Spreu dir hinnen.

 

Drum auf zum Himmel! laß zur Erde sinken

All deinen Stolz, woran noch Erde hanget,

All deinen bunten blanken Maulwurfshügel.

 

Denn sollen Gottes Sterne in dir blinken,

So rufe: Weg! hinab! was irdisch pranget!

So wachsen nur zum Himmelsflug die Flügel.

An die Freunde Friedrich Dahlmann und Friedrich Welcker

 

1856.

 

Seid gegrüßt, ihr treuen Alten,

Die dem alten Gott vertraun,

Durch des Altertums Gestalten

Hin auf neue Schöpfung schaun.

 

Her die Hände auf den Glauben,

Der sein Halte fest! uns schreibt

Und, wieviel auch Narren schnauben,

Doch der Ewiggleiche bleibt.

 

Vaterland und Freiheit haben

Wir in stillem Streit gesucht,

Wollten nicht, daß Krähn und Raben

Frech bekrächzen Adlerflucht.

 

Haben auf die Adlersiege

Fest gehofft und treu geglaubt,

Doch fiel in dem schweren Kriege

Mancher Tropfen Schweiß vom Haupt.

 

Und so schaun trotz feiger Tadler

Und trotz feiler Knechte Witz

Wir von fern den deutschen Adler

Mit dem alten Donnerblitz.

 

Ja, schon saust es und wird kommen –

Deutschland, süßes Vaterland!

Alle Tapfern, Treuen, Frommen

Sind dem Wetter zugewandt.

 

Schrei' der Pöbelschwarm sich heiser,

Was sich fern zusammenballt,

Aus dem blitzt der Donnerweiser

Neuen Lebens Lichtgestalt.

Der Weihnachtsbaum

 

1856.

 

Prangst du, schöner Weihnachtsbaum,

Meiner Kindheit goldner Traum?

Strahlst du, süßes Himmelslicht,

Das die Heidenwelt durchbricht?

Bist du, Sehnsucht aller Frommen,

Heut zur Welt herabgekommen?

 

Ja, es kam ein Kindlein klein,

Daß wir sollten selig sein:

Denn aus diesem Kindlein klein

Glänzte heller Gottesschein,

Engel klangen Jubellieder

Auf die dunkle Erde nieder.

 

Herrlich ging der Morgenstern

Alles Lichtes auf vom Herrn.

Über alle Welten weit

Jauchzt und klingt und singt es heut

Hell aus Millionen Seelen,

Was die Engel sich erzählen.

 

Schau', mein Herz, schau' fromm und still,

Was der Baum dir sagen will:

Daß der süße Jesus Christ

Heut zu uns gekommen ist,

Daß, dem alle Engel dienen,

Als dein Bruder ist erschienen.

 

Bete, schaue fromm und still,

Was der Baum dir sagen will:

Hell wie dieses Tages Schein,

Hoch und hell und klar und rein

Soll der Christen fröhlich Leben

Von der Erd' zum Himmel schweben.

Karl Vollertsen, des Schleswigers, Grab

 

1857.

 

Einen Biedermann deckt dieser Sand,

Der fiel fürs liebe Vaterland.

Als aus Osten die Kriegstrompete blies,

Da nahm er freudig Schwert und Spieß,

Es galt die Zwinger zu vertreiben:

Da konnt' er nicht zu Hause bleiben.

 

Da rief er seinem tapfern Sohn:

Komm! Komm! Uns sprechen die Dänen Hohn,

Das leiden wir nun und nimmermehr!

So haben beide gegriffen zur Wehr,

Doch nur der Sohn ist wiedergekommen,

Den Vater hat eine Kugel genommen.

 

Einen Biedermann deckt dieser Sand,

Der fiel fürs liebe Vaterland.

Steh, Anglerjüngling, steh hier still,

Horch', was sein Geist dir sagen will.

Er ruft: Streut Blumen, vergießt nicht Tränen,

Und auch: Vergesset nicht die Dänen!

 

Einen Biedermann deckt dieser Sand,

Karl Vollertsen war er genannt.

Er war gegossen aus vollem Erz,

Aus vollem Männerstahl sein Herz.

