Dezember 1814.
Ja, weine nur und schau' zurück
In goldne Jugendferne,
Ja, suche nur das alte Glück,
Die alten hellen Sterne,
Den alten Lenz im Blütenkranz –
Was blieb von jener Wonne ganz?
Ach ferne! Ach ferne!
Wie hast du jenes edle Gut,
Das dir der Herr vertrauet,
So frische Kraft, so kühnen Mut
In Arbeit durchgebauet?
Auf! Vorgezeigt das Kapital,
Gemehret zehn- und hundertmal!
Dir grauet? Dir grauet?
Mir graut, und eine Träne fällt
Ins Saitenspiel des Lebens,
Wie sind die Töne weggeschnellt,
Die Klänge höchsten Strebens
In Träumerei und Narretei!
Und fernher tönt ein dumpfer Schrei:
Vergebens! Vergebens!
Vergebens! O vergebens! klingt
Es durch des Busens Saiten,
Und aus der Seele Tiefen singt
Der Spruch der Ewigkeiten:
»Knie nieder, Mensch, und werde klein!
Gott, der dich schuf, wird gnädig sein:
Beim Schreiten ist Gleiten.«
O frommer Spruch, wohl machst du klein
Und machst doch stark im Streiten;
So wandr' ich wohlgemut hinein,
Wo's schreiten gilt und gleiten.
Ein Spruch singt noch, und der macht frei:
»Gott ist dabei, Gott stehet bei
Im Schreiten, im Gleiten.«
Bundeslied
1815.
Sind wir vereint zur guten Stunde,
Wir starker, deutscher Männerchor,
So dringt aus jedem frohen Munde
Die Seele zum Gebet hervor:
Denn wir sind hier in ernsten Dingen
Mit hehrem, heiligem Gefühl;
Drum muß die volle Brust erklingen
Ein volles, helles Saitenspiel.
Wem soll der erste Dank erschallen?
Dem Gott, der groß und wunderbar
Aus langer Schande Nacht uns allen
In Flammen aufgegangen war,
Der unsrer Feinde Trotz zerblitzet,
Der unsre Kraft uns schön erneut
Und auf den Sternen waltend sitzet
Von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Wem soll der zweite Wunsch ertönen?
Des Vaterlandes Majestät!
Verderben allen, die es höhnen!
Glück dem, der mit ihm fällt und steht!
Es geh', durch Tugenden bewundert,
Geliebt durch Redlichkeit und Recht,
Stolz von Jahrhundert zu Jahrhundert,
An Kraft und Ehren ungeschwächt!
Das dritte, deutscher Männer Weide!
Am hellsten soll's geklungen sein!
Die Freiheit heißet deutsche Freude,
Die Freiheit führt den deutschen Reihn,
Für sie zu leben und zu sterben,
Das flammt durch jede deutsche Brust,
Für sie um großen Tod zu werben,
Ist deutsche Ehre, deutsche Lust.
Das vierte – Hebt zur hehren Weihe
Die Hände und die Herzen hoch! –
Es lebe alte deutsche Treue!
Es lebe deutscher Glaube hoch!
Mit diesen wollen wir's bestehen,
Sie sind des Bundes Schild und Hort:
Fürwahr es muß die Welt vergehen,
Vergeht das feste Männerwort.
Rückt dichter in der heil'gen Runde
Und klingt den letzten Jubelklang!
Von Herz zu Herz, von Mund zu Munde
Erbrause freudig der Gesang!
Das Wort, das unsern Bund geschürzet,
Das Heil, das uns kein Teufel raubt
Und kein Tyrannentrug uns kürzet,
Das sei gehalten und geglaubt!
Die Schlacht beim schönen Bunde
1815.
Auf Viktoria! Auf Viktoria!
Welch ein Klang aus Niederland!
Über Strom und Berg geklungen,
Tausendstimmig nachgesungen
Rollet er die Welt entlang.
Alter Blücher! Alter Blücher!
Jüngling mit dem weißen Haar!
Der wie Mars zu Rosse sitzet,
Der wie Gottes Wetter blitzet,
Machst den Schwur du wieder wahr?
Jenen Schwur, den du geschworen
Einst an Gott und Vaterland,
Deinen Degen zu zerbrechen
Oder Deutschlands Schmach zu rächen
An dem welschen Bubentand?
Alter Blücher! Alter Blücher!
Mahnst du das Banditenheer
An der Katzbach nasse Tiefen
Und an Leipzig, wo sie liefen?
An Brienne, Laon, La Fère?
Auf Viktoria! Auf Viktoria!
Dreimal hoch Viktoria!
Wer in Spanien ist gewesen,
Kennt den Namen auserlesen,
Kennt das Feld Vittoria.
Talavera, Salamanka
Und Vittoria dreimal hoch!
Auch ein Klang klingt von Tolose,
Und dir bebt das Herz, Franzose –
Wellington, der lebet noch.
Auf Viktoria! Auf Viktoria!
Blücher, Wellington und Gott,
Diese drei sind fest verbunden,
Und der Feind ist hingeschwunden,
Und sein Dräun ist Kinderspott.
Bei La belle Alliance –
Heißt auf Deutsch der Schöne Bund –
Hielt der große Himmelsrichter
Das Gericht der Bösewichter,
Ihres Trotzes letzte Stund'.
Auch Viktoria, auch Viktoria
Euch, ihr Tapfre, die ihr ruht!
Die kein Schlachtruf mehr erwecket,
Die des Todes Nacht bedecket,
Freiheit blüht aus eurem Blut.
Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!
Klinget dort Viktoria!
Daß die Büberei sich schäme,
Daß die Eitelkeit sich gräme,
Klinget hell Viktoria!
Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!
Gießt den Strom der Männer aus!
Laßt sie sehen, laßt sie fühlen,
Was es heißt, mit Eiden spielen;
Kehrt die Brut der Hölle aus!
Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!
Ins Franzosenparadies!
Straft das Land der bösen Heiden,
Das uns zwanzig Jahr' an Freuden,
Zehn an Freiheit darben ließ.
Nun nach Frankreich! Nun nach Frankreich!
Holt gestohlnes Gut zurück!
Unsre Festen, unsre Grenzen,
Unsern Teil an Siegeskränzen,
Ehr' und Freude holt zurück!
Auf Viktoria! Auf Viktoria!
Welch ein Klang aus Niederland!
Hände, Herzen auf nach oben,
Gott zu danken, Gott zu loben!
Gott hat Glück und Sieg gesandt.
Klage um drei junge Helden
1816.
Ich mag wohl traurig klagen,
Gar mancher klagt mit mir:
Drei Helden sind erschlagen
In grüner Jugend Zier;
Es waren drei junge Reiter,
Sie zogen so fröhlich hinaus,
Sie zogen gar balde weiter
Zu Gott in das himmlische Haus.
In Mansfelds edlen Bergen
Weht edle Freiheitsluft,
Da kriecht es nicht von Schergen,
Da lügt kein Schelm und Schuft,
Da wächst das freie Eisen,
Da wächst der freudige Mut,
Und alle, die Männer heißen,
Sind reisig und tapfer und gut.
In Mansfeld war geboren
Das fromme, deutsche Kind,
Der Freund, den wir verloren,
Wie wenig Freunde sind,
Der Eckardt1, der Vielgetreue,
Dem Gott und das Vaterland rief,
Nun schlummert der junge Leue
Im Grabe so still und so tief.
Auf Leipzigs grünen Felden –
O Leipzig, hoher Klang! –
Da traf's den jungen Helden,
Daß er vom Rosse sank.
Das war ja sein frommes Lieben
Bei Tage und bei Nacht,
Das hatt' ihn hinausgetrieben
In den Tod, in die mordische Schlacht.
Wohl dir! Du hast's errungen
Mit deines Blutes Born,
Die Schande ward bezwungen
Vom edlen Freiheitszorn;
Doch müssen wir andern weinen
Und klagen im bittern Schmerz:
Solange die Sterne scheinen,
Schlug nimmer ein treueres Herz.
Es thront am Elbestrande
Die stolze Magdeburg,
Ihr Ruhm klang durch die Lande,
Ihr Unglück auch hindurch,
Als Tilly dem wilden Feuer
Einst sie zu verzehren gebot;
Da trug sie den Witwenschleier,
Denn ach, ihre Schöne war tot.
Sie mag ihn wieder nehmen,
Ihr starb ihr bester Sohn,
Er ging, ein großer Schemen,
Hinauf zu Gottes Thron,
Da hießen den Schönen, Frommen,
Der kam aus dem heiligen Streit,
Die Englein alle willkommen
Zur ewigen, himmlischen Freud'.
Wohl viele sind gepriesen
Im großen deutschen Land,
Doch dich, mein frommer Friesen2,
Hat Gott allein gekannt;
Was blühend im reichen Herzen
Die Jugend so lieblich verschloß,
Ist jeglichem Laut der Schmerzen,
Ist jeglichem Lobe zu groß.
War je ein Ritter edel,
Du warst es tausendmal,
Vom Fuße bis zum Schädel
Ein lichter Schönheitsstrahl;
Mit kühnem und stolzem Sinne
Hast du nach der Freiheit geschaut,
Das Vaterland war deine Minne,
Es war dir Geliebte und Braut.
Du hast die Braut gewonnen
Im ritterlichen Streit,
Dein Herzblut ist verronnen
Für die viel edle Maid;
In Welschland von grimmen Bauern
Empfingst du den tödlichen Streich,
Drob müssen die Jungfraun trauern,
Die Blume der Schönheit ist bleich.
Hoch im Cheruskerlande
Da steht ein altes Schloß
Auf grüner Bergeshalde,
Wovon mein Stolberg3 sproß;
Es sandte herrliche Boten
Schon aus in grauester Zeit,
Die klagten bei hohen Toten,
Gefallen im Vaterlandsstreit.
Davon lebt auch noch heuer
Wohl mancher Name wert:
Der Vater schwingt die Leier,
Der Sohn, der schwingt das Schwert;
Wie jener es vorgesungen,
So machte ihm dieser es nach:
Was frühe dem Knaben geklungen,
Das bringet der Jüngling an 'n Tag.
Es scholl die Kriegsdrommete
Des welschen Aufruhrs neu,
Sie klang wie Hochzeitflöte
Dem Grafen stolz und frei,
Da ließ er sein Hengstlein zäumen,
Da hängt' er den Säbel frisch ein
Und sprengte mit heldlichen Träumen
Gar lustig wohl über den Rhein.
Sein Traum ist nun erfüllet
Von deutscher Herrlichkeit,
Sein Durst ist nun gestillet
Nach edlem deutschen Streit;
Er ritt mit den tapfern Reitern
Zum Kampfe nach Brabant hinab,
Da schuf er den Blumen und Kräutern
Ein rotes, blutiges Grab.
Was Lenz und Sonne schufen
Im bunten Rosenmai,
Das stampften Rosseshufen
Im Junius inzwei!
Auch lag in der Jugend Schöne
Mancher Jüngling die Felder entlang,
Das Wehe der Klagetöne
Von Müttern und Bräuten erklang.
Auf Brabants grüner Aue,
Sie heißet Sankt Amand,
Da troff vom roten Taue
Das Eisen mancher Hand,
Mit Rotten aus Welschland trafen
Die preußischen Reisigen dort,
Da holte der Himmel den Grafen,
Da riß eine Kugel ihn fort.
Drum muß ich traurig klagen,
Wohl mancher klagt mit mir,
Drei Helden sind erschlagen
In grüner Jugend Zier,
Es waren drei holde Knaben,
Sie waren so schön und so gut,
Fürs liebe Vaterland haben
Sie fröhlich vergossen ihr Blut.
Schlaft still und fromm in Treue
Bis an den Jüngsten Tag,
Wo sich ein Morgen neue
Euch wieder röten mag!
Es blühet um euren Frieden
Gedächtnis so golden schön:
Im Siege ward euch beschieden
Fürs Vaterland hinnen zu gehn.
Fußnoten
1 Friedrich Eckardt, aus Rothenburg in der Grafschaft Mansfeld, Stadtrat und Bergrat in Berlin, zog als Reiter mit aus in den heiligen Krieg, starb als Rittmeister einige Tage nach der Leipziger Schlacht in Halle an der Munde von einer Flintenkugel.
2 Karl Friedrich Friesen aus Magdeburg, ein rechtes Bild ritterlicher und jungfräulicher Unschuld, mit Schönheit, Kraft und Wissenschaft gerüstet, gleich geübt in geistiger und leiblicher Fechtkunst, fiel als Leutnant der Lützowschen Freischar im sechsundzwanzigsten Jahr seines Lebens in Frankreich in einem Gefechte mit Bauern.
3 Christian Graf zu Stolberg, ein Sohn des edlen Friedrich Leopold, starb den Heldentod in der Schlacht vön Ligny in Brabant. Er war schön und stattlich, ein Neunzehnjähriger voll ritterlicher, frommer Kraft.
