Dezember 1814.

 

Ja, weine nur und schau' zurück

In goldne Jugendferne,

Ja, suche nur das alte Glück,

Die alten hellen Sterne,

Den alten Lenz im Blütenkranz –

Was blieb von jener Wonne ganz?

Ach ferne! Ach ferne!

 

Wie hast du jenes edle Gut,

Das dir der Herr vertrauet,

So frische Kraft, so kühnen Mut

In Arbeit durchgebauet?

Auf! Vorgezeigt das Kapital,

Gemehret zehn- und hundertmal!

Dir grauet? Dir grauet?

 

Mir graut, und eine Träne fällt

Ins Saitenspiel des Lebens,

Wie sind die Töne weggeschnellt,

Die Klänge höchsten Strebens

In Träumerei und Narretei!

Und fernher tönt ein dumpfer Schrei:

Vergebens! Vergebens!

 

Vergebens! O vergebens! klingt

Es durch des Busens Saiten,

Und aus der Seele Tiefen singt

Der Spruch der Ewigkeiten:

»Knie nieder, Mensch, und werde klein!

Gott, der dich schuf, wird gnädig sein:

Beim Schreiten ist Gleiten.«

 

O frommer Spruch, wohl machst du klein

Und machst doch stark im Streiten;

So wandr' ich wohlgemut hinein,

Wo's schreiten gilt und gleiten.

Ein Spruch singt noch, und der macht frei:

»Gott ist dabei, Gott stehet bei

Im Schreiten, im Gleiten.«

Bundeslied

 

1815.

 

Sind wir vereint zur guten Stunde,

Wir starker, deutscher Männerchor,

So dringt aus jedem frohen Munde

Die Seele zum Gebet hervor:

Denn wir sind hier in ernsten Dingen

Mit hehrem, heiligem Gefühl;

Drum muß die volle Brust erklingen

Ein volles, helles Saitenspiel.

 

Wem soll der erste Dank erschallen?

Dem Gott, der groß und wunderbar

Aus langer Schande Nacht uns allen

In Flammen aufgegangen war,

Der unsrer Feinde Trotz zerblitzet,

Der unsre Kraft uns schön erneut

Und auf den Sternen waltend sitzet

Von Ewigkeit zu Ewigkeit.

 

Wem soll der zweite Wunsch ertönen?

Des Vaterlandes Majestät!

Verderben allen, die es höhnen!

Glück dem, der mit ihm fällt und steht!

Es geh', durch Tugenden bewundert,

Geliebt durch Redlichkeit und Recht,

Stolz von Jahrhundert zu Jahrhundert,

An Kraft und Ehren ungeschwächt!

 

Das dritte, deutscher Männer Weide!

Am hellsten soll's geklungen sein!

Die Freiheit heißet deutsche Freude,

Die Freiheit führt den deutschen Reihn,

Für sie zu leben und zu sterben,

Das flammt durch jede deutsche Brust,

Für sie um großen Tod zu werben,

Ist deutsche Ehre, deutsche Lust.

 

Das vierte – Hebt zur hehren Weihe

Die Hände und die Herzen hoch! –

Es lebe alte deutsche Treue!

Es lebe deutscher Glaube hoch!

Mit diesen wollen wir's bestehen,

Sie sind des Bundes Schild und Hort:

Fürwahr es muß die Welt vergehen,

Vergeht das feste Männerwort.

 

Rückt dichter in der heil'gen Runde

Und klingt den letzten Jubelklang!

Von Herz zu Herz, von Mund zu Munde

Erbrause freudig der Gesang!

Das Wort, das unsern Bund geschürzet,

Das Heil, das uns kein Teufel raubt

Und kein Tyrannentrug uns kürzet,

Das sei gehalten und geglaubt!

Die Schlacht beim schönen Bunde

 

1815.

 

Auf Viktoria! Auf Viktoria!

Welch ein Klang aus Niederland!

Über Strom und Berg geklungen,

Tausendstimmig nachgesungen

Rollet er die Welt entlang.

 

Alter Blücher! Alter Blücher!

Jüngling mit dem weißen Haar!

Der wie Mars zu Rosse sitzet,

Der wie Gottes Wetter blitzet,

Machst den Schwur du wieder wahr?

 

Jenen Schwur, den du geschworen

Einst an Gott und Vaterland,

Deinen Degen zu zerbrechen

Oder Deutschlands Schmach zu rächen

An dem welschen Bubentand?

 

Alter Blücher! Alter Blücher!

Mahnst du das Banditenheer

An der Katzbach nasse Tiefen

Und an Leipzig, wo sie liefen?

An Brienne, Laon, La Fère?

 

Auf Viktoria! Auf Viktoria!

Dreimal hoch Viktoria!

Wer in Spanien ist gewesen,

Kennt den Namen auserlesen,

Kennt das Feld Vittoria.

 

Talavera, Salamanka

Und Vittoria dreimal hoch!

Auch ein Klang klingt von Tolose,

Und dir bebt das Herz, Franzose –

Wellington, der lebet noch.

 

Auf Viktoria! Auf Viktoria!

Blücher, Wellington und Gott,

Diese drei sind fest verbunden,

Und der Feind ist hingeschwunden,

Und sein Dräun ist Kinderspott.

 

Bei La belle Alliance –

Heißt auf Deutsch der Schöne Bund –

Hielt der große Himmelsrichter

Das Gericht der Bösewichter,

Ihres Trotzes letzte Stund'.

 

Auch Viktoria, auch Viktoria

Euch, ihr Tapfre, die ihr ruht!

Die kein Schlachtruf mehr erwecket,

Die des Todes Nacht bedecket,

Freiheit blüht aus eurem Blut.

 

Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!

Klinget dort Viktoria!

Daß die Büberei sich schäme,

Daß die Eitelkeit sich gräme,

Klinget hell Viktoria!

 

Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!

Gießt den Strom der Männer aus!

Laßt sie sehen, laßt sie fühlen,

Was es heißt, mit Eiden spielen;

Kehrt die Brut der Hölle aus!

 

Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!

Ins Franzosenparadies!

Straft das Land der bösen Heiden,

Das uns zwanzig Jahr' an Freuden,

Zehn an Freiheit darben ließ.

 

Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!

Holt gestohlnes Gut zurück!

Unsre Festen, unsre Grenzen,

Unsern Teil an Siegeskränzen,

Ehr' und Freude holt zurück!

 

Auf Viktoria! Auf Viktoria!

Welch ein Klang aus Niederland!

Hände, Herzen auf nach oben,

Gott zu danken, Gott zu loben!

Gott hat Glück und Sieg gesandt.

Klage um drei junge Helden

 

1816.

 

Ich mag wohl traurig klagen,

Gar mancher klagt mit mir:

Drei Helden sind erschlagen

In grüner Jugend Zier;

Es waren drei junge Reiter,

Sie zogen so fröhlich hinaus,

Sie zogen gar balde weiter

Zu Gott in das himmlische Haus.

 

In Mansfelds edlen Bergen

Weht edle Freiheitsluft,

Da kriecht es nicht von Schergen,

Da lügt kein Schelm und Schuft,

Da wächst das freie Eisen,

Da wächst der freudige Mut,

Und alle, die Männer heißen,

Sind reisig und tapfer und gut.

 

In Mansfeld war geboren

Das fromme, deutsche Kind,

Der Freund, den wir verloren,

Wie wenig Freunde sind,

Der Eckardt1, der Vielgetreue,

Dem Gott und das Vaterland rief,

Nun schlummert der junge Leue

Im Grabe so still und so tief.

 

Auf Leipzigs grünen Felden –

O Leipzig, hoher Klang! –

Da traf's den jungen Helden,

Daß er vom Rosse sank.

Das war ja sein frommes Lieben

Bei Tage und bei Nacht,

Das hatt' ihn hinausgetrieben

In den Tod, in die mordische Schlacht.

 

Wohl dir! Du hast's errungen

Mit deines Blutes Born,

Die Schande ward bezwungen

Vom edlen Freiheitszorn;

Doch müssen wir andern weinen

Und klagen im bittern Schmerz:

Solange die Sterne scheinen,

Schlug nimmer ein treueres Herz.

 

Es thront am Elbestrande

Die stolze Magdeburg,

Ihr Ruhm klang durch die Lande,

Ihr Unglück auch hindurch,

Als Tilly dem wilden Feuer

Einst sie zu verzehren gebot;

Da trug sie den Witwenschleier,

Denn ach, ihre Schöne war tot.

 

Sie mag ihn wieder nehmen,

Ihr starb ihr bester Sohn,

Er ging, ein großer Schemen,

Hinauf zu Gottes Thron,

Da hießen den Schönen, Frommen,

Der kam aus dem heiligen Streit,

Die Englein alle willkommen

Zur ewigen, himmlischen Freud'.

 

Wohl viele sind gepriesen

Im großen deutschen Land,

Doch dich, mein frommer Friesen2,

Hat Gott allein gekannt;

Was blühend im reichen Herzen

Die Jugend so lieblich verschloß,

Ist jeglichem Laut der Schmerzen,

Ist jeglichem Lobe zu groß.

 

War je ein Ritter edel,

Du warst es tausendmal,

Vom Fuße bis zum Schädel

Ein lichter Schönheitsstrahl;

Mit kühnem und stolzem Sinne

Hast du nach der Freiheit geschaut,

Das Vaterland war deine Minne,

Es war dir Geliebte und Braut.

 

Du hast die Braut gewonnen

Im ritterlichen Streit,

Dein Herzblut ist verronnen

Für die viel edle Maid;

In Welschland von grimmen Bauern

Empfingst du den tödlichen Streich,

Drob müssen die Jungfraun trauern,

Die Blume der Schönheit ist bleich.

 

Hoch im Cheruskerlande

Da steht ein altes Schloß

Auf grüner Bergeshalde,

Wovon mein Stolberg3 sproß;

Es sandte herrliche Boten

Schon aus in grauester Zeit,

Die klagten bei hohen Toten,

Gefallen im Vaterlandsstreit.

 

Davon lebt auch noch heuer

Wohl mancher Name wert:

Der Vater schwingt die Leier,

Der Sohn, der schwingt das Schwert;

 

Wie jener es vorgesungen,

So machte ihm dieser es nach:

Was frühe dem Knaben geklungen,

Das bringet der Jüngling an 'n Tag.

 

Es scholl die Kriegsdrommete

Des welschen Aufruhrs neu,

Sie klang wie Hochzeitflöte

Dem Grafen stolz und frei,

Da ließ er sein Hengstlein zäumen,

Da hängt' er den Säbel frisch ein

Und sprengte mit heldlichen Träumen

Gar lustig wohl über den Rhein.

 

Sein Traum ist nun erfüllet

Von deutscher Herrlichkeit,

Sein Durst ist nun gestillet

Nach edlem deutschen Streit;

Er ritt mit den tapfern Reitern

Zum Kampfe nach Brabant hinab,

Da schuf er den Blumen und Kräutern

Ein rotes, blutiges Grab.

 

Was Lenz und Sonne schufen

Im bunten Rosenmai,

Das stampften Rosseshufen

Im Junius inzwei!

Auch lag in der Jugend Schöne

Mancher Jüngling die Felder entlang,

Das Wehe der Klagetöne

Von Müttern und Bräuten erklang.

 

Auf Brabants grüner Aue,

Sie heißet Sankt Amand,

Da troff vom roten Taue

Das Eisen mancher Hand,

Mit Rotten aus Welschland trafen

Die preußischen Reisigen dort,

Da holte der Himmel den Grafen,

Da riß eine Kugel ihn fort.

 

Drum muß ich traurig klagen,

Wohl mancher klagt mit mir,

Drei Helden sind erschlagen

In grüner Jugend Zier,

Es waren drei holde Knaben,

Sie waren so schön und so gut,

Fürs liebe Vaterland haben

Sie fröhlich vergossen ihr Blut.

 

Schlaft still und fromm in Treue

Bis an den Jüngsten Tag,

Wo sich ein Morgen neue

Euch wieder röten mag!

Es blühet um euren Frieden

Gedächtnis so golden schön:

Im Siege ward euch beschieden

Fürs Vaterland hinnen zu gehn.

Fußnoten

 

1 Friedrich Eckardt, aus Rothenburg in der Grafschaft Mansfeld, Stadtrat und Bergrat in Berlin, zog als Reiter mit aus in den heiligen Krieg, starb als Rittmeister einige Tage nach der Leipziger Schlacht in Halle an der Munde von einer Flintenkugel.

 

2 Karl Friedrich Friesen aus Magdeburg, ein rechtes Bild ritterlicher und jungfräulicher Unschuld, mit Schönheit, Kraft und Wissenschaft gerüstet, gleich geübt in geistiger und leiblicher Fechtkunst, fiel als Leutnant der Lützowschen Freischar im sechsundzwanzigsten Jahr seines Lebens in Frankreich in einem Gefechte mit Bauern.

 

3 Christian Graf zu Stolberg, ein Sohn des edlen Friedrich Leopold, starb den Heldentod in der Schlacht vön Ligny in Brabant. Er war schön und stattlich, ein Neunzehnjähriger voll ritterlicher, frommer Kraft.

 

 

Das Feuerlied

1817.

 

Aus Feuer ist der Geist geschaffen,

Drum schenkt mir süßes Feuer ein!

Die Lust der Lieder und der Waffen,

Die Lust der Liebe schenkt mir ein,

Der Traube süßes Sonnenblut,

Das Wunder glaubt und Wunder tut.

 

Was soll ich mit dem Zeuge machen,

Dem Wasser ohne Saft und Kraft?

Gemacht für Frösche, Kröten, Drachen

Und für die ganze Würmerschaft?

Für Menschen muß es frischer sein,

Drum bringet Wein und schenket Wein!

 

O Wonnesaft der edlen Reben!

O Gegengift für jede Pein!

Wie matt und wäßrig fließt das Leben,

Wie ohne Stern und Sonnenschein,

Wenn du, der einzig leuchten kann,

Nicht zündest deine Lichter an!

 

Es wäre Glauben, Lieben, Hoffen

Und alle Herzensherrlichkeit

Im nassen Jammer längst ersoffen,

Und alles Leben hieße Leid,

Wärst du nicht in der Wassersnot

Des Mutes Sporn, der Sorge Tod.

 

Drum dreimal Ruf und Klang gegeben!

Ihr frohen Brüder, stoßet an!

Dem frischen, kühnen Wind im Leben,

Der Schiff und Segel treiben kann!

Ruft Wein, klingt Wein und aber Wein!

Und trinket aus und schenket ein!

 

Aus Feuer ist der Geist geschaffen,

Drum schenkt mir süßes Feuer ein!

Die Lust der Lieder und der Waffen,

Die Lust der Liebe schenkt mir ein,

Der Traube süßes Sonnenblut,

Das Wunder glaubt und Wunder tut.

Trinklied

 

1817.

 

Bringt mir Blut der edlen Reben,

Bringt mir Wein!

Wie ein Frühlingsvogel schweben

In den Lüften soll mein Leben

In dem Wein.

 

Bringt mir Efeu, bringt mir Rosen

Zu dem Wein!

Mag Fortuna sich erbosen,

Selbst will ich mein Glück mir losen

In dem Wein.

 

Bringt mir Mägdlein, hold und mundlich

Zu dem Wein!

Rollt die Stunde glatt und rundlich,

Greif' ich mir die Lust sekundlich

In dem Wein.

 

Bringt mir auch – das darf nicht fehlen

Bei dem Wein –

Echte treue, deutsche Seelen

Und Gesang aus hellen Kehlen

Zu dem Wein.

 

Klang dir, Bacchus, Gott der Liebe,

In dem Wein!

Sorgen fliehen fort wie Diebe,

Und wie Helden glühn die Triebe

Durch den Wein.

 

Klang dir, Bacchus, Gott der Wonne,

In dem Wein!

Ha! Schon schau' ich Mond und Sonne,

Alle Sterne in der Tonne,

In dem Wein.

 

Höchster Klang, wem sollst du klingen

In dem Wein?

Süßestes von allen Dingen,

Dir will ich's im stillen bringen

In dem Wein.

Zumutung des Mutes

 

1817.

 

Laß sie schweben

Deine Vögel! Laß sie fliegen!

Stolzes Leben

Träumet nur von Siegen.

Wann sie fallen

Nieder vor erflogner Wonne,

Wisse, aus der Sonne,

Die sie wollten, wird der Spott nicht schallen.

 

Wackre Jäger

Stellen nach dem schönsten Wilde,

Tapfre Schläger

Decken mit dem Schilde

Nur die Seite,

Über der die Wehr nicht schwebet,

Doch die andre strebet

Vorwärts stets zu Kampf und Sieg und Beute.

 

Also strebe

In des Kampfes frische Weite!

Also hebe

Blanke Wehr im Streite!

Alles decken

Wollen nur die Feigen, Matten,

Die des Todes Schatten

Stündlich überhängt mit bleichen Schrecken.

 

Darum fröhlich,

Kühnes, glühendes Herz des Mutes!

Darum selig,

Selig freien Blutes,

Das verronnen,

Wo der Helden beste fielen!

Mußt so deinen Sonnen,

Deiner Liebe frisch entgegenspielen.

 

O so schwebet,

Meine Vögel, sonder Zagen!

Schwebet! Schwebet!

Höher wird es tagen;

Dort versinken

Nebel, die uns unten irren:

Wollt ihr Sonnen trinken,

Dürft ihr zwischen Tag und Nacht nicht schwirren.

 

Schwebet, schwebet,

Meine Vögel, sonder Weile!

Flieget, strebet

Fort in Blitzeseile!

Blitzeskinder,

Sollt ihr kühn in Flammen baden,

Erdenüberwinder,

Adler, fliegen zu den Sternenpfaden.

Grutz der Heimat

 

1817.

 

Geliebte Felder, süße Haine,

So bin ich endlich wieder da,

Wo ich als Kind beim Sternenscheine

So oft die Engel wandeln sah,

Wo mir aus himmlischen Geschichten

Ein Himmel diese Erde schien,

Von Freuden wimmelnd und Gedichten,

Wie Adams Eden lieb und grün?

 

So seh' ich dich, mein Schoritz, wieder,

Wo mir das Meer mit dunkelm Klang

Die ahnungsvollen Wunderlieder

Der Zukunft um die Wiege sang?

So kann ich wieder dich begrüßen,

Mein Dumsevitz, du trauter Ort?

So traut, daß meine Tränen fließen,

Und meine Lippe weiß kein Wort?

 

Wie vieles muß ich nicht bedenken,

Wenn euch ich also wiederseh'?

Wohin sich meine Schritte lenken,

Tut alles mir so lieb, so weh,

An jeden Baum, an jede Quelle

Hängt liebend die Erinnrung sich,

Und jedes Blättchen, jede Welle

Fragt freundlich: Wandrer, kennst du mich?

 

Und diese leise Kinderfrage

Fällt wie ein Stein mir auf das Herz,

In stiller Rückflut ferner Tage

Kommt inhaltschwer ein ernster Scherz,

Und zwischen Weinen, zwischen Lachen

Die Wehmut endlich mächtig siegt:

Es läßt sich nicht zum Spaße machen,

Worin ein ganzes Leben liegt.

 

Sind einst nicht hier auch sie getreten

In Jugendkraft und Freudigkeit,

Die jetzt für mich im Himmel beten

Hoch über Erdenlust und Leid?

Habt ihr mich hier nicht eingesegnet

Fürs Leben, Eltern fromm und treu,

Und Lieb' auf mich herabgeregnet,

Wie's Blüten regnet in dem Mai?

 

Was ward aus euren frommen Sorgen?

Was trug die treue Liebe ein?

Reicht wohl an jenen schönen Morgen

Des Lebens voller Mittagschein?

Mögt ihr von euren lichten Höhen,

Wo nichts mehr zwischen Schatten schwebt,

Noch auf den Wandrer niedersehen,

Der unten heiß im Staube strebt?

 

Wie kommt er aus der weiten Ferne

Auf seiner Kindheit Feld zurück?

Schaut noch zum Spiegel sel'ger Sterne

Ein heitrer Spiegel auf sein Blick?

Und spielt er noch mit reinen Händen

Das süße Kinderblumenspiel?

Ach! Abwärts muß er sich hier wenden –

Wo steht er nun? Wo steht sein Ziel?

 

O ernster Klang der fernen Tage!

O süße Mahnung schönster Zeit!

Die Träne tritt als stumme Klage

Auf gegen den, der viel bereut:

Die Blumen und die Sterne bleiben

In steter Unschuld licht und rein,

Doch Menschenwandern, Menschentreiben

Mag nimmer ohne Sünde sein.

 

Doch nehmt mich, ihr geliebten Fluren,

Fromm auf in euren süßen Schoß,

Die Reinheit himmlischer Naturen

Ward hier nur eines einz'gen Los;

Bei uns ist's Ahnen, Träumen, Sehnen

Und vielfach Irren auf und ab –

Drum rinnet nur, ihr heißen Tränen,

Als Balsam auf den Wanderstab.

Das Lied vom Siegerich

 

1817.

 

Von Freiheit will ich klingen –

Das ist der höchste Klang –

Von Freiheit will ich singen

All, all mein Leben lang,

Daß mächtig ihr Geläute

Die kühnen Herzen weckt

Und für die schönste Beute

Der Tugend Sehnen streckt.

 

Auch klingt mein Lied von denen,

Die Stolz auf Recht und Gott

Und hohes Herzenssehnen

Gelockt in edlen Tod,

Die ritterlich verblutet

Das Leben jung und schön,

Getrieben und gemutet

Durch das, was wir nicht sehn.

 

Denn das, was wir nicht sehen,

Heißt Gott und Vaterland,

Die Freiheit in den Höhen,

Ein unsichtbares Land,

Geliebt, geschaut im Glauben,

Im stillen frommen Mut,

Durch keine List zu klauben,

Weil's ist ein hehres Gut.

 

Von hohen Bergen fließet

Ein Flüßlein in den Rhein,

An dessen Ufern sprießet

Ein Knabe fromm und fein

Aus altem Heldenstamme,

Mit Welschen nie im Kauf:

Drum schlägt auch edle Flamme

Aus Stamm und Wurzeln auf.

 

Das Flüßlein, welches fließet

Zum Rheine, heißt die Wied,

Der Knabe, welcher sprießet

Am Flüßchen, heißt Neuwied.

Sie haben ihn genennet

Den Viktor Siegerich:

Der stolze Name brennet,

Auf Taten schickt er sich.

 

Er hatte seinen Weiser –

So galt es im Geschlecht –

Zu dienen Deutschlands Kaiser,

Das deucht ihm Pflicht und Recht;

Wo deutsche Fahnen wehen,

Wo deutsche Losung schallt,

Da muß der Siegrich stehen,

Da treibt's ihn mit Gewalt.

 

So zog in Franzens Schlachten

Er zweimal fröhlich aus,

Doch ach! Die Männer brachten

Den Sieg nicht mit nach Haus:

Da hat die welsche Rotte,

Kühn durch des Teufels Macht,

Den Spruch vom deutschen Gotte

Bei vielen klein gemacht.

 

Auch Siegerich den Jungen

Hat da das welsche Glück

Verwundet und bezwungen –

Das deutsche wich zurück –

Er kam in böse Bande

Gen Straßburg an dem Rhein;

Da beweint' er deutsche Lande

Verwelscht und deutschen Wein.

 

Er mußt' in Kerkers Mauern

Der trüben Monde drei

Versehnen und vertrauern,

Da war der Kampf vorbei:

»Die Schwerter und die Lanzen,

Ihr Krieger, steckt sie ein!

Ihr sollt zur Hochzeit tanzen,

Das soll der Friede sein.«

 

»O Friede, schnöder Friede!

Wie bist du ehrensiech!

Ist das der Schluß vom Liede?

Viel besser wäre Krieg.«

So klingt im deutschen Lande

Ringsum der Jammerschall:

»Wir tragen schwer die Schande,

Ihr springt den Hochzeitball.«

 

Nun steht der Kerker offen

Dem Viktor Siegerich,

Doch hin ist Lust und Hoffen,

O Vaterland, für dich;

Noch gibt die alte Sonne

Dir Licht und Lebenschein,

Doch weh! Der Freiheit Wonne

Und Stolz ist nicht mehr dein.

 

Er sieht die Welschen meucheln

Die Ehre und das Recht,

Er sieht die Fürsten heucheln

Und schmeicheln gleich dem Knecht,

Er sieht in Diademen

Den neuen Sklavenprunk,

Wie sie sich übernehmen

In Babels Hurentrunk.

 

Er hört die Hochzeit schallen

Von Habsburgs edlem Sproß,

Hört auf den Hofer knallen

Das feige Mordgeschoß:

In Wien erklingt der Reigen;

In Mantua knallt der Schuß,

Wodurch zur Gruft sich neigen

Der beste Deutsche muß.

 

Da hat's ihn weggetrieben,

Da war die Freude tot,

Er wäre nicht geblieben

Um alles Goldes Bot,

Um Zepter und um Kronen,

Die nicht die Ehre weiht:

Er muß mit solchen wohnen,

Wo Freiheit kämpft den Streit.

 

Er muß mit solchen stehen,

Die mit der Freiheit stehn,

Drum läßt er Wimpel wehen,

Die hin nach Westen sehn,

Nach Spanien hin, nach Westen –

Es klingt daher so schön –

Da will er mit den Besten

Den welschen Trug bestehn.

 

Nach Spanien will er reisen,

Ins stolze Wunderland,

In Spanien will er weisen

Deutsch Herz und deutsche Hand;

Nach Spanien will er reisen,

Der Freiheit Heim und Haus,

Da hofft sein gutes Eisen

Auf manchen welschen Strauß.

 

So haben ihn die Wogen

Und Winde und Gewalt

Des Herzens fortgezogen,

Wo Krieg um Cadix schallt;

Da blüht ihm erste Freude

Nach langer trüber Zeit,

Sein Schwert fährt aus der Scheide,

Sein Fuß fliegt in den Streit.

 

Und wohl, wohl ist's gelungen

Dem Eisen und dem Fuß,

Daß unter ihm bezwungen

Manch Welscher bluten muß;

Auf Andalusiens Feldern,

Da trat er rote Spur,

Aus der Pyrene Wäldern

Bedräut er Welschlands Flur.

 

So in zwei schönen Jahren –

O stolzer Freiheitskampf! –

Ist er hindurchgefahren,

Der Welschen Schreck und Dampf;

Sie sahn sein Eisen blitzen,

Sein Auge blitzte mehr,

Stets flog er an den Spitzen,

Der Vordermann im Heer.

 

So ist er einst geflogen

Gleich Himmelsflammen wild

Auf roten Schlachtenwogen,

Der Katalanen Schild,

Hat mit den roten Wogen

Die Feinde weggespült:

Da ist von Gottes Bogen

Der Pfeil auf ihn gezielt.

 

Da deckt, vom deutschen Lande,

Von deutscher Liebe fern,

Der Hasser welscher Schande,

Der deutschen Fürsten Stern,

Der Preis der deutschen Jugend,

Der junge, grüne Held,

Das fromme Bild der Tugend,

Erblaßt das fremde Feld.

 

Da ist der Held gefallen

In jenem großen Jahr,

Als des Tyrannen Wallen

Gen Moskau schaurig war;

Er hat nicht mehr gesehen,

Was seine Seele rang,

Das Vaterland erstehen

Aus Jammers Überschwang.

 

Doch ist er auch gestorben

Fürs deutsche Vaterland

Und hat den Kranz erworben,

Der Ehre schönstes Pfand,

Den Kranz, wodurch die Freien

Im Himmel herrlich stehn,

Die gegen Tyranneien

Durch Feuer und Eisen gehn.

 

Drum schreibt die deutsche Treue

Mit goldnem Strahlenschein

Dich, kühner Schlachtenleue,

In ihre Tafeln ein;

Solang in festen Kreisen

Noch Mond und Sonne reist,

Wird man dich, Siegrich, preisen,

Wo man die Freiheit preist.

 

Von Freiheit muß ich klingen –

Das ist der höchste Klang –

Und ihre Glocken ringen

All, all mein Leben lang.

Drum hab' ich auch gesungen

Vom Siegerich die Mär,

Die weit und breit erklungen

Ist über Land und Meer.

Des Lilienmädchens Wiegenlied

 

1817.

 

Schlafe, Kindlein hold und weiß,

Das noch nichts von Sorgen weiß,

Schlaf in stiller süßer Ruh',

Tu die kleinen Äuglein zu.

 

Draußen stehn die Lilien weiß,

Haben allerschönsten Preis,

Droben in der lichten Höh'

Stehn die Englein weiß wie Schnee.

 

Kommt, ihr Englein weiß und fein,

Wiegt mir schön mein Kindelein,

Wiegt sein Herzchen fromm und gut,

Wie der Wind der Lilie tut.

 

Schlafe, Kindlein, schlafe nun!

Sollst in Gottes Frieden ruhn;

Denn die frommen Engelein

Wollen deine Wächter sein.

Die Sprache Teuts

 

1817.

 

Von hohen Zungen,

Die tönten wie der Silberklang aus Schwänen,

Ist mir erklungen

Ein süßer Klang voll Lieben und voll Sehnen;

Der Knabe lauschte

Tief staunend, was von ferne,

Gleichwie ein Jubellied der Sterne,

Gewaltig rauschte.

 

Das war dein Brausen,

Du stolze Sprache Teuts, die Blitz und Wetter

Und Sturmessausen

Und der Kanonen schallendes Geschmetter

Vermählt dem Säuseln

Der Wellen, die im Lenze

Leicht angehaucht die Ringeltänze

Auf Bächen kräuseln.

 

O Donnerfrohe!