Das ruft: Streut Blumen, vergießt nicht Tränen,

Doch auch: Vergesset nicht die Dänen!

 

Steh fromm vor dieses Grabes Mal.

Solange die Sonne geht zu Berg und Tal,

Solange schlägt ein treues, deutsches Herz

Und Hoffnung blicket himmelwärts,

Ruft Vollertsen: Streut mir Blumen, nicht Tränen,

Doch auch: Vergesset nicht die Dänen!

Die rechte Versenkung

 

1857.

 

Hinein mit vollen Segeln in den Sturm!

Es denkt an mögliche Kometenschwenkung,

Die Land und Meer wegfegt und Sonnenschein,

Auf seinem grünen Grashalm kaum der Wurm –

Hinein denn, Kämpe Mensch, da voll hinein!

Dann steige wieder bei dir selber ein,

Hinein in deine tiefste Selbstversenkung,

In Platons Abgrund mutig dann hinein!

Da schaust du in dem wilden Weltengraus

Mit Götterblicken aus dir selbst heraus,

Da schaust du rechte Lenkung, rechte Schwenkung,

Da klingt aus stillster, innerster Bedenkung

Dein großes Ja, vernichtend jedes Nein:

Du bist, du bist gewesen, du wirst sein.

Worte, gesprochen an Schills Grabe in Stralsund zur halbhundertjährigen Gedächtnisfeier seines Todes, am 31. Mai 1859

 

Wir kommen heut getreten,

Du tapfre Sundia,

Zu wünschen und zu beten;

Zu beten ist immer da:

Schon wieder listen die Welschen

In weiter Welt herum,

Zu verkehren und zu fälschen

Deutsch Evangelium:

 

Evangelium der Treue,

Die beste deutsche Macht,

Die täglich wieder neue

Und frische Herzen macht:

Die Macht, worauf wir stehen

Und stehen ganz allein,

Die Macht, der in den Höhen

Der Herr will Helfer sein.

 

Bei dir ist viel zu melden

Von alter Sachsenkraft,

Deine Bürger waren Helden

Mit Schwert und Lanzenschaft,

Es mußt' an deinen Wällen,

Wie stolz er lief daran,

Der Wallenstein zerschellen,

Der allgewaltige Mann.

 

Die ritterlichen Namen,

Die dich als Braut gewollt

Und um dich werben kamen,

Die Fahnen aufgerollt,

Wer mag sie heute nennen,

Die stolze Heldenzahl,

Die herrlich leuchtend brennen

In deinem Wappenstrahl1?

 

Viel reiche Ruhmesgarben

Fuhrst weiland du dir ein;

Die buhlend um dich warben,

Schwer ließest du sie ein;

Zuletzt ist einer der Frommen

In böser welscher Zeit

In deine Mauern gekommen.

Sein Name klinge heut!

 

Ja, als die Wucht von Schanden

Den Nacken Deutschlands bog,

Ist einer aufgestanden,

Der stolz den Degen zog;

Als viele wie Memmen erblichen

Und kuschten feig und still,

Ist dieser nicht ausgewichen.

Sein Name klinget Schill.

 

Er ruht an deinem Strande,

Du edle Strahlenstadt,

Umgerollt im Vaterlande

Ist glücklich der Zeiten Rad:

Über dem die Welschen riefen:

Verscharrt ihn wie einen Hund!

Den grüßen heut aus Herzenstiefen

Die Männer am Stralensund.

 

Drum wollen wir fröhlich treten

Heut an des Helden Gruft

Und fromm für jeden beten,

Der Nieder Welschland! ruft;

Wer nichts als deutsche Sache

Und deutsche Freiheit will,

Ruft Nieder, welscher Drache!

Ruft Hoch der deutsche Schill!

Fußnoten

 

1 Stralsund führt einen Strahl (Pfeil) im Wappen, gleichsam schon Geburtszeichen seiner kriegerischen Geschicke. Kriegsspiel in und um sie gespielt haben außer dem Wallenstein Gustav Adolf, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, Karl der Zwölfte und Leopold der Dessauer.