Das Feuerlied
1817.
Aus Feuer ist der Geist geschaffen,
Drum schenkt mir süßes Feuer ein!
Die Lust der Lieder und der Waffen,
Die Lust der Liebe schenkt mir ein,
Der Traube süßes Sonnenblut,
Das Wunder glaubt und Wunder tut.
Was soll ich mit dem Zeuge machen,
Dem Wasser ohne Saft und Kraft?
Gemacht für Frösche, Kröten, Drachen
Und für die ganze Würmerschaft?
Für Menschen muß es frischer sein,
Drum bringet Wein und schenket Wein!
O Wonnesaft der edlen Reben!
O Gegengift für jede Pein!
Wie matt und wäßrig fließt das Leben,
Wie ohne Stern und Sonnenschein,
Wenn du, der einzig leuchten kann,
Nicht zündest deine Lichter an!
Es wäre Glauben, Lieben, Hoffen
Und alle Herzensherrlichkeit
Im nassen Jammer längst ersoffen,
Und alles Leben hieße Leid,
Wärst du nicht in der Wassersnot
Des Mutes Sporn, der Sorge Tod.
Drum dreimal Ruf und Klang gegeben!
Ihr frohen Brüder, stoßet an!
Dem frischen, kühnen Wind im Leben,
Der Schiff und Segel treiben kann!
Ruft Wein, klingt Wein und aber Wein!
Und trinket aus und schenket ein!
Aus Feuer ist der Geist geschaffen,
Drum schenkt mir süßes Feuer ein!
Die Lust der Lieder und der Waffen,
Die Lust der Liebe schenkt mir ein,
Der Traube süßes Sonnenblut,
Das Wunder glaubt und Wunder tut.
Trinklied
1817.
Bringt mir Blut der edlen Reben,
Bringt mir Wein!
Wie ein Frühlingsvogel schweben
In den Lüften soll mein Leben
In dem Wein.
Bringt mir Efeu, bringt mir Rosen
Zu dem Wein!
Mag Fortuna sich erbosen,
Selbst will ich mein Glück mir losen
In dem Wein.
Bringt mir Mägdlein, hold und mundlich
Zu dem Wein!
Rollt die Stunde glatt und rundlich,
Greif' ich mir die Lust sekundlich
In dem Wein.
Bringt mir auch – das darf nicht fehlen
Bei dem Wein –
Echte treue, deutsche Seelen
Und Gesang aus hellen Kehlen
Zu dem Wein.
Klang dir, Bacchus, Gott der Liebe,
In dem Wein!
Sorgen fliehen fort wie Diebe,
Und wie Helden glühn die Triebe
Durch den Wein.
Klang dir, Bacchus, Gott der Wonne,
In dem Wein!
Ha! Schon schau' ich Mond und Sonne,
Alle Sterne in der Tonne,
In dem Wein.
Höchster Klang, wem sollst du klingen
In dem Wein?
Süßestes von allen Dingen,
Dir will ich's im stillen bringen
In dem Wein.
Zumutung des Mutes
1817.
Laß sie schweben
Deine Vögel! Laß sie fliegen!
Stolzes Leben
Träumet nur von Siegen.
Wann sie fallen
Nieder vor erflogner Wonne,
Wisse, aus der Sonne,
Die sie wollten, wird der Spott nicht schallen.
Wackre Jäger
Stellen nach dem schönsten Wilde,
Tapfre Schläger
Decken mit dem Schilde
Nur die Seite,
Über der die Wehr nicht schwebet,
Doch die andre strebet
Vorwärts stets zu Kampf und Sieg und Beute.
Also strebe
In des Kampfes frische Weite!
Also hebe
Blanke Wehr im Streite!
Alles decken
Wollen nur die Feigen, Matten,
Die des Todes Schatten
Stündlich überhängt mit bleichen Schrecken.
Darum fröhlich,
Kühnes, glühendes Herz des Mutes!
Darum selig,
Selig freien Blutes,
Das verronnen,
Wo der Helden beste fielen!
Mußt so deinen Sonnen,
Deiner Liebe frisch entgegenspielen.
O so schwebet,
Meine Vögel, sonder Zagen!
Schwebet! Schwebet!
Höher wird es tagen;
Dort versinken
Nebel, die uns unten irren:
Wollt ihr Sonnen trinken,
Dürft ihr zwischen Tag und Nacht nicht schwirren.
Schwebet, schwebet,
Meine Vögel, sonder Weile!
Flieget, strebet
Fort in Blitzeseile!
Blitzeskinder,
Sollt ihr kühn in Flammen baden,
Erdenüberwinder,
Adler, fliegen zu den Sternenpfaden.
Grutz der Heimat
1817.
Geliebte Felder, süße Haine,
So bin ich endlich wieder da,
Wo ich als Kind beim Sternenscheine
So oft die Engel wandeln sah,
Wo mir aus himmlischen Geschichten
Ein Himmel diese Erde schien,
Von Freuden wimmelnd und Gedichten,
Wie Adams Eden lieb und grün?
So seh' ich dich, mein Schoritz, wieder,
Wo mir das Meer mit dunkelm Klang
Die ahnungsvollen Wunderlieder
Der Zukunft um die Wiege sang?
So kann ich wieder dich begrüßen,
Mein Dumsevitz, du trauter Ort?
So traut, daß meine Tränen fließen,
Und meine Lippe weiß kein Wort?
Wie vieles muß ich nicht bedenken,
Wenn euch ich also wiederseh'?
Wohin sich meine Schritte lenken,
Tut alles mir so lieb, so weh,
An jeden Baum, an jede Quelle
Hängt liebend die Erinnrung sich,
Und jedes Blättchen, jede Welle
Fragt freundlich: Wandrer, kennst du mich?
Und diese leise Kinderfrage
Fällt wie ein Stein mir auf das Herz,
In stiller Rückflut ferner Tage
Kommt inhaltschwer ein ernster Scherz,
Und zwischen Weinen, zwischen Lachen
Die Wehmut endlich mächtig siegt:
Es läßt sich nicht zum Spaße machen,
Worin ein ganzes Leben liegt.
Sind einst nicht hier auch sie getreten
In Jugendkraft und Freudigkeit,
Die jetzt für mich im Himmel beten
Hoch über Erdenlust und Leid?
Habt ihr mich hier nicht eingesegnet
Fürs Leben, Eltern fromm und treu,
Und Lieb' auf mich herabgeregnet,
Wie's Blüten regnet in dem Mai?
Was ward aus euren frommen Sorgen?
Was trug die treue Liebe ein?
Reicht wohl an jenen schönen Morgen
Des Lebens voller Mittagschein?
Mögt ihr von euren lichten Höhen,
Wo nichts mehr zwischen Schatten schwebt,
Noch auf den Wandrer niedersehen,
Der unten heiß im Staube strebt?
Wie kommt er aus der weiten Ferne
Auf seiner Kindheit Feld zurück?
Schaut noch zum Spiegel sel'ger Sterne
Ein heitrer Spiegel auf sein Blick?
Und spielt er noch mit reinen Händen
Das süße Kinderblumenspiel?
Ach! Abwärts muß er sich hier wenden –
Wo steht er nun? Wo steht sein Ziel?
O ernster Klang der fernen Tage!
O süße Mahnung schönster Zeit!
Die Träne tritt als stumme Klage
Auf gegen den, der viel bereut:
Die Blumen und die Sterne bleiben
In steter Unschuld licht und rein,
Doch Menschenwandern, Menschentreiben
Mag nimmer ohne Sünde sein.
Doch nehmt mich, ihr geliebten Fluren,
Fromm auf in euren süßen Schoß,
Die Reinheit himmlischer Naturen
Ward hier nur eines einz'gen Los;
Bei uns ist's Ahnen, Träumen, Sehnen
Und vielfach Irren auf und ab –
Drum rinnet nur, ihr heißen Tränen,
Als Balsam auf den Wanderstab.
Das Lied vom Siegerich
1817.
Von Freiheit will ich klingen –
Das ist der höchste Klang –
Von Freiheit will ich singen
All, all mein Leben lang,
Daß mächtig ihr Geläute
Die kühnen Herzen weckt
Und für die schönste Beute
Der Tugend Sehnen streckt.
Auch klingt mein Lied von denen,
Die Stolz auf Recht und Gott
Und hohes Herzenssehnen
Gelockt in edlen Tod,
Die ritterlich verblutet
Das Leben jung und schön,
Getrieben und gemutet
Durch das, was wir nicht sehn.
Denn das, was wir nicht sehen,
Heißt Gott und Vaterland,
Die Freiheit in den Höhen,
Ein unsichtbares Land,
Geliebt, geschaut im Glauben,
Im stillen frommen Mut,
Durch keine List zu klauben,
Weil's ist ein hehres Gut.
Von hohen Bergen fließet
Ein Flüßlein in den Rhein,
An dessen Ufern sprießet
Ein Knabe fromm und fein
Aus altem Heldenstamme,
Mit Welschen nie im Kauf:
Drum schlägt auch edle Flamme
Aus Stamm und Wurzeln auf.
Das Flüßlein, welches fließet
Zum Rheine, heißt die Wied,
Der Knabe, welcher sprießet
Am Flüßchen, heißt Neuwied.
Sie haben ihn genennet
Den Viktor Siegerich:
Der stolze Name brennet,
Auf Taten schickt er sich.
Er hatte seinen Weiser –
So galt es im Geschlecht –
Zu dienen Deutschlands Kaiser,
Das deucht ihm Pflicht und Recht;
Wo deutsche Fahnen wehen,
Wo deutsche Losung schallt,
Da muß der Siegrich stehen,
Da treibt's ihn mit Gewalt.
So zog in Franzens Schlachten
Er zweimal fröhlich aus,
Doch ach! Die Männer brachten
Den Sieg nicht mit nach Haus:
Da hat die welsche Rotte,
Kühn durch des Teufels Macht,
Den Spruch vom deutschen Gotte
Bei vielen klein gemacht.
Auch Siegerich den Jungen
Hat da das welsche Glück
Verwundet und bezwungen –
Das deutsche wich zurück –
Er kam in böse Bande
Gen Straßburg an dem Rhein;
Da beweint' er deutsche Lande
Verwelscht und deutschen Wein.
Er mußt' in Kerkers Mauern
Der trüben Monde drei
Versehnen und vertrauern,
Da war der Kampf vorbei:
»Die Schwerter und die Lanzen,
Ihr Krieger, steckt sie ein!
Ihr sollt zur Hochzeit tanzen,
Das soll der Friede sein.«
»O Friede, schnöder Friede!
Wie bist du ehrensiech!
Ist das der Schluß vom Liede?
Viel besser wäre Krieg.«
So klingt im deutschen Lande
Ringsum der Jammerschall:
»Wir tragen schwer die Schande,
Ihr springt den Hochzeitball.«
Nun steht der Kerker offen
Dem Viktor Siegerich,
Doch hin ist Lust und Hoffen,
O Vaterland, für dich;
Noch gibt die alte Sonne
Dir Licht und Lebenschein,
Doch weh! Der Freiheit Wonne
Und Stolz ist nicht mehr dein.
Er sieht die Welschen meucheln
Die Ehre und das Recht,
Er sieht die Fürsten heucheln
Und schmeicheln gleich dem Knecht,
Er sieht in Diademen
Den neuen Sklavenprunk,
Wie sie sich übernehmen
In Babels Hurentrunk.
Er hört die Hochzeit schallen
Von Habsburgs edlem Sproß,
Hört auf den Hofer knallen
Das feige Mordgeschoß:
In Wien erklingt der Reigen;
In Mantua knallt der Schuß,
Wodurch zur Gruft sich neigen
Der beste Deutsche muß.
Da hat's ihn weggetrieben,
Da war die Freude tot,
Er wäre nicht geblieben
Um alles Goldes Bot,
Um Zepter und um Kronen,
Die nicht die Ehre weiht:
Er muß mit solchen wohnen,
Wo Freiheit kämpft den Streit.
Er muß mit solchen stehen,
Die mit der Freiheit stehn,
Drum läßt er Wimpel wehen,
Die hin nach Westen sehn,
Nach Spanien hin, nach Westen –
Es klingt daher so schön –
Da will er mit den Besten
Den welschen Trug bestehn.
Nach Spanien will er reisen,
Ins stolze Wunderland,
In Spanien will er weisen
Deutsch Herz und deutsche Hand;
Nach Spanien will er reisen,
Der Freiheit Heim und Haus,
Da hofft sein gutes Eisen
Auf manchen welschen Strauß.
So haben ihn die Wogen
Und Winde und Gewalt
Des Herzens fortgezogen,
Wo Krieg um Cadix schallt;
Da blüht ihm erste Freude
Nach langer trüber Zeit,
Sein Schwert fährt aus der Scheide,
Sein Fuß fliegt in den Streit.