O tapfre Heldenbraut der schnellen Blitze,

Wie jede Lohe

Des Feuers aufzuckt zum gestirnten Sitze,

Fliegt stolze Minne

In Tönen und in Worten,

Und stürmend zu den Himmelspforten

Spornst du die Sinne.

 

Drob wähnen viele,

Sie können auch den Sonnenreigen fliegen

Im Heldenspiele,

Wo Adler kaum im kühnsten Fluge siegen.

Der Sonnenwächter

Sieht traurig, wie sie fallen,

Und hört, wie hier von unten schallen

Spott und Gelächter.

 

Doch schwächern Flügeln,

Die auch in süßer Töne Lust erbeben,

Auf Blumenhügeln

Ward ihnen holdes Schwingen, Klingen, Schweben,

In leichten Scherzen,

In trauter Erdennähe

Spielt zarte Lust und zartes Wehe

Sich lieb vom Herzen.

 

Drum laß sie klingen

Zu ihrem Sonnenglanz die Sonnenaare,

Auf leisen Schwingen

Durchflattre du der Birken grüne Haare,

In stillen Hainen

Mit süßen Philomelen

Sollst du dein süßes Leid erzählen

Und still beweinen.

Vorwärts!

 

1818.

 

Vorwärts! Vorwärts! rief der Blücher,

Deutschlands treuster, bester Degen,

Und auf schlüpfrig blut'gen Wegen

Schritt der alte Held so sicher.

 

Vorwärts! Vorwärts! hat's geklungen

Von der Oder bis zur Seine,

Und die welsche Mordhyäne

Hat der alte Held bezwungen.

 

Vorwärts! drum soll mir's auch klingen,

Vorwärts! will ich mir auch wählen,

Vorwärts! Klang der stolzen Seelen

Soll auch mir zum Sieg gelingen.

 

Rückwärts klingt ein Klang der Hölle,

Schlechter Klang und schlechtes Zeichen,

Worob Mut und Lust erbleichen

Und erstarrt des Herzens Welle.

 

Rückwärts schleichen Satans Schliche,

Wann er Seelen meint zu fangen,

Rückwärts schleichen feige Schlangen,

Wann sie lauschen Todesstiche.

 

Rückwärts tasten Krebsesscheren

Für den Mord und Spinnenfüße,

Wann im luftigen Verliese

Sie die Fliegen winseln hören.

 

Rückwärts – o die feigen Seelen! –

Nein! Nicht Namen sollst du nennen!

Wo sie mit dem Schwarzen brennen,

Mag der Schwarze sie sich zählen.

 

Vorwärts! Vorwärts! rief der Blücher,

Vorwärts! klinget frisch und freudig,

Vorwärts! hauet scharf und schneidig,

Vorwärts! schreitet kühn und sicher.

Mein Lichtlein

 

1818.

 

Der Alte, der die Sterne hält

In gleichen festen Bahnen

Und jedes Tröpflein senkt und schwellt

In tiefsten Ozeanen,

Der alte Meister droben hat

Ein Lichtlein mir gegeben,

Das mir erhellt den dunklen Pfad

Im irrwischvollen Leben.

 

Ihr fraget, wie das Lichtlein heißt,

Das süße Kind der Sterne,

Das stets die rechten Pfade weist

Auch in die fernste Ferne?

Ich weiß es nicht, ich kann es nicht

Mit Menschensprache künden,

Auch halt' ich's nicht und seh' ich's nicht

Und kann den Weg doch finden.

 

Es haben's viele wohl genannt

In Liedern und mit Zungen,

Doch unerklärt und unbekannt

Wird's immer noch geklungen.

Drum selig, wer es still bewahrt

In tiefsten Busens Höhlen!

Des Lichtleins Art ist stille Art

Und liebt die stillen Seelen.

 

Doch bitt' ich den, der's Lichtlein gab,

Den Alten in den Höhen,

Er wolle vor mir bis ans Grab

Sein Flämmchen lassen wehen,

Daß mutiglich und ritterlich

Ich durch das Dunkel strebe

Und fröhlich von der Erde mich

Zum Licht der Lichter hebe.

Empor

 

1818.

 

Auf! Auf, mein Geist, und schwinge dich

Empor vom Erdenstaube!

Flieg, fliege, fliege wonniglich,

Du schnelle Himmelstaube!

Empor vom dunklen Erdental!

Empor zum lichten Sternensaal!

Empor zum Christ, dem Heiland!

 

Empor! Empor aus finstrer Nacht!

Aus Staub und Schmach und Banden,

Aus Sklaverei und Bann und Acht

Zu jenen freien Landen,

Wo Lug und Trug und Wahn verweht,

Wo nie die Sonne untergeht,

Worin die Frommen blühen.

 

Hienieden ist nur Müh' und Not,

Nur eitel Eitelkeiten;

Der arme Mensch muß bis zum Tod

Mit Trug und Schatten streiten:

Dem bald man mit drei Ellen mißt

Den Raum, wo's still vom Kriegen ist,

Wie viel' sind seiner Plagen!

 

Hienieden was ist Lust und Glück?

Was ist des Menschen Freude?

Ein Hui, ein Nu, ein Augenblick,

Des Wechsels leichte Beute,

Ein Wasser, das von Bergen rinnt,

Ein Schnee, ein Nebel, Schaum und Wind:

Auf Erden mag nichts bleiben.

 

Drum auf, mein Geist, und schwinge dich

Die hellen Sternenstraßen!

Was irdisch ist, wirf hinter dich!

Du mußt es doch verlassen.

Das Unten muß für andre sein,

Das Droben bleibet ewig dein –

Zur Heimat wolln wir fliegen.

 

Drum auf! Mein Geist! Mein froher Geist!

Zur Heimat wolln wir fliegen;

Die Erde und was irdisch heißt,

Das lassen wir unten liegen.

O du, der unser Helfer ist,

Das hilf du uns, Herr Jesu Christ,

Daß wir's mit dir gewinnen!

Trost in Christo

 

1818.

 

Ich bin des Lebens müde,

Der eitlen Eitelkeit,

O komm, du Gottesfriede,

Und nimm mich aus dem Streit,

Nimm mich in deine Ruh',

In deine stillen Freuden,

Und schließe bittern Leiden

Des Wahns Erinnrung zu.

 

Zuviel hab' ich geduldet,

Gekämpfet überlang,

Gesündigt und verschuldet,

Drum ist mir weh und bang;

Ich weiß nicht aus noch ein

Auf diesen biestern Straßen,

Ich wäre gar verlassen,

Wär' Jesus Christ nicht mein.

 

Ich wäre längst vergangen,

Wär' Jesus Christ nicht mein,

In Zittern und in Bangen,

In Sündenangst und Pein,

In tiefer Seelennot,

Wär' er, das Licht der Frommen,

Vom Himmel nicht gekommen,

Der Zukunft Morgenrot.

 

Du süßer Jesu Christe,

So freundlich und so hold!

Ach! Wenn doch jeder wüßte,

Was deine Huld gewollt,

Wir würden immerdar

Entzückt nach oben schauen,

Und von den Sternenauen

Herab würd' alles klar.

 

Ja, von den Sternenauen,

Wo unsre Heimat ist,

Daher käm' uns das Schauen,

Wer du gewesen bist,

Nein, wer du ewig bist:

Im Himmel und auf Erden

Würd' offenbaret werden

Der ganze Jesus Christ.

Hoffnung in Sehnsucht

 

1818.

 

Wann auf des Zweifels Ozeane

Mein Schifflein treibt vor Sturm und Wind,

Wann jedem schönen Lügenwahne

Das bunte Farbenspiel zerrinnt,

Wann Hoffnung selbst nicht ankern kann,

Was ist mein sichrer Anker dann?

 

Das bist du, Hort und Trost des Lebens,

Das bist du, Heiland Jesus Christ,

Der du der Tröster alles Lebens,

Der Stiller alles Haders bist,

Der Liebe Quell, der Gnade Born,

Der uns erlöst vom Sündenzorn.

 

Das bist du, blöder Herzen Wonne

Und kranker Seelen Zuversicht,

Du aller Sonnen hellste Sonne,

Du aller Lichter reinstes Licht,

Du aller Scheine schönster Schein,

Du Wort des Vaters klar und rein.

 

O Liebesabgrund, den ergründen

Auch keines Engels Senkel kann,

Daß wir doch immer recht verstünden,

Wodurch der Hölle Trug zerrann,

Wodurch der Gnade sel'ges Licht

Nun himmlisch durch die Herzen bricht!

 

Daß wir doch alle immer wüßten,

Wodurch wir Gottes Kinder sind,

Wodurch wir zu des Himmels Küsten

Hinsteuern vor dem rechten Wind,

Wodurch wir selbst in Düsternis

Nicht zagen, unsrer Fahrt gewiß!

 

Das hilf du uns, daß wir's gewinnen,

Du süßer Heiland, Jesu Christ,

Der du den Herzen und den Sinnen

Allein die rechte Leuchte bist,

Die, wann auch Sonn' und Mond vergeht,

In wandelloser Klarheit steht.

Grablied

 

1818.

 

Geht nun hin und grabt mein Grab,

Denn ich bin des Wanderns müde,

Von der Erde scheid' ich ab,

Denn mir ruft des Himmels Friede,

Denn mir ruft die süße Ruh'

Von den Engeln droben zu.

 

Geht nun hin und grabt mein Grab,

Meinen Lauf hab' ich vollendet,

Lege nun den Wanderstab

Hin, wo alles Ird'sche endet,

Lege selbst mich nun hinein

In das Bette sonder Pein.

 

Was soll ich hienieden noch

In dem dunklen Tale machen?

Denn wie mächtig stolz und hoch

Wir auch stellen unsre Sachen,

Muß es doch wie Sand zergehn,

Wann die Winde drüber wehn.

 

Darum, Erde, fahre wohl!

Laß mich nun in Frieden scheiden,

Deine Hoffnung ach! ist hohl,

Deine Freuden werden Leiden,

Deine Schönheit Unbestand:

Alles Wahn und Trug und Tand.

 

Darum letzte gute Nacht,

Sonn' und Mond und liebe Sterne!

Fahret wohl mit eurer Pracht!

Denn ich reis' in weite Ferne,

Reise hin zu jenem Glanz,

Worin ihr erbleichet ganz.

 

Ihr, die nun in Trauern geht,

Fahret wohl, ihr lieben Freunde!

Was von oben niederweht,

Tröstet froh des Herrn Gemeinde;

Weint nicht ob dem eitlen Schein:

Droben nur kann ewig sein.

 

Weinet nicht, daß nun ich will

Von der Welt den Abschied nehmen,

Daß ich aus dem Irrland will,

Aus den Schatten, aus den Schemen,

Aus dem Eitlen, aus dem Nichts

Hin ins Land des ew'gen Lichts.

 

Weinet nicht, mein süßes Heil,

Meinen Heiland hab' ich funden,

Und ich habe auch mein Teil

In den warmen Herzenswunden,

Woraus einst sein frommes Blut

Floß der ganzen Welt zugut'.

 

Weint nicht: Mein Erlöser lebt,

Hoch vom finstern Erdenstaube

Hell empor die Hoffnung schwebt,

Und der Himmelsheld, der Glaube,

Und die ewige Liebe spricht:

Kind des Vaters, zittre nicht!

Abschied von der Welt

 

1818.

 

Ade! Ich muß nun scheiden,

Ihr Freunde, gute Nacht!

In Freuden und in Leiden

Gar schwer ist's mir gemacht,

In Kummer und in Tränen,

In Arbeit und in Not;

Drum ruft mein heißes Sehnen:

O komm, mein Herr und Gott!

 

O komm und schleuß dem Matten

Die müden Augen zu,

Bett' ihm im kühlen Schatten

Die stille, sanfte Ruh',

Bett' ihm im kühlen Grabe

Den letzten weichen Pfühl,

Die letzte Liebesgabe

Vom ganzen Weltgewühl.

 

Ade! Ihr sollt nicht weinen,

Ihr Freunde lieb und fromm,

Das Licht wird wieder scheinen,

Das ruft dem Schläfer: Komm!

Das klingt in seine Kammer:

Steh, Schläfer, steh nun auf!

Steh auf vom Erdenjammer!

Dein Himmel tut sich auf.

 

Ade! Ihr sollt nicht klagen,

Daß nun ich hinnen muß,

Die Nacht wird wieder tagen

Mit Freudenüberfluß,

Der große Held der Frommen

Wird mit der Krone stehn,

Und Engel werden kommen

Und mich zu Gott erhöhn.

Freude in Christo

 

1818.

 

Wann meine Seele traurig ist,

Und Mut und Lust in mir verzagen,

Wann wankend zwischen Wahn und List

Sich Welt und Sünde hart verklagen,

Wann auf der Zweifel wildem Meer

Mein Schifflein steuerlos muß treiben,

Wo scheint der Stern der Rettung her?

Was läßt mich dennoch oben bleiben?

 

Wann um mich alles finster wird,

Als säß' ich in der dunklen Hölle,

Wann's in mir bangt und zagt und irrt,

Als wenn die Sündflut um mich schwölle,

Wann diese tiefste Seelennot

Fast will am ew'gen Heil verzagen,

Wo dämmert dann das Morgenrot,

Der Sonne Zukunft anzusagen?

 

Aus dir! Aus dir! Du bist der Stern,

Du bist der Hoffnung lichte Sonne,

Der Knechte Knecht, der Herr der Herrn,

Der Kranken Arzt, der Schwachen Wonne,

Der Armen Schatz, der Biestern Licht,

Versöhner aller, die verloren,

Erlöser von des Zorns Gericht,

Der ganzen Welt zum Heil geboren.

 

Du bist's allein, Herr Jesu Christ,

Du bist die Hoffnung, du der Glaube,

Du rettest von des Bösen List

Und von der eitlen Lust am Staube,

Du richtest uns das Angesicht

Hin, wo die ew'gen Sterne funkeln,

Du sprichst: Mein Sein ist Lieb' und Licht,

Ihr sollt nicht bleiben in dem Dunkeln.

 

Du bist's allein, du süßer Hort,

Du milder Tröster aller Schmerzen,

Dein ist die Wonne, dein das Wort,

Dein ist die Kindschaft frommer Herzen:

Wir sollen alle Kinder sein,

In Einfalt Kinder und im Glauben,

Der Kinder soll der Himmel sein,

Das Reich ist derer, die da glauben.

Weihnachtslied

 

1818.

 

Erklinge, Lied, und werde Schall,

Kling gleich der hellsten Nachtigall,

Kling gleich dem hellsten Lerchenklang

Die ganze, weite Welt entlang.

 

Kling, Lied, und kling im höchsten Ton:

Es kommt der süße Gottessohn,

Es kommt das helle Himmelskind

Hernieder, wo die Sünder sind.

 

Er kehrt bei einer Jungfrau ein,

Will eines Weibes Säugling sein,

Der große Herr der ganzen Welt,

Ein Würmlein auf die Erde fällt.

 

Ein armes Knäblein nackt und bloß,

So liegt er in Marias Schoß;

Der alle Sterne lenken kann,

Fleht eines Weibes Gnade an.

 

Der eh'r als Erd' und Himmel war,

Das Wort des Vaters rein und klar,

Spricht lieb und freundlich bei uns ein

Und will der Sünder Bruder sein.

 

So kommt die unermeßne Huld,

Zu tragen unsre schwere Schuld,

Die ewige Liebe steigt von Gott

Zu uns herab für Schmach und Spott.

 

Des solln wir alle fröhlich sein

Und singen mit den Engelein

Und singen mit der Hirten Schar:

Das ew'ge Heil wird offenbar.

 

Des solln wir alle fröhlich sein,

Daß Gott will unser Vater sein,

Und daß der süße Jesus Christ

Heut unser Bruder worden ist.

 

Abendlied

 

1818.

 

Der Tag ist nun vergangen,

Und dunkel schläft die Welt,

Die hellen Sterne prangen

Am blauen Himmelszelt;

Nur in den grünen Zweigen

Singt noch die Nachtigall,

Im weiten, tiefen Schweigen

Der einz'ge Lebensschall.

 

Ich aber, Vater, stehe

In meiner Hüttentür

Und schau' hinauf zur Höhe

Und schau' hinauf zu dir;

Wie gerne möcht' ich klingen

Als helle Nachtigall,

Dir Preis und Dank zu bringen

Mit tiefem Schmerzenschall.

 

Ja, mit dem Schall der Schmerzen:

Denn geht die Nacht herauf,

So springt in meinem Herzen

Ein Quell der Tränen auf,

Der Tränen und der Klagen –

Du, Vater, weißt es best,

Was singen nicht und sagen,

Was sich nicht sprechen läßt.

 

Du kennest meinen Kummer,

Der auf gen Himmel blickt,

Wann für den süßen Schlummer

Die ganze Welt sich schickt,

Womit so schwer beladen

Mein Herz nach oben schaut,

Nach deinem Born der Gnaden,

Der Labsal niedertaut.

 

Ja, deine süße Liebe,

Die tröstet mir den Schmerz,

Ja, deine süße Liebe,

Die stillet mir das Herz,

Die löst in heißen Tränen

Das Eis des Busens auf

Und stellet Sinn und Sehnen

Zum hohen Sternenlauf.

 

O laß mich ewig schauen

Im stillen Kindersinn

Zu jenen güldnen Auen,

Woher ich kommen bin!

O richte Herz und Sinne,

Mein Vater, für und für

Zu deiner süßen Minne,

Zum Himmel hin, zu dir.

 

So mag ich froh mich legen

Nun mit der Welt zur Ruh',

Mein Amen und mein Segen,

Mein Wächter, das bist du;

So mag in deinem Frieden

Ich fröhlich schlafen ein,

Dort oben und hienieden

Im Schlaf und Wachen dein.

Der Fels des Heils

 

1818.

 

Ich weiß, woran ich glaube,

Ich weiß, was fest besteht,

Wann alles hier im Staube

Wie Sand und Staub verweht;

Ich weiß, was ewig bleibet,

Wo alles wankt und fällt,

Wo Wahn die Weisen treibet

Und Trug die Klugen prellt.

 

Ich weiß, was ewig dauert,

Ich weiß, was nimmer läßt,

Mit Diamanten mauert

Mir's Gott im Herzen fest.

Ja, recht mit Edelsteinen

Von allerbester Art

Hat Gott der Herr den Seinen

Des Herzens Burg verwahrt.

 

Ich kenne wohl die Steine,

Die stolze Herzenswehr,

Sie funkeln ja mit Scheine

Wie Sterne schön und hehr:

Die Steine sind die Worte,

Die Worte hell und rein,

Wodurch die schwächsten Orte

Gar feste können sein.

 

Auch kenn' ich wohl den Meister,

Der mir die Feste baut,

Er heißt der Fürst der Geister,

Auf den der Himmel schaut,

Vor dem die Seraphinen

Anbetend niederknien,

Um den die Engel dienen:

Ich weiß und kenne ihn.

 

Das ist das Licht der Höhe,

Das ist der Jesus Christ,

Der Fels, auf dem ich stehe,

Der diamanten ist,

Der nimmermehr kann wanken,

Der Heiland und der Hort,

Die Leuchte der Gedanken,

Die leuchten hier und dort.

 

So weiß ich, was ich glaube,

Ich weiß, was fest besteht

Und in dem Erdenstaube

Nicht mit als Staub verweht;

Ich weiß, was in dem Grauen

Des Todes ewig bleibt

Und selbst auf Erdenauen

Schon Himmelsblumen treibt.

Das Wort

 

1818.

 

Was ist die Macht, was ist die Kraft,

Des Christen stolze Ritterschaft,

Der Schirm und Schild und Schmuck der Ehren,

Die ungebrochne Wehr der Wehren,

In jeder Not und Fahr der Hort?

Das ist das Wort, das feste Wort.

 

Was kann wie ein zweischneidig Schwert,

Das blitzend aus der Scheide fährt,

Mark und Gebein im Hui zerschneiden,

Die Geister und die Leiber scheiden?

Was hat so freißlich scharfen Ort?

Das hat das Wort, das feste Wort.

 

Was braust daher wie Windesbraut

Und überdonnert Donners Laut?

Was donnert in der Sünder Ohren,

Gleich einem Schwur von Gott geschworen?

Was ist's, das durch die Seelen bohrt?

Das ist das Wort, das feste Wort.

 

Was säuselt wie ein Westenwind

Vom Frühlingshimmel sanft und lind?

Was säuselt lieblich durch die Herzen,

Ein Trost und Balsam aller Schmerzen?

Was wehet alle Sorgen fort?

Das tut das Wort, das feste Wort.

 

O Wort der Macht, o Wort der Kraft,

Das so gewaltig wirkt und schafft,

O Wort der Schrecken und der Freuden,

Zum Heilen mächtig und Zerschneiden,

Du warest eh'r als Zeit und Ort,

Du starkes Wort, du festes Wort.

 

O Wort der Macht, o Wort der Kraft,

Du, meines Herzens Ritterschaft,

Wollst ewig in und bei mir bleiben,

Durch Donner und durch Säusel treiben

Zum rechten Kampfe fort und fort,

Mein starkes Wort, mein festes Wort.

Ruf an den Geist

 

1818.

 

Dich, Geist der Wahrheit, Geist der Kraft,

Dich, Geist der Christusritterschaft,

Der alle Blöden trösten kann,

Dich starken Tröster ruf' ich an.

 

Dich Licht der Höhe, milden Stern,

Dich freundlich frommen Geist vom Herrn,

Der alles Dunkel lichten kann,

Dich Licht der Höhe ruf' ich an.

 

Tief sitz' ich in der dunkeln Nacht,

Wo mich die Sünd' hineingebracht,

Tief sitz' ich in der Finsternis,

Wohin Verzweiflung mich verstieß.

 

Mein Jammer brauset wie ein Meer

Mit allen Stürmen um mich her,

Er saust und brauset immerzu

Und läßt mir Tag und Nacht nicht Ruh'.

 

Drum komm, mein Hort, und rette mich,

Mein Tröster komm und tröste mich,

Mein Licht geh auf mit deinem Schein

Und funkle durch die Nacht herein.

 

Komm, Helfer in dem Sündengraus,

Und sprich mir zu und leg' mir's aus,

Was ich nicht mehr begreifen mag,

Was Christus zu den Sündern sprach.

 

Sprich mir das Wort der Liebe zu,

Den rechten Klang verstehst nur du,

Das rechte Wort, den rechten Klang,

Des Glaubens Hoffnung und Empfang.

 

O Geist der Liebe, Geist des Herrn!

Der Himmelsfreude Gnadenstern!

Geh auf in mir mit deinem Schein!

So kann ich wieder fröhlich sein.

Trost der Seele

 

1819.

 

Liebe Seele,

Traure nicht so sehr,

Wer ist ohne Fehle?

Ohne Kummer wer?

 

Was auf Erden

Trägt das Leinenkleid,

Muß ja sündig werden

Viel in Leid und Streit.

 

Gottes Liebe

Macht von Sünden rein;

Ist dir bang und trübe,

Bringt sie hellen Schein.

 

Gott hilft gerne

Dem, der ihm vertraut,

Der das Haus der Sterne

Über uns gebaut.

 

Der das Sehnen

Nach dem Himmel gab,

Trocknet alle Tränen

Bleichen Wangen ab.

 

Will versinken

Dir das Herz in Leid,

Sieh die Sterne blinken

Ew'ger Herrlichkeit.

 

Sieh dem Spiele

Ihres Reigens zu,

Und mit Wonne fühle:

Ewig bist auch du.

 

Nicht vermodern

Mag ein Himmelskeim;

Wo die Sonnen lodern,

Ist des Menschen Heim.

 

Dort von oben

Sank er einst herab:

Wo aus Licht gewoben,

Das begräbt kein Grab.

 

Darum mutig,

Liebe Seele, sei!

Ist der Kampf gleich blutig,

Ringe frisch und treu!

 

Wandle fröhlich

Auch durch dunkles Leid:

Droben bist du selig

Durch die Ewigkeit;

 

Sünd' und Kummer

Ahnest du dort kaum,

Wie im Morgenschlummer

Einen leichten Traum.

Aus: Drei Trostlieder aus dem Sommer 1819

 

Komm, Geist, und zieh dich stählen an!

Komm, Herz, und laß dich eisern kleiden!

Es rüste sich, was streiten kann,

Auf harten Krieg und schwere Leiden!

 

Komm, Stolz, und fasse das Panier!

Laß wehn die Fahnen, wehn zum Himmel!

Das rechte Bleiben ist nicht hier,

Drum wirf dich mutig ins Getümmel!

 

Komm, Hoffnung, auch! Es soll dein Grün,

Dein Maigrün, rosenrot sich färben,

Noch einmal sollst du herrlich blühn

Und dann gleich roten Rosen sterben.

 

So steht der Krieg, so ist der Zorn,

Und in der Mitte gar kein Bleiben:

Wer lechzet Strom zu sein, der Born

Muß kühn als Dunst von Felsen stäuben.

 

So alles dran! So alles drein!

Und setzt das Kleine für das Große!

Gott aber soll der Würfler sein!

Er wirft die Millionen Lose.

 

So alles dran! So alles drein!

Und setzt das Kurze für das Lange!

Gott aber soll der Würfler sein!

Bei dieser Schanzung seid nicht bange.

Frischauf!

 

1819.

 

Heraus, mein Herz, aus deinem Jammer!

Mein krankes Herz, verzage nicht!

Heraus aus deiner dunklen Kammer!

Und suche Licht, so findst du Licht!

 

Heraus! Es brütet in dem Dunkeln

Des Trübsinns volles Schlangennest –

Heraus! Wo Gottes Sterne funkeln,

Da wird der Mut dir hell und fest.

 

Wie? Willst du auf den Hort nicht bauen,

Der dir ein Fels in Nöten war?

Auf den Propheten nicht vertrauen,

Der selbst die Träume machte wahr?

 

Wie? Willst du Eitler dich betrüben,

Wenn Welt und du auch ungleich gehn?

Bedenk', sein Sein ist eitel Lieben,

Und was er will, das muß geschehn.

 

Wie? Willst du zage nicht mehr hoffen,

Als wär's um Welt und dich geschehn,

Und hast so oft den Himmel offen

Und Gott die Finger recken sehn?

 

Drum mutig! – Satan nimmt die Waffen –

Auf, gürte dich zu Lauf und Stand!

Erzittre nicht vor Gottes Affen,

Denn seine Wehr zerstäubt wie Sand.

 

Es gilt mit Gott hineinzufahren,

Mit Gott wird Unten Oben sein;

Denk' der Jahrtausende, die waren,

Jahrtausende, die werden sein.

Lehre an mich

 

1820.

 

Auf! Lege deiner Jugend Harnisch an!

Und schnalle um auch deine Rittersporen!

Was Glück? Sein Rädlein rollet ab und an;

Was Ruhm? Ein dunst'ges Gaukelbild für Toren.

Was bunter Tand, wonach die Menge greift?

Was Gold und Glanz und Titelklang und Orden?

Du greife das, was nicht wie Zufall schweift,

Du halte fest, was kein Tyrann kann morden.

 

Was du in strenger Arbeit dir erwarbst,

Was du im schweren Kampfe dir errungen,

Wodurch du reich sein wirst, auch wenn du darbst,

Und siegreich, wenn dich auch Gewalt bezwungen –

Das zarte Unsichtbare such' hervor,

Das dünne Fünkchen aus der Götterflamme,

Und jauchze: Zittre, Bube! Zittre, Tor!

Dies ist's, wodurch ich dir dein Nichts verdamme.

 

Dies ist's, worauf die ganze Erdenlast,

Wirfst du sie drauf, nur liegt und nimmer drücket,

Das Unsichtbare, was Gewalt nicht faßt,

Und, faßte sie's, nicht von der Stelle rücket,

Das Starke, was den bittern Feind, den Tod,

Mit allen seinen Schrecken selbst mag töten,

Das Frohe, was mit hellem Morgenrot

Des Unglücks dickste Wetternacht mag röten.

 

Dies nimm dir! Ruf auch die Gesellen auf,

Gespielen und Genossen tapfrer Jugend,

Die in der ernsten Arbeit dir den Lauf

Gestrecket auf der heißen Bahn der Tugend:

Durch das, was zornig schon den Knaben riß

Hinweg vom Tand, wonach's die vielen lüstet;

Steh nun als Mann im Sturm und Streit gewiß,

Auf! Waffne deine Schar und sei gerüstet!

 

O sieh! Schon steht dein tapfrer Wappenknecht,

Der edle Stolz, und zucket mit dem Eisen;

Drei Helfer sitzen auf, der Mut, das Recht,

Das Licht – sie wollen sich die Alten weisen;

Die Wahrheit trägt das leuchtende Panier,

Die Hoffnung schwingt die fliegende Standarte;

Auch unsichtbare Kämpfer folgen dir;

Gebet und Wunsch sind Hüter auf der Warte.

 

Mit solchen mutig drein auf Sieg und Tod!

Es gilt, was Freien ziemlich sei, was Knechten;

Nur einen Jammer gibt's, nur eine Not,

Für nichts und schlimmer gar für Frevel fechten.

Hinein mit Gott! Dein kleines Schicksal rollt

Aus seiner Hand mit Millionen Losen.

Das glaube – fest geschieht, was er gewollt –

Und glaubst du recht, so werden Nesseln Rosen.

Rückblick

 

1825.

 

Und haben wir das all durchlebt,

Durchwunden und durchrungen,

So dicht verworren und verwebt,

Mit Knoten viel durchschlungen

Und Dorngeflechten, scharf und spitz?

Sind wir durch Kunst und Mutterwitz

Durch oder drüber gesprungen?