 

 

Verse zur Begleitung des Schillschen

Ewig, Mensch, sollst du das loben,

Was die Erdennot besiegt

Und im stolzen Flug nach oben

Mit des Geistes Flügeln fliegt,

Was mit hochgebornen Seelen

Um die stolze Freiheit wirbt

Und nicht rechnen kann und zählen,

Wo sich's ehrlich lebt und stirbt.

Fliegende Erinnerungsblättchen. Denksprüche, Erinnerungsblätter

 

1.

Eines reinen Auges Klarheit,

Eines tapfern Mundes Wahrheit,

Einer treuen Rechte Schwur –

Diese drei geweihten Dinge

Heben hoch zum Sonnenringe

Aus der Nacht der Erdenflur.

 

Doch auf Erden sollst du weilen,

Streiche mit den Düstern teilen,

Deren Banner Lüge bläht.

Hier gilt's Licht und Recht zu wahren

Und den Gott zu offenbaren,

Der aus Menschennüstern weht.

 

Deine Erde sollst du tragen

Und dich mit dem Geist zerschlagen,

Der die finstern Fahnen schwellt,

Jene drei geweihten Dinge

Sind die diamantne Klinge,

Durch die Lug und Teufel fällt.

2.

 

Hell Gesicht bei bösen Dingen

Und bei frohen still und ernst –

Und gar viel wirst du vollbringen,

Wenn du dies beizeiten lernst.

3.

 

Bei dem Schwanze fängt nicht an,

Wer des Dinges Kopf will fassen;

Wer nach oben will als Mann,

Muß das Kriechen unten lassen.

4.

 

Klopf' immer frisch nur an die linke Brust.

Die weiß Geheimnis, was nur Gott gewußt.

In Nebeln fliegt dahin der Witz der Weisen,

Die dir die Fahrt nach anderm Kompaß weisen:

Trau' dem Magnet, den Gott der Herr dir setzte,

Er bleibe dir das Erste und das Letzte.

5.

 

Wer sich des Muts erkühnt zu singen und zu klagen

Dein Weh, o Vaterland, dein Weh, o Menschenherz,

Wer die Lawine wälzt der Schicksalsrätselfragen,

Bald fliegend himmelauf, bald stürzend höllenwärts,

Der horche nimmer auf, wo Späne von Philistern,

Mit schalem Spott bespritzt, durch Himmelsflammen knistern.

6.

 

Wer edel sich erkühnt und stark zu sein,

Der rüste sich für Schicksalsdonnerschläge;

Gerecht mißt Gott Hoch, Niedrig, Groß und Klein –

Das wisse, danach wähle dir die Wege.

7.

 

Wie das Leben auch rollt,

Ob kreuz oder quer,

Was voll du gewollt,

Das streu' nicht umher:

Denn was viele gewußt,

Zersplittert sich gleich,

An Macht und an Lust

Ist der Stille nur reich.

8.

 

Wer fest will, fest und unverrückt dasselbe,

Der sprengt vom festen Himmel das Gewölbe,

Dem müssen alle Geister sich verneigen

Und rufen: Komm und nimm! Du nimmst dein Eigen.

9.

 

Vor Menschen ein Adler, vor Gott ein Wurm,

So stehst du fest im Lebenssturm.

Nur wer vor Gott sich fühlet klein,

Kann vor den Menschen mächtig sein.

10.

 

Trage frisch des Lebens Bürde,

Arbeit heißt des Mannes Würde,

Kurzer Bach fließt Erdenleid,

Langer Strom die Ewigkeit.

11.

 

Ein Wort der Lehre, nimm es mit

Ins Leben: Halt die Zunge fest,

Denn ungewogne Rede fliegt

Unflügger Vogel aus dem Nest;

Doch noch ein zweites beßres Wort:

Halt deine Seele fromm und rein,

So wird, was deinem Mund entfliegt,

Nie ein unflügger Vogel sein.

12.

 

Willst du in Gottes Spiegel schauen,

Schau' in die Seele reiner Frauen,

Und aller Himmel Glanz ist dein;

Doch hat der Spiegel Brüch' und Flecken,

Dann flieh wie vor dem Schreck der Schrecken,

Er spiegelt Höllenzauberschein.

13.