Und wohl, wohl ist's gelungen
Dem Eisen und dem Fuß,
Daß unter ihm bezwungen
Manch Welscher bluten muß;
Auf Andalusiens Feldern,
Da trat er rote Spur,
Aus der Pyrene Wäldern
Bedräut er Welschlands Flur.
So in zwei schönen Jahren –
O stolzer Freiheitskampf! –
Ist er hindurchgefahren,
Der Welschen Schreck und Dampf;
Sie sahn sein Eisen blitzen,
Sein Auge blitzte mehr,
Stets flog er an den Spitzen,
Der Vordermann im Heer.
So ist er einst geflogen
Gleich Himmelsflammen wild
Auf roten Schlachtenwogen,
Der Katalanen Schild,
Hat mit den roten Wogen
Die Feinde weggespült:
Da ist von Gottes Bogen
Der Pfeil auf ihn gezielt.
Da deckt, vom deutschen Lande,
Von deutscher Liebe fern,
Der Hasser welscher Schande,
Der deutschen Fürsten Stern,
Der Preis der deutschen Jugend,
Der junge, grüne Held,
Das fromme Bild der Tugend,
Erblaßt das fremde Feld.
Da ist der Held gefallen
In jenem großen Jahr,
Als des Tyrannen Wallen
Gen Moskau schaurig war;
Er hat nicht mehr gesehen,
Was seine Seele rang,
Das Vaterland erstehen
Aus Jammers Überschwang.
Doch ist er auch gestorben
Fürs deutsche Vaterland
Und hat den Kranz erworben,
Der Ehre schönstes Pfand,
Den Kranz, wodurch die Freien
Im Himmel herrlich stehn,
Die gegen Tyranneien
Durch Feuer und Eisen gehn.
Drum schreibt die deutsche Treue
Mit goldnem Strahlenschein
Dich, kühner Schlachtenleue,
In ihre Tafeln ein;
Solang in festen Kreisen
Noch Mond und Sonne reist,
Wird man dich, Siegrich, preisen,
Wo man die Freiheit preist.
Von Freiheit muß ich klingen –
Das ist der höchste Klang –
Und ihre Glocken ringen
All, all mein Leben lang.
Drum hab' ich auch gesungen
Vom Siegerich die Mär,
Die weit und breit erklungen
Ist über Land und Meer.
Des Lilienmädchens Wiegenlied
1817.
Schlafe, Kindlein hold und weiß,
Das noch nichts von Sorgen weiß,
Schlaf in stiller süßer Ruh',
Tu die kleinen Äuglein zu.
Draußen stehn die Lilien weiß,
Haben allerschönsten Preis,
Droben in der lichten Höh'
Stehn die Englein weiß wie Schnee.
Kommt, ihr Englein weiß und fein,
Wiegt mir schön mein Kindelein,
Wiegt sein Herzchen fromm und gut,
Wie der Wind der Lilie tut.
Schlafe, Kindlein, schlafe nun!
Sollst in Gottes Frieden ruhn;
Denn die frommen Engelein
Wollen deine Wächter sein.
Die Sprache Teuts
1817.
Von hohen Zungen,
Die tönten wie der Silberklang aus Schwänen,
Ist mir erklungen
Ein süßer Klang voll Lieben und voll Sehnen;
Der Knabe lauschte
Tief staunend, was von ferne,
Gleichwie ein Jubellied der Sterne,
Gewaltig rauschte.
Das war dein Brausen,
Du stolze Sprache Teuts, die Blitz und Wetter
Und Sturmessausen
Und der Kanonen schallendes Geschmetter
Vermählt dem Säuseln
Der Wellen, die im Lenze
Leicht angehaucht die Ringeltänze
Auf Bächen kräuseln.
O Donnerfrohe!
O tapfre Heldenbraut der schnellen Blitze,
Wie jede Lohe
Des Feuers aufzuckt zum gestirnten Sitze,
Fliegt stolze Minne
In Tönen und in Worten,
Und stürmend zu den Himmelspforten
Spornst du die Sinne.
Drob wähnen viele,
Sie können auch den Sonnenreigen fliegen
Im Heldenspiele,
Wo Adler kaum im kühnsten Fluge siegen.
Der Sonnenwächter
Sieht traurig, wie sie fallen,
Und hört, wie hier von unten schallen
Spott und Gelächter.
Doch schwächern Flügeln,
Die auch in süßer Töne Lust erbeben,
Auf Blumenhügeln
Ward ihnen holdes Schwingen, Klingen, Schweben,
In leichten Scherzen,
In trauter Erdennähe
Spielt zarte Lust und zartes Wehe
Sich lieb vom Herzen.
Drum laß sie klingen
Zu ihrem Sonnenglanz die Sonnenaare,
Auf leisen Schwingen
Durchflattre du der Birken grüne Haare,
In stillen Hainen
Mit süßen Philomelen
Sollst du dein süßes Leid erzählen
Und still beweinen.
Vorwärts!
1818.
Vorwärts! Vorwärts! rief der Blücher,
Deutschlands treuster, bester Degen,
Und auf schlüpfrig blut'gen Wegen
Schritt der alte Held so sicher.
Vorwärts! Vorwärts! hat's geklungen
Von der Oder bis zur Seine,
Und die welsche Mordhyäne
Hat der alte Held bezwungen.
Vorwärts! drum soll mir's auch klingen,
Vorwärts! will ich mir auch wählen,
Vorwärts! Klang der stolzen Seelen
Soll auch mir zum Sieg gelingen.
Rückwärts klingt ein Klang der Hölle,
Schlechter Klang und schlechtes Zeichen,
Worob Mut und Lust erbleichen
Und erstarrt des Herzens Welle.
Rückwärts schleichen Satans Schliche,
Wann er Seelen meint zu fangen,
Rückwärts schleichen feige Schlangen,
Wann sie lauschen Todesstiche.
Rückwärts tasten Krebsesscheren
Für den Mord und Spinnenfüße,
Wann im luftigen Verliese
Sie die Fliegen winseln hören.
Rückwärts – o die feigen Seelen! –
Nein! Nicht Namen sollst du nennen!
Wo sie mit dem Schwarzen brennen,
Mag der Schwarze sie sich zählen.
Vorwärts! Vorwärts! rief der Blücher,
Vorwärts! klinget frisch und freudig,
Vorwärts! hauet scharf und schneidig,
Vorwärts! schreitet kühn und sicher.
Mein Lichtlein
1818.
Der Alte, der die Sterne hält
In gleichen festen Bahnen
Und jedes Tröpflein senkt und schwellt
In tiefsten Ozeanen,
Der alte Meister droben hat
Ein Lichtlein mir gegeben,
Das mir erhellt den dunklen Pfad
Im irrwischvollen Leben.
Ihr fraget, wie das Lichtlein heißt,
Das süße Kind der Sterne,
Das stets die rechten Pfade weist
Auch in die fernste Ferne?
Ich weiß es nicht, ich kann es nicht
Mit Menschensprache künden,
Auch halt' ich's nicht und seh' ich's nicht
Und kann den Weg doch finden.
Es haben's viele wohl genannt
In Liedern und mit Zungen,
Doch unerklärt und unbekannt
Wird's immer noch geklungen.
Drum selig, wer es still bewahrt
In tiefsten Busens Höhlen!
Des Lichtleins Art ist stille Art
Und liebt die stillen Seelen.
Doch bitt' ich den, der's Lichtlein gab,
Den Alten in den Höhen,
Er wolle vor mir bis ans Grab
Sein Flämmchen lassen wehen,
Daß mutiglich und ritterlich
Ich durch das Dunkel strebe
Und fröhlich von der Erde mich
Zum Licht der Lichter hebe.
Empor
1818.
Auf! Auf, mein Geist, und schwinge dich
Empor vom Erdenstaube!
Flieg, fliege, fliege wonniglich,
Du schnelle Himmelstaube!
Empor vom dunklen Erdental!
Empor zum lichten Sternensaal!
Empor zum Christ, dem Heiland!
Empor! Empor aus finstrer Nacht!
Aus Staub und Schmach und Banden,
Aus Sklaverei und Bann und Acht
Zu jenen freien Landen,
Wo Lug und Trug und Wahn verweht,
Wo nie die Sonne untergeht,
Worin die Frommen blühen.
Hienieden ist nur Müh' und Not,
Nur eitel Eitelkeiten;
Der arme Mensch muß bis zum Tod
Mit Trug und Schatten streiten:
Dem bald man mit drei Ellen mißt
Den Raum, wo's still vom Kriegen ist,
Wie viel' sind seiner Plagen!
Hienieden was ist Lust und Glück?
Was ist des Menschen Freude?
Ein Hui, ein Nu, ein Augenblick,
Des Wechsels leichte Beute,
Ein Wasser, das von Bergen rinnt,
Ein Schnee, ein Nebel, Schaum und Wind:
Auf Erden mag nichts bleiben.
Drum auf, mein Geist, und schwinge dich
Die hellen Sternenstraßen!
Was irdisch ist, wirf hinter dich!
Du mußt es doch verlassen.
Das Unten muß für andre sein,
Das Droben bleibet ewig dein –
Zur Heimat wolln wir fliegen.
Drum auf! Mein Geist! Mein froher Geist!
Zur Heimat wolln wir fliegen;
Die Erde und was irdisch heißt,
Das lassen wir unten liegen.
O du, der unser Helfer ist,
Das hilf du uns, Herr Jesu Christ,
Daß wir's mit dir gewinnen!
Trost in Christo
1818.
Ich bin des Lebens müde,
Der eitlen Eitelkeit,
O komm, du Gottesfriede,
Und nimm mich aus dem Streit,
Nimm mich in deine Ruh',
In deine stillen Freuden,
Und schließe bittern Leiden
Des Wahns Erinnrung zu.
Zuviel hab' ich geduldet,
Gekämpfet überlang,
Gesündigt und verschuldet,
Drum ist mir weh und bang;
Ich weiß nicht aus noch ein
Auf diesen biestern Straßen,
Ich wäre gar verlassen,
Wär' Jesus Christ nicht mein.
Ich wäre längst vergangen,
Wär' Jesus Christ nicht mein,
In Zittern und in Bangen,
In Sündenangst und Pein,
In tiefer Seelennot,
Wär' er, das Licht der Frommen,
Vom Himmel nicht gekommen,
Der Zukunft Morgenrot.
Du süßer Jesu Christe,
So freundlich und so hold!
Ach! Wenn doch jeder wüßte,
Was deine Huld gewollt,
Wir würden immerdar
Entzückt nach oben schauen,
Und von den Sternenauen
Herab würd' alles klar.
Ja, von den Sternenauen,
Wo unsre Heimat ist,
Daher käm' uns das Schauen,
Wer du gewesen bist,
Nein, wer du ewig bist:
Im Himmel und auf Erden
Würd' offenbaret werden
Der ganze Jesus Christ.
Hoffnung in Sehnsucht
1818.
Wann auf des Zweifels Ozeane
Mein Schifflein treibt vor Sturm und Wind,
Wann jedem schönen Lügenwahne
Das bunte Farbenspiel zerrinnt,
Wann Hoffnung selbst nicht ankern kann,
Was ist mein sichrer Anker dann?
Das bist du, Hort und Trost des Lebens,
Das bist du, Heiland Jesus Christ,
Der du der Tröster alles Lebens,
Der Stiller alles Haders bist,
Der Liebe Quell, der Gnade Born,
Der uns erlöst vom Sündenzorn.
Das bist du, blöder Herzen Wonne
Und kranker Seelen Zuversicht,
Du aller Sonnen hellste Sonne,
Du aller Lichter reinstes Licht,
Du aller Scheine schönster Schein,
Du Wort des Vaters klar und rein.
O Liebesabgrund, den ergründen
Auch keines Engels Senkel kann,
Daß wir doch immer recht verstünden,
Wodurch der Hölle Trug zerrann,
Wodurch der Gnade sel'ges Licht
Nun himmlisch durch die Herzen bricht!
Daß wir doch alle immer wüßten,
Wodurch wir Gottes Kinder sind,
Wodurch wir zu des Himmels Küsten
Hinsteuern vor dem rechten Wind,
Wodurch wir selbst in Düsternis
Nicht zagen, unsrer Fahrt gewiß!
Das hilf du uns, daß wir's gewinnen,
Du süßer Heiland, Jesu Christ,
Der du den Herzen und den Sinnen
Allein die rechte Leuchte bist,
Die, wann auch Sonn' und Mond vergeht,
In wandelloser Klarheit steht.
Grablied
1818.
Geht nun hin und grabt mein Grab,
Denn ich bin des Wanderns müde,
Von der Erde scheid' ich ab,
Denn mir ruft des Himmels Friede,
Denn mir ruft die süße Ruh'
Von den Engeln droben zu.
Geht nun hin und grabt mein Grab,
Meinen Lauf hab' ich vollendet,
Lege nun den Wanderstab
Hin, wo alles Ird'sche endet,
Lege selbst mich nun hinein
In das Bette sonder Pein.