 

O nein! Fest steht das Weltgesetz

Der alten ewigen Dinge:

Wir sind mit Hand und Fuß im Netz,

Mit Schnabel und mit Schwinge,

Und wolln wir brechen aus der Pein,

Wir zerren fester nur uns ein

Und rollen im engeren Ringe.

 

Wild wälzt das Schicksalsrad im Saus

Die blutbespritzten Speichen,

Daß starke Männer drob vor Graus

Im tiefsten Mut erbleichen;

Und sperrn sie auch sich kühn und stolz,

Sie stürzen hin wie morsches Holz,

Wann Sturmwind schüttelt die Eichen.

 

Und doch über all den Saus und Braus

Und all die grausen Sätze

Schwingt oft das Herz sich hoch hinaus

Und glaubt an keine Netze,

Es wieh'rt, ein edles Schlachtenroß,

Hinauf zum goldnen Freiheitsschloß,

Wie hartes Gebiß auch verletze.

 

So sang der alte Lebensfürst,

Und wie ein Held, so stand er;

Er hatt' die volle Jagd durchbürscht,

Und fragt ihr ihn: Was fand er?

Er sprach: Wie blinde Hessen drauf!

Dies Rätsel löset keiner auf,

Haut's durch wie Alexander!

An Henriette von Willich, als ich ihr den Thomas a Kempis »Von der Nachahmung Christi« überreichte

 

1830.

 

Viel ist gered't, gelesen und geschrieben,

Seit dieses Büchlein in die Welt gegangen,

Das Mal und Siegel von dem Geist empfangen,

Der Liebe sandte, daß sie lehrte lieben.

 

Wie vieles ist gewesen und vergangen,

Dies Büchlein hat vier Säkeln überdauert,

Und in dem Lande, wo's den Seelen schauert,

Lehrt's heute noch das ew'ge Heil erlangen.

 

Geliebtes Kind, kannst du einfältig fragen,

Einfältig wirst du darin Antwort finden:

Wie Liebe alles lösen kann und binden,

Weiß einzig sie das Höchste auszusagen.

Nachruf, dem Freiherrn Karl vom Stein

 

1831.

 

Der Löwe schläft – Ihr, die ihr wachen sollt,

Versteht ihr, daß die Besten schlafen gehen?

Die, als die Welt erlag, noch stark gewollt,

Die werden's nur verstehen.

 

Der Löwe schläft – Ihr, die ihr wachen sollt,

Versteht ihr, welcher Wächter heimgegangen?

Sein großes Herz braucht keiner Klagen Sold,

Nicht tränennasse Wangen.

 

Es heischt den Geist heraus, den deutschen Mut,

Zu brennen heiß für Vaterlandes Ehren,

Es heischt, wann's gilt, den letzten Tropfen Blut,

Nicht weibisch eitle Zähren.

 

Und schlängelt welsche List den Schlangenpfad

In deutsche Gaun, dann ruft der stumme Leue

Mit Donners Klang – es bebet der Verrat –

Er rufet: Treue! Treue!

 

Und klinget die Trompete: Es ist Krieg!

Und ziehen Feinde gegen Deutschlands Marken,

Dann mahnt's aus ihm zum Kampf auf Tod und Sieg

Die Tapfern und die Starken.

 

Der Löwe schläft – nicht er, nur sein Gebein;

Denn wann es ruft im Vaterlande: Wer da?

Dann ist er wach, dann ruft der Löwe Stein,

Dann ist sein Geist, ist er da.

 

Dann tönt die Losung Stein, beim Namen Stein

Ringt jeder Deutsche für das Freie, Hohe.

So schlägt es Blitz auf Blitz in Männer ein

Aus ihm in heil'ger Lohe.

 

Nein, Deutschland, nie wird dieser reinste Strahl

In deiner lichten Heldenkrone bleichen,

Solang aus Alpen braust dein Rhein zu Tal

Und grünen deine Eichen.

Das Grab

 

1835.

 

Steh hier still, hier wächst der Baum

Schon mit Blättern grün und voll,

Der des letzten Schlummers Traum

Freundlich dir umschatten soll.

Schau' ihn an, er ist so grün,

Nickt so lustig in die Welt,

Rote Rosen ihn umblühn,

Von der Maienluft geschwellt.

 

Welch ein Schimmer! Welch ein Duft!

Horche, wie der Morgen klingt,

Wie der Kuckuck unten ruft!

Wie die Lerche oben singt!

Und dies Leben rosenrot,

Diese Wonne liederreich

Wäre graulich, und der Tod

Hätte hier sein düstres Reich?

 

Nein, ihr Rosen, nein, du Baum,

Der mich einst umsäuseln wird,

Nein, du Vöglein, das den Traum

Dieses Schlafes einst umschwirrt,

Nein, ihr Maienlüftchen süß,

Die ihr mit den Blumen kost,

Hier blüht wieder Paradies,

Das nicht Sturm noch Flut umtost.

 

Wachse denn, du grüner Baum,

Wachset, Rosen, zum Gebüsch,

Mit dem vollen Frühlingstraum

Duftet um mein Bette frisch;

Liebe, hüte dieses Grab,

Hoffnung, winde drum dein Grün,

Und so laßt mich bald hinab

In die sel'ge Stille fliehn.

Klage um Wilibald

 

1835.

 

Eine Handvoll Erde,

Einen Rosenkranz,

Daß erfüllet werde

Treue Liebe ganz,

Werf' ich, süßer Knabe,

Unter schwerem Ach,

Letzte Liebesgabe,

Deinem Schatten nach.

 

Ach, der holde Schatten,

Ach, das liebe Bild,

Welches Engel hatten

Schön in Staub gehüllt,

Sollte nur als Schimmer

Mir vorüberfliehn,

Diese Knospe nimmer

Voll als Rose blühn.

 

O mein süßes Leben!

Alters Lust und Zier!

Könnt' ich mit dir schweben!

Wär' ich stets bei dir!

Von dem Staubgewimmel,

Von den Gräbern fern,

Stets in deinem Himmel,

Stets auf deinem Stern!

Der grüne Wald

 

1835.

 

O der süße, grüne Wald,

Wo wir einst in Wonne klangen,

Wo wir spielten, wo wir sangen,

Wo wir tanzten Maientänze,

Wo wir pflückten Maienkränze,

O der süße, grüne Wald!

Wie er immer widerhallt,

Wie er schallt:

Wilibald! Wilibald!

 

Schalle nur, du grüner Wald,

Rufe immer deinem Frommen,

Ach! Er kann nicht wiederkommen!

Blühet, Blumen, flüstert, Blätter,

Klinget, Vöglein, das Geschmetter

Eures Lenzes durch den Wald –

Bleich ist eure Lichtgestalt,

Stumm und kalt –

Wilibald, Wilibald.

 

O du süßer, grüner Wald!

Wo wir nun in leisen Tränen

Uns nach unserm Liebling sehnen,

Nimmermehr im frischen Maien

Mit der jungen Lust juchheien –

Rufe ewig, grüner Wald,

Mit der Liebe Allgewalt,

Daß es schallt:

Wilibald! Wilibald!

Frühling

 

1835.

 

Wann die leisen Bächlein rauschen,

Säuseln durch die Blätter bebt,

Muß ich horchen, muß ich lauschen,

Ob der Liebste niederschwebt;

Wann die Frühlingsvöglein singen,

Und die ganze Blumenflor

Nur ein Blühen ist und Klingen,

Singt und klingt und blüht er nur.

 

Und ich rufe meinen Schmerzen

Unter manchem lauten Ach:

Blüht auch ihr! – Ich will euch herzen,

Werdet frisch im Lenze wach!

Bringt die schönste meiner Gaben,

Bringt mir das verlorne Glück,

Bringt mir meinen süßen Knaben

In der alten Pracht zurück.

 

Und die Tränen fließen milder,

Und es schmilzt das starre Herz,

Und die holden Liebesbilder

Zaubert neu der neue Schmerz,

Liebesbilder, Liebesschatten,

Sie bevölkern jeden Raum;

Was wir haben, was wir hatten,

Was wir lieben, heißet Traum.

 

Ach! Ein süßer Traum, verdunkelt

In der Erde Nebelluft,

Dessen hellstes Bild erfunkelt,

Wann wir weinen auf der Gruft:

Erde müssen wir begraben

Und was in uns irdisch ist,

Wollen wir im Lichte haben,

Was vom Himmel göttlich ist.

Lerchengesang

 

1836.

 

Hast du noch einen Ton, du altes Herz,

So spann' ihn auf, und laß es klingen,

Laß deine Liebe, deinen Schmerz

Ihr volles Leid den Sternen singen.

 

Was hoch empor schlug, hallet tief zurück,

Es hallt in deinem Busen wieder,

Es weiß kein Lied vom Erdenglück,

Von Engelwonnen singt es Lieder.

 

Empor, du Lerche, zur gestirnten Höh'!

Was flatterst du im Erdgewimmel?

Dort klingt ein Echo für dein Weh:

Du bist vom Himmel, suche Himmel.

An die Lerche

 

1836.

 

Vöglein, Vöglein in den Lüften,

Lerche, die zum Himmel schwebt,

Unten still in Blumendüften

Und im Grün der Wiesen lebt,

Du bist mein, du süße Kehle,

Meine Sehnsucht, meine Lust,

Alles Weh der Menschenseele

Klingst du hell aus frommer Brust.

 

Also trägst du meine Schmerzen

Aus der Erde Nebelflor

Zu dem Herzen aller Herzen,

Zu dem Himmelshort, empor,

Trägst mich hin zu meinen Lieben,

Die nun oben selig sind:

Unten ist das Leid geblieben,

Droben wehet Lebenswind.

 

O wie süß, mit dir zu kreisen

In dem heitern Sonnenstrahl!

O wie süß, mit dir zu reisen

Himmelauf vom Erdental!

Auszujubeln, auszusingen,

Was das stille Herz nur weiß,

Und aus voller Brust zu klingen

Liebeslust und Himmelspreis!

Ruf an Gott

 

1836.

 

Du, der Licht war vor meinem Tage,

Du, der Klang war vor meiner Klage

In der Gestirne Jubelgesang,

Du, dem Sonnen und Welten entrollten,

Eh' meine Sinne fühlten und wollten,

Hilf, Herr! Mir ist die Seele so bang.

 

Du, der Licht bist, laß es durchdringen,

Du, der Klang bist, laß es erklingen,

Hauche von oben himmlischen Wind,

Hauche den Odem ewigen Lebens,

Daß entfliehen die Schauder des Bebens –

Hilf, Gott! Höre dein flehendes Kind!

 

Aus dem Lichtmeer nur einen Funken,

Wie ich einst ihn selig getrunken!

Aus deiner Wonne nur einen Ton! –

Und es wehen die Lüfte des Lebens,

Und es fliehen die Schauder des Bebens –

Du bist Vater, ich wieder dein Sohn.

Immer Liebe

 

1836.

 

Und klingst du immer Liebe wieder?

Und immer nur denselben Ton?

Und weißt du keine andern Lieder

Als Gottes Sohn, von Gottes Sohn?

Muß er dein Licht, dein Glanz, dein Schein,

Muß er dein Alles, Alles sein?

 

Ja, er allein: in diesem Namen,

In diesem allerschönsten Ton,

Klingt aller Himmel Himmel Amen,

Das Heilig! Heilig! klingt vom Sohn,

Und Cherubim und Seraphim

Anbetend knien sie hin vor ihm.

 

Ja, er allein: soweit die Winde

Das grüne Erdenrund umwehn,

Muß nun im Klang vom hohen Kinde,

Das Mensch ward, aller Jubel gehn:

Es klinget kein so süßer Ton

Als von dem Sohn und aus dem Sohn.

 

Nein, nimmer lernt es andre Lieder

Das arme, sündenkranke Herz,

Nein, nimmer klingt es andres wieder

Als jener Sehnsucht süßen Schmerz

Vom Menschensohn, vom Gottessohn,

Dies bleibt das Lied, der Klang, der Ton.

 

Du bleibst das Lied, du liebste Liebe,

Du bleibst die Sehnsucht, schönstes Bild,

Du Licht der Lichter, Trieb der Triebe,

Woraus der Himmel Wonne quillt:

Mein Herz klingt deine Herrlichkeit

Von nun an bis in Ewigkeit.

Himmelfahrt

 

1837.

 

Wie prangt im Frühlingskleide

Die grüne, bunte Welt!

Und hat in Welt und Heide

Musik und Lust bestellt:

Wie klingt und spielt der Scherz

In Büschen rings und Bäumen

Von Edens Blumenträumen

Den Klang in jedes Herz!

 

Hinaus denn, meine Seele!

In voller Lust hinaus!

Verkünde, ruf, erzähle

Und kling und sing es aus!

Du bist von Lerchenart,

Nach oben will dein Leben:

Laß fliegen, klingen und schweben

Die süße Himmelfahrt.

 

Auf! Lüfte deine Schwingen

Zum frohen Heimatort!

Dein Trachten, Sehnen, Ringen,

Dein Weg, dein Lauf ist dort –

O flieg aus diesem Glanz

Der bunten Erdenlenze

Ins Land der ew'gen Kränze!

Dort ist dein Ziel, dein Kranz.

Gesang der Christenlerche

 

1837.

 

Es klingt ein Klang der Klage

Rings durch die Welt umher:

»Kurz sind der Menschen Tage

Und ihre Mühen schwer,

Nach leichtem Jugendspiele

Treibt Arbeit, Müh' und Not

Sie rastlos fort zum Ziele,

Und dieses Ziel ist Tod.«

 

O Klang voll bittrer Wehen!

Uralter Heidenklang!

Aus Tiefen rings und Höhen

Wie klingst du grausig bang!

Mit Zweifeln, Zittern, Zagen,

Mit ungestilltem Schmerz

Stellst du die scharfen Fragen

Ans arme Menschenherz.

 

So mag ein Sandkorn schweben

Auf hoher Meereshöh',

Wie Menschen stürmisch beben

Auf wilder Lebenssee:

Ach! Zwischen Fürchten, Hoffen

Wie hielten sie's wohl aus,

Stündst du zum Trost nicht offen,

Du Grabesfriedenshaus?

 

Fort, Heidenklang! Verklinge!

Verkling, uraltes Weh!

Komm, Christenlerche, singe

Ein Lied aus höhrer Höh',

Ein Lied vom schönern Glauben,

Von süßern Friedens Ruh',

Komm, trag mit Noahs Tauben

Uns grüne Hoffnung zu.

 

Komm, Christenlerche, singe,

Was du so selig weißt,

Die Lust des Himmels singe,

Die Held und Heiland heißt,

Die Wahrheit heißt und Leben

Und Licht der Erdennacht,

Daß nun kein Leid mehr beben,

Kein Tod mehr grauen macht.

 

O süßer Klang der Freude!

O Klang der Seligkeit!

Nicht mehr der Stunden Beute,

Ich heiße Ewigkeit.

Verlisch, du Erdensonne!

Tu, finstres Grab, dich auf!

Hell flieget meine Wonne

Zum höchsten Stern hinauf.

Weihnachtsfreude

 

1837.

 

Steh auf! Die Sonn' ist aufgegangen,

Es scheint das Licht der Herrlichkeit –

O Seele, klinge dein Verlangen,

Hell kling herein die neue Zeit!

Laß heut die frohe Kunde schallen

Weit übern Erdenball ringsum!

Erklinge, singe, künde allen

Der Menschheit Evangelium.

 

Dies ist das Licht, dies ist der Morgen,

Der Vorwelt dünner Dämmerschein,

Oft leuchtend auf und oft verborgen,

Nun scheint er hell zur Welt herein,

Das Liebesrätsel ew'ger Güte,

Der Frommen Hort, der Weisen Lust –

Der Sehnsucht süße Rosenblüte

Erblüht nun voll in jeder Brust.

 

Drum sollst du, frohe Liebe, klingen,

Daß alle Welt in Wonne sei,

Mit allen Himmelschören singen:

Ihr dunkle Menschen eilt herbei!

O eilet euch im Licht zu baden!

Der Glanz des Himmels strahlt herein,

Und jeder Jammer, jeder Schaden

Der Nacht soll weggeleuchtet sein!

 

Kommt alle, die ihr lieft verloren

In freudenvoller Finsternis!

Denn Jesus Christus ist geboren,

Es scheint das lichte Heil gewiß.

O Liebesglanz! O Lebensmorgen!

O wunderbarer Gottesschein!

Weg Sünden, Schmerzen, Zweifel, Sorgen!

Denn Jesus Christ will unser sein.

Friedensgebet

 

1837.

 

Gib Frieden, Herr, gib Frieden,

Du milder Liebeshort!

Einst bist du abgeschieden

Mit süßem Freudenwort:

Ich geb' euch meinen Frieden,

Wie ihn die Welt nicht gibt,

Verheißen und beschieden

Dem, der mich glaubt und liebt.

 

Gib Frieden, Herr, gib Frieden!

Die Welt will Streit und Krieg,

Der Stille wird gemieden,

Der Wilde hat den Sieg,

Und Unruh' herrscht auf Erden

Und Lug und Trug und List –

Ach! Laß es stille werden,

Du stiller Jesus Christ!

 

Gib Frieden, Herr, gib Frieden,

Du milder Liebeshort!

Dann wird es schon hienieden

Ein Paradiesesort,

Und Sorgen fliehn und Schmerzen

Aus jeder schweren Brust,

In Freuden glühn die Herzen,

In Lieb' und Himmelslust.

Des Zweiflers Unruh'

 

1837.

 

Wohin, wohin, ihr flatternden Gedanken?

Wohin mit mir im brausenden Gewimmel?

Was reißt ihr mich durch aller Himmel Himmel

Und schlingt um nichts und alles eure Ranken?

 

Wir fliegen hoch. Sind wir so hoch geboren?

Und warnt uns nicht, was Fabel klingt und Sage,

Der Weisen Lehre und der Helden Klage,

Der Frommen Seufzer und der Spott des Toren?

 

Sie warnen: Kinder flüchtiger Sekunden,

Wie reißt euch doch der wilde Wahnsinn hinnen?

Was Menschen schaffen, bauen, denken, sinnen,

Wird ihnen gleich ein Morgentraum erfunden.

 

Ja, daß wir durch die höchsten Himmelshöhen

Und durch die tiefsten Höllen müssen schweifen,

Nach Unergreiflichkeiten müssen greifen,

Das ist das lange Weh der ältsten Wehen.

 

Da spielt die Hoffart und ihr Sohn, der Zweifel,

Ach, schon Gesell von Adam, unserm Ahnen;

Wir sind Soldaten unter seinen Fahnen

Und folgen ihres bunten Trugs Gewaifel.

 

Er ruft: Mir nach zum Sieg, ihr tapfern Knechte!

Mir nach, zum Dienst das Geisterreich zu zwingen!

Wir müssen durch zum Lichtesurborn dringen;

Den Feigen unten lassen wir die Nächte.

 

Das ist's, das ist der alte Fluch hienieden:

Wir jagen nach den bunten Zauberbildern,

Bis wir im wirren Geisterkrieg verwildern,

Stets weiter weg von Einfalt, Ruh' und Frieden.

 

Weh heißt die Aufschrift auf dem Lebensschilde,

Verwirrt hat unser Abc die Lüge,

Verwischt das klare Antlitz reiner Züge,

Des Götterbilds der Liebe, Lust und Milde.

 

Doch ist des Bildes Bild herabgekommen,

Des Armen Reichtum und das Licht der Blinden,

Der Edelstein, den Kunst und List nicht finden,

Der nur den Stillen leuchtet und den Frommen.

Des Schiffers Traum

 

1837.

 

Es heult der Sturm, die Woge schäumt,

Und durch die Wolken fahren Blitze,

Der alte Schiffer nickt und träumt

Gar ruhig auf dem nassen Sitze:

Wie wild um ihn die Woge schlägt,

Wie auf und ab das Schifflein schaukelt,

Ein Traum, der süße Bilder trägt,

Umspielt sein Haupt und scherzt und gaukelt.

 

Ein Eiland hebt er hell und schön

Mit reichen Fluren aus den Wogen,

Ein wundervolles Lenzgetön

Aus Blütenhainen kommt geflogen –

Der Alte ruft: »Hier legt ans Land!

Hier in die Bucht, den stillen Hafen!

O kommst du endlich, Friedensstand?

Wie will ich süß nach Stürmen schlafen!«

 

Da schießt aus schwarzer Nacht ein Strahl,

Ein glühnder Gottespfeil, von oben,

Der Schiffer und das Schiff zumal

Mit Mann und Maus sie sind zerstoben,

Die wilde Woge treibt zum Strand,

Treibt Trümmer und Leichen treu zum Hafen –

Glückseliger Träumer! Du hast Land,

Nun kannst du süß nach Stürmen schlafen.

Warum ruf' ich?

 

1837.

 

Und rufst du immer Vaterland

Und Freiheit? Will das Herz nicht rasten?

Und doch, wie bald umrollt der Sand

Des Grabes deinen Leichenkasten!

Die nächste Ladung trägst du schon

Geschrieben hell auf weißer Scheitel;

Gedenk' des weisen Salomon,

Gedenk' des Spruches: Alles eitel.

 

Ja, darum ruf' ich Vaterland

Und Freiheit – dieser Ruf muß bleiben,

Wann lange unsrer Gräber Sand

Und unsern Staub die Winde treiben;

Wann unsrer Namen dünner Schall

Im Zeitensturme längst verklungen,

Sei dieses Namens Widerhall

Von Millionen nachgesungen!

 

Ja, darum, weil wir gleich dem Schein

Der Morgendämmerung verschweben,

Muß dies die große Sonne sein,

Worin wir blühn, wodurch wir leben;

Drum müssen wir an diesem Bau

Uns hier die Ewigkeit erbauen,

Damit wir aus dem Geistergau

Einst selig können niederschauen.

 

O Vaterland! Mein Vaterland!

Du heil'ges, das mir Gott gegeben!

Sei alles eitel, alles Tand,

Mein Name nichts und nichts mein Leben –

Du wirst Jahrtausende durchblühn

In deutschen Treuen, deutschen Ehren:

Wir Kurze müssen hinnenziehn,

Doch Liebe wird unsterblich währen.

Der Stein im Rhein

 

1838.

 

Hier ist die Stelle, hier liegt der Stein,

Hier nahm mein Liebstes hinweg der Rhein,

Der Freude, der Liebe goldensten Hort,

Hier flog die Lust des Lebens mir fort.

 

O kurze Zeit! Und o lange Zeit!

Wird die Vergangenheit Ewigkeit?

Wird Zukunft eine Ewigkeit lang,

Weil solchen Hort mir die Woge verschlang?

 

O Tag! – Ja klage nur – Tag, der war!

Einst mustert' ein Feldherr mir meine Schar –

»Stell' auf die Knaben! Alle herbei!

Daß ich sehe, welcher der reisigste sei.«

 

Sie standen, und ich sprach: »Euer Rhein

Muß ewig Deutschlands Herrlichkeit sein;

Ihr misset's, und euer frischestes Blut

Für solchen Preis sei es keinem zu gut.«

 

Da trat der kleinste wohl aus dem Chor,

Ein stolzer Freiwilliger, leuchtend hervor,

Schlug in des Feldherrn Ehrenhand

Den edlen Willen rasch ein als Pfand.

 

Er hat's gehalten, er ward der Hort,

Ihn trug sein Rhein sich als Opfer fort:

So hat er mir ohne Schlachten die Schlacht

Vor tausend Schlachten blutig gemacht.

 

Nun liege fest vor den Welschen, mein Stein!

Nun brause freudiger, freier, mein Rhein!

Meine Sehnsucht und Liebe, sie rauschen mit dir –

O rauschten deine Wellen auch über mir!

Grablied

 

1838.

 

Auf! Laßt uns fröhlich singen

Ein Lied von Tod und Grab!

Gar herrlich soll es klingen

Ins letzte Bett hinab:

Des Friedhofs stiller Hügel

Kein Leben deckt er zu,

Der Geist schwingt frohe Flügel

Und fliegt der Heimat zu.

 

Er sagt der grünen Erde

Die letzte gute Nacht,

Denn Arbeit, Not, Gefährde

Sie sind mit Gott vollbracht,

Die Freuden und die Mühen

Der armen Sterblichkeit –

Nun sieht er Kränze blühen

Im Lenz der Ewigkeit.

 

Nun sieht er hell im Lichte,

Was hier so dunkel war,

Des Herzens Traumgesichte,

Des Lebens Rätsel klar;

Nun kann er ganz verstehen,

Was Gott, was Christus ist:

Wie wohl ist ihm geschehen,

Daß er gestorben ist!

 

Drum wolln wir fröhlich singen

Ein Lied von Tod und Grab,

Ein Himmelslied soll klingen

Ins Erdenbett hinab!

Die Seele hat gewonnen

Das ew'ge Morgenrot

Und schaut aus heitern Wonnen

Hinab auf Grab und Tod.

Jesusgebet

 

1838.

 

Herr, du mein Licht, mein Heil, mein Leben,

Du süßer Heiland Jesus Christ!

Hilf, Herr! Hilf! Laß mich nicht entschweben

Von dir, wo Seelenfreude ist,

Wo Einfalt ist, wo Frieden ist,

Bei dir, bei dir, Herr Jesus Christ!

 

Hilf! Laß mich nicht im Schein verwildern

Der Welt, die tausendfarbig gleißt,

Die lockt, die Wesen durchzubildern,

Soweit das All die Bahnen kreist –

O gib mir deinen stillen Geist,

Des Namen Lieb' und Demut heißt!

 

O könnt' ich schaun aus deinem Bilde

Der Welten Ziel, der Menschen Sein

Mit voller Klarheit, voller Milde,

Dann wäre schon der Himmel mein,

Dann täuschte mich kein Schein vom Schein,

Das Licht der Lichter wäre mein.

 

O Licht der Lichter! Bild der Bilder!

Du Gottesglanz, du Liebesglanz!

Du Stiller, Treuer, Frommer, Milder,

Erleuchte mir die Seele ganz!

Dein Bild dies bilde ganz mir ein!

Und werde, bleibe ewig mein!

Meine Grablegung

 

1839.

 

»Wann ich gestorben, schlagt den schwarzen Mantel

Um meinen morschen Leib, wie er verschlissen.

Ihr wißt, warum: die Sünde, die Tarantel,

Hat mich in grüner Jugend scharf gebissen.

 

Drum mußt' ich taumelnd in dem tollen Tanze,

Der Leben heißt, durch böse Irren schweifen,

Am Becher wilder Lust, am bunten Kranze

Der Torheit wie an Blumen mich vergreifen.

 

Wie sollt' ich anders denn vor Gott erscheinen

Am Jüngsten Tag, als trauernd und zerrissen?

Ach! Mein Gefolg', mein Engel, der wird weinen

Und mein Vertrauter zagen, mein Gewissen.«

 

So sprach ich. Und mein Töchterlein, das feine,

Wischt' aus den Augen sich die hellen Zähren:

»O Vater, diese Farben sind nicht deine;

Wie kommst du auf die alten Heidenmären?

 

Ich weiß es besser, wie wir dann dich kleiden:

Dein Leichentuch muß grün sein, und ein rotes

Herz auf dein Herz genäht; denn diese beiden,

Das Grün und Rot, verkünden nichts Gedrohtes.

 

Die frohen Christenfarben sollst du nehmen

Mit grünem Christenglauben in die Erde.

Was spielst du so mit wüsten Heidenschemen,

Verzerrt durch Graun der düstern Nachtgebärde?«

 

So winkte mich das Kind zur Himmelspforte

Zurück, zurück zum Grün, zum grünen Hoffen,

Zurück zum Rot, zu dem, des Wunden offen

Geblutet an dem Kreuz, zum Liebeshorte.

 

Drum, wann ich sterbe, sollt ihr grün mich kleiden,

Ein rotes Herz mir nähn auf Herzensstelle:

Grün ist das Wort vom Christ und rot die Welle,

Die eine schwarze Welt gesühnt durch Leiden.

Gerechtigkeit Gottes

 

1839.

 

Du findest keinen festen Weg zum Glücke

Hier, wo das bleiche Mondlicht niederschauet;

Nur, wer sich gleich der Regenbogenbrücke

Aus leichten, bunten Steinen ihn erbauet,

Ist weise, wer wie Kinder fort sich spielet,

Auf keinen Fang wie auf Gewisses zielet.

 

Es war der Mann gekommen aus dem Lande,

Wo Honig Gift ist1, Dolch die Streite sühnet,

Er schlug die Welt durch Schwert und Trug in Bande,

Durch Großes zu dem Größten stolz erkühnet –

»Mir«, sprach er trotzig, »gab der Herr die Reiche,

Wer wider mich und Gott will, der erbleiche!«

 

So rief der Korse, doch es schmolz zusammen

Sein Stolz im Schnee und Eis der Moskowiten,

Aufschlugen da aus allen Herzen Flammen,

Und Zorn und Liebe trieben heiße Blüten,

Zu einem Strauß des schönsten Kampfs gebunden:

Des Bösen Zauber war wie Dunst verschwunden.

 

Verkrächzet war das Lied der Schicksalsraben,

Und es erklang das Siegeslied der Christen

Zum Gotteskampf vom Greise bis zum Knaben,

Gebunden ward der Fürst der Hinterlisten;

 

Er fiel, und zweimal heulte die Hyäne

Europas, deutsch gegeißelt, an der Seine.

 

Da, als die Völker wachten auf vom Staunen

Und ließen frisch dem heißen Mut den Willen,

Blies ich mein Pfeifchen auch mit Kriegsposaunen,

Der Freiheit lang erstickte Lust zu stillen –

Da winkten manche Fromme mir den Segen,

Ich führte Federn nur, die bessern Degen.