 

Wer großes Glück kann tragen,

Der hat ein starkes Herz

Und mag es mutig wagen

Mit jedem Spiel und Scherz:

Drum wird auf steilsten Höhen

Des Ruhmes Kranz gereicht;

Denn Unglück zu bestehen

Macht Gott im Himmel leicht.

14.

 

Freund, wer männlich sein Ich will

Frommen Munds versteht zu sprechen,

Mag im Erdentale still

Manche süße Blume brechen.

15.

 

Geh deines Weges still,

Geh deines Weges grad'.

Dem, der nichts weiter will,

Verrennt man nicht den Pfad;

Wer aber kreuz und quer

Abschweift vom graden Weg,

Den stößt ein ganzes Heer:

Die meisten laufen schräg.

16.

 

Licht suchst du da, wo tausend Lichter funkeln,

Und schreist: Wer sagt mir, ob ich nicht im Dunkeln?

Im Meer des Lichtes willst du magre Klarheit,

Willst jedes Funkens Fünklein dir zerklauben,

Damit du könnest, daß es leuchte, glauben.

O blinder Tor mit solcher blinden Wahrheit!

 

Der Feldherr, welcher jede Lanzenspitze

Der Knechte zählt, wird nimmer mit dem Blitze

Des Siegers Schlachtenreihen niederschmettern.

Auf! Nimm dir Mut und stürze dich ins Ganze,

Rauf' aus der Blumen Fülle dir zum Kranze

Und zähle seine Wonne nicht nach Blättern.

17.

 

Wann die Worte sprühen und schäumen,

Die Gedanken nebeln und träumen

Und das Herz schlägt auf in Glut –

O dann halte das Schwert in der Scheide,

Das Schwert der Tat; denn zum bittern Leide

Wird dir der viele und dunkle Mut.

18.

 

Schön ist die Welt, sei du, o Mensch, auch schön,

Sei schön und gut, so wird dir's wohl ergehn.

Bedenke: Fernst von Worten liegen Taten,

Fern liegt der Ernte Lust vom Streun der Saaten:

Wer nicht zu handeln, nicht zu säen wagt,

Von dem wird endlich Welt und Glück verklagt.

19.

 

Wer sich des Festes will erbauen,

Schaue Grau nicht aus dem Grauen,

Hellem Mut gehört die Welt.

Zwar auch Helden sieht man fallen,

Aber traurig fällt vor allen,

Wer durch eigne Schwere fällt.

20.

 

Schämst du dich, daß Schelme sind?

Willst du deutsche Schelme streicheln,

Die dich dem Aprilenwind

Gleich mit Wechseln auch umschmeicheln?

Nein, den Handschuh frisch heraus!

Feig wird, wer den Feigen weichet –

Lust und Mut wächst überaus,

Wenn man Schelmenbacken streichet.

21.

 

Man schilt mein Deutschland einen Greis,

Zu kalt und zu verständig,

Ich aber schelt': »Er ist zu heiß,

Der Junge, zu lebendig,

Ein Junge noch, doch hoffnungsvoll

Bei allen tollen Streichen!

Und grade darum darf und soll

Die Hoffnung mir nicht bleichen.

Kann man den wilden Jugendmut,

Der schäumt und bäumt, nur binden,

So wird er sein verlornes Gut,

Die Freiheit, wiederfinden.«

22.

 

Deutscher wagst du kaum zu heißen,

Möchtest nur mit Fremdem gleißen,

Möchtest mit Engländern und Franzosen

Bunt dir pletzen Wams und Hosen,

Mit Moskowitern gar und Polen

Flicken die zerrißnen Sohlen.

Schäme dich! Auch mit nackten Beinen

Wage deutsch zu sein, zu scheinen!

Schäme dich! Auch mit nackten Armen

Drein mit dem deutschen Herzen, dem warmen!

Drein mit dem vollen deutschen Herzen!

Und du magst den Hohn verschmerzen,

Womit Fremde Deutsche nennen.

Doch tief muß der Hohn erst brennen,

Tief im vollen deutschen Herzen,

Tief mit vollen deutschen Schmerzen.

Wage nur dich zu erkennen!

Und man wird dich anders nennen.

23.

 

Was du geträumt in grüner Jugend,

Das mache wahr durch Männertugend –

Die frühsten Träume täuschen nicht.