Was soll ich hienieden noch
In dem dunklen Tale machen?
Denn wie mächtig stolz und hoch
Wir auch stellen unsre Sachen,
Muß es doch wie Sand zergehn,
Wann die Winde drüber wehn.
Darum, Erde, fahre wohl!
Laß mich nun in Frieden scheiden,
Deine Hoffnung ach! ist hohl,
Deine Freuden werden Leiden,
Deine Schönheit Unbestand:
Alles Wahn und Trug und Tand.
Darum letzte gute Nacht,
Sonn' und Mond und liebe Sterne!
Fahret wohl mit eurer Pracht!
Denn ich reis' in weite Ferne,
Reise hin zu jenem Glanz,
Worin ihr erbleichet ganz.
Ihr, die nun in Trauern geht,
Fahret wohl, ihr lieben Freunde!
Was von oben niederweht,
Tröstet froh des Herrn Gemeinde;
Weint nicht ob dem eitlen Schein:
Droben nur kann ewig sein.
Weinet nicht, daß nun ich will
Von der Welt den Abschied nehmen,
Daß ich aus dem Irrland will,
Aus den Schatten, aus den Schemen,
Aus dem Eitlen, aus dem Nichts
Hin ins Land des ew'gen Lichts.
Weinet nicht, mein süßes Heil,
Meinen Heiland hab' ich funden,
Und ich habe auch mein Teil
In den warmen Herzenswunden,
Woraus einst sein frommes Blut
Floß der ganzen Welt zugut'.
Weint nicht: Mein Erlöser lebt,
Hoch vom finstern Erdenstaube
Hell empor die Hoffnung schwebt,
Und der Himmelsheld, der Glaube,
Und die ewige Liebe spricht:
Kind des Vaters, zittre nicht!
Abschied von der Welt
1818.
Ade! Ich muß nun scheiden,
Ihr Freunde, gute Nacht!
In Freuden und in Leiden
Gar schwer ist's mir gemacht,
In Kummer und in Tränen,
In Arbeit und in Not;
Drum ruft mein heißes Sehnen:
O komm, mein Herr und Gott!
O komm und schleuß dem Matten
Die müden Augen zu,
Bett' ihm im kühlen Schatten
Die stille, sanfte Ruh',
Bett' ihm im kühlen Grabe
Den letzten weichen Pfühl,
Die letzte Liebesgabe
Vom ganzen Weltgewühl.
Ade! Ihr sollt nicht weinen,
Ihr Freunde lieb und fromm,
Das Licht wird wieder scheinen,
Das ruft dem Schläfer: Komm!
Das klingt in seine Kammer:
Steh, Schläfer, steh nun auf!
Steh auf vom Erdenjammer!
Dein Himmel tut sich auf.
Ade! Ihr sollt nicht klagen,
Daß nun ich hinnen muß,
Die Nacht wird wieder tagen
Mit Freudenüberfluß,
Der große Held der Frommen
Wird mit der Krone stehn,
Und Engel werden kommen
Und mich zu Gott erhöhn.
Freude in Christo
1818.
Wann meine Seele traurig ist,
Und Mut und Lust in mir verzagen,
Wann wankend zwischen Wahn und List
Sich Welt und Sünde hart verklagen,
Wann auf der Zweifel wildem Meer
Mein Schifflein steuerlos muß treiben,
Wo scheint der Stern der Rettung her?
Was läßt mich dennoch oben bleiben?
Wann um mich alles finster wird,
Als säß' ich in der dunklen Hölle,
Wann's in mir bangt und zagt und irrt,
Als wenn die Sündflut um mich schwölle,
Wann diese tiefste Seelennot
Fast will am ew'gen Heil verzagen,
Wo dämmert dann das Morgenrot,
Der Sonne Zukunft anzusagen?
Aus dir! Aus dir! Du bist der Stern,
Du bist der Hoffnung lichte Sonne,
Der Knechte Knecht, der Herr der Herrn,
Der Kranken Arzt, der Schwachen Wonne,
Der Armen Schatz, der Biestern Licht,
Versöhner aller, die verloren,
Erlöser von des Zorns Gericht,
Der ganzen Welt zum Heil geboren.
Du bist's allein, Herr Jesu Christ,
Du bist die Hoffnung, du der Glaube,
Du rettest von des Bösen List
Und von der eitlen Lust am Staube,
Du richtest uns das Angesicht
Hin, wo die ew'gen Sterne funkeln,
Du sprichst: Mein Sein ist Lieb' und Licht,
Ihr sollt nicht bleiben in dem Dunkeln.
Du bist's allein, du süßer Hort,
Du milder Tröster aller Schmerzen,
Dein ist die Wonne, dein das Wort,
Dein ist die Kindschaft frommer Herzen:
Wir sollen alle Kinder sein,
In Einfalt Kinder und im Glauben,
Der Kinder soll der Himmel sein,
Das Reich ist derer, die da glauben.
Weihnachtslied
1818.
Erklinge, Lied, und werde Schall,
Kling gleich der hellsten Nachtigall,
Kling gleich dem hellsten Lerchenklang
Die ganze, weite Welt entlang.
Kling, Lied, und kling im höchsten Ton:
Es kommt der süße Gottessohn,
Es kommt das helle Himmelskind
Hernieder, wo die Sünder sind.
Er kehrt bei einer Jungfrau ein,
Will eines Weibes Säugling sein,
Der große Herr der ganzen Welt,
Ein Würmlein auf die Erde fällt.
Ein armes Knäblein nackt und bloß,
So liegt er in Marias Schoß;
Der alle Sterne lenken kann,
Fleht eines Weibes Gnade an.
Der eh'r als Erd' und Himmel war,
Das Wort des Vaters rein und klar,
Spricht lieb und freundlich bei uns ein
Und will der Sünder Bruder sein.
So kommt die unermeßne Huld,
Zu tragen unsre schwere Schuld,
Die ewige Liebe steigt von Gott
Zu uns herab für Schmach und Spott.
Des solln wir alle fröhlich sein
Und singen mit den Engelein
Und singen mit der Hirten Schar:
Das ew'ge Heil wird offenbar.
Des solln wir alle fröhlich sein,
Daß Gott will unser Vater sein,
Und daß der süße Jesus Christ
Heut unser Bruder worden ist.
Abendlied
1818.
Der Tag ist nun vergangen,
Und dunkel schläft die Welt,
Die hellen Sterne prangen
Am blauen Himmelszelt;
Nur in den grünen Zweigen
Singt noch die Nachtigall,
Im weiten, tiefen Schweigen
Der einz'ge Lebensschall.
Ich aber, Vater, stehe
In meiner Hüttentür
Und schau' hinauf zur Höhe
Und schau' hinauf zu dir;
Wie gerne möcht' ich klingen
Als helle Nachtigall,
Dir Preis und Dank zu bringen
Mit tiefem Schmerzenschall.
Ja, mit dem Schall der Schmerzen:
Denn geht die Nacht herauf,
So springt in meinem Herzen
Ein Quell der Tränen auf,
Der Tränen und der Klagen –
Du, Vater, weißt es best,
Was singen nicht und sagen,
Was sich nicht sprechen läßt.
Du kennest meinen Kummer,
Der auf gen Himmel blickt,
Wann für den süßen Schlummer
Die ganze Welt sich schickt,
Womit so schwer beladen
Mein Herz nach oben schaut,
Nach deinem Born der Gnaden,
Der Labsal niedertaut.
Ja, deine süße Liebe,
Die tröstet mir den Schmerz,
Ja, deine süße Liebe,
Die stillet mir das Herz,
Die löst in heißen Tränen
Das Eis des Busens auf
Und stellet Sinn und Sehnen
Zum hohen Sternenlauf.
O laß mich ewig schauen
Im stillen Kindersinn
Zu jenen güldnen Auen,
Woher ich kommen bin!
O richte Herz und Sinne,
Mein Vater, für und für
Zu deiner süßen Minne,
Zum Himmel hin, zu dir.
So mag ich froh mich legen
Nun mit der Welt zur Ruh',
Mein Amen und mein Segen,
Mein Wächter, das bist du;
So mag in deinem Frieden
Ich fröhlich schlafen ein,
Dort oben und hienieden
Im Schlaf und Wachen dein.
Der Fels des Heils
1818.
Ich weiß, woran ich glaube,
Ich weiß, was fest besteht,
Wann alles hier im Staube
Wie Sand und Staub verweht;
Ich weiß, was ewig bleibet,
Wo alles wankt und fällt,
Wo Wahn die Weisen treibet
Und Trug die Klugen prellt.
Ich weiß, was ewig dauert,
Ich weiß, was nimmer läßt,
Mit Diamanten mauert
Mir's Gott im Herzen fest.
Ja, recht mit Edelsteinen
Von allerbester Art
Hat Gott der Herr den Seinen
Des Herzens Burg verwahrt.
Ich kenne wohl die Steine,
Die stolze Herzenswehr,
Sie funkeln ja mit Scheine
Wie Sterne schön und hehr:
Die Steine sind die Worte,
Die Worte hell und rein,
Wodurch die schwächsten Orte
Gar feste können sein.
Auch kenn' ich wohl den Meister,
Der mir die Feste baut,
Er heißt der Fürst der Geister,
Auf den der Himmel schaut,
Vor dem die Seraphinen
Anbetend niederknien,
Um den die Engel dienen:
Ich weiß und kenne ihn.
Das ist das Licht der Höhe,
Das ist der Jesus Christ,
Der Fels, auf dem ich stehe,
Der diamanten ist,
Der nimmermehr kann wanken,
Der Heiland und der Hort,
Die Leuchte der Gedanken,
Die leuchten hier und dort.
So weiß ich, was ich glaube,
Ich weiß, was fest besteht
Und in dem Erdenstaube
Nicht mit als Staub verweht;
Ich weiß, was in dem Grauen
Des Todes ewig bleibt
Und selbst auf Erdenauen
Schon Himmelsblumen treibt.
Das Wort
1818.
Was ist die Macht, was ist die Kraft,
Des Christen stolze Ritterschaft,
Der Schirm und Schild und Schmuck der Ehren,
Die ungebrochne Wehr der Wehren,
In jeder Not und Fahr der Hort?
Das ist das Wort, das feste Wort.
Was kann wie ein zweischneidig Schwert,
Das blitzend aus der Scheide fährt,
Mark und Gebein im Hui zerschneiden,
Die Geister und die Leiber scheiden?
Was hat so freißlich scharfen Ort?
Das hat das Wort, das feste Wort.
Was braust daher wie Windesbraut
Und überdonnert Donners Laut?
Was donnert in der Sünder Ohren,
Gleich einem Schwur von Gott geschworen?
Was ist's, das durch die Seelen bohrt?
Das ist das Wort, das feste Wort.
Was säuselt wie ein Westenwind
Vom Frühlingshimmel sanft und lind?
Was säuselt lieblich durch die Herzen,
Ein Trost und Balsam aller Schmerzen?
Was wehet alle Sorgen fort?
Das tut das Wort, das feste Wort.
O Wort der Macht, o Wort der Kraft,
Das so gewaltig wirkt und schafft,
O Wort der Schrecken und der Freuden,
Zum Heilen mächtig und Zerschneiden,
Du warest eh'r als Zeit und Ort,
Du starkes Wort, du festes Wort.
O Wort der Macht, o Wort der Kraft,
Du, meines Herzens Ritterschaft,
Wollst ewig in und bei mir bleiben,
Durch Donner und durch Säusel treiben
Zum rechten Kampfe fort und fort,
Mein starkes Wort, mein festes Wort.
Ruf an den Geist
1818.
Dich, Geist der Wahrheit, Geist der Kraft,
Dich, Geist der Christusritterschaft,
Der alle Blöden trösten kann,
Dich starken Tröster ruf' ich an.
Dich Licht der Höhe, milden Stern,
Dich freundlich frommen Geist vom Herrn,
Der alles Dunkel lichten kann,
Dich Licht der Höhe ruf' ich an.
Tief sitz' ich in der dunkeln Nacht,
Wo mich die Sünd' hineingebracht,
Tief sitz' ich in der Finsternis,
Wohin Verzweiflung mich verstieß.
Mein Jammer brauset wie ein Meer
Mit allen Stürmen um mich her,
Er saust und brauset immerzu
Und läßt mir Tag und Nacht nicht Ruh'.
Drum komm, mein Hort, und rette mich,
Mein Tröster komm und tröste mich,
Mein Licht geh auf mit deinem Schein
Und funkle durch die Nacht herein.
Komm, Helfer in dem Sündengraus,
Und sprich mir zu und leg' mir's aus,
Was ich nicht mehr begreifen mag,
Was Christus zu den Sündern sprach.
Sprich mir das Wort der Liebe zu,
Den rechten Klang verstehst nur du,
Das rechte Wort, den rechten Klang,
Des Glaubens Hoffnung und Empfang.