 

Bald klingt es Frieden, nach gewalt'gen Dingen

Ist's allen Herzen wieder stiller worden,

Man läßt zum Rhein zurück die Trommeln klingen,

Man läßt die Fahnen wieder wehn gen Norden,

Und jeder suchet froh das liebe Seine,

Ich suche, finde meines mir am Rheine.

 

Da träumt' ich Ruh' dem kurzen Rest der Tage,

Ach, Traum ist Menschenwünschen, Menschenmeinen!

Der droben alles wägt auf höchster Wage,

Vor dem erlischt der Schein von Erdenscheinen,

Er dräute Wetter meinem stillen Sitze

Und schoß durch meinen Himmel manche Blitze.

 

Und endlich ließ er mir von jenen Streichen

Aus hellen Wolken einen niederschmettern,

Von jenen, welche Locken plötzlich bleichen,

Das Leben flugs entblüten und entblättern,

Er schoß auf meinen schönsten, schnellsten Knaben,

Ihn hat der Rhein genommen und begraben.

 

Gerecht ist Gott und gut allein und weise,

Er misset jedem zu mit rechtem Maße:

Wer nur die Blumen sucht der Pilgerreise,

Den treibt er fort zur bösen Dornenstraße:

Verlieren wollt' ich mich auf Blumenwegen,

Da trat mit Schrecken mir der Herr entgegen.

 

Gerecht ist Gott und gut allein und weise –

O Mensch, bekenn' es unter bittern Tränen! –

Er rollt Geheimnis durch des Lebens Kreise,

Auf daß du lernest nach dem Licht dich sehnen,

Auf daß die liebe Not dich lehre beten,

Vom Erdenweg in Himmelswege treten.

Fußnoten

 

1 So beschrieben und empfanden die Römer selbst schon ihr Korsika.

 

 

Mein Vöglein

1839.

 

Goldschwingen trugst du – o wie goldne Schwingen! –

Mein Vöglein, das so frühe mir entflogen;

Drum hat von dir der Glanz sich weggezogen,

Drum muß ich fernhin lauschen ihrem Klingen;

 

Ach! fernhin, wo, in sel'gen Lichtes Wogen

Die Engel badend Heilig! Heilig! singen;

Ach! fernhin – Mag so hoch ein Schuß gelingen,

Den Schmerz und Sehnsucht tun vom Herzensbogen?

 

Meist kommt der Pfeil zurück, der nicht getroffen,

Daß Herz und Augen Tränen mir verdunkeln,

Daß mir die Ohren wie voll Glocken klingen.

 

O Himmel, wann stehn deine Pforten offen,

Daß meine Geister mir entgegenfunkeln,

Daß meine goldnen Vögel um mich singen?

Mein Blumenkönig

 

1839.

 

Von Blumen trug er beide Händchen voll,

Drum nannten wir ihn scherzend Blumenkönig,

Dann goß er vor uns aus den bunten Zoll

Und meint', er trüge immer noch zuwenig –

Ach! Unsern Liebling, unsern schönsten Knaben,

Wir mußten ihn im Blütenlenz begraben.

 

Glückselig er! Er hat der schlimmen Welt

Nur Spiel und Scherz und Blumen abgewonnen,

Nie hat sich ihm des Lebens Nichts erhellt,

Nie ist ein Zauber ihm in Trug zerronnen:

Reich flog er weg mit allen Blütenscheinen,

Wir schauten arm ihm nach und mußten weinen.

 

O Rosenkönig, süßes Sternenkind!

Wann neu die Nacht die goldnen Lampen zündet,

Wann Lust und Leid voll Sehnsucht still und lind

Lauscht, was die obre Welt geheim verkündet,

Dann scheinst auch du mit Millionen Lichtern

Und funkelst mit den Engelangesichtern.

 

O Rosenkönig, süßes Sternenkind!

Dann streust du bunte Himmelsblumen nieder,

Und wie an Tagen, die vergangen sind,

Erfreut uns jene Blumenwonne wieder:

Dann spielt es rings mit längst verschwundnen Scheinen,

Wir spielen mit, wir träumen mit und weinen.

Des alten Soldaten letzter Ausmarsch

 

1839.

 

Marsch! Was klingen die Trompeten?

Marsch! Klingt das nicht Totenmarsch?

Helles Blasen nicht und Flöten

Ernst und still, nicht wild und barsch?

Marsch! Es muß gewandert werden!

Nicht zu Tanz und Kriegesspiel,

Nein, der letzte Marsch auf Erden

Und der nächste Marsch zum Ziel.

 

Marsch! Zum Abzug wird geblasen,

Und des Lebens hast du satt;

Nimm das letzte Grün vom Rasen,

Nimm vom Baum das letzte Blatt,

Nimm vom Strauch die letzte Rose;

Denn es muß geschieden sein:

All vergriffen sind die Lose,

Keines steht für dich noch ein.

 

Sei's! Trompeten und Posaunen,

Schallt, und donnre, Paukenschlag!

Donnre Schrecken und Erstaunen!

Mir entbebt kein Weh noch Ach!

Und ich will es fröhlich sagen:

Ja, des Lebens hab' ich satt,

Falle still und ohne Klagen

Wie vom Baum ein welkes Blatt.

 

Denn ich bin Soldat gewesen,

Und in manchem heißen Strauß

Bliesen Kugeln auserlesen

Mir fast Licht und Atem aus,

Wilde Scharen aller Farben

Drangen stürmend auf mich ein,

Schrammen, Striemen, Wunden, Narben

Müssen des mir Zeugen sein.

 

Nicht auf weichen, seidnen Sitzen

Wiegte mich das Leben durch,

Scharf mit Donnerschlag und Blitzen

Traf's mich aus der Himmelsburg:

Denn wo gute Kämpfer standen,

Bot ich mich dem Schützen voll,

Und der Schütz hat wohl verstanden,

Wie ins Herz man treffen soll.

 

»Welcher Schütz? O welche Fabeln?

Wohin träumt der irre Greis?

Spielt in Bildern und Parabeln

Aus, wovon er selbst nicht weiß?«

Schweigt! Hier müßt ihr alle lallen,

Kinder, kind'sche Träumer sein,

Beten, knien, niederfallen

Vor des Schützen Blitzesschein.

 

Marsch! O Freudenmarsch! Und munter

Spielt mir auf zum letzten Gang!

Klingt mir fröhlich noch hinunter

In das stille Grab den Klang!

Kameraden, bald hienieder

Folgt ihr mir zu gleichem Ziel –

Doch getrost! Wir kämpfen wieder

Droben beßres Kriegesspiel.

Die Nachtrheinfahrt

 

1839.

 

Zwei schlug's nach Mitternacht, wohl sieben Meilen

Hatt' ich am heißen Sommertag vollendet,

Da sahen, wo die Sieg zum Rhein sich wendet,

Nur Mond und Sterne mich nach Mondorf eilen.

 

Es schliefen Mensch und Tier und Wald und Bäume,

Die Vöglein bargen unter stillen Flügeln

Die Schnäbel und die Stimmen, aus den Spiegeln

Des Tages spielten Bilderspiel die Träume.

 

Ich rief dem Fergen, doch mir scholl's entgegen:

»Er liegt am Ufer jenseits eingeschlafen,

Denn selten kommt zu unserm kleinen Hafen

Ein Wandrer hin auf mitternächt'gen Wegen.

 

Doch steht ein Eichstock an der Sieg Gestade,

Und macht das schmale Fahrzeug Euch kein Grauen,

So mögt Ihr meiner Armeskraft vertrauen,

Ich rudr' Euch mutig durch die Wellenpfade.«

 

»Geh! Hol'!« – Er ging. Doch unterdes erblaßten

Mond und Gestirne, schwarze Wolken zogen

Gewitternacht zusammen, Blitze flogen,

Die sich vom Ost zum West umarmend faßten.

 

Der Eichstock kam. Sein blitzerhellter Treiber

Erschien mir nun, ein Mann gewalt'ger Knochen,

Schwarz, düster, gleich dem Fährmann viel besprochen,

Der weiland Geister führte dünnster Leiber.

 

Frisch sprang ich doch in diesen Charonsnachen,

Doch kaum das Viertel meines Wegs gefahren,

Erpfiff ein Lispelwind, er pfiff Gefahren,

Die bald als Sturm und Donner sollten krachen.

 

Schon bebet die Natur, die Vögel sausen

Durch wilde Luft, mit Bellen, Heulen, Stöhnen

Erwacht die Kreatur in Klagetönen,

Die kurz verhallend durcheinander brausen.

 

Der Ruf der Wächter, die die Nacht durchschreiten,

Schreit in geschwinder Angst aus dumpfem Horne,

Als bliesen sie ein Lied von Gottes Zorne,

Den Jüngsten Tag, den Untergang der Zeiten.

 

Und krach, schlägt's ein vor uns, die Wellen spritzen,

Der Nachen bäumt sich, wie zum letzten Sprunge

Ein fallend Roß, und aus dem Ruderschwunge

Entstürzen beide wir zugleich den Sitzen.

 

Ein Ruder brach, ein Vogel ohne Flügel

Fliegt nun das Schifflein fort. »Gott sei uns gnädig!«

So rufen wir kleinmütig und kleinredig:

»Der Wogenturm wird uns zum Grabeshügel.«

 

Doch Wunder! Wie wir kaum das Wort gesprochen,

Verstummt der Donner, und die Winde lispeln

Sich sanft zum Säuseln ab, zum Zephirwispeln,

Das Morgenrot erglänzt, aus Nacht gebrochen.

 

Wohin wir wollten, muß die Flut uns bringen;

Wir, die noch eben Tod in Tiefen sahen,

Schon können wir des Ufers Weiden fahen

Und bei Graurheindorf froh ans Ufer springen.

 

Die Lerche klingt, es klingt der Mensch den Morgen,

Wach' auf, mein Herz, und singe! hör' ich klingen

Aus kleinem Häuschen, mußte mit es singen,

Bald lag ich in der Meinen Arm geborgen.

Ermunterung

 

1840.

 

Was willst du dich betrüben?

Der alte Gott lebt noch,

Nicht hüben und nicht drüben,

Nicht ferne und nicht hoch:

Sein Sein ist allenthalben,

Sein Lieben klingt durchs All

In höchster Engel Psalmen,

In kleinster Vöglein Schall.

 

Er weiß um deine Schmerzen,

Er weiß um deine Lust,

Und willst du ihn von Herzen,

Gleich hat ihn deine Brust,

Gleich fällt wie Frühlingsregen

Bei warmem Sonnenschein

Sein süßer Gnadensegen

Dir voll ins Herz hinein.

 

Auf! Wirf dein schlechtes Grämen,

Dein eitles Sorgen weg!

Verscheuche alle Schemen,

Die irren deinen Weg!

Du sollst im Lichte schreiten,

Und der dich frei gemacht,

Das große Licht der Zeiten,

Schloß ewig deine Nacht.

 

Mag alles sinken, wanken,

Dies eine bleibet fest,

Gedanke der Gedanken,

Der nimmer sinken läßt:

Das große Licht der Zeiten,

Dein Heiland Jesus Christ,

Wird Strahlen um dich spreiten,

Wo alles finster ist.

 

Dies wage fest zu fassen,

Dies halte treu und fest,

Den schwöre nie zu lassen,

Der nimmer dich verläßt:

Der dich mit seinem Blute

Erlöst aus Nacht und Wahn,

Will, daß mit hellem Mute

Du wandelst deine Bahn.

Sankt Florentius' Mantel

 

1840.

 

Sankt Florentius, der fromme Bischof,

Ritt gen Straßburg zu dem hohen Schlosse,

König Dagobert sich zu verneigen.

In das Vorgemach hinaufgestiegen,

Dessen Doppeltüre führt zum Saale,

Wo der König thront vor seinen Mannen,

Späht er für den regenschweren Mantel

Rings nach einem Stuhl, nach einem Nagel,

Ja, nach einem Häkchen nur am Fenster,

Seine nasse Bürde dran zu hängen.

Ach! Vergebens: glatt sind alle Wände,

Bänke, Stühle gar nicht im Gemache.

Sieh! Da schießet durch die Fensteröffnung

Hell ein Sonnenstrahl gleich einer Lanze,

Etwas drauf zu hängen – und Florentius:

»Will es Gott, so trägt er«, und den Mantel

Wirft er auf den Strahl. Da geht die Tür auf,

Und der Bischof kniet vor dem König.

Und o Wunder! Als er bald zurückkommt,

Stehet noch die Sonnenstrahlenlanze

Und der Mantel drauf in Lüften hangend.

Und anbetend steigt der fromme Bischof

Schweigend nieder aus des Schlosses Hallen.

 

Dies das Märchen von Florentius' Mantel,

Von dem Strahle, der als Stange diente.

Doch was soll uns dieses Kindermärchen?

Ist's ein Nagel, Wahrheit dran zu hängen?

Ja, ein Nagel ist's, ein helles Gleichnis

Von dem Sonnenstrahl der Gnade Gottes.

Ach! Die hat auf Erden keinen Nagel,

Unbequemes daran wegzuhängen;

Ach! Die hat auf Erden keine Balken,

Lasten, welche drücken, draufzulegen.

Aber wo ein Fünkchen von ihr schimmert,

Wo ein dünnstes Streifchen ihres Lichtes

Von dem Himmel zu der Erde schießet,

Fasse, halte dran, als wären's Lanzen,

Lanzen Gottes, dich und deine Lasten,

Dich und deiner Sünden schweren, schwarzen

Mantel froh vertrauend dranzuhängen –

Und dein Gott wird mächtig sein wie weiland,

Und dein Glaube fröhlich oben schweben.

Das Lied vom Rhein an Niklas Becker

 

1840.

 

Es klang ein Lied vom Rhein,

Ein Lied aus deutschem Munde,

Und schnell wie Blitzesschein

Durchflog's die weite Runde,

Und heiß wie Blitzesschein

Durchzuckt es jede Brust

Mit alter Wehen Pein,

Mit junger Freuden Lust.

 

Sein heller Widerklang

Vom Süden fort zum Norden

Ist gleich wie Wehrgesang

Des Vaterlands geworden.

Nun brause fröhlich, Rhein:

Nie soll ob meinem Hort

Ein Welscher Wächter sein!

Das brause fort und fort.

 

Und stärkrer Widerklang

Gleich Pauken und Posaunen,

Gleich kühnem Schlachtgesang

Klingt Welschland durch mit Staunen –

Es klinget: Neue Zeit

Und neues Volk ist da;

Komm, Hoffart, willst du Streit!

Germania ist da.

 

Drum klinge, Lied vom Rhein!

Drum klinget, deutsche Herzen!

Neu, jung will alles sein –

Fort, fort die alten Schmerzen,

Der alten Wahne Tand!

Alleinig stehn wir da

Fürs ganze Vaterland,

Jung steht Germania.

Dem bleibenden Ausschutz des Düsseldorfer Karnevalvereins nach Übersendung seines Patents

 

1841.

 

Wollt auch Ihr mich wieder locken

Zu der Torheit buntem Reigen

Auf des Scherzes leichten Socken!

Ach! die Flöten und die Geigen

Mögen wunderlustig klingen,

Doch den Mut entflohner Jahre

Können sie nicht wiederbringen,

Noch die Kränze dichter Haare.

 

Denn den Reigen durchzutanzen

Mit der Freude Vagabunden,

Denn die Spiele durchzuschanzen

Hintermitternächt'ger Stunden

Mag der Siebziger nicht wagen;

Doch er klatscht mit frohen Händen

Euren jubelvollen Tagen,

Die nach Mitternächten enden;

 

Doch er hat im langen Leben

Einen frommen Spruch erworben,

Den er kann als Lehre geben:

Froh gelebt heißt froh gestorben.

Glücklich, welche fröhlich spielen!

Selig, welche mächtig hoffen!

Denn nach vielem muß man zielen,

Weil so wenig wird getroffen.

Geistesmahnung

 

1841.

 

Soll die Erde dich besiegen,

Ihre kalte, feige Macht?

Willst du dich mit Sklaven schmiegen

Wie in dumpfer Kerkersnacht?

Willst du gleich den Feigen sorgen

Um ein Ding, das nimmer dein?

Armer Geist! Dann bringt kein Morgen

Deinem Dunkel Sonnenschein.

 

Hast du Federn doch und Schwingen,

Edler Geist, so schwinge dich!

Laß sie rauschen, laß sie klingen!

Und die Nebel senken sich,

Wann du deine Höh' erflogen,

Und die dumpfe Nacht wird licht,

Und der Wahn, der dich belogen,

Weicht der Freude Sonnenlicht.

 

Freude! Freude! Welche Flügel!

Mut! O welches Schlachtenroß!

Diese reißen alle Zügel,

Diese sprengen jedes Schloß,

Diese brechen alle Riegel

Feiger Sorge, eitler List,

Diese, Unterpfand und Siegel,

Daß du Sohn des Himmels bist.

 

Sohn des Himmels, Kind der Sterne!

Dort dein Heim, dein Sitz, dein Reich –

Tiefe, Höhe, Nähe, Ferne,

Erd' und Himmel alles gleich –

Wo die Flügel immer schweben,

Liegt dein Reich. Auf, nimm es ein!

Nimm dein Reich ein, nimm dein Leben,

Nimm dich selbst! – Die Welt ist dein.

Frühling im Alter

 

1841.

 

Singen die Vöglein im grünen Wald,

Klingen die Bächlein bergunter,

Lockt es den Alten mit Lustgewalt,

Klopfet das Herz ihm so munter:

Denket der Wonnen verschienener Lenze,

Denket der Kränze und denket der Tänze,

Fallen auch Tränen herunter.

 

Singet und klinget! das Heute ist mein,

Heut will ich singen und klingen

Lustig mit spielenden Kindern feldein,

Fröhlich mit fröhlichen Dingen,

Will mir bekränzen die Locken, die greisen:

Bald muß ich hinnen und wandern und reisen,

Wo mir die Vögel nicht singen.

Allein

 

1841.

 

Ich bin allein, in weiter Welt allein,

All meine Sterne schlossen ihren Himmel,

Im dichten Menschenstrudel ganz allein,

Allein im bunten, wilden Erdgewimmel –

Allein? Wie furchtbar tönst du, Schreckenswort!

Zum Ozean des Nichts wie treibst du fort!

 

Allein! So schloß sich schwarz der Himmel zu,

Der meine jungen Tage einst umglänzte?

So flüchtig, süße Freude, warest du,

Die meinen Frühling einst mit Rosen kränzte?

Allein? Allein? O gräßlich düstres Wort!

Einsam der Mensch und ohne Heim und Ort?

 

Einsam der Mensch? Du faselst, dunkler Tor –

Lockt nicht die Sonne mit den alten Strahlen?

Lockt nicht die Wiese mit dem Blumenflor,

Ein zweites Eden vor dir hinzumalen?

Spricht Gott nicht in dem Stein und Gras und Strauch,

Im Sternenschimmer und im Blütenhauch?

 

Spricht Gott in dir nicht? Ja, wenn Kerkernacht

Im Moder fern von Sonn' und Mond dich hielte,

Und wenn des Satans schärfste Höllenmacht

Mit allen Zweifelsschüssen auf dich zielte,

Wo Gott und Liebe spricht, wie könnt' es sein?

Mit Gott und Liebe bleibt kein Mensch allein.

 

Mit Gott und Liebe – o das Freudenwort!

Gleich fliegen her die Myriaden Geister

Und jagen alle düstern Spuke fort

Und werden aller bösen Träume Meister,

Und fröhlich tagt's wie junger Morgenschein:

Mit Gott und Liebe bleibt kein Mensch allein.

 

O Gott und Liebe! O du Liebesheld!

Du Stiller alles Jammers, aller Klagen!

Du Helfer und Befreier aller Welt,

Der auch für mich den Dornenkranz getragen –

Bescheinst du mich, du höchster Liebesschein,

Ist alle Erde, aller Himmel mein.

Deutsches Kriegslied1

 

1841.

 

Fürs Vaterland, fürs Vaterland

All-Deutschland frisch und fröhlich auf!

Vom Ostseestrand, vom Nordseestrand,

Aus Berg und Tal All-Deutschland auf!

Auf! Auf! Was kann die Stange tragen,

Und was von deutschen Ehren weiß!

Und was ein deutsches Herz fühlt schlagen,

Dem glüh' das Herz heut doppelt heiß!

 

Fürs Vaterland, fürs Vaterland!

All-Deutschland frisch und fröhlich auf!

Auf gegen welschen Lügentand

Mit Sturmesschritt im Sprung und Lauf!

Ha! Hört ihr frech die Welschen tönen?

»Für uns das Land, für uns der Rhein!

Der Sieg ist Galliens tapfern Söhnen,

Drum, stiller Deutscher, gib dich drein!«

 

Fürs Vaterland! Fürs Vaterland!

Horch', Welschland! Hör' ein Gegenlied:

Ein Volk, ein Heer, ein Herz und Hand,

Was gegen euch den Degen zieht –

Sind all zu Schild und Helm geboren,

Das freie, tapfre Teutsgeschlecht,

Zu edlem Tode aufgeschworen,

Zum Kampf für Freiheit, Licht und Recht.

 

Fürs Vaterland! Fürs Vaterland!

Drum alle frisch und fröhlich drein!

Auf welschen Trotz ins welsche Land!

Für unsern Rhein frisch übern Rhein!

Mit Gott dem Herrn, dem Gott der Freien,

Drum alle frisch und fröhlich drein!

Und was die Prahler dräun und schreien,

Es muß durch Gott zerstoben sein.

Fußnoten

 

1 In den Jahren 1840 und 1841 begann es hin und wieder mit neuem Übermut von der Seine her zu klingen.

 

 

Als Thiers die Welschen aufgerührt hatte

Herbstmond 1841.

 

Und brauset der Sturmwind des Krieges heran,

Und wollen die Welschen ihn haben,

So sammle, mein Deutschland, dich stark wie ein Mann

Und bringe die blutigen Gaben,

Und bringe das Schrecken und trage das Grauen

Von all deinen Bergen, aus all deinen Gauen,

Und klinge die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!

All-Deutschland in Frankreich hinein!

 

Sie wollen's; so reiße denn, deutsche Geduld,

Reiß durch von dem Belt bis zum Rheine!

Wir fordern die lange gestundete Schuld –

Auf! Welsche, und rühret die Beine!

Wir wollen im Spiele der Schwerter und Lanzen

Den wilden, den blutigen Tanz mit euch tanzen,

Wir klingen die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!

All-Deutschland in Frankreich hinein!

 

Mein einiges Deutschland, mein kühnes, heran!

Wir wollen ein Liedlein euch singen

Von dem, was die schleichende List euch gewann,

Von Straßburg und Metz und Lothringen:

Zurück sollt ihr zahlen, heraus sollt ihr geben!

So stehe der Kampf uns auf Tod und auf Leben!

So klinge die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!

All-Deutschland in Frankreich hinein!

 

Mein einiges Deutschland, mein freies, heran!

Sie wollen, sie sollen es haben.

Auf! Sammle und rüste dich stark wie ein Mann

Und bringe die blutigen Gaben!

Du, das sie nun nimmer mit Listen zersplittern,

Erbrause wie Windsbraut aus schwarzen Gewittern!

So klinge die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!

All-Deutschland in Frankreich hinein!

Grabesgrün

 

1842.

 

Die Helden schlafen – all ihr Schall und Schein

Wie stumm und dunkel unterm Leichenstein!

Wie schließt das Grab – sie nennen's sanfte Ruh' –

Für alle gleich so Klang als Wonne zu!

 

Die Helden schlafen – rostend hangt ihr Schwert

Mit Schild und Helm und Fahnen ehrenwert,

Frisch wirkt die Motte drein und webt der Wurm,

Kalt braust vorbei des Tages wilder Sturm.

 

O Zeit, du graue Totengräberin,

Ob allem Leid und Weh Hinschweberin,

O Zeit, nur du allein hast nimmer Zeit,

Hinfliegen heißet dir Unsterblichkeit.

 

Unsterblichkeit? Wohl mir! Ich sehe grün

Aus deinem Grau das Leben wieder blühn,

Im Zeugen und Gebären ewig jung

Schwingst du der Welt geheimnisvollen Schwung.

 

Unsterblichkeit? Wohl mir! Drum Heldenmacht

Erbebe nicht dem Schlaf der langen Nacht!

Verklinget, Namen und Gedächtnis, gar!

Nichts stirbt, was wirklich gut und göttlich war.

 

Frisch kämpft die Tat, hell klingt das mächt'ge Wort

Gleich Blitz und Licht allgegenwärtig fort,

Geburt und Tod im steten Wechsellauf,

Hier schläft's, und dort wacht's lustig wieder auf.

 

So kreiset denn, Jahrtausend', euren Tanz,

So greife, Geist, den höchsten Wonneglanz,

Zerschlage das Sekundenglas der Zeit

Und greife und begreife Ewigkeit.

An die deutschen Fürsten

 

1842.

 

Ihr schaut den deutschen Michel1 an?

Er trägt nicht mehr den Stamm der Tannen,

Doch ist er noch der wilde Mann,

Der nicht viel dannen fragt noch wannen,

Das Riesenkind im alten Traum,

Vor dessen Faust die Welt muß strauchen;

Und nimmt er sich den Weberbaum,

Er weiß wie weiland ihn zu brauchen.

 

Ihr schaut den deutschen Michel an?

O meinet nicht mit ihm zu scherzen!

Er ist noch heut der wilde Mann,

Der viel im Arm hat, mehr im Herzen.

 

Traut nicht zuviel auf seinen Traum,

Er träumet hart am Morgentore,

Ein solcher Traum wird nimmer Schaum,

Er hat die volle Lichtaurore.

 

Ja, schaut euch nur den Michel an,

Er reibt die Augen zum Erwachen,

Ihm träumte, wie er ein Gespann

Von einem Riesen schlug und Drachen –

O schaut, wie ihm des Schlafes Sand

Vom lichtbestrahlten Auge fließet,

Wie er halb träumend mit der Hand

Wie durch die Lüfte Speere schießet.

 

Ja, schaut euch nur den Michel an,

Die Faust, das Herz, das Speereschießen,

Der schwere Schlaf gottlob! wird dann

Auch euch wie ihm im Licht zerfließen –

Kommt, schaut den Traum, des Träumers Spiel,

Und traut nicht, daß er nur will spielen:

Weil er mit Geistern spielt zum Ziel,

So wird er desto schärfer zielen.

 

Ja, schaut euch nur den Michel an

Und lernt im Michel euch erkennen,

Lernt mit dem deutschen, starken Mann

Wie weiland für die Freiheit brennen,

Für deutsche Ehre, deutsches Recht,

Für deutsche Wahrheit, deutsche Freude –

Lernt das, dann weidet eu'r Geschlecht

Auch künftig mit auf deutscher Weide.

 

Ja, schaut den deutschen Michel an,

Was soll ich Fürsten Wahrheit fälschen?

Zieht an den vollen deutschen Mann,

Werft weg den bunten Rock der Welschen,

Werft weg den welschen Lügenschein,

All eure welschen Feinereien –

Dann tritt der deutsche Held herein,

Der erste Freie unter Freien.

 

Ja, schaut den deutschen Michel an –

O wärt ihr ganz aus seinem Holze!

Gleich stünde da der ganze Mann,

Der Stille, Tapfre, Freie, Stolze,

Der winkte durch die Welt hinaus:

»Still, Moskowiter! Still, Franzose!

Wir stehen fertig jedem Strauß

Und schütteln kühn die roten Lose.«

 

Ja, schaut den deutschen Michel an –

Das Riesenkind mit Geisterträumen –

Nicht wird die Brandung, die begann,

Im dünnen Wellenspiel verschäumen –

Mit ihm mit hellem Mut hinein,

Wie wild auch Sturm und Woge treiben!

So werdet ihr die ersten sein,

Und Michel wird der zweite bleiben.

Fußnoten

 

1 Es geht dem Michel und der Michelei wie andern sprichwörtlich gewordenen Wörtern und Namen, z.B. dem berühmten Johann Balhorn. Schwer wird nachzuweisen sein, wo und woher dieser Michel zuerst in Brauch und Schwung gekommen ist. Es sind, die ihn von dem tapfern Ritter Michel Obentraut ableiten, einem rechten deutschen Michel, einem durch seine Biederkeit und Tapferkeit berühmten Feldherrn, von welchem man ein letztes schönes Michelsches Todeswort hat. Als nämlich sein alter Kriegsgesell Tilly dem auf dem Felde von Königslutter Todwunden und Gefangenen das Blut hemmen wollte, sagte er lächelnd zu ihm: »Laß laufen, Herr Bruder, auf solchem Felde pflückt man solche Rosen!« Gewiß, das waren echte Michelsworte; aber der Grund des Wortes liegt ferner und tiefer. Kommt er vom Erzengel Michel (Gott meine Stärke) oder von dem angelsächsischen Mickel, nordischen Mickil, die Bedeutung bleibt dieselbe, der Starke, der Gewaltige, wohinein jeder sich beliebig seinen Teil deutscher Derbheit und Plumpheit, auch wohl Dummheit legt./

 

 

Heimweh nach Rügen

 

1842.

 

O Land der dunklen Haine,

O Glanz der blauen See,

O Eiland, das ich meine,

Wie tut's nach dir mir weh!

Nach Fluchten und nach Zügen

Weit über Land und Meer,

Mein trautes Ländchen Rügen,

Wie mahnst du mich so sehr!

 

O wie, mit goldnen Säumen

Die Flügel rings umwebt,

Mit Märchen und mit Träumen

Erinnrung zu mir schwebt!