Doch wisse, Träume sind nicht Taten:

Ohne Arbeit wird dir nichts geraten.

Die Tugend trägt ein ernst Gesicht.

24.

 

Das Eisen sinkt im Meer,

Doch weißt du's auszuweiten,

So kann's auf Wogen reiten

Als leichtes Schiff einher.

So ist, o Mensch, dein Mut –

Daß er nicht schwer verdämmre,

Schlag rastlos drauf und hämmre,

Halt frisch der Schmiede Glut!

25.

 

Was macht den Mann? Ich will es dir

Mit ein paar kurzen Worten sagen:

Du mußt auf jede Lust und Gier

Wie mit dem Eisenhammer schlagen.

 

Dann bleibt dir nur dein dünnstes Selbst,

Und dein Metall ist ausgeschmiedet,

Und das, womit du Himmel wölbst

Und sie vernichtest, steht gefriedet.

 

Was ist dies dünne bißchen Mann,

Von dem die schweren Schlacken flogen?

Es heißet Geist und hat erst dann

Sein helles Lichtkleid angezogen.

26.

 

Sei tapfer! Sei ein Mensch! Du trägst das Zeichen

Von Gott dir hell geprägt auf hoher Stirne –

Ja, eben daß ich Mensch bin, jagt die bleichen

Gedanken oft mir auf in dem Gehirne.

 

Heut wirbl' ich gleich der Lerche sonnentrunken

Mit Himmelsliedern fröhlich auf zur Höhe,

Und morgen lieg' ich tief hinabgesunken

Und ächz' aus dumpfem Staub mein Menschenwehe.

 

O schlimmste Zweiheit, ältste Menschenklage!

Laß nun auch ältster Weisheit Spruch dir singen:

Vertrau' dem Gott in dir, den Menschen wage

Und nimm und trage, was die Stunden bringen.

27.

 

Horch' nicht auf das Geläute und Gebimmel,

Wonach die liebe Menge horcht und schreit;

Es klingt dich nur heraus aus deinem Himmel,

Lockt nur wie Schlachtgesang hinein in Streit.

O bleibe lieber, wo die Stillen wohnen,

Wo stille Blumen im Verborgnen blühn;

Da winde dir des Glückes zarte Kronen

Und laß den Weltschall froh vorüberziehn.

28.

 

Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann,

Das muß als deutsche Losung klingen.

Wer da nicht wanket ab und an,

Kann alle Höllenteufel zwingen.

29.

 

Nur einen Freien gibt es, der heißt Gott,

So spricht der edle Heide Äschylus.

Kein Narr macht diesen Spruch zum Narrenspott,

Weil jeder Staubgeborne dienen muß.

Ich diene, klang des Böhmenkönigs Spruch.

Mensch, Erdenkönig, nie dienst du genug.

30.

 

Wolle Eines, woll' es ganz,

Zupfe nicht an Stücken des Stückes,

Und du pflückst den vollen Kranz,

Kranz des Mutes, Kranz des Glückes.

31.

 

Tief in dich hinab, tief in dich hinein!

Bricht da dir aus der Tiefe kein Schein,

Der von helleren Scheinen was kann erzählen,

So denk' an die Schäden der Menschenseelen –

Es muß in dir was verschüttet sein.

Kannst du solchen Schutt nicht tapfer räumen,

So bleibt's beim eitlen Wähnen und Träumen.

32.

 

Im Kleinen leicht, im Großen schwer,

So vergeht der Deutsche nimmermehr.

Hält er sich fest das Wörtlein Treu',

Zerstäubt vor ihm alles wie Schaum und Spreu.

33.

 

Wer dir die kleinen Freuden nimmt,

Nimmt dir das große Entzücken:

Über tausend schmalste Stege geht

Der Weg zur Himmelsbrücken.

34.

 

Du suchst der Dinge Grund – stürz' in den Abgrund dich.

Wird da dein Fuß nicht fest, ist nirgends Grund für dich;

Wagst du nicht ritterlich Verzweiflung und Verzagen,

So laß doch lieber ab, nach Gott und Welt zu fragen:

Des Wissens Morgenrot wird nie dem Feigen tagen.

 

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