O Geist der Liebe, Geist des Herrn!
Der Himmelsfreude Gnadenstern!
Geh auf in mir mit deinem Schein!
So kann ich wieder fröhlich sein.
Trost der Seele
1819.
Liebe Seele,
Traure nicht so sehr,
Wer ist ohne Fehle?
Ohne Kummer wer?
Was auf Erden
Trägt das Leinenkleid,
Muß ja sündig werden
Viel in Leid und Streit.
Gottes Liebe
Macht von Sünden rein;
Ist dir bang und trübe,
Bringt sie hellen Schein.
Gott hilft gerne
Dem, der ihm vertraut,
Der das Haus der Sterne
Über uns gebaut.
Der das Sehnen
Nach dem Himmel gab,
Trocknet alle Tränen
Bleichen Wangen ab.
Will versinken
Dir das Herz in Leid,
Sieh die Sterne blinken
Ew'ger Herrlichkeit.
Sieh dem Spiele
Ihres Reigens zu,
Und mit Wonne fühle:
Ewig bist auch du.
Nicht vermodern
Mag ein Himmelskeim;
Wo die Sonnen lodern,
Ist des Menschen Heim.
Dort von oben
Sank er einst herab:
Wo aus Licht gewoben,
Das begräbt kein Grab.
Darum mutig,
Liebe Seele, sei!
Ist der Kampf gleich blutig,
Ringe frisch und treu!
Wandle fröhlich
Auch durch dunkles Leid:
Droben bist du selig
Durch die Ewigkeit;
Sünd' und Kummer
Ahnest du dort kaum,
Wie im Morgenschlummer
Einen leichten Traum.
Aus: Drei Trostlieder aus dem Sommer 1819
Komm, Geist, und zieh dich stählen an!
Komm, Herz, und laß dich eisern kleiden!
Es rüste sich, was streiten kann,
Auf harten Krieg und schwere Leiden!
Komm, Stolz, und fasse das Panier!
Laß wehn die Fahnen, wehn zum Himmel!
Das rechte Bleiben ist nicht hier,
Drum wirf dich mutig ins Getümmel!
Komm, Hoffnung, auch! Es soll dein Grün,
Dein Maigrün, rosenrot sich färben,
Noch einmal sollst du herrlich blühn
Und dann gleich roten Rosen sterben.
So steht der Krieg, so ist der Zorn,
Und in der Mitte gar kein Bleiben:
Wer lechzet Strom zu sein, der Born
Muß kühn als Dunst von Felsen stäuben.
So alles dran! So alles drein!
Und setzt das Kleine für das Große!
Gott aber soll der Würfler sein!
Er wirft die Millionen Lose.
So alles dran! So alles drein!
Und setzt das Kurze für das Lange!
Gott aber soll der Würfler sein!
Bei dieser Schanzung seid nicht bange.
Frischauf!
1819.
Heraus, mein Herz, aus deinem Jammer!
Mein krankes Herz, verzage nicht!
Heraus aus deiner dunklen Kammer!
Und suche Licht, so findst du Licht!
Heraus! Es brütet in dem Dunkeln
Des Trübsinns volles Schlangennest –
Heraus! Wo Gottes Sterne funkeln,
Da wird der Mut dir hell und fest.
Wie? Willst du auf den Hort nicht bauen,
Der dir ein Fels in Nöten war?
Auf den Propheten nicht vertrauen,
Der selbst die Träume machte wahr?
Wie? Willst du Eitler dich betrüben,
Wenn Welt und du auch ungleich gehn?
Bedenk', sein Sein ist eitel Lieben,
Und was er will, das muß geschehn.
Wie? Willst du zage nicht mehr hoffen,
Als wär's um Welt und dich geschehn,
Und hast so oft den Himmel offen
Und Gott die Finger recken sehn?
Drum mutig! – Satan nimmt die Waffen –
Auf, gürte dich zu Lauf und Stand!
Erzittre nicht vor Gottes Affen,
Denn seine Wehr zerstäubt wie Sand.
Es gilt mit Gott hineinzufahren,
Mit Gott wird Unten Oben sein;
Denk' der Jahrtausende, die waren,
Jahrtausende, die werden sein.
Lehre an mich
1820.
Auf! Lege deiner Jugend Harnisch an!
Und schnalle um auch deine Rittersporen!
Was Glück? Sein Rädlein rollet ab und an;
Was Ruhm? Ein dunst'ges Gaukelbild für Toren.
Was bunter Tand, wonach die Menge greift?
Was Gold und Glanz und Titelklang und Orden?
Du greife das, was nicht wie Zufall schweift,
Du halte fest, was kein Tyrann kann morden.
Was du in strenger Arbeit dir erwarbst,
Was du im schweren Kampfe dir errungen,
Wodurch du reich sein wirst, auch wenn du darbst,
Und siegreich, wenn dich auch Gewalt bezwungen –
Das zarte Unsichtbare such' hervor,
Das dünne Fünkchen aus der Götterflamme,
Und jauchze: Zittre, Bube! Zittre, Tor!
Dies ist's, wodurch ich dir dein Nichts verdamme.
Dies ist's, worauf die ganze Erdenlast,
Wirfst du sie drauf, nur liegt und nimmer drücket,
Das Unsichtbare, was Gewalt nicht faßt,
Und, faßte sie's, nicht von der Stelle rücket,
Das Starke, was den bittern Feind, den Tod,
Mit allen seinen Schrecken selbst mag töten,
Das Frohe, was mit hellem Morgenrot
Des Unglücks dickste Wetternacht mag röten.
Dies nimm dir! Ruf auch die Gesellen auf,
Gespielen und Genossen tapfrer Jugend,
Die in der ernsten Arbeit dir den Lauf
Gestrecket auf der heißen Bahn der Tugend:
Durch das, was zornig schon den Knaben riß
Hinweg vom Tand, wonach's die vielen lüstet;
Steh nun als Mann im Sturm und Streit gewiß,
Auf! Waffne deine Schar und sei gerüstet!
O sieh! Schon steht dein tapfrer Wappenknecht,
Der edle Stolz, und zucket mit dem Eisen;
Drei Helfer sitzen auf, der Mut, das Recht,
Das Licht – sie wollen sich die Alten weisen;
Die Wahrheit trägt das leuchtende Panier,
Die Hoffnung schwingt die fliegende Standarte;
Auch unsichtbare Kämpfer folgen dir;
Gebet und Wunsch sind Hüter auf der Warte.
Mit solchen mutig drein auf Sieg und Tod!
Es gilt, was Freien ziemlich sei, was Knechten;
Nur einen Jammer gibt's, nur eine Not,
Für nichts und schlimmer gar für Frevel fechten.
Hinein mit Gott! Dein kleines Schicksal rollt
Aus seiner Hand mit Millionen Losen.
Das glaube – fest geschieht, was er gewollt –
Und glaubst du recht, so werden Nesseln Rosen.
Rückblick
1825.
Und haben wir das all durchlebt,
Durchwunden und durchrungen,
So dicht verworren und verwebt,
Mit Knoten viel durchschlungen
Und Dorngeflechten, scharf und spitz?
Sind wir durch Kunst und Mutterwitz
Durch oder drüber gesprungen?
O nein! Fest steht das Weltgesetz
Der alten ewigen Dinge:
Wir sind mit Hand und Fuß im Netz,
Mit Schnabel und mit Schwinge,
Und wolln wir brechen aus der Pein,
Wir zerren fester nur uns ein
Und rollen im engeren Ringe.
Wild wälzt das Schicksalsrad im Saus
Die blutbespritzten Speichen,
Daß starke Männer drob vor Graus
Im tiefsten Mut erbleichen;
Und sperrn sie auch sich kühn und stolz,
Sie stürzen hin wie morsches Holz,
Wann Sturmwind schüttelt die Eichen.
Und doch über all den Saus und Braus
Und all die grausen Sätze
Schwingt oft das Herz sich hoch hinaus
Und glaubt an keine Netze,
Es wieh'rt, ein edles Schlachtenroß,
Hinauf zum goldnen Freiheitsschloß,
Wie hartes Gebiß auch verletze.
So sang der alte Lebensfürst,
Und wie ein Held, so stand er;
Er hatt' die volle Jagd durchbürscht,
Und fragt ihr ihn: Was fand er?
Er sprach: Wie blinde Hessen drauf!
Dies Rätsel löset keiner auf,
Haut's durch wie Alexander!
An Henriette von Willich, als ich ihr den Thomas a Kempis »Von der Nachahmung Christi« überreichte
1830.
Viel ist gered't, gelesen und geschrieben,
Seit dieses Büchlein in die Welt gegangen,
Das Mal und Siegel von dem Geist empfangen,
Der Liebe sandte, daß sie lehrte lieben.
Wie vieles ist gewesen und vergangen,
Dies Büchlein hat vier Säkeln überdauert,
Und in dem Lande, wo's den Seelen schauert,
Lehrt's heute noch das ew'ge Heil erlangen.
Geliebtes Kind, kannst du einfältig fragen,
Einfältig wirst du darin Antwort finden:
Wie Liebe alles lösen kann und binden,
Weiß einzig sie das Höchste auszusagen.
Nachruf, dem Freiherrn Karl vom Stein
1831.
Der Löwe schläft – Ihr, die ihr wachen sollt,
Versteht ihr, daß die Besten schlafen gehen?
Die, als die Welt erlag, noch stark gewollt,
Die werden's nur verstehen.
Der Löwe schläft – Ihr, die ihr wachen sollt,
Versteht ihr, welcher Wächter heimgegangen?
Sein großes Herz braucht keiner Klagen Sold,
Nicht tränennasse Wangen.
Es heischt den Geist heraus, den deutschen Mut,
Zu brennen heiß für Vaterlandes Ehren,
Es heischt, wann's gilt, den letzten Tropfen Blut,
Nicht weibisch eitle Zähren.
Und schlängelt welsche List den Schlangenpfad
In deutsche Gaun, dann ruft der stumme Leue
Mit Donners Klang – es bebet der Verrat –
Er rufet: Treue! Treue!
Und klinget die Trompete: Es ist Krieg!
Und ziehen Feinde gegen Deutschlands Marken,
Dann mahnt's aus ihm zum Kampf auf Tod und Sieg
Die Tapfern und die Starken.
Der Löwe schläft – nicht er, nur sein Gebein;
Denn wann es ruft im Vaterlande: Wer da?
Dann ist er wach, dann ruft der Löwe Stein,
Dann ist sein Geist, ist er da.
Dann tönt die Losung Stein, beim Namen Stein
Ringt jeder Deutsche für das Freie, Hohe.
So schlägt es Blitz auf Blitz in Männer ein
Aus ihm in heil'ger Lohe.
Nein, Deutschland, nie wird dieser reinste Strahl
In deiner lichten Heldenkrone bleichen,
Solang aus Alpen braust dein Rhein zu Tal
Und grünen deine Eichen.
Das Grab
1835.
Steh hier still, hier wächst der Baum
Schon mit Blättern grün und voll,
Der des letzten Schlummers Traum
Freundlich dir umschatten soll.
Schau' ihn an, er ist so grün,
Nickt so lustig in die Welt,
Rote Rosen ihn umblühn,
Von der Maienluft geschwellt.
Welch ein Schimmer! Welch ein Duft!
Horche, wie der Morgen klingt,
Wie der Kuckuck unten ruft!
Wie die Lerche oben singt!
Und dies Leben rosenrot,
Diese Wonne liederreich
Wäre graulich, und der Tod
Hätte hier sein düstres Reich?
Nein, ihr Rosen, nein, du Baum,
Der mich einst umsäuseln wird,
Nein, du Vöglein, das den Traum
Dieses Schlafes einst umschwirrt,
Nein, ihr Maienlüftchen süß,
Die ihr mit den Blumen kost,
Hier blüht wieder Paradies,
Das nicht Sturm noch Flut umtost.
Wachse denn, du grüner Baum,
Wachset, Rosen, zum Gebüsch,
Mit dem vollen Frühlingstraum
Duftet um mein Bette frisch;
Liebe, hüte dieses Grab,
Hoffnung, winde drum dein Grün,
Und so laßt mich bald hinab
In die sel'ge Stille fliehn.
Klage um Wilibald
1835.
Eine Handvoll Erde,
Einen Rosenkranz,
Daß erfüllet werde
Treue Liebe ganz,
Werf' ich, süßer Knabe,
Unter schwerem Ach,
Letzte Liebesgabe,
Deinem Schatten nach.
Ach, der holde Schatten,
Ach, das liebe Bild,
Welches Engel hatten
Schön in Staub gehüllt,
Sollte nur als Schimmer
Mir vorüberfliehn,
Diese Knospe nimmer
Voll als Rose blühn.
O mein süßes Leben!
Alters Lust und Zier!
Könnt' ich mit dir schweben!
Wär' ich stets bei dir!