Sie hebt von grauen Jahren

Den dunkeln Schleier auf,

Von Wiegen und von Bahren,

Und Tränen fallen drauf.

 

O Eiland grüner Küsten!

O bunter Himmelschein!

Wie schlief an deinen Brüsten

Der Knabe selig ein!

Die Wiegenlieder sangen

Die Wellen aus der See,

Und Engelharfen klangen

Hernieder aus der Höh'.

 

Und deine Heldenmäler

Mit moosgewobnem Kleid,

Was künden sie, Erzähler

Aus tapfrer Väter Zeit,

Von edler Tode Ehren

Auf flücht'gem Segelroß,

Von Schwertern und von Speeren

Und Schildesklang und -stoß?

 

So locken deine Minnen

Mit längst verklungnem Glück

Den grauen Träumer hinnen

In alter Lust zurück.

O heißes Herzenssehnen!

O goldner Tage Schein

Von Liebe reich und Tränen!

Schon liegt mein Grab am Rhein.

 

Fern, fern vom Heimatlande

Liegt Haus und Grab am Rhein.

Nie werd' an deinem Strande

Ich wieder Pilger sein.

Drum grüß' ich aus der Ferne

Dich, Eiland lieb und grün:

Sollst unterm besten Sterne

Des Himmels ewig blühn!

Lust des freien Geistes

 

1842.

 

Horch'! Der Himmel klingt von Geigen,

Und du fragst: »Wer führt den Reigen?«

Antwort tönt: »Der freie Geist,

Er, der Einzighochgeborne,

Er, der Leuchtendgotterkorne,

Der die Sonnen tanzen heißt.«

 

Ha! Wie schlingen sich die Pfade!

Ha! Wie brausen die Gestade

In dem Weltenozean!

Dieser wirbelnde Mäander,

Dieses wirre Durcheinander

Seinen Saiten untertan.

 

Auf denn, Herz, zu seiner Wonne!

Tanze du, auch eine Sonne,

Mutig mit den Sternentanz!

Millionen sind die Flieger,

Nur der Schnellste bleibt der Sieger,

Nur der Kühnste greift den Kranz.

Frühlingslied an die Frömmler

 

1843.

 

Schmält mir nicht die alten Heiden,

Denn ein Heide bin ich auch,

Wann ich's Blümlein schau' der Heiden,

Wann ich's Vöglein hör' im Strauch.

 

Weg mit euren dunklen Listen!

Weg mit eurer trüben Kunst!

Denn dem freien, frohen Christen

Werden solche Schmerzen Dunst.

 

Ihr, die uns das Licht verdüstert,

Schreckt die Freude blaß und bleich,

Wißt, was unter Rosen flüstert',

Hat auch Weg zum Himmelreich.

 

Blumen gab der Herr der Imme,

Liebesklang der Nachtigall

Und dem Menschen eine Stimme

Tiefer Brust für Freudenschall.

 

Bleibe Gott und Gottes Ehre

In der ewigen Natur!

Sophoklesse und Homere

Sangen seines Geistes nur.

 

Schmält mir Goethen nicht und Schiller,

Ihr, des engen Eifers heiß,

Alle eure Jammertriller

Geb' ich gern für solche preis.

 

Denn mein Heiland und Befreier

Fuhr herab ins Sündenland,

Der die höchste Sternenleier

Hat für Lust und Leid gespannt.

 

Der mit ersten Morgenröten

Sang der Welten Urgesang,

Gönnet auch den Erdenflöten

Ihren kurzen Freudenklang.

 

Denn besiegt hat er die Lüste

Und den Lüstensatan nur,

Damit jeder fröhlich wüßte,

Gottes Klänge klingt Natur;

 

Denn gebracht hat hellre Lichter

Darum er dem Erdengraun,

Daß die Menschenangesichter

Heller sollten um sich schaun.

 

Ha! Die Frühlingsbäume stäuben

Duft'gen Blütenschnee umher,

Mich beleben, mich beleiben

Will ich voll im Wonnemeer.

 

Alles Heitre blüh' und Schöne!

Spiele, süßer Sonnenstrahl!

Vöglein, singe deine Töne!

Bächlein, klinge hell zu Tal!

Danklied

 

1843.

 

Frischauf, mein Herz, und werde Klang!

Und, Seele, werde Lied!

Und, Freude, töne Lobgesang,

Der mir im Busen glüht!

Denn er, der alle Himmel rollt

Und zählt das Sternenheer,

Denn Gott, der Vater fromm und hold,

Verläßt mich nimmermehr.

 

Ich lag, umhüllt mit Finsternis,

Die aus der Hölle kam,

Und durch die tiefste Seele riß

Mit Tigerklaun der Gram,

Gebrochen war mir alle Kraft,

Erloschen aller Mut,

Da rief ich dem, der alles schafft:

Mach's, Vater, mach' es gut!

 

Und plötzlich ward die Nacht zu Licht,

Zur Wonne ward das Leid,

Und wieder schaut' ich aufgericht't

Des Lebens Herrlichkeit,

Den blauen, lichten Sternenraum,

Der Erde Blumenfeld –

Da war mein Jammer nur ein Traum,

Die Welt die beste Welt.

 

Drum dank' ich dem, der Wunder tut

Und Güte für und für,

Es rieselt jeder Tropfen Blut

Den Lobgesang in mir,

Es wird ein jeder Blick ein Strahl,

Der auf gen Himmel dringt,

Und tausend, tausend, tausend Mal

Das Heilig! Heilig! klingt.

 

Denn wie die Kindlein in dem Schoß

Die treue Mutter hegt,

Läßt seine Treue nimmer los,

Die alles selig trägt,

Und seine Liebe lockt so süß,

Was Liebe mag verstehn,

Daß wir zu ihm ins Paradies

Der Lust und Unschuld gehn.

Letzter Zug an Gott

 

1844.

 

Komm, Gott, komm, Gott vom Himmel

Und sieh in Gnaden drein,

Durchleuchte das Gewimmel

Der Nacht mit Sonnenschein,

Entwirre die Verwirrung,

Die ohne Licht und Rat

Stets tiefer in Verirrung

Verfahren hat den Pfad.

 

Komm, Gott, komm, Gott der Gnaden!

Und hilft nicht Sonnenschein,

So komm mit Blitz geladen

Und blitz' und donnre drein,

Daß wieder innewerden

Erbebend Herr und Knecht,

Daß Gott regiert auf Erden

Und pflegt das höchste Recht.

 

Es war der Tag gekommen,

Der Tag der bittern Schmach,

Der Tapfern, Weisen, Frommen

Das deutsche Herz zerbrach,

Es lag von düstern Schanden

Befleckt das Vaterland

In Ketten und in Banden

Durch welschen Trug und Tand:

 

Gefesselt in Verstrickung

Der freie deutsche Mann –

Da wehte mit Erquickung

Der Geist von dir ihn an,

Da schlug dein hehres Mahnen

Wie Blitz ihm durch die Brust,

Glück brausten seine Fahnen,

Sein Atem Siegeslust.

 

Ach! Von den schönen Tagen,

Von jener Wonnezeit

Tönt's heut nur wie von Sagen

Aus längst verklungner Zeit,

Verworren und beklommen

Weiß keiner kaum, wohin,

Den Weisen selbst und Frommen

Steht still der kluge Sinn.

 

Denn ach, die einen rufen:

Nichts, nichts als Frei und Gleich,

Die andern aber fluchen:

Sie wollen uns ans Reich,

Und böser Geister Schwirrung

Umschwirrt dies Nachtgeheul –

Verwirrung auf Verwirrung,

Stets dichter wird der Knäul.

 

So wirrt sich's durcheinander,

So tobt und schreit es laut –

Wo ist der Alexander,

Der diesen Zank durchhaut?

Wo lebt der hohe Meister,

Wo dräut der mächt'ge Bann,

Der diesen Krieg der Geister

Zum Frieden zwingen kann?

 

Das bist du, Gott der Gnaden,

Du einzig gleich und frei,

Komm von den Sonnenpfaden,

Komm, still' uns dies Geschrei,

Laß hell den Degen klirren

Von deiner Sternenburg,

Hau' von den wüsten Wirren

Den ganzen Jammer durch.

Mut des Verderbens

 

4. März 1844.

 

Und hätt' ich zehntausend Köpfe

Und trüge keinen zu Haus,

Die feigen Schurken und Tröpfe,

Sie machen mir's zu kraus.

 

Und trüg' ich zehntausend Kronen,

Ich würfe sie alle fort,

Vor allen Höhen und Thronen

Steht höchst das hohe Wort:

 

Das heilige Lutherzeichen,

Das schuf und trägt die Welt,

Den Listen und Griffen der Bleichen

Und Feigen zu hoch gestellt.

 

Ja presset mit eurer Presse,

Setzt, presset, drucket allein –

Ich kenn' eine feurige Esse,

Die schmiedet und gießt auch fein.

 

Da sitzt der Meister der Meister,

Da schmiedet er fort und fort,

Und seine Gesellen, die Geister,

Die blasen und schaffen am Wort.

 

Die schmieden und gießen die Lettern

Und streun sie lustig umher

Und sammeln zu Donnerwettern

Ihr leichtgeflügeltes Heer.

 

Doch weit über Hören und Sehen

Glänzt Narren die blitzende Schrift;

Drum donnert, ihr Mächte der Höhen,

Und schleudert Blitz, welcher trifft!

 

Und sammelt ihr auch die Lettern

Zu einem Vernichtungsspruch,

Und muß ich mit in den Wettern,

Ich lebte und liebte genug.

Das Finkenlied

 

5. Januar 1845.

 

Wir singen ein trauriges Finkenlied:

Der edle, freie Fink ist tot,

Ihn weckt zu frohem Lustgesang

Nie mehr ein irdisch Morgenrot,

Er hat ein beßres Land erflogen,

Er schwimmt auf hellern Himmelswogen –

Doch ach, für uns der Fink ist tot.

 

Wir singen ein fröhliches Finkenlied,

Ein Lied aus voller, deutscher Brust,

Und wenn wir auch in Trauern gehn,

Solche Trauer hat in Tränen Lust:

Um Tapfre sind so süß die Schmerzen,

Sie heben himmelan die Herzen,

Des Himmelfluges sich bewußt.

 

Wir singen ein fröhliches Finkenlied –

Wie fröhlich war des Finken Sang,

Wenn er den Dreiklang hellsten Tons

Recht, Vaterland und Freiheit klang!

Den Schlag in guten und bösen Tagen,

Den mußt er immer mutig schlagen,

Der war des deutschen Finken Klang.

 

Den klang er, als vom welschen Gei'r

Der deutsche Hain war stumm gemacht,

Den klang er frisch durch Berg und Tal;

Drob hieb der Gei'r ihm Bann und Acht

Und rief: Wir wolln den deutschen Schnäbeln

Die unverschämten Kehlen knebeln,

Schweigt, Freche! Bebet unsrer Macht!

 

So meint' und dräute welsche Wut,

Doch Gott im Himmel meint' es nicht,

Er schlug mit schärfsten Blitzen drein,

Da ward's in deutschen Hainen licht,

Da blühte deutscher Frühling wieder,

Da klangen wieder deutsche Lieder,

Und fremde Schnäbel krächzten nicht.

 

Und o, der Adler an der Spree,

Da, wo er thront in höchster Horst,

Vernahm des tapfern Finken Schlag

Und sprach: »Der hüte mir die Forst!

Der tut mit unverzagtem Singen

Den wunderschönen Dreiklang klingen,

Der hüte mir die Westenforst!«

 

Und siehe, auf des Aars Gebot

Froh fliegt der treue Finke hin,

Mit Morgenrot die Brust gefüllt,

Gesanges, Sieges freudig hin,

Damit das Land der Roten Erde

Der jungen Wonne selig werde,

Zur Westenforst, da fliegt er hin.

 

Dort hat sein Dreiklang frisch und frei

Geklungen mehr als dreißig Jahr

In Feld und Berg und Tal voran –

So wollt's der königliche Aar.

Und wollten Uhu, Kauz und Eulen

Das Lied der Finsternis sich heulen,

Er hielt den Ton der Kehlen klar.

 

So klang sein freies Lied voran

Mit vollem, hellem, deutschem Klang,

Daß es die düstre Vogelschar

Zum Fliehen oder Schweigen zwang.

Doch Amseln, Lerchen, Nachtigallen,

Die hört man doppelt lustig schallen,

Wann allen vor der Finke sang.

 

Drum singen wir fröhlich das Finkenlied –

O gebe Gott dem deutschen Wald

Stets solches Dreiklangs Freudenschall!

So bleibt das Glück uns wohlgestalt.

Recht, Vaterland und Freiheit klingen

Bleibt bestes Ding von guten Dingen,

Wann's mächtig durch die Seelen schallt.

Der Schwan von Pulitz

 

An Charlotte von Kathen in Putbus.

 

1846.

 

Schneeweißer Schwan, wo fliegst, wo klingst du her?

Wo kommst du Frühlingsklinger hergeflogen?

Aus meiner grünen Insel stillem Meer?

Aus Pulitz' sturmgeschirmten Wogen?

Flogst du aus seinen stillen Buchten her?

Und trägst im goldnen Schnabel goldne Mär?

 

Hast du die kleinern Inseln auch besehn?

Die steile Oi, vom Vilm die stolzen Buchen?

Den Rugard, Putbus' waldbekränzte Höhn,

Wo Reiz und Schönheit Aug' und Herz versuchen?

O klinge mir den süßen Heimatklang!

Mein greises Haupt, es neigt zum Schwanensang.

 

»Zum Schwanensang? Für diesen kam ich nicht,

Für diesen regt' ich nicht zum Rhein die Flügel,

Für diesen flog ich schnell wie Lieb' und Licht

So weiten Flug nicht über Tal und Hügel. –

Du weißt, still schaurig klingt der Schwanensang,

Heut kling' ich eitel hellen Freudenklang.

 

Heut kling' ich Klang der Himmelsnachtigall,

Die Lieb' und Lenz in Putbus' Hainen singet,

Heut kling' ich nach den süßen Wunderschall,

Der wie aus höherm Himmel niederklinget,

Ich klinge nach – o könnt' ich's recht und ganz! –

Du kennest Klang und Wonne, Licht und Glanz.

 

Nimm Klang und Gruß!« – Und horch'! Der Flügel rauscht,

Und ehe Aug' und Ohr sich noch besinnen,

Wie man im Traum auf Bild und Stimme lauscht

Und fassen will, ist Schwan und Flügel hinnen,

Und wie aus Fernen klingt ein süßer Schall,

Die Himmelsstimme, Putbus' Nachtigall.

Zu Martin Luthers 300jähriger Todesfeier

 

Frühlingsmond 1846.

 

An die Protestanten.

 

Ihr wagt's, die Toten aufzuwecken?

O laßt den alten Luther ruhn!

Erbebt ihr nicht den blassen Schrecken

Des Donnerkinds für euer Tun?

Dreihundert Jahr hat er geschlafen –

Seid ihr die Reinen, Freien, Braven,

Die seiner Klinge Blitz bestehn?

 

Denn Blitz führt seines Wortes Klinge –

Hui! Turm und Mauer, Wall und Burg!

Hui! Feinster Listen Kettenringe

Er stürmt und bricht und haut sie durch. –

Doch horch'! Wie? Naht sein Waffenklirren?

Es lispelt nicht wie Taubengirren –

In Säuseln kommt der Donner nicht.

 

»Wie,« ruft er, »zaubert aus dem Grabe

Prophetenstimmen ihr herauf?

Längst trug ich meiner Arbeit Habe

Zu meinem Gott und Christ hinauf.

Laßt Tote modern bei den Toten!

Zu höchsten Sternen sendet Boten,

Da fragt der Zukunft Donnerlaut.

 

Denn Donnerglocken könnt' ich läuten,

Worob Gesicht und Ohr vergehn,

So nahe ferne Zeichen deuten,

Mit solchem Grausen euch durchwehn,

Daß ihr im Zittern und Verzagen

Mit euren Klagen, euren Fragen

Verstummtet vor dem Schreckenklang.

 

Denn wohl könnt' ich zuerst euch fragen,

Wie ihr das Erbe angewandt,

Das einst in Sorgen, Kämpfen, Plagen

Ich euch errang mit starker Hand,

Das Erb' und Recht des tapfern Wortes;

Ob ihr des goldnen Freiheitshortes

Die kühnen, wachen Wächter seid;

 

Ob von Innozenzen und Gregoren,

Von Loyolas Assassinenschwarm,

Von Rittern von den goldnen Sporen

Euch keiner bog den deutschen Arm,

Ob welschen Schleichern, Spähern, Schranzen

Ihr hieltet vor die rechten Lanzen

Für Gott und Recht und Vaterland.

 

Denn wohl zum zweiten könnt' ich fragen,

Ob Menschenwitz und Satanslist

Mit leersten Künsten nicht sich schlagen

Um meinen Glauben, meinen Christ,

Ob ihr in guten, frohen Dingen

Noch könnt mit mir von Herzen singen:

›Das Wort sie sollen lassen stehn!‹

 

Jawohl zum ersten, zweiten, dritten –

Ich hauche weg wie Wind die Spreu,

Was ihr gelitten, was gestritten,

War's nicht um, für und durch die Treu',

Denn fallt ihr hier der scharfen Frage,

So wird zum Märchen gar die Sage,

Daß keinen Deutschen Gott verläßt.

 

Doch schon zuviel der strengen Worte,

Es ziemt der Zorn dem Feste nicht.«

Er schweigt; ausgießt die Himmelspforte

Den hellsten, vollsten Strom von Licht.

So fährt der alte, tapfre Meister

In Licht und Blitz ins Reich der Geister

Zu seinem Gott und Christ zurück.

Mimerung unter deutschen Eichen

 

1846.

 

Träumend in Mimerung1 wandelte jüngst im Schatten

Deutschesten Hains ich sturmbewegter Eichen,

Und wie sie rauschten, rauschten mir Gedanken

Wild durch die Seele,

 

Dunkle Gedanken – Wie der Blitz, auf schwarzen

Wolken sich wälzend, schaurig durch die Luft schießt,

Schoß es mit Blitzesleuchtung mir mit scharfem

Weh durch die Seele.

 

Hundert und tausend, wie des Blitzes Funken

Fliegen, so flogen Vögel heißer Schwingen

Mir um den Busen, hiehin, dahin flatternd,

Mächtige Wühler.

 

Wühler, aufreißend tiefsten Grund des Herzens,

Reißend der glücklich dicht verhüllten Zukunft

Dunkles Gewölk auf, wo es wie gespenstisch

Mitternachtspiel spielt.

 

Mitternachtspiel; denn gleich entbundnen Geistern,

Nicht wie aus Windeln in der Zukunft Wiege,

Nein, wie aus Gräbern, tanzten vor mir grausig

Säkeln den Tanz ab.

 

»Weh mir der Zeichen!« rief ich, »du gewaltiges

Wehen des Geistes! Schone deiner Blitze!

Schone des Donners! Denn er donnert Schrecken,

Geistesverwirrung.

 

Weh mir der Zeichen! Weh der Sehnsuchtsfragen

Ahnender Sehnsucht, ob von diesen Eichen

Freie Germanen Siegeskränze flechten?

Enkel noch flechten?

 

Ob, wann Gefahr, wann Kriegsgetümmel andrängt,

Blut nur der Fremden deutsche Klingen rötet?

Vielheit der Fürsten wie ein Mann dann vorficht?

Einheit in Treue?

 

Ob, wann aus Welschland ein Orkan, aus Rußland

Brausend ein zweiter Deutschlands Mitte fasset,

Fern kein Arminius sein wird und kein zweiter

Gneisenau-Blücher?«

 

Da hat's gelispelt: »Hoffe! Wahrlich, beide

Augen, du könntest sie am Born der Weisheit

Mimern verpfänden, vollen Trunk der Seele

Schlürftest du doch nicht.

 

Laß drum das Mimern, wolle nicht ergrübeln,

Was von den künftigen Tagen Gott verhüllte:

Tropfen nur schenkt er; wer des vollen Borns will,

Will die Verwirrung.«

Fußnoten

 

1 Mimern ein treffliches deutsches Wort der innersten Betrachtung; ebenso Rernung (osnabrückisch Rärning, französisch rêver). Solche Bezeichnung des verschiedensten Ahnungsvermögens kann kein Poet und Philosoph entbehren.

 

 

Frühlingstraum

1846.

 

Ging ich aus ins Frühlingstal,

Wollte Blüten fangen,

Blumenlust und Sonnenstrahl,

Alt und jung Verlangen.

 

Altes, wieder grün und kraus,

Webte frische Ranken,

Junges in die Welt hinaus

Schneller als Gedanken.

 

Aber weh! Der Himmel zog

Dunkel sich zusammen,

Und ein Donnersturmwind flog

Her mit Blitzesflammen:

 

Wald und Feld und Au und Tal

Ringsumher zerzauset,

Und der Lerch' und Nachtigall

Jeder Ton vergrauset.

 

Nur vom Stumpf und Dornbusch krächzt

Kräh' mir und Neuntöter,

Und aus Turmgetrümmer ächzt

Kauz, der Schwerenöter.

 

Und der ganze Frühlingstraum

Hinnen wie geschwinde!

In den öden, weiten Raum,

Weg in alle Winde!

 

Lenzesbild, du Lebensbild –

Fliege mit, o Wandrer,

Was dir heut verwelkt, verquillt,

Morgen fängt's ein andrer.

Herzenssaitenspiel

 

1846.

 

Was spielte so klingende Saiten

Auf dir, mein altes Herz,

Aus fernsten Tiefen und Weiten

Zugleich mit Schmerz und Scherz?

 

Es fließen die Stunden, die Räume

Zusammen in dem Gewirr

Und Schattenspiele der Träume

Im leichten Flügelgeschwirr.

 

Bald spielt es wie im Reigen

Hell auf zum lustigen Tanz,

Und Sonn' und Blüten neigen

Darüber Frühlingsglanz;

 

Bald bläst wie über Leichen

Die tiefe Flöte Weh,

Wie hohle Töne streichen

Fernher auf tiefer See.

 

Das ist's, die Tiefen, die Weiten,

Das ist's, das meint der Klang,

Das jauchzen, das klingen die Saiten.

Sei drum, mein Herz, nicht bang.

 

Die Sonnen und die Erden –

Wer misset Flug und Schritt? –

Müssen Flieger und Tänzer werden:

Du tanze lustig mit.

 

Und laß sie spielen, die Saiten

Auf dir, du altes Herz,

Und frage nicht Nähen noch Weiten,

Spielt alles doch himmelwärts.

 

So fliege mit tanzenden Himmeln

Und glaube, die Welt ist dein;

Wo Götter und Sonnen sich wimmeln,

Rolle mit in dem Klang und Schein.

Heid' und Christ

 

1846.

 

»Geh drunter durch und laß es rollen!

Laß donnern laut, was Donner ist!

Denn was die Höchsten droben wollen,

Das muß geschehn zu jeder Frist.

 

Sprich: Trotz sei dir, o Himmelskönig!

Auch meine Stirne trägt dein Mal –

Hui! Hoch und Niedrig, Groß und Wenig!

Kühn steh' ich deinem Wetterstrahl.

 

Wie? Knien, wimmern mit den Wichten?

Das hemmt kein Tröpflein deiner Flut –

Zerschlagen kannst du, nicht vernichten:

Auch meine Brust schwellt Götterglut.

 

Reck' aus denn! Schleudre deine Flamme

Mit deinen schärfsten Blitzen aus!

Den Funken vom Prometheusstamme

Ihn löschet keine Allmacht aus.«

 

So klingt des alten Heiden Rede,

So kämpft er, groß im Weltensturz,

Die ungeheure Geisterfehde,

Doch wird ihm Lust und Atem kurz.

 

Was frommt Ich trage keine Ketten,

Was frommt der kühne Spruch dem Mann,

Den von dem finstern Stolz erretten

Kein Sonnenstrahl der Liebe kann?

 

Was frommt ihm Werfen in die Speichen

Des Schicksalswagens frech die Faust,

Der über Trümmer fort und Leichen

Unwiderstehlich weitersaust?

 

Was frommt's, im bittern Gram vermodern,

Wenn auch der Funke nimmer stirbt?

In heißer Flamm' unsterblich lodern,

Wenn Lust und Mut im Trotz verdirbt?

 

Mir horch'! Ich will dir Schönres weisen,

Den hellen, heitern, sanften Weg:

Zu meinem Heiland sollst du reisen,

Ihn schaun, und Trotz und Zorn ist weg.

 

Prometheus auch hat er gehangen

An seinem blut'gen Kaukasus,

Weil er das Sehnen und Verlangen

Der bangen Seelen stillen muß;

 

Weil er das neue Licht getragen,

Der Menschheit junges Morgenrot,

Ist er ans Schandenholz geschlagen,

Gestorben den Verbrechertod.

 

Ihn schau', sein Kreuz und seine Wunden,

Dann geht dir auf ein himmlisch Licht,

Und alle Schrecken sind verschwunden,

Und Stolz und Hochmut kämpfen nicht.

 

Dann laß nur alle Donner rollen,

Gar fröhlich gehst du drunter durch:

Denn wie dein Vater muß Gott wollen,

Und Liebe trägt die Himmelsburg.

Waldgrutz

 

1846.

 

Ihr, süße Blumen, grüne Haine,

O seid ihr endlich wieder mein?

In euch geborgen gar alleine,

Doch nie bin ich bei euch allein:

Ihr sprecht mit wundersamer Stimme

Die einz'ge Sprache ohne Trug,

Der Vogel predigt hier, die Imme,

Der Blütenzweig wie Gottes Buch.

 

O Gottes Buch! O welche Klänge

Aus allerstillster Einsamkeit!

Entflohn dem wilden Weltgedränge

Zu höhrer Welt Gemeinsamkeit:

Denn wie aus längst vergangnen Tagen,

Wie aus der Geister Ewigkeit

Haucht's hier von Fabeln und von Sagen

So dicht, als Lenzwind Blüten schneit.

 

O Gottes Buch! O heil'ge Mächte!

Hier brecht ihr alle Siegel auf:

Geheimnis stummer Mitternächte

Und Sonnenlauf und Mondenlauf,

Und was von irren Wandelsternen

Die tiefe Menschenbrust durchkreist,

Kann hier der stille Lauscher lernen,

Wo alles hoch nach oben weist.

 

O Gottes Buch! O süßes Wehen,

Das säuselnd durch die Zweige geht!

O leises Flüstern aus den Höhen,

Wo aller Herzen Sonne steht!

O süßes Ahnen, süßes Sehnen!

Hier ist dein trauter Liebesort,

Hier findet Gram die ersten Tränen

Und Zorn sein mild Versöhnungswort.

 

Drum kommt, ihr Blumen, kommt, ihr Haine,

Komm, stille, fromme Waldesnacht,

Und werdet, bleibet ewig meine

Mit aller süßen Gottesmacht,

Mit allen Vögeln, allen Immen,

Mit allen Blüten groß und klein,

Mit Millionen Wonnestimmen

Singt mir das Herz in Frieden ein.

Gespräch mit Stöcken und Degen

 

1846.

 

Meine Stöcke stehn gereiht,

Gar ein dicker Haufen,

Steif genug, noch hundert Jahr'

Durch die Welt zu laufen;

 

Und der Säbel mittendrin,

In vergangenen Tagen

Einst von mir zu Schutz und Trutz

Durch die Welt getragen.

 

Und nun stehn sie da so still,

Freud- und Leidgesellen,

Und mir wollen Brust und Aug'

Bei dem Anblick schwellen.

 

Ach! Gesellen, gebt euch drein,

Alles muß auf Erden

Nach dem Sturm der Lust und Kraft

Zahm und stille werden.

 

Tröstet euch, ihr bleibet hier,

Werdet bald mit andern

Lustig über Berg und Tal,

Seen und Ströme wandern.

 

Alter, du doch schäme dich,

Hier vor den Gesellen

Deines weiland Tagewerks

Dich so mürb zu stellen.

 

Dieser Träne schäme dich,

Die dem Aug' entgleitet,

Du, dem die Unendlichkeit

Himmelwandrung spreitet.

 

Dort wird frisch aus frischem Holz

Neuer Stab geschnitten

Und mit neu geschliffnem Stahl

Neuer Kampf gestritten.

 

Also ist es, soll es sein!

Nimm dir kühnes Wollen,

Und so laß dein Küglein froh

Mit den Sternen rollen!

Der Weihnachtsbaum

 

1847.

 

Steht er da, der Weihnachtsbaum,

Wie ein bunter, goldner Traum,

Spiegelt Unschuldkinderglück,

All sein Paradies zurück.

 

Und wir schaun und denken dann,

Wie uns heut das Heil begann,

Wie das Kindlein Jesus Christ

Heut zur Welt geboren ist;

 

Wie das Kind von Himmelsart

Lag auf Stroh und Halmen hart,

Wie der Menschheit Hort und Trost

Erdenelend hat erlost.

 

Also stehn und schauen wir

Gottes Lust und Gnade hier:

Was uns in dem Kindlein zart

Alles heut geboren ward.

 

Blüh' denn, leuchte, goldner Baum,

Erdentraum und Himmelstraum,

Blüh und leucht' in Ewigkeit

Durch die arme Zeitlichkeit!

 

Sei uns Bild und sei uns Schein,

Daß wir sollen fröhlich sein,

Fröhlich durch den süßen Christ,

Der des Lebens Leuchte ist.

 

Sei uns Bild und sei uns Schein,

Daß wir sollen tapfer sein

Auf des Lebens Pilgerbahn,

Kämpfend gegen Lug und Wahn.