Von dem Staubgewimmel,
Von den Gräbern fern,
Stets in deinem Himmel,
Stets auf deinem Stern!
Der grüne Wald
1835.
O der süße, grüne Wald,
Wo wir einst in Wonne klangen,
Wo wir spielten, wo wir sangen,
Wo wir tanzten Maientänze,
Wo wir pflückten Maienkränze,
O der süße, grüne Wald!
Wie er immer widerhallt,
Wie er schallt:
Wilibald! Wilibald!
Schalle nur, du grüner Wald,
Rufe immer deinem Frommen,
Ach! Er kann nicht wiederkommen!
Blühet, Blumen, flüstert, Blätter,
Klinget, Vöglein, das Geschmetter
Eures Lenzes durch den Wald –
Bleich ist eure Lichtgestalt,
Stumm und kalt –
Wilibald, Wilibald.
O du süßer, grüner Wald!
Wo wir nun in leisen Tränen
Uns nach unserm Liebling sehnen,
Nimmermehr im frischen Maien
Mit der jungen Lust juchheien –
Rufe ewig, grüner Wald,
Mit der Liebe Allgewalt,
Daß es schallt:
Wilibald! Wilibald!
Frühling
1835.
Wann die leisen Bächlein rauschen,
Säuseln durch die Blätter bebt,
Muß ich horchen, muß ich lauschen,
Ob der Liebste niederschwebt;
Wann die Frühlingsvöglein singen,
Und die ganze Blumenflor
Nur ein Blühen ist und Klingen,
Singt und klingt und blüht er nur.
Und ich rufe meinen Schmerzen
Unter manchem lauten Ach:
Blüht auch ihr! – Ich will euch herzen,
Werdet frisch im Lenze wach!
Bringt die schönste meiner Gaben,
Bringt mir das verlorne Glück,
Bringt mir meinen süßen Knaben
In der alten Pracht zurück.
Und die Tränen fließen milder,
Und es schmilzt das starre Herz,
Und die holden Liebesbilder
Zaubert neu der neue Schmerz,
Liebesbilder, Liebesschatten,
Sie bevölkern jeden Raum;
Was wir haben, was wir hatten,
Was wir lieben, heißet Traum.
Ach! Ein süßer Traum, verdunkelt
In der Erde Nebelluft,
Dessen hellstes Bild erfunkelt,
Wann wir weinen auf der Gruft:
Erde müssen wir begraben
Und was in uns irdisch ist,
Wollen wir im Lichte haben,
Was vom Himmel göttlich ist.
Lerchengesang
1836.
Hast du noch einen Ton, du altes Herz,
So spann' ihn auf, und laß es klingen,
Laß deine Liebe, deinen Schmerz
Ihr volles Leid den Sternen singen.
Was hoch empor schlug, hallet tief zurück,
Es hallt in deinem Busen wieder,
Es weiß kein Lied vom Erdenglück,
Von Engelwonnen singt es Lieder.
Empor, du Lerche, zur gestirnten Höh'!
Was flatterst du im Erdgewimmel?
Dort klingt ein Echo für dein Weh:
Du bist vom Himmel, suche Himmel.
An die Lerche
1836.
Vöglein, Vöglein in den Lüften,
Lerche, die zum Himmel schwebt,
Unten still in Blumendüften
Und im Grün der Wiesen lebt,
Du bist mein, du süße Kehle,
Meine Sehnsucht, meine Lust,
Alles Weh der Menschenseele
Klingst du hell aus frommer Brust.
Also trägst du meine Schmerzen
Aus der Erde Nebelflor
Zu dem Herzen aller Herzen,
Zu dem Himmelshort, empor,
Trägst mich hin zu meinen Lieben,
Die nun oben selig sind:
Unten ist das Leid geblieben,
Droben wehet Lebenswind.
O wie süß, mit dir zu kreisen
In dem heitern Sonnenstrahl!
O wie süß, mit dir zu reisen
Himmelauf vom Erdental!
Auszujubeln, auszusingen,
Was das stille Herz nur weiß,
Und aus voller Brust zu klingen
Liebeslust und Himmelspreis!
Ruf an Gott
1836.
Du, der Licht war vor meinem Tage,
Du, der Klang war vor meiner Klage
In der Gestirne Jubelgesang,
Du, dem Sonnen und Welten entrollten,
Eh' meine Sinne fühlten und wollten,
Hilf, Herr! Mir ist die Seele so bang.
Du, der Licht bist, laß es durchdringen,
Du, der Klang bist, laß es erklingen,
Hauche von oben himmlischen Wind,
Hauche den Odem ewigen Lebens,
Daß entfliehen die Schauder des Bebens –
Hilf, Gott! Höre dein flehendes Kind!
Aus dem Lichtmeer nur einen Funken,
Wie ich einst ihn selig getrunken!
Aus deiner Wonne nur einen Ton! –
Und es wehen die Lüfte des Lebens,
Und es fliehen die Schauder des Bebens –
Du bist Vater, ich wieder dein Sohn.
Immer Liebe
1836.
Und klingst du immer Liebe wieder?
Und immer nur denselben Ton?
Und weißt du keine andern Lieder
Als Gottes Sohn, von Gottes Sohn?
Muß er dein Licht, dein Glanz, dein Schein,
Muß er dein Alles, Alles sein?
Ja, er allein: in diesem Namen,
In diesem allerschönsten Ton,
Klingt aller Himmel Himmel Amen,
Das Heilig! Heilig! klingt vom Sohn,
Und Cherubim und Seraphim
Anbetend knien sie hin vor ihm.
Ja, er allein: soweit die Winde
Das grüne Erdenrund umwehn,
Muß nun im Klang vom hohen Kinde,
Das Mensch ward, aller Jubel gehn:
Es klinget kein so süßer Ton
Als von dem Sohn und aus dem Sohn.
Nein, nimmer lernt es andre Lieder
Das arme, sündenkranke Herz,
Nein, nimmer klingt es andres wieder
Als jener Sehnsucht süßen Schmerz
Vom Menschensohn, vom Gottessohn,
Dies bleibt das Lied, der Klang, der Ton.
Du bleibst das Lied, du liebste Liebe,
Du bleibst die Sehnsucht, schönstes Bild,
Du Licht der Lichter, Trieb der Triebe,
Woraus der Himmel Wonne quillt:
Mein Herz klingt deine Herrlichkeit
Von nun an bis in Ewigkeit.
Himmelfahrt
1837.
Wie prangt im Frühlingskleide
Die grüne, bunte Welt!
Und hat in Welt und Heide
Musik und Lust bestellt:
Wie klingt und spielt der Scherz
In Büschen rings und Bäumen
Von Edens Blumenträumen
Den Klang in jedes Herz!
Hinaus denn, meine Seele!
In voller Lust hinaus!
Verkünde, ruf, erzähle
Und kling und sing es aus!
Du bist von Lerchenart,
Nach oben will dein Leben:
Laß fliegen, klingen und schweben
Die süße Himmelfahrt.
Auf! Lüfte deine Schwingen
Zum frohen Heimatort!
Dein Trachten, Sehnen, Ringen,
Dein Weg, dein Lauf ist dort –
O flieg aus diesem Glanz
Der bunten Erdenlenze
Ins Land der ew'gen Kränze!
Dort ist dein Ziel, dein Kranz.
Gesang der Christenlerche
1837.
Es klingt ein Klang der Klage
Rings durch die Welt umher:
»Kurz sind der Menschen Tage
Und ihre Mühen schwer,
Nach leichtem Jugendspiele
Treibt Arbeit, Müh' und Not
Sie rastlos fort zum Ziele,
Und dieses Ziel ist Tod.«
O Klang voll bittrer Wehen!
Uralter Heidenklang!
Aus Tiefen rings und Höhen
Wie klingst du grausig bang!
Mit Zweifeln, Zittern, Zagen,
Mit ungestilltem Schmerz
Stellst du die scharfen Fragen
Ans arme Menschenherz.
So mag ein Sandkorn schweben
Auf hoher Meereshöh',
Wie Menschen stürmisch beben
Auf wilder Lebenssee:
Ach! Zwischen Fürchten, Hoffen
Wie hielten sie's wohl aus,
Stündst du zum Trost nicht offen,
Du Grabesfriedenshaus?
Fort, Heidenklang! Verklinge!
Verkling, uraltes Weh!
Komm, Christenlerche, singe
Ein Lied aus höhrer Höh',
Ein Lied vom schönern Glauben,
Von süßern Friedens Ruh',
Komm, trag mit Noahs Tauben
Uns grüne Hoffnung zu.
Komm, Christenlerche, singe,
Was du so selig weißt,
Die Lust des Himmels singe,
Die Held und Heiland heißt,
Die Wahrheit heißt und Leben
Und Licht der Erdennacht,
Daß nun kein Leid mehr beben,
Kein Tod mehr grauen macht.
O süßer Klang der Freude!
O Klang der Seligkeit!
Nicht mehr der Stunden Beute,
Ich heiße Ewigkeit.
Verlisch, du Erdensonne!
Tu, finstres Grab, dich auf!
Hell flieget meine Wonne
Zum höchsten Stern hinauf.
Weihnachtsfreude
1837.
Steh auf! Die Sonn' ist aufgegangen,
Es scheint das Licht der Herrlichkeit –
O Seele, klinge dein Verlangen,
Hell kling herein die neue Zeit!
Laß heut die frohe Kunde schallen
Weit übern Erdenball ringsum!
Erklinge, singe, künde allen
Der Menschheit Evangelium.
Dies ist das Licht, dies ist der Morgen,
Der Vorwelt dünner Dämmerschein,
Oft leuchtend auf und oft verborgen,
Nun scheint er hell zur Welt herein,
Das Liebesrätsel ew'ger Güte,
Der Frommen Hort, der Weisen Lust –
Der Sehnsucht süße Rosenblüte
Erblüht nun voll in jeder Brust.
Drum sollst du, frohe Liebe, klingen,
Daß alle Welt in Wonne sei,
Mit allen Himmelschören singen:
Ihr dunkle Menschen eilt herbei!
O eilet euch im Licht zu baden!
Der Glanz des Himmels strahlt herein,
Und jeder Jammer, jeder Schaden
Der Nacht soll weggeleuchtet sein!
Kommt alle, die ihr lieft verloren
In freudenvoller Finsternis!
Denn Jesus Christus ist geboren,
Es scheint das lichte Heil gewiß.
O Liebesglanz! O Lebensmorgen!
O wunderbarer Gottesschein!
Weg Sünden, Schmerzen, Zweifel, Sorgen!
Denn Jesus Christ will unser sein.
Friedensgebet
1837.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
Du milder Liebeshort!
Einst bist du abgeschieden
Mit süßem Freudenwort:
Ich geb' euch meinen Frieden,
Wie ihn die Welt nicht gibt,
Verheißen und beschieden
Dem, der mich glaubt und liebt.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden!
Die Welt will Streit und Krieg,
Der Stille wird gemieden,
Der Wilde hat den Sieg,
Und Unruh' herrscht auf Erden
Und Lug und Trug und List –
Ach! Laß es stille werden,
Du stiller Jesus Christ!
Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
Du milder Liebeshort!
Dann wird es schon hienieden
Ein Paradiesesort,
Und Sorgen fliehn und Schmerzen
Aus jeder schweren Brust,
In Freuden glühn die Herzen,
In Lieb' und Himmelslust.
Des Zweiflers Unruh'
1837.
Wohin, wohin, ihr flatternden Gedanken?
Wohin mit mir im brausenden Gewimmel?
Was reißt ihr mich durch aller Himmel Himmel
Und schlingt um nichts und alles eure Ranken?
Wir fliegen hoch. Sind wir so hoch geboren?
Und warnt uns nicht, was Fabel klingt und Sage,
Der Weisen Lehre und der Helden Klage,
Der Frommen Seufzer und der Spott des Toren?
Sie warnen: Kinder flüchtiger Sekunden,
Wie reißt euch doch der wilde Wahnsinn hinnen?
Was Menschen schaffen, bauen, denken, sinnen,
Wird ihnen gleich ein Morgentraum erfunden.
Ja, daß wir durch die höchsten Himmelshöhen
Und durch die tiefsten Höllen müssen schweifen,
Nach Unergreiflichkeiten müssen greifen,
Das ist das lange Weh der ältsten Wehen.
Da spielt die Hoffart und ihr Sohn, der Zweifel,
Ach, schon Gesell von Adam, unserm Ahnen;
Wir sind Soldaten unter seinen Fahnen
Und folgen ihres bunten Trugs Gewaifel.
Er ruft: Mir nach zum Sieg, ihr tapfern Knechte!
Mir nach, zum Dienst das Geisterreich zu zwingen!
Wir müssen durch zum Lichtesurborn dringen;
Den Feigen unten lassen wir die Nächte.
Das ist's, das ist der alte Fluch hienieden:
Wir jagen nach den bunten Zauberbildern,
Bis wir im wirren Geisterkrieg verwildern,
Stets weiter weg von Einfalt, Ruh' und Frieden.