 

Sei uns Bild und sei uns Schein,

Daß wir sollen heilig sein,

Rein wie Licht und himmelklar,

Wie das Kindlein Jesus war.

Erinnerung

 

An Charlotte Weigel.

 

1847.

 

Ein Vöglein flog wohl hier zum Rhein

Mit goldnen Flügeln und goldnem Schnabel,

Sang Grüße mir ins Haus hinein,

Als wär's Frau Mär oder Jungfer Fabel.

So schien es, aber Gebär' und Gesicht

Sprachen anders, sie sprachen: Die ist es nicht.

 

Jungfer Fabel trägt leichteren Flug und Sinn,

Leichter als Aprilensonnenstrahlen

Fliegt's ihr auf dem Angesicht her und hin,

Kein Maler könnte die Wechsel malen:

So spielt sie mit Scheinen, selbst eitel Schein –

Diese Leichte, Lustige kann's nicht sein.

 

Wie nenn' ich mir denn das geflügelte Kind?

Wie deut' ich die freundliche, süße Stimme,

Die säuselt wie sanft durch den Blütenwind

Das Lenzgesumse der Honigimme?

Gesäusel, das tief in den Busen dringt

Und längstverklungene Töne klingt?

 

Du bist es, du bist es, die ewig jung

Wie Frühling grünet bei grauen Locken,

Du Seligste bist es, Erinnerung:

Du wehst der Vergangenheit Blütenflocken

Mit stillem Sehnen aufs alte Herz,

Die alte Freude, den alten Schmerz.

 

Du bist es, die echte, die rechte Mär,

Nicht jene, die leichthin tändelt und flattert,

Die, was in der Welt ist herrlich und hehr,

Zum Spott und Gelächter hinunterschnattert –

Du bist es, graulockig, doch ewig jung,

Du bist es, holde Erinnerung.

Rechtes Geistesmatz

 

1847.

 

Denke Gott und aller Welt

Millionen Sonnenstraßen,

Miß, was diese Erde hält,

Miß es dir mit Sonnenmaßen,

Tritt den Staub dir ganz zu Staub,

Tritt ihn mit Prometheus' Sohlen;

So nur kannst du Himmelsraub

Mit Prometheus' Mut dir holen.

 

Hoch und niedrig, groß und klein –

Dieser Stolz, dies Maß muß schwinden,

Dann nur kannst du Flieger sein

Mit dem Adler über Winden:

Seine Federn schweben still

Schaukelnd über Sonnenscheiben,

Wo kein Sehnen weiter will,

Da nur ist ein selig Bleiben.

 

Hehrer Aufblick! Höchstes Ziel!

Maße schwinden und Gewichte,

Und der Geist im zarten Spiel

Schwelgt und jauchzt im heitern Lichte:

Denn um keine Majestät,

Um kein Glück wird mehr gestritten,

Jeder Punkt, auf dem er steht,

Ist ein Punkt der Weltenmitten.

Gottes Scherz

 

1847.

 

Geister lieben Scherze, glaube das,

Gott im Himmel, glaube, liebt Gespaß;

Darum gucken himmlische Gespenster

Dir tagtäglich durch dein Herzensfenster.

 

Was der Tage Herr damit gewollt,

Wie er Scherz und Ernst zusammenrollt,

Dieser schweren Millionenfragen

Lösung wird kein Weiser je dir sagen.

 

Trau' du nur bei Gottes buntem Scherz,

Traue, Menschenherz, auf Gottes Herz,

Laß mit allen Millionenirren

Alle Geisterflügel dich umschwirren.

 

Glaube, nicht ein Frühlingskuckucksruf

War's, daß dich der große Scherzer schuf;

Denke, daß er Himmelsnachtigallen

Hieß das Erdenwillkommslied dir schallen.

 

Spiele so, du kurzes Menschenherz,

Lustig durch des Lebens Gottesscherz,

Laß den großen Spieler, ihn laß sorgen,

Er macht Irrwischnacht zu hellem Morgen.

Stammbuch

 

31. Dezember 1847.

 

»Frei das Wort aus voller Brust!

Aus der Scheide frisch die Klinge!

Das ist Jugendmut und Lust,

Das ist Leben guter Dinge.«

 

O du Glanz vom Morgenrot!

O du Jugendheldensage!

Ach! wie schleppt dich matt und tot,

Langsam tot der Gang der Tage!

 

Kälter rollt des Blutes Tanz,

Stiller wandeln hin die Jahre,

Und bald liegt der ganze Glanz

Welk und farblos auf der Bahre.

 

Nein doch! ruf' ich, aber nein!

Weg mit deinem Hohn, Erfahrung!

Lasse nimmer weg mir schrein

Heilige Herzensoffenbarung.

 

Schiltst du, daß im Nebeldunst

Meine bunten Vögel fliegen,

Weis' ich dir die hohe Kunst,

Die sie lehrt das Licht ersiegen.

 

Schüttelst du nur faule Frucht

Von dem kahlen Lebensbaume,

Mitten in der Tage Flucht

Halt' ich fest am Jugendtraume.

Mut des Geistes

 

1848.

 

Klein wird die Erde, klein der Erde Sonne,

Im Meer der Sonnen o ein Fünkchen nur –

Wo bleibt dir da, o Mensch, die alte Wonne?

Wo bleibt dein Stolz, du Endziel der Natur?

 

Hast du den Mut, mit Erden zu zerstieben?

Hast du den Mut, mit Sonnen zu vergehn?

Den Göttermut, im allgemeinen Lieben

Im höchsten Feuertode zu vergehn?

 

Was Mut? Schaut Erden mir und Sonnen nieder!

Schärft eurem Sehrohr täglich weitres Ziel!

Denn meinen Mut, ihr schauet ihn nicht nieder,

Wieviel Gefunkel eurem Rohr auch fiel.

 

Hoch über euren Zahlen, euren Maßen,

Hoch über eurem Groß und eurem Klein

Fliegt er glückselig eigne Sonnenstraßen,

Und keines eurer Röhren holt ihn ein.

 

So bleibe mir mein Küglein, liebe Erde!

So bleibe Erdensonnenfünkchen mir!

Wohin von Gott ich auch verwehet werde,

Dem Geist ist jeder Punkt des Alls sein Hier.

Hahnenkrei des deutschen Morgens

 

1848.

 

Hat mir ein goldkammiger Hahn gekräht,

Der der Zeiten und Völker Geheimnis singt –

Ihr wißt, es wird nimmer zu Wind verweht,

Was der kluge Schnabel der Weisheit klingt –

Er sang aus verborgener Zukunft Wolke

Mir Wunderrunen vom deutschen Volke.

 

Er krähte – sein goldiger Kamm ward bleich –

Mir der deutschen Treue geschwundene Kraft,

Die Leichengesänge vom heiligen Reich,

Von verrosteten Degen der Ritterschaft,

Von gebrochenen Türmen, geschleiften Wehren

Und des Kaiserpurpurs zerrissenen Ehren.

 

So kräht' er mir traurig vom dürren Ast

Der Schandejahrhunderte Weh und Ach,

Er krähte, daß unter der Töne Last

Vom eisigen Jammer das Herz mir brach,

Daß mir mit mordlich scharfen Harpunen

Die Brust durchschossen des Sanges Runen.

 

Doch sieh! Bald fliegt er auf grünen Baum,

Bald kräht er von blühendem Zweig sein Lied,

Das hell, ein leuchtender Zeitentraum,

Der Zukunft sonnige Bahnen zieht:

Er kräht gar lustig aus heitrer Wolke

Verjüngte Freuden dem deutschen Volke.

 

Er krähte: »Der düstern Jahrhunderte Lauf

Verrann, Germaniens Luft wird klar,

Neu wachen die Heinriche, Friedriche auf,

Mit ihnen der Seher, der Helden Schar,

Die deutsche Sonne mit glänzenden Tagen

Lenkt über die Häupter der Völker den Wagen.«

 

O Goldkamm, du glückverkündender Hahn,

So singst und klingst du vom grünen Ast –

O süßer, heiliger, deutscher Wahn!

Ich halte die Herrlichkeit fest umfaßt:

Was seine Runen geklungen haben,

Die Weissagung soll mir kein Grab begraben.

Frei und Gleich, und der Bassermann

 

1848.

 

Blast, blast, Trompeten, blast ein Lied!

Es ist das Vaterland erstanden.

Schaut, wie der böse Feind entflieht

Mit seinen Schanden, seinen Banden,

Mit seiner Helfershelfer Schar,

Mit seiner Großmama, der Lüge;

Schaut, wie der freie deutsche Aar

Froh fliegt die alten Sonnenflüge,

Er klingt und singt sein Frei und Gleich,

Er klingt und singt vom Deutschen Reich.

 

Blast, blast, Trompeten! Laßt den Klang

Dem Adler nach zur Sonne tönen!

Nie mehr wird deutschen Hochgesang

Der Kerker Weheruf durchstöhnen,

Der Weheruf des freien Worts,

In Sklavenketten festgebunden:

Uns ist des Nibelungenhorts

Versunknes Gold am Rhein gefunden,

Der edle Hort von Frei und Gleich,

Das Gold, der Glanz vom Deutschen Reich.

 

Blast, blast, Trompeten! Blast dem Mann,

Des Hand zum großen Fund sich reckte,

Dem deutschen Mann, dem Bassermann,

Der wie aus bösem Schlaf uns weckte.

Er spricht den kühnen Zauberspruch,

Und flugs entsteigt der Hort den Tiefen,

Und Geister wie aus einem Buch,

Millionen Geister, welche schliefen,

Unisono von Frei und Gleich,

Das singen sie und Deutsches Reich.

 

Drum lebe hoch der Bassermann!

Baß klingt sein Name vor den meisten,

Der uns den edlen Hort gewann,

Daß selbst die Schwachen sich erdreisten:

Das große Wort von Frei und Gleich,

Kaum hat sein Mund es ausgesprochen,

So ist die Lüge blaß und bleich

Zu ihrer Höll' hinabgekrochen.

So schlug der Klang von Frei und Gleich,

So schlug der Klang vom Deutschen Reich.

 

Blast denn, Trompeten! Blast und klingt!

Und Bäum' und Steine, werdet Lieder!

Die alte deutsche Fahne schwingt

Die stolzen, goldnen Flügel wieder;

Zur Sonne fliegt der deutsche Aar,

Dort holt er sich die alten Blitze,

Und legt sie auf den Weihaltar,

Geschenk dem leeren Kaisersitze,

Worunter wohne Frei und Gleich

In Ewigkeit als Deutsches Reich.

Hermann von Boyen in Walhall

 

1848.

 

Blast! Blaset hell von Walhalls Zinnen!

Tut weit die goldnen Pforten auf!

Weckt alle Ehren, alle Minnen!

Es steigt ein hoher Glanz herauf.

 

Weckt jede Harfe, jede Leier!

Erleuchtet jeder Wonne Schein!

Ein Held, ein Retter, ein Befreier,

Licht, Recht und Schwert1 tritt bei euch ein.

 

Licht, Recht und Schwert, das sind die Fahnen,

Worunter Hermann Boyen stritt,

Die läßt den Enkeln er als Ahnen

Für deutscher Zukunft Heldenschritt.

 

Wird wo gesungen, wo gelesen

Von einem hohen, edlen Mann,

Der rein und fleckenlos gewesen,

So bleibt der Boyen Vordermann.

 

Schon steht er da im Götterglanze

Auf Idas ewig grüner Au,

Schon grüßen aus dem Heldenkranze

Sein Scharnhorst ihn, sein Gneisenau.

 

Der Blücher grüßt, Bülow der Schnelle,

Sein Streitgenoß und Siegsgenoß,

Grolman der Freund, der Ernste, Helle,

Des Auge Schlachtenblicke schoß.

 

Doch steigen von der hohen Stätte

Zur kleinen Erde wir hinab

Und legen Hoffnung und Gebete

Auf unsers deutschen Hermanns Grab.

 

Wir beten: Ewig lebe Treue

Für König, Gott und Vaterland,

Wie dieser stille Schlachtenleue

Sich ihre Ehrenkränze wand!

 

Wir beten: Nimmer möge fehlen

Die freie, fromme Heldensaat

Von solchen festen, starken Seelen,

Gerüstet gleich für Wort und Tat!

 

Wir beten: Nimmer möge fehlen

Der Blitz, der durch die Herzen fährt,

Der rechte Blitz für deutsche Seelen,

Der Blitz von Licht und Recht und Schwert!

Fußnoten

 

1 Weiland einer von Boyens Wahlsprüchen.

 

 

Friedrich Balduin von Gagern

1848.

 

Die Totenglocken schallen,

Still zieht ein Leichenzug,

Umflorte Fahnen wallen

Sanft ohne Schwung und Flug,

Schwarz, Rot und Golden senken

Zur Erde tief den Glanz,

Deutsch Herz muß heute denken

Gar einen blassen Kranz.

 

Den Kranz der deutschen Eichen,

Den Lust- und Siegeskranz,

Den dacht' es, nicht den bleichen

Den grauen Totenkranz,

Geflochten von Zypressen:

Es dachte Siegesgrün,

Das über dem Vergessen

Der Gräber sollte blühn.

 

Nun muß es anderes denken,

Es traurt von Weh durchbohrt,

Schwarz, Rot und Golden senken

Die Fahnen, schwarz umflort:

Denn eines Helden Leiche

Fährt hin zu anderm Staub,

Ihm trug die deutsche Eiche

Vergebens Siegeslaub.

 

Vergebens? wie? vergebens?

O nein! und aber nein!

Verhüt' es, Herr des Lebens!

Bei Gott! das soll nicht sein!

Er fiel im guten Streite,

Er fiel fürs Vaterland,

Durchlebt der Zeiten Weite,

Sein Name wird nicht Sand.

 

Sein Klang ist der der magern,

Der kahlen Namen nicht,

Friedrich Balduin von Gagern

Verfällt dem Dunkel nicht:

Er wird im Liede klingen,

Wo ja als Schwur erklingt,

Solange deutschen Klingen

Ein guter Streit gelingt.

 

So zieh denn, Heldenleiche,

Zieh hin zur dunkeln Gruft,

Und Haß und Zwietracht weiche

Aus reiner deutscher Luft!

Es flieh' von deutschen Grenzen

Verrat und Untreu' fern!

Der Gagernstern soll glänzen

Darob als Friedensstern!

Klage um Auerswald und Lichnowsky

 

1848.

 

Hast du noch Lebensodem,

O Erde grün und schön,

Um die aus schwarzem Brodem

Nur finstre Nebel wehn,

Auf der blutwilde Horden

Brand, Mord und Zeter schrein

Und frech in Meuchelmorden

Der Freiheit Glanz entweihn?

 

Wie? Sind dies deutsche Fahnen?

Die Farben roter Wut?

Will deutsche Kämpfe mahnen

Das Rot an Brust und Hut?

Wie? Rot der welschen Seine

Das mahnte deutschen Mut,

Für Wolf und für Hyäne,

Doch nicht für Deutsche gut?

 

Sind dies der Freiheit Gaben?

Ist dies der Freiheit Klang,

Von schwarzen Galgenraben

Der Mitternachtgesang?

Nein! Nein! Von Freiheitstötern

Des Blindschleichs Schlangenlist,

Wo unter grausen Zetern

Kein Laut der Freiheit ist.

 

Ist dies die deutsche Treue?

Trifft so das deutsche Schwert?

Springt so der deutsche Leue,

Der grad' aufs Eisen fährt?

Mann steht den Mann, den Satan

Bestehen zwei und drei,

Doch sieht man solche Tat an,

So bricht das Herz inzwei.

 

Zwei Helden sind gefallen,

Nicht, wie der Tapfre fällt

Bei hellem Trommelschallen

Auf blut'gem Schlachtenfeld;

Sie haben andre Rosen

Weiland gepflückt im Streit:

Was war den Waffenlosen

Hier für ein Kampf bereit?

 

Mein Deutschland, Land der Treue!

Mein Deutschland, Land des Muts!

Wann löschet lange Reue

Die Flecken solchen Bluts?

Den Mord, womit der Feige

Den Unbewehrten trifft?

O deutschen Ruhmes Neige!

O deutscher Erde Gift!

 

O wehe, dreimal wehe!

Weh dieser düstern Tat!

Nein, meine Seele gehe

Nie mit in solchen Rat!

Der Ruhm, den Mörder haschen,

Der werde nie mein Ruhm!

Ach! Nimmer wegzuwaschen

Vom deutschen Heldentum!

Erinnerung aus unserm Frankfurter Reichstage von 1848

 

Ärgre dich nicht an den Fratzen,

Eseln unter Löwenhäuten,

An den Katzen ohne Tatzen,

Die den Freiheitsjammer läuten,

Ja den vollsten Freiheitsjammer,

Vaterlandesjammer heulen –

O ein Thor, der mit dem Hammer

Schlüge drein! Ein Held mit Keulen!

 

Doch o weh! Thor hebt den Hammer

Nie auf die, so du gewiesen,

Keilt nicht auf so kleinen Jammer,

Seine Schläge gelten Riesen;

Spuk von Zaubrern, List von Zwergen

Und des Hexenkessels Künste

Können seinem Stahl sich bergen:

Blitz zermalmet keine Dünste.

 

Mehr, o weh! Der Geist der Lügen,

Loke, hat den Thor bezwungen,

Sieg ist seinen Wandelzügen

Übers Reich des Lichts gelungen –

Darum hütet eure Lichter,

Tapfre Deutsche, fromme Christen!

Denn die feinen Bösewichter

Haben hunderttausend Listen.

 

Drum frischauf, ihr Tapfern, Frommen!

Drum frischauf, ihr Hellen, Lichten!

Zagt nicht! Deutschlands Thor wird kommen

Und die Satansbrut vernichten:

Tausendfach gefeite Hauben

Von dem feinsten Höllensegen

Halten nicht vor unserm Glauben,

Halten nicht vor unsern Schlägen!

Das Erdbeben

 

Frankfurt, 10. des Christmonds 1848.

 

Die Welt erbebt und zittert rings,

Und alle Vögel sind im Schweben,

Des Geistes Vögel all, als ging's

Zum letzten Kampf auf Tod und Leben.

 

Komm denn, mein Vogel, leichter Sinn!

Komm, Leichtsinn, auch! Wir müssen's wagen.

Man soll uns nicht als Leichen hin

Lebend'gen Leibs zu Grabe tragen.

 

Durch Blitz und Donner fröhlich hin!

Dein Flügelklang sei Klang der Wonne,

Als flöge Glück mit mir dahin,

Umleuchtet von des Sieges Sonne.

 

Hinein in dicksten Schlachtenkampf,

Wo ältste Königsthrone fallen!

Dort überm Kampf und überm Dampf

Laß Siegeslieder lustig schallen.

 

Dort greife dir den süßen Raub

Des Muts, dem ew'ge Sterne blinken,

Und, muß es sein, laß froh den Staub,

Der nicht du ist, zu Staub versinken.

 

Ha! Was ist Leben? Was ist Tod?

Soweit des Geistes Lüfte wehen,

Wird neu erblühn dein Morgenrot,

Neu deine Sonne auferstehen.

 

Laß unten Krähn und Raben schrein,

Empor, wo Adlerschwingen tönen!

So in den vollsten Kampf hinein

Im Mut des Guten und des Schönen!

Trinklied zu meinem 79. Jahrestage

 

1848.

 

Schenkt ein und reicht mir den Pokal,

Gefüllt mit Gold von edlen Weinen!

Heut soll ein letzter Sonnenstrahl

Mit Jugendglanz mein Haupt bescheinen!

Viel tausend Sonnen gingen zu Tal

Mit trüben und mit hellen Scheinen,

Doch zieh' ich's Fazit aus der Zahl,

Wippt hoch das Lachen auf das Weinen.

 

Bei diesem Fazit fällt mir ein:

Wo seid ihr, meine Schwinger, Klinger

Von gutem Eisen, gutem Wein?

Wo seid ihr, Klinger, Schwinger, Singer?

Wo ihr, die weiland hell und frisch

Im Freudenkampf mit mir gestritten?

Vom Kampfplatz fern, vom Jubeltisch,

Ach, längst vom Leben abgeglitten.

 

Doch schenkt mir ein! Heut will im Schwung

Ich über Tod und Leben schweben;

Schenkt voll mir ein! Heut will ich jung

Zurück ein Halbjahrhundert leben –

Und fliegen über Staub und Grab

Nach oben alle guten Geister,

Sie winken heut mir Lust herab

Und rufen: Bleib der Freuden Meister.

 

Drum schenkt mir ein! Mein vollstes Glas

Dem Herrscher über Tod und Leben,

Der mir ein Herz gab ohne Haß

Und Harm, sei höchster Klang gegeben!

Ein hoher allen, die den Greis

In seinen kalten, grauen Tagen,

Wofür er kaum zu danken weiß,

Mit treuer, junger Liebe tragen!

 

Ja, zweimal hoch und dreimal hoch

Dir, Liebe, Königin der Erde,

Die mich in süßer Lust erzog,

Daß Mensch ich ward in Lichtgebärde!

Schenkt ein, weil noch die Sonne scheint!

Der Liebe soll mein Letztes klingen!

Und allem, was mich freundlich meint,

Will ich damit mein Schönstes bringen!

An H.L. zur Fahrt übers Weltmeer

 

1849.

 

Glück auf die Reise! Pilgre fort!

Es lockt dich weg mit Wunderklängen,

Die weite Welt, sie lockt dich fort

Vom Vaterhaus, dem stillen, engen.

 

Geh, Sohn! Viel Schönes wirst du schaun

In neuen Toren, neuen Gattern,

Auch bunte Schlösser gnug dir baun,

Die spanischen Schlössern gleich zerflattern.

 

Doch horch', vernimm mein letztes Wort:

Von allen jenen Zauberglocken,

Die rastlos weg von Ort zu Ort

Den lebenslüsternen Jüngling locken,

 

Tönt endlich klagend durch ein Ton

Wie aus der Erde fernsten Enden,

Ein Klang der Sehnsucht, dir, o Sohn,

Die Eingeweide umzuwenden.

 

Zurück zur Heimat klingt der Klang,

Zurück zum engen Vaterhause,

Dir wird in weiter Welt so bang,

Du sehnst dich nach der stillen Klause.

 

O bringst du dann dein eignes Herz

Noch mit aus wildem Weltgewimmel,

So war dein Pilgern froher Scherz,

Ein Spiel auf Erden hin zum Himmel.

Ermannung

 

1849.

 

Laß du die Dinge nur rennen und rinnen,

Blitzet es draußen, so blitze du drinnen,

Brauche den göttlichgeborenen Blitz!

Rasen die Stürme und brausen die Fluten,

Zünden die Blitze mit fressenden Gluten,

Halte, Prometheus, den Geist auf dem Sitz!

 

Mutig gleich schlachtenbegeisterten Rossen,

Wiehernd entgegen den Donnergeschossen

Streite und schreite entgegen dem Sturm!

Streite und schreite, und, gilt es zu stehen,

Schau', wie die Blätter und Halme verwehen,

Schau', wie er steht, wie er fällt, auf den Turm.

 

Streiten und Schreiten und Stehen und Fallen,

So klingt der Spruch von dem irdischen Wallen,

Rastlos und endlos im Ernst und im Spiel.

Wähnst du das Ende der Bahn zu erreichen,

Gleich siehst du's dämmern und fliehn und entweichen.

Mensch, hier auf Erden erreichst du kein Ziel.

Spazierende Gedanken

 

1849.

 

Schau' ich wandelnd die prächtigen Häuser mir an,

Wird's mir schier, als möcht' ich noch bauen,

Und sollte doch ein so steinalter Mann

Himmelauf nur und himmelein schauen;

Wird doch seinem flüchtigen Bleiben allhier

Rappell bald zum Abmarsch geblasen,

Und wird ihm auf Erden sein letztes Quartier

Gebettet bald unter dem Rasen.

 

Ei Fabel! Was fabl' ich das Alte mir vor,

Die Kluft zwischen Himmel und Erde?

Weitauf steht der Welten unendliches Tor,

Wo ich Kleiner schon durchschlüpfen werde:

Sankt Peter mit aller Kardinalpolizei,

Mit all ihrer schrecklichen Presse

Schaut meinen Paß an und rufet: »Passiere nur frei!

Dein Paß ist der beste der Pässe.

 

Dir flammet im Herzen der göttliche Mut,

Dir flammen im Kopfe die Blitze,

Für solche sind Himmel und Erde gleich gut,

Sie bauen nicht bleibende Sitze.

Frei durch denn! Und wolltest du wieder heraus,

Bei dem Tor sind unzählige Pforten:

Soweit Licht scheint, bauen Götter und Geister ihr Haus,

Ihnen tönt's nicht von Stätten und Orten.«

 

So pilgr' ich und finde mich leidlich zurecht –

Das übrige wisse Sankt Peter –

So schrei' ich über Erden- und Himmelgeflecht

Nicht kläglich Mordio! und Zeter!

Denn der's geflochten, das weiß ich, der wird seinerzeit

Alle Fäden aufs schönste entwirren:

Ihm trau' ich, drum lass' ich zu wild und zu weit

Die Gedanken mein Hirn nicht umschwirren.

 

Nein, kein Jung und kein Alt und kein Dort und kein Hier!

Weg, Gedanken, ihr grauen und falben!

Weicht von mir! Ich stelle mein lustig Quartier

Bei dem Ältsten, er heißt Allenthalben:

Bei dem Ältsten der Tage, da nehm' ich den Sitz –

Er blies auch durch mich seinen Odem.

Auf mit Flügeln, mein Geistchen! Und funkle wie Blitz!

Blitze Leben aus Kaltem und Totem!

 

Sei mutig! Dem Kühnen verwelket kein Kranz,

Ein ewiger Lenz ist sein Eigen;

Tanze mit in der Welten unsterblichem Glanz

Der Wonne unsterblichen Reigen.

Sei mutig! Und gleich wird das engste Revier,

Wo du weilest, der weiteste Himmel,

Das Unten und Oben, das Dort und das Hier

Verschwimmt in der Wonne Gewimmel.

Ihr Könige, gebt acht!

 

3. Mai 1849.

 

Was Ehr' im Leibe hat, ruft Einheit, Ehr' und Macht

Und Tilgung langer deutscher Schanden,

Es ruft und flucht aus allen Landen:

Ihr Könige, gebt acht!

Der deutsche Gott lebt noch und wacht.

 

Es lebt und wacht der Gott der Herrlichkeit und Macht,

Sein sind die Wonnen und die Schrecken,

Die aus dem Schlaf die Völker wecken.

Ihr Könige, gebt acht!

Gott ist's, der Sturm und Heitre macht.

 

Erbebt! Das Wetter ist des Herrn, der blitzt und kracht,

Er wird des deutschen Haders Drachen

Zu Staub zerblitzen und zerkrachen.

Ihr Könige, gebt acht

Auf Gottes Acht und Aberacht!

 

Erbebt! Denn alles Volk ruft Einheit, Ehr' und Macht,

Es schreit den Ruf in alle Winde,

Wo es den deutschen Kaiser finde.

Ihr Könige, gebt acht!

Schaut, horcht, woher es blitzt und kracht.

 

Erbebt! Erkennt die Zeit, die Gott der Herr gemacht!

Wollt länger ihr im Stolz erblinden,

So haut euch Gott aus allen Winden –

Ihr Könige, gebt acht! –

Die deutsche Acht und Aberacht.

Die Ausfahrt zur Heimholung des Deutschen Kaisers

 

Frankfurt, 17. Mai 1849.

 

Kaiserstolz und Majestät

Zogen auf geschwinden Sohlen

Wir fürs Deutsche Reich zu holen,

Wovon neue Sage geht.

 

Klang und Sage überall,

Soweit deutsche Zungen klingen:

Einen Kaiser heimzubringen

Rief der Völker Jubelschall.

 

Ach! Wie sollten Dorn und Stein

An der Wandrer Sohlen reißen!

Zu den Scheinen, die nur gleißen,

Warf man unsern Kaiserschein.

 

Kaiserschein, du höchster Schein,

Bleibst du denn in Staub begraben?

Schrein umsonst Prophetenraben

Um den Barbarossastein?

 

Nein! Und nein! Und aber nein!

Nein! Kyffhäusers Fels wird springen,

Durch die Lande wird es klingen:

Frankfurt holt den Kaiser ein!

Aus Frankfurt weg!

 

Mai 1849.

 

Hinweg! Die besten Streiter matt,

Die stärksten Arme todeswund.

Hinweg! Satt ist und übersatt

Gelebt – es kommt die Sterbestund'.

 

Weg! Keinen Augenblick gesäumt!

Sonst stirbst du wie ein feiger Hund.

Du hast vom Kaiserstolz geträumt –

Vergrab einstweilen deinen Fund.

 

Die Besten wissen, wo er liegt,

Einst heben sie ihn ans Sonnenlicht.

Wir sind geschlagen, nicht besiegt.

In solcher Schlacht erliegt man nicht.

Alterswehmut

 

1849.

 

O Erde, Land der Träume,

O Erde, Land des Trugs,

Willst in die hellern Räume

Die Flügel meines Flugs

Mir dunkeln stets und kürzen?

In deines Jammers Staub

Mich elend niederstürzen

In Jagd nach schlechtem Raub?

 

Es soll dir nicht gelingen,

Ich habe meinen Hort,

Der trägt auf Feuerschwingen

Mich durch die Himmel fort;

Ich habe meinen Meister,

Der Held und König ist –

Er ist der Fürst der Geister

Und heißet Jesus Christ.