Weh heißt die Aufschrift auf dem Lebensschilde,
Verwirrt hat unser Abc die Lüge,
Verwischt das klare Antlitz reiner Züge,
Des Götterbilds der Liebe, Lust und Milde.
Doch ist des Bildes Bild herabgekommen,
Des Armen Reichtum und das Licht der Blinden,
Der Edelstein, den Kunst und List nicht finden,
Der nur den Stillen leuchtet und den Frommen.
Des Schiffers Traum
1837.
Es heult der Sturm, die Woge schäumt,
Und durch die Wolken fahren Blitze,
Der alte Schiffer nickt und träumt
Gar ruhig auf dem nassen Sitze:
Wie wild um ihn die Woge schlägt,
Wie auf und ab das Schifflein schaukelt,
Ein Traum, der süße Bilder trägt,
Umspielt sein Haupt und scherzt und gaukelt.
Ein Eiland hebt er hell und schön
Mit reichen Fluren aus den Wogen,
Ein wundervolles Lenzgetön
Aus Blütenhainen kommt geflogen –
Der Alte ruft: »Hier legt ans Land!
Hier in die Bucht, den stillen Hafen!
O kommst du endlich, Friedensstand?
Wie will ich süß nach Stürmen schlafen!«
Da schießt aus schwarzer Nacht ein Strahl,
Ein glühnder Gottespfeil, von oben,
Der Schiffer und das Schiff zumal
Mit Mann und Maus sie sind zerstoben,
Die wilde Woge treibt zum Strand,
Treibt Trümmer und Leichen treu zum Hafen –
Glückseliger Träumer! Du hast Land,
Nun kannst du süß nach Stürmen schlafen.
Warum ruf' ich?
1837.
Und rufst du immer Vaterland
Und Freiheit? Will das Herz nicht rasten?
Und doch, wie bald umrollt der Sand
Des Grabes deinen Leichenkasten!
Die nächste Ladung trägst du schon
Geschrieben hell auf weißer Scheitel;
Gedenk' des weisen Salomon,
Gedenk' des Spruches: Alles eitel.
Ja, darum ruf' ich Vaterland
Und Freiheit – dieser Ruf muß bleiben,
Wann lange unsrer Gräber Sand
Und unsern Staub die Winde treiben;
Wann unsrer Namen dünner Schall
Im Zeitensturme längst verklungen,
Sei dieses Namens Widerhall
Von Millionen nachgesungen!
Ja, darum, weil wir gleich dem Schein
Der Morgendämmerung verschweben,
Muß dies die große Sonne sein,
Worin wir blühn, wodurch wir leben;
Drum müssen wir an diesem Bau
Uns hier die Ewigkeit erbauen,
Damit wir aus dem Geistergau
Einst selig können niederschauen.
O Vaterland! Mein Vaterland!
Du heil'ges, das mir Gott gegeben!
Sei alles eitel, alles Tand,
Mein Name nichts und nichts mein Leben –
Du wirst Jahrtausende durchblühn
In deutschen Treuen, deutschen Ehren:
Wir Kurze müssen hinnenziehn,
Doch Liebe wird unsterblich währen.
Der Stein im Rhein
1838.
Hier ist die Stelle, hier liegt der Stein,
Hier nahm mein Liebstes hinweg der Rhein,
Der Freude, der Liebe goldensten Hort,
Hier flog die Lust des Lebens mir fort.
O kurze Zeit! Und o lange Zeit!
Wird die Vergangenheit Ewigkeit?
Wird Zukunft eine Ewigkeit lang,
Weil solchen Hort mir die Woge verschlang?
O Tag! – Ja klage nur – Tag, der war!
Einst mustert' ein Feldherr mir meine Schar –
»Stell' auf die Knaben! Alle herbei!
Daß ich sehe, welcher der reisigste sei.«
Sie standen, und ich sprach: »Euer Rhein
Muß ewig Deutschlands Herrlichkeit sein;
Ihr misset's, und euer frischestes Blut
Für solchen Preis sei es keinem zu gut.«
Da trat der kleinste wohl aus dem Chor,
Ein stolzer Freiwilliger, leuchtend hervor,
Schlug in des Feldherrn Ehrenhand
Den edlen Willen rasch ein als Pfand.
Er hat's gehalten, er ward der Hort,
Ihn trug sein Rhein sich als Opfer fort:
So hat er mir ohne Schlachten die Schlacht
Vor tausend Schlachten blutig gemacht.
Nun liege fest vor den Welschen, mein Stein!
Nun brause freudiger, freier, mein Rhein!
Meine Sehnsucht und Liebe, sie rauschen mit dir –
O rauschten deine Wellen auch über mir!
Grablied
1838.
Auf! Laßt uns fröhlich singen
Ein Lied von Tod und Grab!
Gar herrlich soll es klingen
Ins letzte Bett hinab:
Des Friedhofs stiller Hügel
Kein Leben deckt er zu,
Der Geist schwingt frohe Flügel
Und fliegt der Heimat zu.
Er sagt der grünen Erde
Die letzte gute Nacht,
Denn Arbeit, Not, Gefährde
Sie sind mit Gott vollbracht,
Die Freuden und die Mühen
Der armen Sterblichkeit –
Nun sieht er Kränze blühen
Im Lenz der Ewigkeit.
Nun sieht er hell im Lichte,
Was hier so dunkel war,
Des Herzens Traumgesichte,
Des Lebens Rätsel klar;
Nun kann er ganz verstehen,
Was Gott, was Christus ist:
Wie wohl ist ihm geschehen,
Daß er gestorben ist!
Drum wolln wir fröhlich singen
Ein Lied von Tod und Grab,
Ein Himmelslied soll klingen
Ins Erdenbett hinab!
Die Seele hat gewonnen
Das ew'ge Morgenrot
Und schaut aus heitern Wonnen
Hinab auf Grab und Tod.
Jesusgebet
1838.
Herr, du mein Licht, mein Heil, mein Leben,
Du süßer Heiland Jesus Christ!
Hilf, Herr! Hilf! Laß mich nicht entschweben
Von dir, wo Seelenfreude ist,
Wo Einfalt ist, wo Frieden ist,
Bei dir, bei dir, Herr Jesus Christ!
Hilf! Laß mich nicht im Schein verwildern
Der Welt, die tausendfarbig gleißt,
Die lockt, die Wesen durchzubildern,
Soweit das All die Bahnen kreist –
O gib mir deinen stillen Geist,
Des Namen Lieb' und Demut heißt!
O könnt' ich schaun aus deinem Bilde
Der Welten Ziel, der Menschen Sein
Mit voller Klarheit, voller Milde,
Dann wäre schon der Himmel mein,
Dann täuschte mich kein Schein vom Schein,
Das Licht der Lichter wäre mein.
O Licht der Lichter! Bild der Bilder!
Du Gottesglanz, du Liebesglanz!
Du Stiller, Treuer, Frommer, Milder,
Erleuchte mir die Seele ganz!
Dein Bild dies bilde ganz mir ein!
Und werde, bleibe ewig mein!
Meine Grablegung
1839.
»Wann ich gestorben, schlagt den schwarzen Mantel
Um meinen morschen Leib, wie er verschlissen.
Ihr wißt, warum: die Sünde, die Tarantel,
Hat mich in grüner Jugend scharf gebissen.
Drum mußt' ich taumelnd in dem tollen Tanze,
Der Leben heißt, durch böse Irren schweifen,
Am Becher wilder Lust, am bunten Kranze
Der Torheit wie an Blumen mich vergreifen.
Wie sollt' ich anders denn vor Gott erscheinen
Am Jüngsten Tag, als trauernd und zerrissen?
Ach! Mein Gefolg', mein Engel, der wird weinen
Und mein Vertrauter zagen, mein Gewissen.«
So sprach ich. Und mein Töchterlein, das feine,
Wischt' aus den Augen sich die hellen Zähren:
»O Vater, diese Farben sind nicht deine;
Wie kommst du auf die alten Heidenmären?
Ich weiß es besser, wie wir dann dich kleiden:
Dein Leichentuch muß grün sein, und ein rotes
Herz auf dein Herz genäht; denn diese beiden,
Das Grün und Rot, verkünden nichts Gedrohtes.
Die frohen Christenfarben sollst du nehmen
Mit grünem Christenglauben in die Erde.
Was spielst du so mit wüsten Heidenschemen,
Verzerrt durch Graun der düstern Nachtgebärde?«
So winkte mich das Kind zur Himmelspforte
Zurück, zurück zum Grün, zum grünen Hoffen,
Zurück zum Rot, zu dem, des Wunden offen
Geblutet an dem Kreuz, zum Liebeshorte.
Drum, wann ich sterbe, sollt ihr grün mich kleiden,
Ein rotes Herz mir nähn auf Herzensstelle:
Grün ist das Wort vom Christ und rot die Welle,
Die eine schwarze Welt gesühnt durch Leiden.
Gerechtigkeit Gottes
1839.
Du findest keinen festen Weg zum Glücke
Hier, wo das bleiche Mondlicht niederschauet;
Nur, wer sich gleich der Regenbogenbrücke
Aus leichten, bunten Steinen ihn erbauet,
Ist weise, wer wie Kinder fort sich spielet,
Auf keinen Fang wie auf Gewisses zielet.
Es war der Mann gekommen aus dem Lande,
Wo Honig Gift ist1, Dolch die Streite sühnet,
Er schlug die Welt durch Schwert und Trug in Bande,
Durch Großes zu dem Größten stolz erkühnet –
»Mir«, sprach er trotzig, »gab der Herr die Reiche,
Wer wider mich und Gott will, der erbleiche!«
So rief der Korse, doch es schmolz zusammen
Sein Stolz im Schnee und Eis der Moskowiten,
Aufschlugen da aus allen Herzen Flammen,
Und Zorn und Liebe trieben heiße Blüten,
Zu einem Strauß des schönsten Kampfs gebunden:
Des Bösen Zauber war wie Dunst verschwunden.
Verkrächzet war das Lied der Schicksalsraben,
Und es erklang das Siegeslied der Christen
Zum Gotteskampf vom Greise bis zum Knaben,
Gebunden ward der Fürst der Hinterlisten;
Er fiel, und zweimal heulte die Hyäne
Europas, deutsch gegeißelt, an der Seine.
Da, als die Völker wachten auf vom Staunen
Und ließen frisch dem heißen Mut den Willen,
Blies ich mein Pfeifchen auch mit Kriegsposaunen,
Der Freiheit lang erstickte Lust zu stillen –
Da winkten manche Fromme mir den Segen,
Ich führte Federn nur, die bessern Degen.
Bald klingt es Frieden, nach gewalt'gen Dingen
Ist's allen Herzen wieder stiller worden,
Man läßt zum Rhein zurück die Trommeln klingen,
Man läßt die Fahnen wieder wehn gen Norden,
Und jeder suchet froh das liebe Seine,
Ich suche, finde meines mir am Rheine.
Da träumt' ich Ruh' dem kurzen Rest der Tage,
Ach, Traum ist Menschenwünschen, Menschenmeinen!
Der droben alles wägt auf höchster Wage,
Vor dem erlischt der Schein von Erdenscheinen,
Er dräute Wetter meinem stillen Sitze
Und schoß durch meinen Himmel manche Blitze.
Und endlich ließ er mir von jenen Streichen
Aus hellen Wolken einen niederschmettern,
Von jenen, welche Locken plötzlich bleichen,
Das Leben flugs entblüten und entblättern,
Er schoß auf meinen schönsten, schnellsten Knaben,
Ihn hat der Rhein genommen und begraben.
Gerecht ist Gott und gut allein und weise,
Er misset jedem zu mit rechtem Maße:
Wer nur die Blumen sucht der Pilgerreise,
Den treibt er fort zur bösen Dornenstraße:
Verlieren wollt' ich mich auf Blumenwegen,
Da trat mit Schrecken mir der Herr entgegen.
Gerecht ist Gott und gut allein und weise –
O Mensch, bekenn' es unter bittern Tränen! –
Er rollt Geheimnis durch des Lebens Kreise,
Auf daß du lernest nach dem Licht dich sehnen,
Auf daß die liebe Not dich lehre beten,
Vom Erdenweg in Himmelswege treten.
Fußnoten
1 So beschrieben und empfanden die Römer selbst schon ihr Korsika.
Mein Vöglein
1839.
Goldschwingen trugst du – o wie goldne Schwingen! –
Mein Vöglein, das so frühe mir entflogen;
Drum hat von dir der Glanz sich weggezogen,
Drum muß ich fernhin lauschen ihrem Klingen;
Ach! fernhin, wo, in sel'gen Lichtes Wogen
Die Engel badend Heilig! Heilig! singen;
Ach! fernhin – Mag so hoch ein Schuß gelingen,
Den Schmerz und Sehnsucht tun vom Herzensbogen?