 

Er stieg vom Himmel nieder

Auf unsre Erdenau'n,

Damit die Menschen wieder

Nach oben könnten schaun,

Damit die armen Wichte,

Von Wahn und Trug umstrickt,

Aufschauten nach dem Lichte,

Woraus die Gottheit blickt.

 

O König aller Liebe,

O Glanz des höchsten Lichts,

Wenn mir auch gar nichts bliebe,

Gar nichts in diesem Nichts,

Worum die Welt sich reißet,

Du bleibst mein Held und Hort,

Und was auch reißt und spleißet,

Nichts reißt von dir mich fort.

 

So mag denn alles schweben

Im Wechsel hin und her,

Mir ist hinfort gegeben,

Was wechselt nimmermehr:

O Liebe, Licht und Leben!

O süßer Gottesheld!

Du, du bist mir gegeben –

Was frag' ich nach der Welt?

Die Rheinfahrt

 

(Ein Bruchstück.)

 

1851.

 

Wir sind am Bord – Engländer, Amerikaner,

Franzosen, Russen – alles will zum Rhein;

Doch sollten Pelasger, Danaer und Trojaner,

Die ältsten Trümmerhäusler, mit uns sein.

Der irdischen Verschollenheiten Mahner,

Wie Herrlichstes zuletzt als Stein und Bein,

Worüber einsam Krähn und Raben fliegen

Und Käuze wimmern, muß im Staube liegen.

 

Doch du, o Rhein, bleibst frisch in deiner Schöne,

Du brausest jugendfrisch durch Felsgestein,

Nie schwinden deiner Sagen Liedertöne

Um Drachenfels, Rheineck und Hammerstein.

Was kümmert das Vergänglichkeitsgestöhne

Unsterbliche? Was dich, ob Stein und Bein

Dereinst als Staub in alle Winde fliegen,

Solange deine Quellen nicht versiegen?

 

Und wir? Zerbröckelt uns an Trümmersteinen

Und an geborstnen Türmen heut der Mut?

Erlischt uns an der Vorzeit blassen Scheinen

Des Lebens junge, helle Sonnenglut?

Nein, wahrlich nicht zum Stöhnen, Wimmern, Weinen

Schnellt heut der Dampf uns siegreich durch die Flut –

Heißt er des Tages Atem, heißt sein Kämpfer,

So werd' er heute trüber Dämpfe Dämpfer.

 

Wie? Auf dem Strom der Katten und der Franken,

Wo nichts als Stolz und Ruhm und Großheit winkt,

Da webten wir der Trümmer Efeuranken

Um das, was stets als Staub zum Staube sinkt?

Da spönnen wir Gespenster aus Gedanken,

Wodurch das Schwert des Vaters Teuto blinkt,

Worin die Karle, Friedriche, Ottonen

Zur Höhe weisen, wo die Höchsten thronen?

 

Frischauf! Auf zum Lebendigen von dem Toten!

Von toten Steinen zum lebendigen Stein!

Von bleicher Vorzeit Schatten zu den roten

Gebilden, rot im Jugendsonnenschein!

Ha! Wird nicht Jugendglanz dem Blick geboten?

Der frische Glanz vom Ehrenbreitenstein?

Nein, weg von diesem mächtigen Felsgesteine!

Weg in die kleine Lahn vom mächtigen Rheine!

 

Auf! In die Lahn! Vom Tode hin zum Leben!

Von toten Steinen zum lebendigen Stein,

Nach Nassau auf, wo heilige Geister schweben,

Die deutschen Geister vom lebendigen Stein!

Mit aller deiner Schöne, deinen Reben

Und Wassern hast du einen, stolzer Rhein,

Nur einen, der dem Manne sondergleichen,

Dem Sohn der kleinen Lahn sich könnte gleichen?

 

Wir stehn in seinem Tal, auf seinen Bergen,

Wir rufen: Sprich das Wort, erhabner Geist,

Das Wort des Fluchs den Schelmen und den Schergen,

Wodurch die Welt um deutschen Raub sich reißt,

Wodurch man deutsche Ehre, wie aus Särgen

Den Leichenmoder, durcheinander schmeißt –

Sprich, Hoher! – Du verstandest zu zerschmettern –

Du Donnrer, rede heut aus Donnerwettern!

 

Komm nieder, laß es schallen, hoher Sprecher!

Von deinen Sternen komm herab ins Tal!

Du Ehrenzünder, komm! Du Schandebrecher,

Komm mit dem allerschwersten Donnerstrahl!

Des Vaterlandes Mahner, Warner, Rächer,

Auf deutscher Erde rede noch einmal:

Wo Kleinste um das Größte sich befehden,

Da sprich zu uns in lautsten Himmelsreden!

 

Wohin? Zwar sind die Donner Gottessprüche,

Vielleicht auch Geistersprüche – doch wohin?

Wir flehen aus dem Jammer unsrer Brüche

Und Wunden, wissend kaum, woher, wohin.

Der Mann des Zorns war Stein, doch nicht der Flüche,

Trug in der stärksten Brust den frommsten Sinn,

Der Mann, im Glauben mächtig und im Beten,

Vor Könige stolz und still vor Gott zu treten.

 

Drum könnt ihr beten, betet hier um Segen,

Um Segen bittet den erhabnen Geist,

Der über unserm Weh auf Sternenwegen

Mit allen guten Geistern selig kreist,

Der allen Geistern, die sich unten regen

In tapfrer Kraft, die deutsche Losung weist:

Seid stark im Lieben, werdet schwach im Hassen!

So wird Gott seine Deutschen nicht verlassen.

Die deutschen auswandernden Krieger

 

1851.

 

O mein Deutschland, will dein Jammer

Breiter, täglich breiter werden?

Finden deine besten Söhne

Keinen Platz auf deutscher Erden?

Klingt der bittre Fluch des Flüchtlings

Durch der Angeln Land und Hessen?

Wird so deutsche Lieb' und Treue

Deinen Tapfern zugemessen?

 

Jammer, den kein Lied kann singen!

Unheil, das kein Wort kann fassen!

Also müssen deine Streiter,

Kampfs- und glücks- und landsverlassen,

Nach Utopien, nach Brasilien

Bettelnd durch die Länder streichen?

Ihre nackten Ehrennarben

Zeigen als ein deutsches Zeichen?

 

Ihr von Siebzehnhundertachtzig

Kassellieder, Stuttgartlieder,

Ihr des Aspergskerkersängers

Alte Lieder, tönt ihr wieder?

Die bei Saratoga fielen,

Die die Mohrensonn' verbrannte,

Werden sie uns heute wieder

Neugeborne, Neugenannte?

 

Heute Achtzehnhundertfünfzig

Hessen, Angeln, Sachsen, Friesen

Laufen in die Welt des Elends

Ehr- und glücks- und landsverwiesen?

Ob dem Jammer bricht das Wort ab,

Wo die Ehre will zerbrechen –

Wo der Helfer? Wo der Rächer,

Solche grimme Schmach zu rächen?

 

Still! Es rufet: Du sollst beten,

Christ, sollst glauben, lieben, hoffen;

Sperrt sich dir die deutsche Welt auch,

Ewig steht der Himmel offen.

Drum laß alles durcheinander

Fallen, stürzen, krachen, brechen,

Droben, glaube, waltet einer,

Der wird letztes Urteil sprechen.

Zaunkönig

 

1852.

 

Zaunkönig, kleinstes Vögelein,

Wie fliegst du einsam und allein?

Was baust du vor dem Maienwest

Dein traurig kaltes Winternest,

In stillster Eck', im kahlen Strauch

Ganz wider jeden Vogelbrauch?

 

Das Vöglein spricht: »Leicht wird gefragt,

Doch Antwort oft mit Not gesagt;

Denn altes Leid und altes Glück

Schaut hinter sich nicht gern zurück.

Wohl tausend Jahr' und noch viel mehr

Ist Antwort und Geschichte her –

Viel tausend Jahre – Wonnezeit!

Da trug Zaunkönig Königskleid,

Goldkronen goldner tausendmal,

Als feinstes Gold im Sonnenstrahl;

Im Fluge und Gesang voran

War er der Vögel Vordermann,

So klein, so golden doch und groß

Saß er dem Glück und Ruhm im Schoß.

Doch zu viel Glück tut selten gut

Und schwellt den grünen Übermut.

So ging es auch dem Vögelein:

Es wollte was Besondres sein;

Ein Ausderspur und ein Fürsich

Hielt's einen gar selbsteignen Strich

Und macht' in stolzer Phantasei

Von Gott und von Natur sich frei,

Wollt' gar im Winter Nester baun.

 

Als das die andern Vögel schaun,

Beginnt Verwundern, Schrein und Graun

Ob solchem unerhörten Stolz,

Und wie die Glut aus dürrem Holz

Schlägt aus dem Graun der Zorn herauf.

Drob rufet alles Volk zuhauf

Der Federträger ein Prophet

Und Seher, stark vom Geist durchweht –

Der Rabe führt und nimmt das Wort.

Er schreit: ›Fort mit dem Frevler! Fort!‹

Er ruft dreimal: ›Schafft ab! Schafft ab!

Was lockt des Himmels Fluch herab!

Fort mit dem kleinen Übermut,

Der sich Gott gleich gebärden tut,

Als hätt' er's Wetter in der Hand!

Er werd' aus unserm Volk verbannt,

Der eitle Geck, der Schneephantast,

Der seines Volkes Sitten haßt –

Man haue Acht und Aberacht

Dem, der vorm Lenz den Frühling macht!‹

 

So ward's. Ich armes Vögelein

Muß drum noch heute einsam sein,

Im kalten Winter, wo andre ruhn,

Als hätt' ich vollen Frühling, tun,

Tragen Moos und Gras fürs öde Nest,

Wo mich der Nord mit Schnee umbläst;

Einsam allein bis diesen Tag

Verbüß' ich, was der Ahn verbrach.«

 

Was meinet diese Kindermär?

Sie schlägt und bohrt mit scharfem Speer

Und spricht: »Mach' dir nicht selbst was weis,

Halt hübsch das eingefahrne Gleis,

Hänge jeden überschwenglichen Traum

An den ersten besten Galgenbaum:

Denn stets jagt Acht und Aberacht

Den, der vorm Lenz den Frühling macht.«

Jesusgebet

 

1853.

 

Ich glaub' an dich, du höchster Geist,

Der Liebe ist und Liebe heißt,

Der ganz aus Gott geboren ist,

Ich glaub' an dich, Herr Jesus Christ.

 

Ich glaub' an dich, du klarster Geist,

Der mir den Weg zum Himmel weist,

Auf grader Bahn zum hellsten Ziel

Aus diesem trüben Erdenspiel.

 

Du reinster Abglanz reinsten Lichts,

O leuchte durch die Nacht des Nichts,

Durch ihrer Wirren Lügenschein

Mir himmelwärts und himmelein.

 

Du, mein Woher und mein Wohin,

Was ich gewesen, was ich bin,

Was ich durch dich, mein Heil, soll sein,

Das leuchte mir ins Herz hinein.

 

Dann bin ich bei dir und in dir,

Dann hab' ich schon den Himmel hier:

Es lebt, umstrahlt von sel'gem Licht,

Wer Jesus Christ im Glauben spricht.

Nachklang aus 1848-49

 

1853.

 

Und fragst du noch nach deutschen Straßen?

Es weist dir keiner Weg noch Steg,

Die hellen Töne sind verblasen,

Dumpf schallt und hallt es: Alles weg!

Wie Glockenläuten hinter Toten

Klingt's aus dem deutschen Eichenhain,

Die Weißen läuten mit den Roten

Unisono hier überein.

 

Ja, weg mit allen Jubelklängen

Vom großen, jungen, deutschen Jahr!

Weg mit den Vaterlandsgesängen

Vom stolzen deutschen Doppelaar!

Sein Fliegen ward zum Eulenflattern,

Er zog die hohen Flügel ein,

Bald hört man ihn die Gans beschnattern

Und Kräh' und Sperling ihn beschrein.

 

Doch schien's ein Jahr voll Mut und Leben,

Der Weissagung, der Hoffnung Jahr;

Als hätt's auf einmal Gott gegeben,

Ward alles allen plötzlich klar;

Als könnten Stein' und Beine sprechen,

Klang aus dem Zauberstein Getön:

Der Kaiserschlummer werde brechen,

Der Barbarossa auferstehn.

 

Kam er? Sie sind zu leicht erfunden,

Die ihm gerufen und geschrien.

Er liegt bis heute fest gebunden –

So spricht der stumme Stein für ihn:

»Wie? Wagt ihr mir den Schlaf zu strafen

In eurer feigen Ungeduld?

Wißt, weil ihr schnarchet, muß ich schlafen –

Straft eurer eignen Faulheit Schuld.«

Rausche durch den Wald

 

1853.

 

Rausche durch den Wald, rausche durch das Herz,

Tränenzorn, du frischer Lebenswind!

Schweige nicht das Wort, schweige nicht den Schmerz,

Rausche, du des Muts erstgebornes Kind!

 

Rausche, brause frisch! Klinge, schalle kühn!

Kühner, weil der Feigheit Pestilenz,

Deutsche Pest, uns leirt Welken und Verblühn,

Winterfrost und Tod vor dem deutschen Lenz.

 

»Wo ist Babel heut? Wo das alte Rom?

Welche Fahnen wehn heut vom Kapitol?

Wie kein Tropfen fließt je hinauf den Strom,

Find't erloschner Stern nimmer neuen Pol.«

 

Leiertest du so mit, verschneiter Greis?

Tod und Nacht, die deutsche Greisennacht,

Weil kein Kaiser kommt, welcher weist und weiß,

Was den deutschen Mut stark und fröhlich macht?

 

Feiger Memmen Klang tönest du so nach,

Weiberhoffen, Weiberzagen nach,

Weil noch immer kein Adlerflügelschlag

Klingt den langen Schlaf Barbarossas wach?

 

Nicht also mit dir! Nimm dir deutschen Schwung,

Deutscher! Nimm einmal dir den deutschen Stolz

Für dein großes Volk, unter Greisen jung,

Grün wie seines Waldes grünstes Eichenholz.

 

Nicht also mit dir! Rausche durch den Wald!

Rausche, brause, Zorn, durch Stein und Bein!

Brause, deutscher Mut, Gottes Zorngewalt!

Greif die Adler dir, laß die Krähen schrein.

 

Sonntagslied

 

1853.

 

Es ist Sonntag und ist stille

Von allem wilden Tun,

Es ist des Höchsten Wille,

Heut soll die Arbeit ruhn,

Aus allem wirren Leben

Und aus Mühseligkeit

Soll heut der Mensch sich heben

Zu Gott, zur Ewigkeit.

 

O größter Held der Gnaden,

O süßer Jesus Christ,

Durch den die Welt geladen

Zur Himmelsfreude ist,

Hilf, hilf uns aus den Schmerzen

Der armen Zeitlichkeit!

Hilf! Hebe du die Herzen

Zu Gott, zur Ewigkeit!

 

O hilf uns! Hilf verstehen,

Du süßer Jesus Christ,

Warum du aus den Höhen

Des Himmels kommen bist,

Durch deine Liebesminne,

Durch dein Versöhnungswort

Schleuß Geister auf und Sinne

Heut für den Heimatsort.

 

Was fromme Seelen weisen,

Durchweht von Geisteswehn,

Wovor die größten Weisen

Anbetend stille stehn,

Das Heimatland der Sterne,

Der Geister Lebenslauf,

Schleuß diese sel'ge Ferne,

Schleuß, Heiland, sie uns auf.

 

Was Menschenangesichter

Nicht schauen noch verstehn,

Das können, Licht der Lichter,

Allein durch dich wir sehn –

O dahin lehr' uns schauen,

Vom Erdenstaub zum Licht,

Gib Glauben, gib Vertrauen,

Gib Himmelszuversicht.

 

Es steht uns ja gerichtet

Das Aug' zum Himmelsglanz,

Und wird's von dir gelichtet,

So schaut's den Himmel ganz;

Und ist das Herz befreiet

Durch dich von Erdengier,

So stehn wir recht geweihet

Zur Sonntagsfreud' vor dir.

Trost in Gott

 

1854.

 

Und willst du gar verzagen,

Du armes Menschenherz,

In Sorgen, Ängsten, Klagen,

Im feigen Erdenschmerz?

Und missest du nach Spannen

Dein kurzes Glück und Leid,

Das rinnt geschwinde dannen

Ins Meer der Ewigkeit.

 

Nach oben mußt du sehen,

Hier unten findst du's nicht,

Nur in den Himmelshöhen,

Nur da ist Trost und Licht;

Was hier die Stunden bringen,

Macht Mut der Stärksten scheu,

Von oben muß dir klingen

Der Klang von Gottes Treu'.

 

Vom hohen Sterngewölbe

Herab erklingt der Klang:

Stets gleich und stets derselbe

Bleibt Gottes Weltengang;

Dort in der heitern Bläue,

Dort steht die feste Welt,

Dort Gott der Ewigtreue,

Der alles wohl bestellt.

 

Am hohen Sterngewölbe

Da strahlt in Sternenschrift

Der Gleiche und derselbe,

Den nimmer Wechsel trifft:

Daß sich der Glaube freue,

Daß zittre Lug und Spott,

Strahlt dort der ewigtreue,

Der gute, fromme Gott.

 

Dahin! Da ist dein Himmel,

Da ist dein Heimatland,

Das dir im Erdgewimmel

Verdunkeln Leid und Tand,

Da klingen Wunderklänge,

Die machen frisch und neu,

Da klingen die Gesänge

Von Gottes Lieb' und Treu'.

 

Dahin! Dahin! Und lerne,

Was so herniederklingt

Und auf dem höchsten Sterne

Das Heilig! Heilig! singt,

Dann wird dir stets aufs neue

Aufgehn sein Gnadenschein,

Er selbst, der Ewigtreue,

Mit, in und bei dir sein.

Lebensbescheid

 

1854.

 

Wieviel tausend Sonnen und Regenbogen

Sind an dir und über dich hingezogen!

Wieviel tausend Scherz und Schmerz!

Sprich ein Wort, du altes, krankes Herz.

 

Scherz und Schmerz? Wer mag hier wägen und scheiden?

Frage rundum bei weisesten Christen und Heiden,

Frage rund, vernimm den Klang,

Wie ihn schon Homer und David sang.

 

Soweit Menschen hier blühen und verblühen,

Leuchten die Sterne gleich über Freuden und Mühen –

Wer spricht hier den letzten Spruch?

Wiss', ich hatte beides übergnug.

 

Glücklich jedoch im ältsten Kinderglauben

Fliegen aus meiner Arche Raben und Tauben

Aus in die wilde Lebensflut,

Bringen im Schnabel: Gott macht alles gut.

 

Und glückselig solcher Tauben und Raben

Und des Blattes, das sie im Schnabel haben,

Ruft den Spruch das alte Herz:

Auf der Wage überwog der Scherz.

Gottes Geist

 

1854.

 

O Gottes Geist und Christi Geist,

Der uns den Weg zum Himmel weist,

Der uns die dunkle Erdennacht

Durch seine Lichter helle macht.

 

Du Hauch, der durch das Weltall weht

Als Gottes stille Majestät,

Du, aller Lichter reinstes Licht,

Erleucht' uns Herz und Angesicht.

 

Komm, leuchte mit dem Gnadenschein

Hell in die weite Welt hinein,

Komm, mach' uns in der Finsternis

Des lichten Himmelswegs gewiß.

 

Ach! Hier ist alles Staub und Nacht,

Die Wahn und Sünde trübe macht,

Ach! Hier ist alles Not und Tod,

Geht uns nicht auf dein Morgenrot.

 

Das Morgenrot der bessern Welt,

Das wie ein Strahl vom Himmel fällt,

Als Gottes Macht und Gottes Lust

Durchblitzt die kranke Menschenbrust.

 

O Gottes Geist und Christi Geist,

Der uns wie Kinder beten heißt,

Der uns wie Kinder glauben heißt,

O komm! o komm, du Heil'ger Geist!

 

Komm, Gottes Frieden, Gottes Mut!

Komm, stille Kraft, die nimmer ruht!

Komm, gieße deinen Gnadenschein

In Seele, Sinn und Herz mir ein.

 

Dann wandl' ich wie ein Kind des Lichts

Im Glanze deines Angesichts

Schon meinen kurzen Erdenlauf

Stets himmelein und himmelauf.

Zur Fahnenweihe des Bonner Veteranenvereins

 

1854.

 

Dies wolle Gott im Himmel walten,

Der jedes gute Werk regiert!

Hier stehn wir halbzerrißnen Alten

In frischer Reihe aufmarschiert;

Gebete gehn zur Himmelsbläue,

Wir feiern heut ein großes Fest,

Ein schönstes Fest, ein Fest der Treue:

Wir nageln unsre Fahne fest.

 

Dies meint nicht Treue festzunageln –

Die muß durch Gott gefestet sein,

Daß, wann die Schlachtenwetter hageln

Und Blei und Eisen niederspein,

Die Fahne fliege als ein Zeichen,

Der Ehre Pfand, der Treue Pfand,

Daß in dem Kampf kein Mann will weichen

Für König, Gott und Vaterland.

 

So stehen wir, die Veteranen,

Wie uns die Treue hergebot,

Und denken an zerschoßne Fahnen

Und tapfrer Kameraden Tod,

An heiße Tage, schwere Wunden,

Wo Schlachtendunkel uns umzog,

Doch auch an manche Freudenstunden,

Wo Preußens Adler oben flog.

 

So stehn wir hier, die Veteranen,

Als rief es: Vorwärts! Nehmt's Gewehr!

Vor allen denkt man heut der Ahnen,

Der Heldengeister heut im Heer,

Der höchsten, hellsten Siegesblitze –

Ihr Name klingt Unsterblichkeit –

Der Friedrich Wilhelme, der Fritze;

Durch sie sei unser Tuch geweiht!

 

So stehn wir hier, die Veteranen,

Und viele fallen uns noch ein,

Die leuchten auch als Preußens Ahnen –

Sie schaun auf unser Fest mit ein –

Schwerin und Seidlitz, Zieten, Blücher –

Wer zählte alle Helden her,

Die füllen die Geschichtenbücher

Mit schönster deutscher Siegesmär?

 

Und nun das höchste Hoch der Alten!

Zum Himmel steige das Gebet!

Wir wollen feste Treue halten,

Wo diese Fahne vor uns weht;

Und muß sie einst im Felde fliegen

Den stolzen Preußenadlerflug,

So bleibe Fallen oder Siegen

Der Veteranen Ehrenspruch.

Ermunterung

 

1855.

 

Willst du sinken, nichts als sinken,

Armes, krankes Menschenherz?

Immer nur den Becher trinken,

Den dir füllet Sorg' und Schmerz?

Immer alles nur in grauen,

Schwarzen Erdenfarben sehn?

Lerne doch nach oben schauen,

Wo die heitern Sterne gehn.

 

Dahin schau'! Da ist dein Eigen,

Da dein altes Heimatland;

Dahin schau'! Und lerne steigen

Aus dem dürren Erdensand,

Aus dem trüben Nebelstaube –

Nimm den Flug und zittre nicht,

Glaube, was der Christenglaube

Bald zweitausend Jahre spricht.

 

Da hinauf! Da ist dein Streiter,

Vor dem Not und Tod zerfällt,

Dahin schau'! Und hell und heiter

Blüht dir wieder Gottes Welt –

Schaue, schau' auf diesen Einen:

Immer steht der Held bereit,

Der sein Himmelreich läßt scheinen

Auf dein kurzes Erdenleid.

 

Ja, auf diesen Einen, deinen

Heiland, schaue, halte fest

An dem Einen, der die Seinen

Nun und nimmermehr verläßt;

Aus ihn sollst allein du schauen,

Der vom Himmel niederkam,

Der hinweg des Todes Grauen

Und der Hölle Schrecken nahm.

 

Schaue! Suche! Du wirst finden,

Halt, was du gefunden hast,

Und so gib den leichten Winden

Alle schwere Erdenlast

Mutig! Denn der höchste Sieger

Schreitet dir im Streit voran,

Und die Losung tönt dem Krieger:

Sei ein Christ und steh als Mann!

Abschiedslied

 

1855.

 

Schon dunkeln meine Lebenstage

Sich tief hinab zum Abendschein,

Und ernster fragt die große Frage:

Was bist du? Sprich: Was wirst du sein?

Wie löst das Rätsel deines Lebens

Sich hinter deinem Grabe auf?

War all dein Streben nicht vergebens?

War eitel Irrlauf nicht dein Lauf?

 

Jawohl, die letzten Glockenschläge,

Der letzte Strahl des Abendlichts,

Was klingen sie im Busen rege?

Was leuchtet er aus deinem Nichts?

Was melden deiner Augen Tränen?

Was wird im kranken Herzen wach?

O all dein Irren, Träumen, Sehnen,

Des Lebens langes Weh und Ach.

 

So ist's: Mit Düsternis umhangen

Wie oft war dir die wunde Brust,

Ein Dorn dein Sehnen und Verlangen,

Ein Gift die Süßigkeit der Lust;

Wie mochte sich der Blinde hüten

Auf bunter Täuschung Blumenfeld,

Wie oft die Natter unter Blüten

Den Biß auf ihren Pflücker schnellt?

 

Doch still! Auch lieblich ist verklungen

Dir mancher schöne Erdentag,

Von Gottes Lieb' und Lust durchsungen,

Die tönt Erinnrung fröhlich nach.

Ja, Gott, ich danke für dein Werde!

Fürs Wonnewort: Es werde Licht!

Für deine schöne, grüne Erde

Und all ihr Sonnenangesicht.

 

Ja, Dank dir, Herr, für reiche Freude

Auf schwerstem, längstem Pilgergang.

Es macht des Abends Schlafgeläute

Dem müden Wandrer nimmer bang;

Wie oft er auch auf wüstem Pfade

Von deinem Lichte lief verirrt,

Er weiß, daß deine Huld und Gnade

Ihn nimmermehr verlassen wird.

 

Nein, nimmer! Felsen sind die Worte,

Die Worte dein, Herr Jesus Christ,

Durch welche mir die Himmelspforte

Der Gnade weit geöffnet ist.

Mag dieser Erde Licht verscheinen,

Mag diese Sonne untergehn,

Ich werde selig mit den Deinen

Lobsingend stehn auf höhern Höhn.

 

Ja, süßer Heiland, mit den Deinen,

Sei auch ich unter Kleinsten klein –

Dein Licht wird ewig auf mir scheinen,

Dein Glanz wird ewig bei mir sein.

Hier gilt kein Zagen und kein Fragen,

Hier gilt: Halt fest, den Glauben fest,

Daß Gott nach diesen dunklen Tagen

Dir hellere Sterne scheinen läßt.

Frühlingsruf an den Greis

 

1855.

 

O holder Frühling, lieblicher Mai,

Wie lustig hör' ich noch dein Juchhei!

Die Vögel singen, die Bäche klingen,

Die Kinder und Lämmer zu Felde springen,

Und Kuckuck, Lerch' und Nachtigall

Tönen durcheinander den Freudenschall.

 

Dein Dreimalschelm doch, der Kucku,

Zählt schon mir kürzeste Zahlen zu:

Wie schrie er zu vierzig und fünfzig Malen

Sonst ungefragt mir die langen Zahlen!

Jetzt ruft mit neckischem zwei und drei

Er mir im Fluge: Vorbei! Vorbei!

 

Schrei' er sich heiser mit zwei und drei,

Ich schreie dem fröhlichen Mai Juchhei!

Seinen Abendschimmern und Morgenröten

Seinen Stimmen, die Freude und Liebe flöten.

Mich schreckt kein Kuckucksprophetenschrei,

Sein eins, zwei, drei und sein Vorbei.

 

Drum kling' ich lustig Juchhei! Juchhei!

Auf! Leuchte, Frühling, und jauchze, Mai!

Mich hat vor Gripsgrabbelei und Sorgen

Das fröhliche Sprüchlein vorlängst geborgen:

Auf Leid folgt Freude, auf Winter Mai,

So wandelt Leben und Jahr vorbei.

Trost auf dem Leichenfelde

 

1855.

 

Über Gräbern schaust du in die Welt –

Rede, wo sind alle deine Lieben,

Deine Jugendfreunde all geblieben?

Suche sie im Leichenfeld.

 

Leichenfeld? Jawohl, ein Leichenfeld,

Jeder Erdenfuß tritt hier auf Leichen:

Die Jahrtausende blühen und erbleichen,

Und ein Grabfeld ist die Welt.

 

Grabfeld? Horch'! Des Windes Spiel, der Sand,

Jetzt Gebläs' von kleinsten Würmerzwergen,

Stand einst, Riesenstein, auf Alpenbergen.

Dies der Dinge Übelstand.

 

Ewigkeit, wie saust und braust dein Meer,

Worauf zwischen Särgen, zwischen Wiegen

Die Jahrtausende sich niederwiegen,

Graunvoll rollend hin und her!

 

Du auch, Erde, du mein Mutterland,

Süßer Sehnsucht Land und süßer Lügen,

Wie mit Millionen Flammenzügen

Ziehst und brennst du mich zu Sand!

 

Sei's! Muß alles, was gebar der Staub,

Wieder hier zu Sand und Staub zerstieben,

Meine Lieben all sind mir geblieben;

Denn kein Staub nimmt solchen Raub.

 

Drum nur immer auf dem Leichensand

Festen Muts und Fußes aufgetreten!

Auf des Herzensnordsterns Lichtmagneten

Unverrückt den Blick gewandt!

 

Auf! Empor, wohin dein Stern dir weist!

Schau', wohin die Sonnenadler schweben!

Traue! Denn er winkt unsterblich Leben,

Traue deinen Sonnenvögeln, Geist!

 

Graun, hinweg! Weg alles, was da bebt!

Traue! Glaube! Alle deine Lieben

Stehn im Himmelsbuche eingeschrieben,

Wo sich's ewig liebt und lebt!

Blindes Menschenkind

 

1856.

 

O krankes, blindes Menschenkind,

Wie wehet dich des Tages Wind

Ein steuerloses Schiff im Meer

Auf wilden Wogen hin und her!

 

Vom bunten Schein, der immer log,

Verlockt, du wähnst dich himmelhoch

Und weißt mit aller Kunst und List

Doch nimmer, was und wo du bist.

 

O sei, o werde wieder dein!

Und gleich wird dir gesunder sein;

O kehre bei dir selbst doch ein!

Da leuchtet dir der rechte Schein.

 

Den Schlüssel nimm der linken Brust;

Da liegt dein Schatz von Mut und Lust,

Da schließt dein Glück sich auf und zu:

Das ist dein Selbst, ja das bist du.

 

Da tief geheim liegt der Magnet,

Der ewig unverrücklich steht,

Der Hauch, gehaucht vom höchsten Geist,

Der ewig hin zum Himmel weist.

 

Das ist dein Evangelienbuch,

Das spricht zu dir wie Gottes Spruch,

Dein Angeld auf Unsterblichkeit,

Anweisung auf die Ewigkeit.

 

Das ist der Gottesstrahl und Blitz,

Zermalmend Trug und Lügenblitz,

Der Freudenschein und Schreckenschein,

Der zündend schlägt durch Mark und Bein.

 

Wo diese heil'ge Flamme brennt,

Da brennt das Licht, das Gott erkennt,

Die Heldenkraft, die Männerkraft,

Die Welten denkt und Welten schafft.

 

Da bete an, da kniee hin,

Da stähle frisch dir Herz und Sinn

Und schau' und sieh, ob dein Magnet

Zu seinem Nordpol richtig steht.

Gott hält die Wacht

 

1856.

 

Warum betrübst du dich so sehr,

O Menschenherz, und sinkst im Meer

Des tiefsten Erdenjammers unter?

Schau' auf und werde frisch und munter,

Schau' auf zu Gottes Lieb' und Macht:

Er ist dein Gott, er hält die Wacht.

 

Auf! Aus dem bangen Erdenleid!

Auf! Aus der feigen Zeitlichkeit!

Weg mit dem Grübeln, Sorgen, Grämen

Um eitel Schatten, Scheine, Schemen!

Blick' auf! Gib auf die Höhen acht!

Dort waltet Gott und hält die Wacht.

 

Blick' auf! Gab er dir nicht den Geist,

Der mutig hin nach oben weist,

Zum Lichte hinweist aus dem Dunkeln,

Wo hellere Sterne selig funkeln?

Blick' auf zu dem, der dich gemacht!

Er ist dein Gott und hält die Wacht.

 

Zu ihm blick' auf, zu seinem Sohn,

Der niederstieg vom Himmelsthron,

Erschien, ein milder Stern der Gnaden,

Zu heilen deinen Seelenschaden;

Auf deinen Liebesstern gib acht:

Er und der Vater halten Wacht.

 

Drum auf! Aus kurzer Zeitlichkeit

Schau' auf zur langen Ewigkeit,

Schau' aus dem trüben Erdgewimmel

Empor in deinen lichten Himmel,

Schau' auf zur Weisheit, Lieb' und Macht,

Die halten ewig treue Wacht.

Schlutz aller Lebensverse

 

1856.

 

Könnt' ich Löwenmähnen schütteln

Mit dem Zorn und Mut der Jugend,

Wie gewaltig wollt' ich rütteln

An des Tages blasser Tugend,

An dem Trug der Feigen, Matten –

Wer will ihre Namen nennen?

Die der Väter Heldenschatten

Nur als Leichenschatten kennen.

 

Eisen galt in meinen Tagen.

Horch' ich solchen Stundenweisern,

Hör' ich sagen, fragen, klagen,

Eisern sei ich, übereisern,

Fern sei mir das Los gefallen

Von den edlen Glanzmetallen,

Fern, o fern von jenen allen,

Woraus feine Klänge schallen.

 

Weg vom Silber denn, vom Golde

Hin, wohin die Weiser weisen!

Trage, wie dein Schmied es wollte,

Trage mutig durch dein Eisen!

Preis ihm, der es hart geschmiedet!

Nimmer magst du würdig preisen,

Nimmer, was die Welt befriedet,

Was die Welt erhält, das Eisen.

 

O du Segenglanz des Pfluges!

Gold der Ähren, Gold der Reben!

O du Blitz des Degenzuges,

Dem die Völkerzwinger beben!

Lebenhalter, Ehrenhalter,

Bestes Ding von besten Dingen,

O ich könnte tausend Psalter

Voll von deinen Ehren klingen.

 

Darum Preis dem Rauhen, Harten,

Preis dem Menschenschirmer Eisen!

Mag vom Blanken, Feinen, Zarten

Sich ein andrer Seines preisen,

Kann ich nur ein Fünkchen zählen

In mir echter Männergluten,

Gönn' ich gern den weichen Seelen

Volle Weibersehnsuchtsfluten.

Erinnerungsbilder

 

1856.

 

Her mit deinen Helden, wenn auch in nuce!

Heut sollst du mir deine Sehrmänner nennen,

Die vor dir in gloriosissima luce,

Im Ruhmessonnenschein leuchten und brennen.

Frostwetter ist es, daß Gott erbarm'!

Wir sind an Taten und Ehren arm.

 

Den Größten zuerst – das Wörtlein der Größte

Verpufft mich billig, doch wie dem sei,

Dem Deutschen bleibt der Beste der Größte,

Der Treueste Beste – das bleibt dabei.

Solchen Ehrenspruch begreint mir kein Hohn:

Der Beste war Scharnhorst, der Bauersohn.

 

Den Edelsten jetzt – O Edel! Hochedel!

Wort, das von göttlichen Flammen sprüht!

Vernimm, nie hat's unter menschlichem Schädel,

In menschlichem Herzen nie stolzer geglüht,

Geglühet, geblühet auf deutscher Au

Als im Ritterglanze, im Gneisenau.

 

Den Hellsten – Lieber, hier werd' ich ein Blinder,

Licht suchend unter so strahlenden Lichtern.

Du meinst der Schlachten Treffer und Finder,

Das hellste Aug' von den hellen Gesichtern.

Da schaute vor vielen mit Adlerblick

Der Grolman des wogenden Kampfs Geschick.

 

Den Frommsten – O fröhliches Heldengewimmel!

Wie sind da die Tausende betend gezogen!

Wie sind da die Fahnen und Herzen zum Himmel

In Gottes Hoffnung und Wonne geflogen!

Der Löwe Hiller. Glückseliger Mann,

Wer solchem gleich fechten und beten kann!

 

Den Stillsten – Was meinest du wohl mit dem Stillen?

Eine Frage fast hoch über meinem Erreich.

Ich meine, du meinest den tapfersten Willen:

Solcher Stillen ist Erdreich und Himmelreich –

So merke die Wörter Hell, Frei und Treu,

Darin sitzt der Boyen, der stille Leu.

 

Den Mutigsten – Dornigste Frage der Fragen,

In Deutschland zu fragen nach mutigstem Mut.

Mut war ja von allerältesten Tagen

Ein eigenstes, allerdeutschestes Gut –

Doch der nimmer und vor nichts sich gefürchtet, voran

Stehe hier der Blücher, der deutscheste Mann.

 

Den Stärksten – O der Starke der Starken,

Der herrlich schließet den Heldenreihn,

Der Gewaltigste war in des Vaterlands Marken,

Der Stärkste der unzerbrechliche Stein.

Solange klinget von deutschen Lippen Gesang,

Wird klingen des mächtigen Namens Klang.

Der Dämon des Sokrates

 

1856.

 

Sokrates, der große Geisteskämpfer,

Hatte einen Flüstrer und Erreger,

Einen Weiser, Leiter, Halter, Dämpfer

Und auch Diener und Laternenträger,

Wo es galt durch Finsternis zu wanken.

Dieser Ohrenflüstrer, Haucher, Lauscher,

Aller seiner Triebe und Gedanken

Kluger Mitdurchsprecher, Gegentauscher

Galt ihm, wie uns andern das Gewissen;

Dämon schalt er ihn und all sein Wissen,

All sein Ahnen, Lieben, Denken, Wollen –

Wie in uns auch Geisterchen sich rollen –

Schob er diesem Führer zu und Folger.

 

Ach! ruft jeder, lebt noch wo ein solcher?

Sind sie denn erloschen, jene Sterne,

Woher solche Folger Menschen kamen?

O ihr Gaffer, Greifer in die Ferne!

Könnt ihr des Begleiters kurzen Namen,

Jenes weisen, gottgeweihten Griechen,

Euch in gutes Deutsch nicht übersetzen?

Müsset durch den Hochmut doppelt siechen?

Drum herunter von den hohen Stufen!

Auf die Bank der Schüler mit der Fibel!

Dort wird auch der Kleinste lachend rufen:

Das war ja der Engel aus der Bibel.

Klinglied

 

1856.

 

Zum Himmel auf! Doch du bist mitten drinnen,

Dein Bällchen Erde rollt mit Gottes Sonnen.

Ach! wärest du so mitten in den Wonnen

Des höchsten Lichts mit allen deinen Sinnen!

 

Denn wieviel Nichts, was wir hienieden spinnen!

Was wir als Schönstes wähnen, wann gesponnen!

Wir schauen auf – zerstoben und zerronnen

Fliegt, fliegt's mit deinem Wahn wie Spreu dir hinnen.

 

Drum auf zum Himmel! laß zur Erde sinken

All deinen Stolz, woran noch Erde hanget,

All deinen bunten blanken Maulwurfshügel.

 

Denn sollen Gottes Sterne in dir blinken,

So rufe: Weg! hinab! was irdisch pranget!

So wachsen nur zum Himmelsflug die Flügel.

An die Freunde Friedrich Dahlmann und Friedrich Welcker

 

1856.

 

Seid gegrüßt, ihr treuen Alten,

Die dem alten Gott vertraun,

Durch des Altertums Gestalten

Hin auf neue Schöpfung schaun.

 

Her die Hände auf den Glauben,

Der sein Halte fest! uns schreibt

Und, wieviel auch Narren schnauben,

Doch der Ewiggleiche bleibt.

 

Vaterland und Freiheit haben

Wir in stillem Streit gesucht,

Wollten nicht, daß Krähn und Raben

Frech bekrächzen Adlerflucht.

 

Haben auf die Adlersiege

Fest gehofft und treu geglaubt,

Doch fiel in dem schweren Kriege

Mancher Tropfen Schweiß vom Haupt.

 

Und so schaun trotz feiger Tadler

Und trotz feiler Knechte Witz

Wir von fern den deutschen Adler

Mit dem alten Donnerblitz.

 

Ja, schon saust es und wird kommen –

Deutschland, süßes Vaterland!

Alle Tapfern, Treuen, Frommen

Sind dem Wetter zugewandt.

 

Schrei' der Pöbelschwarm sich heiser,

Was sich fern zusammenballt,

Aus dem blitzt der Donnerweiser

Neuen Lebens Lichtgestalt.

Der Weihnachtsbaum

 

1856.

 

Prangst du, schöner Weihnachtsbaum,

Meiner Kindheit goldner Traum?

Strahlst du, süßes Himmelslicht,

Das die Heidenwelt durchbricht?

Bist du, Sehnsucht aller Frommen,

Heut zur Welt herabgekommen?

 

Ja, es kam ein Kindlein klein,

Daß wir sollten selig sein:

Denn aus diesem Kindlein klein

Glänzte heller Gottesschein,

Engel klangen Jubellieder

Auf die dunkle Erde nieder.

 

Herrlich ging der Morgenstern

Alles Lichtes auf vom Herrn.

Über alle Welten weit

Jauchzt und klingt und singt es heut

Hell aus Millionen Seelen,

Was die Engel sich erzählen.

 

Schau', mein Herz, schau' fromm und still,

Was der Baum dir sagen will:

Daß der süße Jesus Christ

Heut zu uns gekommen ist,

Daß, dem alle Engel dienen,

Als dein Bruder ist erschienen.

 

Bete, schaue fromm und still,

Was der Baum dir sagen will:

Hell wie dieses Tages Schein,

Hoch und hell und klar und rein

Soll der Christen fröhlich Leben

Von der Erd' zum Himmel schweben.

Karl Vollertsen, des Schleswigers, Grab

 

1857.

 

Einen Biedermann deckt dieser Sand,

Der fiel fürs liebe Vaterland.

Als aus Osten die Kriegstrompete blies,

Da nahm er freudig Schwert und Spieß,

Es galt die Zwinger zu vertreiben:

Da konnt' er nicht zu Hause bleiben.

 

Da rief er seinem tapfern Sohn:

Komm! Komm! Uns sprechen die Dänen Hohn,

Das leiden wir nun und nimmermehr!

So haben beide gegriffen zur Wehr,

Doch nur der Sohn ist wiedergekommen,

Den Vater hat eine Kugel genommen.

 

Einen Biedermann deckt dieser Sand,

Der fiel fürs liebe Vaterland.

Steh, Anglerjüngling, steh hier still,

Horch', was sein Geist dir sagen will.

Er ruft: Streut Blumen, vergießt nicht Tränen,

Und auch: Vergesset nicht die Dänen!

 

Einen Biedermann deckt dieser Sand,

Karl Vollertsen war er genannt.

Er war gegossen aus vollem Erz,

Aus vollem Männerstahl sein Herz.

Das ruft: Streut Blumen, vergießt nicht Tränen,

Doch auch: Vergesset nicht die Dänen!

 

Steh fromm vor dieses Grabes Mal.

Solange die Sonne geht zu Berg und Tal,

Solange schlägt ein treues, deutsches Herz

Und Hoffnung blicket himmelwärts,

Ruft Vollertsen: Streut mir Blumen, nicht Tränen,

Doch auch: Vergesset nicht die Dänen!

Die rechte Versenkung

 

1857.

 

Hinein mit vollen Segeln in den Sturm!

Es denkt an mögliche Kometenschwenkung,

Die Land und Meer wegfegt und Sonnenschein,

Auf seinem grünen Grashalm kaum der Wurm –

Hinein denn, Kämpe Mensch, da voll hinein!

Dann steige wieder bei dir selber ein,

Hinein in deine tiefste Selbstversenkung,

In Platons Abgrund mutig dann hinein!

Da schaust du in dem wilden Weltengraus

Mit Götterblicken aus dir selbst heraus,

Da schaust du rechte Lenkung, rechte Schwenkung,

Da klingt aus stillster, innerster Bedenkung

Dein großes Ja, vernichtend jedes Nein:

Du bist, du bist gewesen, du wirst sein.

Worte, gesprochen an Schills Grabe in Stralsund zur halbhundertjährigen Gedächtnisfeier seines Todes, am 31. Mai 1859

 

Wir kommen heut getreten,

Du tapfre Sundia,

Zu wünschen und zu beten;

Zu beten ist immer da:

Schon wieder listen die Welschen

In weiter Welt herum,

Zu verkehren und zu fälschen

Deutsch Evangelium:

 

Evangelium der Treue,

Die beste deutsche Macht,

Die täglich wieder neue

Und frische Herzen macht:

Die Macht, worauf wir stehen

Und stehen ganz allein,

Die Macht, der in den Höhen

Der Herr will Helfer sein.

 

Bei dir ist viel zu melden

Von alter Sachsenkraft,

Deine Bürger waren Helden

Mit Schwert und Lanzenschaft,

Es mußt' an deinen Wällen,

Wie stolz er lief daran,

Der Wallenstein zerschellen,

Der allgewaltige Mann.

 

Die ritterlichen Namen,

Die dich als Braut gewollt

Und um dich werben kamen,

Die Fahnen aufgerollt,

Wer mag sie heute nennen,

Die stolze Heldenzahl,

Die herrlich leuchtend brennen

In deinem Wappenstrahl1?

 

Viel reiche Ruhmesgarben

Fuhrst weiland du dir ein;

Die buhlend um dich warben,

Schwer ließest du sie ein;

Zuletzt ist einer der Frommen

In böser welscher Zeit

In deine Mauern gekommen.

Sein Name klinge heut!

 

Ja, als die Wucht von Schanden

Den Nacken Deutschlands bog,

Ist einer aufgestanden,

Der stolz den Degen zog;

Als viele wie Memmen erblichen

Und kuschten feig und still,

Ist dieser nicht ausgewichen.

Sein Name klinget Schill.

 

Er ruht an deinem Strande,

Du edle Strahlenstadt,

Umgerollt im Vaterlande

Ist glücklich der Zeiten Rad:

Über dem die Welschen riefen:

Verscharrt ihn wie einen Hund!

Den grüßen heut aus Herzenstiefen

Die Männer am Stralensund.

 

Drum wollen wir fröhlich treten

Heut an des Helden Gruft

Und fromm für jeden beten,

Der Nieder Welschland! ruft;

Wer nichts als deutsche Sache

Und deutsche Freiheit will,

Ruft Nieder, welscher Drache!

Ruft Hoch der deutsche Schill!

Fußnoten

 

1 Stralsund führt einen Strahl (Pfeil) im Wappen, gleichsam schon Geburtszeichen seiner kriegerischen Geschicke. Kriegsspiel in und um sie gespielt haben außer dem Wallenstein Gustav Adolf, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, Karl der Zwölfte und Leopold der Dessauer.

 

 

Verse zur Begleitung des Schillschen

Ewig, Mensch, sollst du das loben,

Was die Erdennot besiegt

Und im stolzen Flug nach oben

Mit des Geistes Flügeln fliegt,

Was mit hochgebornen Seelen

Um die stolze Freiheit wirbt

Und nicht rechnen kann und zählen,

Wo sich's ehrlich lebt und stirbt.

Fliegende Erinnerungsblättchen. Denksprüche, Erinnerungsblätter

 

1.

Eines reinen Auges Klarheit,

Eines tapfern Mundes Wahrheit,

Einer treuen Rechte Schwur –

Diese drei geweihten Dinge

Heben hoch zum Sonnenringe

Aus der Nacht der Erdenflur.

 

Doch auf Erden sollst du weilen,

Streiche mit den Düstern teilen,

Deren Banner Lüge bläht.

Hier gilt's Licht und Recht zu wahren

Und den Gott zu offenbaren,

Der aus Menschennüstern weht.

 

Deine Erde sollst du tragen

Und dich mit dem Geist zerschlagen,

Der die finstern Fahnen schwellt,

Jene drei geweihten Dinge

Sind die diamantne Klinge,

Durch die Lug und Teufel fällt.

2.

 

Hell Gesicht bei bösen Dingen

Und bei frohen still und ernst –

Und gar viel wirst du vollbringen,

Wenn du dies beizeiten lernst.

3.

 

Bei dem Schwanze fängt nicht an,

Wer des Dinges Kopf will fassen;

Wer nach oben will als Mann,

Muß das Kriechen unten lassen.

4.

 

Klopf' immer frisch nur an die linke Brust.

Die weiß Geheimnis, was nur Gott gewußt.

In Nebeln fliegt dahin der Witz der Weisen,

Die dir die Fahrt nach anderm Kompaß weisen:

Trau' dem Magnet, den Gott der Herr dir setzte,

Er bleibe dir das Erste und das Letzte.

5.

 

Wer sich des Muts erkühnt zu singen und zu klagen

Dein Weh, o Vaterland, dein Weh, o Menschenherz,

Wer die Lawine wälzt der Schicksalsrätselfragen,

Bald fliegend himmelauf, bald stürzend höllenwärts,

Der horche nimmer auf, wo Späne von Philistern,

Mit schalem Spott bespritzt, durch Himmelsflammen knistern.

6.

 

Wer edel sich erkühnt und stark zu sein,

Der rüste sich für Schicksalsdonnerschläge;

Gerecht mißt Gott Hoch, Niedrig, Groß und Klein –

Das wisse, danach wähle dir die Wege.

7.

 

Wie das Leben auch rollt,

Ob kreuz oder quer,

Was voll du gewollt,

Das streu' nicht umher:

Denn was viele gewußt,

Zersplittert sich gleich,

An Macht und an Lust

Ist der Stille nur reich.

8.

 

Wer fest will, fest und unverrückt dasselbe,

Der sprengt vom festen Himmel das Gewölbe,

Dem müssen alle Geister sich verneigen

Und rufen: Komm und nimm! Du nimmst dein Eigen.

9.

 

Vor Menschen ein Adler, vor Gott ein Wurm,

So stehst du fest im Lebenssturm.

Nur wer vor Gott sich fühlet klein,

Kann vor den Menschen mächtig sein.

10.

 

Trage frisch des Lebens Bürde,

Arbeit heißt des Mannes Würde,

Kurzer Bach fließt Erdenleid,

Langer Strom die Ewigkeit.

11.

 

Ein Wort der Lehre, nimm es mit

Ins Leben: Halt die Zunge fest,

Denn ungewogne Rede fliegt

Unflügger Vogel aus dem Nest;

Doch noch ein zweites beßres Wort:

Halt deine Seele fromm und rein,

So wird, was deinem Mund entfliegt,

Nie ein unflügger Vogel sein.

12.

 

Willst du in Gottes Spiegel schauen,

Schau' in die Seele reiner Frauen,

Und aller Himmel Glanz ist dein;

Doch hat der Spiegel Brüch' und Flecken,

Dann flieh wie vor dem Schreck der Schrecken,

Er spiegelt Höllenzauberschein.

13.

 

Wer großes Glück kann tragen,

Der hat ein starkes Herz

Und mag es mutig wagen

Mit jedem Spiel und Scherz:

Drum wird auf steilsten Höhen

Des Ruhmes Kranz gereicht;

Denn Unglück zu bestehen

Macht Gott im Himmel leicht.

14.

 

Freund, wer männlich sein Ich will

Frommen Munds versteht zu sprechen,

Mag im Erdentale still

Manche süße Blume brechen.

15.

 

Geh deines Weges still,

Geh deines Weges grad'.

Dem, der nichts weiter will,

Verrennt man nicht den Pfad;

Wer aber kreuz und quer

Abschweift vom graden Weg,

Den stößt ein ganzes Heer:

Die meisten laufen schräg.

16.

 

Licht suchst du da, wo tausend Lichter funkeln,

Und schreist: Wer sagt mir, ob ich nicht im Dunkeln?

Im Meer des Lichtes willst du magre Klarheit,

Willst jedes Funkens Fünklein dir zerklauben,

Damit du könnest, daß es leuchte, glauben.

O blinder Tor mit solcher blinden Wahrheit!

 

Der Feldherr, welcher jede Lanzenspitze

Der Knechte zählt, wird nimmer mit dem Blitze

Des Siegers Schlachtenreihen niederschmettern.

Auf! Nimm dir Mut und stürze dich ins Ganze,

Rauf' aus der Blumen Fülle dir zum Kranze

Und zähle seine Wonne nicht nach Blättern.

17.

 

Wann die Worte sprühen und schäumen,

Die Gedanken nebeln und träumen

Und das Herz schlägt auf in Glut –

O dann halte das Schwert in der Scheide,

Das Schwert der Tat; denn zum bittern Leide

Wird dir der viele und dunkle Mut.

18.

 

Schön ist die Welt, sei du, o Mensch, auch schön,

Sei schön und gut, so wird dir's wohl ergehn.

Bedenke: Fernst von Worten liegen Taten,

Fern liegt der Ernte Lust vom Streun der Saaten:

Wer nicht zu handeln, nicht zu säen wagt,

Von dem wird endlich Welt und Glück verklagt.

19.

 

Wer sich des Festes will erbauen,

Schaue Grau nicht aus dem Grauen,

Hellem Mut gehört die Welt.

Zwar auch Helden sieht man fallen,

Aber traurig fällt vor allen,

Wer durch eigne Schwere fällt.

20.

 

Schämst du dich, daß Schelme sind?

Willst du deutsche Schelme streicheln,

Die dich dem Aprilenwind

Gleich mit Wechseln auch umschmeicheln?

Nein, den Handschuh frisch heraus!

Feig wird, wer den Feigen weichet –

Lust und Mut wächst überaus,

Wenn man Schelmenbacken streichet.

21.

 

Man schilt mein Deutschland einen Greis,

Zu kalt und zu verständig,

Ich aber schelt': »Er ist zu heiß,

Der Junge, zu lebendig,

Ein Junge noch, doch hoffnungsvoll

Bei allen tollen Streichen!

Und grade darum darf und soll

Die Hoffnung mir nicht bleichen.

Kann man den wilden Jugendmut,

Der schäumt und bäumt, nur binden,

So wird er sein verlornes Gut,

Die Freiheit, wiederfinden.«

22.

 

Deutscher wagst du kaum zu heißen,

Möchtest nur mit Fremdem gleißen,

Möchtest mit Engländern und Franzosen

Bunt dir pletzen Wams und Hosen,

Mit Moskowitern gar und Polen

Flicken die zerrißnen Sohlen.

Schäme dich! Auch mit nackten Beinen

Wage deutsch zu sein, zu scheinen!

Schäme dich! Auch mit nackten Armen

Drein mit dem deutschen Herzen, dem warmen!

Drein mit dem vollen deutschen Herzen!

Und du magst den Hohn verschmerzen,

Womit Fremde Deutsche nennen.

Doch tief muß der Hohn erst brennen,

Tief im vollen deutschen Herzen,

Tief mit vollen deutschen Schmerzen.

Wage nur dich zu erkennen!

Und man wird dich anders nennen.

23.

 

Was du geträumt in grüner Jugend,

Das mache wahr durch Männertugend –

Die frühsten Träume täuschen nicht.

Doch wisse, Träume sind nicht Taten:

Ohne Arbeit wird dir nichts geraten.

Die Tugend trägt ein ernst Gesicht.

24.

 

Das Eisen sinkt im Meer,

Doch weißt du's auszuweiten,

So kann's auf Wogen reiten

Als leichtes Schiff einher.

So ist, o Mensch, dein Mut –

Daß er nicht schwer verdämmre,

Schlag rastlos drauf und hämmre,

Halt frisch der Schmiede Glut!

25.

 

Was macht den Mann? Ich will es dir

Mit ein paar kurzen Worten sagen:

Du mußt auf jede Lust und Gier

Wie mit dem Eisenhammer schlagen.

 

Dann bleibt dir nur dein dünnstes Selbst,

Und dein Metall ist ausgeschmiedet,

Und das, womit du Himmel wölbst

Und sie vernichtest, steht gefriedet.

 

Was ist dies dünne bißchen Mann,

Von dem die schweren Schlacken flogen?

Es heißet Geist und hat erst dann

Sein helles Lichtkleid angezogen.

26.

 

Sei tapfer! Sei ein Mensch! Du trägst das Zeichen

Von Gott dir hell geprägt auf hoher Stirne –

Ja, eben daß ich Mensch bin, jagt die bleichen

Gedanken oft mir auf in dem Gehirne.

 

Heut wirbl' ich gleich der Lerche sonnentrunken

Mit Himmelsliedern fröhlich auf zur Höhe,

Und morgen lieg' ich tief hinabgesunken

Und ächz' aus dumpfem Staub mein Menschenwehe.

 

O schlimmste Zweiheit, ältste Menschenklage!

Laß nun auch ältster Weisheit Spruch dir singen:

Vertrau' dem Gott in dir, den Menschen wage

Und nimm und trage, was die Stunden bringen.

27.

 

Horch' nicht auf das Geläute und Gebimmel,

Wonach die liebe Menge horcht und schreit;

Es klingt dich nur heraus aus deinem Himmel,

Lockt nur wie Schlachtgesang hinein in Streit.

O bleibe lieber, wo die Stillen wohnen,

Wo stille Blumen im Verborgnen blühn;

Da winde dir des Glückes zarte Kronen

Und laß den Weltschall froh vorüberziehn.

28.

 

Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann,

Das muß als deutsche Losung klingen.

Wer da nicht wanket ab und an,

Kann alle Höllenteufel zwingen.

29.

 

Nur einen Freien gibt es, der heißt Gott,

So spricht der edle Heide Äschylus.

Kein Narr macht diesen Spruch zum Narrenspott,

Weil jeder Staubgeborne dienen muß.

Ich diene, klang des Böhmenkönigs Spruch.

Mensch, Erdenkönig, nie dienst du genug.

30.

 

Wolle Eines, woll' es ganz,

Zupfe nicht an Stücken des Stückes,

Und du pflückst den vollen Kranz,

Kranz des Mutes, Kranz des Glückes.

31.

 

Tief in dich hinab, tief in dich hinein!

Bricht da dir aus der Tiefe kein Schein,

Der von helleren Scheinen was kann erzählen,

So denk' an die Schäden der Menschenseelen –

Es muß in dir was verschüttet sein.

Kannst du solchen Schutt nicht tapfer räumen,

So bleibt's beim eitlen Wähnen und Träumen.

32.

 

Im Kleinen leicht, im Großen schwer,

So vergeht der Deutsche nimmermehr.

Hält er sich fest das Wörtlein Treu',

Zerstäubt vor ihm alles wie Schaum und Spreu.

33.

 

Wer dir die kleinen Freuden nimmt,

Nimmt dir das große Entzücken:

Über tausend schmalste Stege geht

Der Weg zur Himmelsbrücken.

34.

 

Du suchst der Dinge Grund – stürz' in den Abgrund dich.

Wird da dein Fuß nicht fest, ist nirgends Grund für dich;

Wagst du nicht ritterlich Verzweiflung und Verzagen,

So laß doch lieber ab, nach Gott und Welt zu fragen:

Des Wissens Morgenrot wird nie dem Feigen tagen.

 

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