Meist kommt der Pfeil zurück, der nicht getroffen,
Daß Herz und Augen Tränen mir verdunkeln,
Daß mir die Ohren wie voll Glocken klingen.
O Himmel, wann stehn deine Pforten offen,
Daß meine Geister mir entgegenfunkeln,
Daß meine goldnen Vögel um mich singen?
Mein Blumenkönig
1839.
Von Blumen trug er beide Händchen voll,
Drum nannten wir ihn scherzend Blumenkönig,
Dann goß er vor uns aus den bunten Zoll
Und meint', er trüge immer noch zuwenig –
Ach! Unsern Liebling, unsern schönsten Knaben,
Wir mußten ihn im Blütenlenz begraben.
Glückselig er! Er hat der schlimmen Welt
Nur Spiel und Scherz und Blumen abgewonnen,
Nie hat sich ihm des Lebens Nichts erhellt,
Nie ist ein Zauber ihm in Trug zerronnen:
Reich flog er weg mit allen Blütenscheinen,
Wir schauten arm ihm nach und mußten weinen.
O Rosenkönig, süßes Sternenkind!
Wann neu die Nacht die goldnen Lampen zündet,
Wann Lust und Leid voll Sehnsucht still und lind
Lauscht, was die obre Welt geheim verkündet,
Dann scheinst auch du mit Millionen Lichtern
Und funkelst mit den Engelangesichtern.
O Rosenkönig, süßes Sternenkind!
Dann streust du bunte Himmelsblumen nieder,
Und wie an Tagen, die vergangen sind,
Erfreut uns jene Blumenwonne wieder:
Dann spielt es rings mit längst verschwundnen Scheinen,
Wir spielen mit, wir träumen mit und weinen.
Des alten Soldaten letzter Ausmarsch
1839.
Marsch! Was klingen die Trompeten?
Marsch! Klingt das nicht Totenmarsch?
Helles Blasen nicht und Flöten
Ernst und still, nicht wild und barsch?
Marsch! Es muß gewandert werden!
Nicht zu Tanz und Kriegesspiel,
Nein, der letzte Marsch auf Erden
Und der nächste Marsch zum Ziel.
Marsch! Zum Abzug wird geblasen,
Und des Lebens hast du satt;
Nimm das letzte Grün vom Rasen,
Nimm vom Baum das letzte Blatt,
Nimm vom Strauch die letzte Rose;
Denn es muß geschieden sein:
All vergriffen sind die Lose,
Keines steht für dich noch ein.
Sei's! Trompeten und Posaunen,
Schallt, und donnre, Paukenschlag!
Donnre Schrecken und Erstaunen!
Mir entbebt kein Weh noch Ach!
Und ich will es fröhlich sagen:
Ja, des Lebens hab' ich satt,
Falle still und ohne Klagen
Wie vom Baum ein welkes Blatt.
Denn ich bin Soldat gewesen,
Und in manchem heißen Strauß
Bliesen Kugeln auserlesen
Mir fast Licht und Atem aus,
Wilde Scharen aller Farben
Drangen stürmend auf mich ein,
Schrammen, Striemen, Wunden, Narben
Müssen des mir Zeugen sein.
Nicht auf weichen, seidnen Sitzen
Wiegte mich das Leben durch,
Scharf mit Donnerschlag und Blitzen
Traf's mich aus der Himmelsburg:
Denn wo gute Kämpfer standen,
Bot ich mich dem Schützen voll,
Und der Schütz hat wohl verstanden,
Wie ins Herz man treffen soll.
»Welcher Schütz? O welche Fabeln?
Wohin träumt der irre Greis?
Spielt in Bildern und Parabeln
Aus, wovon er selbst nicht weiß?«
Schweigt! Hier müßt ihr alle lallen,
Kinder, kind'sche Träumer sein,
Beten, knien, niederfallen
Vor des Schützen Blitzesschein.
Marsch! O Freudenmarsch! Und munter
Spielt mir auf zum letzten Gang!
Klingt mir fröhlich noch hinunter
In das stille Grab den Klang!
Kameraden, bald hienieder
Folgt ihr mir zu gleichem Ziel –
Doch getrost! Wir kämpfen wieder
Droben beßres Kriegesspiel.
Die Nachtrheinfahrt
1839.
Zwei schlug's nach Mitternacht, wohl sieben Meilen
Hatt' ich am heißen Sommertag vollendet,
Da sahen, wo die Sieg zum Rhein sich wendet,
Nur Mond und Sterne mich nach Mondorf eilen.
Es schliefen Mensch und Tier und Wald und Bäume,
Die Vöglein bargen unter stillen Flügeln
Die Schnäbel und die Stimmen, aus den Spiegeln
Des Tages spielten Bilderspiel die Träume.
Ich rief dem Fergen, doch mir scholl's entgegen:
»Er liegt am Ufer jenseits eingeschlafen,
Denn selten kommt zu unserm kleinen Hafen
Ein Wandrer hin auf mitternächt'gen Wegen.
Doch steht ein Eichstock an der Sieg Gestade,
Und macht das schmale Fahrzeug Euch kein Grauen,
So mögt Ihr meiner Armeskraft vertrauen,
Ich rudr' Euch mutig durch die Wellenpfade.«
»Geh! Hol'!« – Er ging. Doch unterdes erblaßten
Mond und Gestirne, schwarze Wolken zogen
Gewitternacht zusammen, Blitze flogen,
Die sich vom Ost zum West umarmend faßten.
Der Eichstock kam. Sein blitzerhellter Treiber
Erschien mir nun, ein Mann gewalt'ger Knochen,
Schwarz, düster, gleich dem Fährmann viel besprochen,
Der weiland Geister führte dünnster Leiber.
Frisch sprang ich doch in diesen Charonsnachen,
Doch kaum das Viertel meines Wegs gefahren,
Erpfiff ein Lispelwind, er pfiff Gefahren,
Die bald als Sturm und Donner sollten krachen.
Schon bebet die Natur, die Vögel sausen
Durch wilde Luft, mit Bellen, Heulen, Stöhnen
Erwacht die Kreatur in Klagetönen,
Die kurz verhallend durcheinander brausen.
Der Ruf der Wächter, die die Nacht durchschreiten,
Schreit in geschwinder Angst aus dumpfem Horne,
Als bliesen sie ein Lied von Gottes Zorne,
Den Jüngsten Tag, den Untergang der Zeiten.
Und krach, schlägt's ein vor uns, die Wellen spritzen,
Der Nachen bäumt sich, wie zum letzten Sprunge
Ein fallend Roß, und aus dem Ruderschwunge
Entstürzen beide wir zugleich den Sitzen.
Ein Ruder brach, ein Vogel ohne Flügel
Fliegt nun das Schifflein fort. »Gott sei uns gnädig!«
So rufen wir kleinmütig und kleinredig:
»Der Wogenturm wird uns zum Grabeshügel.«
Doch Wunder! Wie wir kaum das Wort gesprochen,
Verstummt der Donner, und die Winde lispeln
Sich sanft zum Säuseln ab, zum Zephirwispeln,
Das Morgenrot erglänzt, aus Nacht gebrochen.
Wohin wir wollten, muß die Flut uns bringen;
Wir, die noch eben Tod in Tiefen sahen,
Schon können wir des Ufers Weiden fahen
Und bei Graurheindorf froh ans Ufer springen.
Die Lerche klingt, es klingt der Mensch den Morgen,
Wach' auf, mein Herz, und singe! hör' ich klingen
Aus kleinem Häuschen, mußte mit es singen,
Bald lag ich in der Meinen Arm geborgen.
Ermunterung
1840.
Was willst du dich betrüben?
Der alte Gott lebt noch,
Nicht hüben und nicht drüben,
Nicht ferne und nicht hoch:
Sein Sein ist allenthalben,
Sein Lieben klingt durchs All
In höchster Engel Psalmen,
In kleinster Vöglein Schall.
Er weiß um deine Schmerzen,
Er weiß um deine Lust,
Und willst du ihn von Herzen,
Gleich hat ihn deine Brust,
Gleich fällt wie Frühlingsregen
Bei warmem Sonnenschein
Sein süßer Gnadensegen
Dir voll ins Herz hinein.
Auf! Wirf dein schlechtes Grämen,
Dein eitles Sorgen weg!
Verscheuche alle Schemen,
Die irren deinen Weg!
Du sollst im Lichte schreiten,
Und der dich frei gemacht,
Das große Licht der Zeiten,
Schloß ewig deine Nacht.
Mag alles sinken, wanken,
Dies eine bleibet fest,
Gedanke der Gedanken,
Der nimmer sinken läßt:
Das große Licht der Zeiten,
Dein Heiland Jesus Christ,
Wird Strahlen um dich spreiten,
Wo alles finster ist.
Dies wage fest zu fassen,
Dies halte treu und fest,
Den schwöre nie zu lassen,
Der nimmer dich verläßt:
Der dich mit seinem Blute
Erlöst aus Nacht und Wahn,
Will, daß mit hellem Mute
Du wandelst deine Bahn.
Sankt Florentius' Mantel
1840.
Sankt Florentius, der fromme Bischof,
Ritt gen Straßburg zu dem hohen Schlosse,
König Dagobert sich zu verneigen.
In das Vorgemach hinaufgestiegen,
Dessen Doppeltüre führt zum Saale,
Wo der König thront vor seinen Mannen,
Späht er für den regenschweren Mantel
Rings nach einem Stuhl, nach einem Nagel,
Ja, nach einem Häkchen nur am Fenster,
Seine nasse Bürde dran zu hängen.
Ach! Vergebens: glatt sind alle Wände,
Bänke, Stühle gar nicht im Gemache.
Sieh! Da schießet durch die Fensteröffnung
Hell ein Sonnenstrahl gleich einer Lanze,
Etwas drauf zu hängen – und Florentius:
»Will es Gott, so trägt er«, und den Mantel
Wirft er auf den Strahl. Da geht die Tür auf,
Und der Bischof kniet vor dem König.
Und o Wunder! Als er bald zurückkommt,
Stehet noch die Sonnenstrahlenlanze
Und der Mantel drauf in Lüften hangend.
Und anbetend steigt der fromme Bischof
Schweigend nieder aus des Schlosses Hallen.
Dies das Märchen von Florentius' Mantel,
Von dem Strahle, der als Stange diente.
Doch was soll uns dieses Kindermärchen?
Ist's ein Nagel, Wahrheit dran zu hängen?
Ja, ein Nagel ist's, ein helles Gleichnis
Von dem Sonnenstrahl der Gnade Gottes.
Ach! Die hat auf Erden keinen Nagel,
Unbequemes daran wegzuhängen;
Ach! Die hat auf Erden keine Balken,
Lasten, welche drücken, draufzulegen.
Aber wo ein Fünkchen von ihr schimmert,
Wo ein dünnstes Streifchen ihres Lichtes
Von dem Himmel zu der Erde schießet,
Fasse, halte dran, als wären's Lanzen,
Lanzen Gottes, dich und deine Lasten,
Dich und deiner Sünden schweren, schwarzen
Mantel froh vertrauend dranzuhängen –
Und dein Gott wird mächtig sein wie weiland,
Und dein Glaube fröhlich oben schweben.
Das Lied vom Rhein an Niklas Becker
1840.
Es klang ein Lied vom Rhein,
Ein Lied aus deutschem Munde,
Und schnell wie Blitzesschein
Durchflog's die weite Runde,
Und heiß wie Blitzesschein
Durchzuckt es jede Brust
Mit alter Wehen Pein,
Mit junger Freuden Lust.
Sein heller Widerklang
Vom Süden fort zum Norden
Ist gleich wie Wehrgesang
Des Vaterlands geworden.
Nun brause fröhlich, Rhein:
Nie soll ob meinem Hort
Ein Welscher Wächter sein!
Das brause fort und fort.
Und stärkrer Widerklang
Gleich Pauken und Posaunen,
Gleich kühnem Schlachtgesang
Klingt Welschland durch mit Staunen –
Es klinget: Neue Zeit
Und neues Volk ist da;
Komm, Hoffart, willst du Streit!
Germania ist da.
Drum klinge, Lied vom Rhein!
Drum klinget, deutsche Herzen!
Neu, jung will alles sein –
Fort, fort die alten Schmerzen,
Der alten Wahne Tand!
Alleinig stehn wir da
Fürs ganze Vaterland,
Jung steht Germania.
Dem bleibenden Ausschutz des Düsseldorfer Karnevalvereins nach Übersendung seines Patents
1841.
Wollt auch Ihr mich wieder locken
Zu der Torheit buntem Reigen
Auf des Scherzes leichten Socken!
Ach! die Flöten und die Geigen
Mögen wunderlustig klingen,
Doch den Mut entflohner Jahre
Können sie nicht wiederbringen,
Noch die Kränze dichter Haare.
Denn den Reigen durchzutanzen
Mit der Freude Vagabunden,
Denn die Spiele durchzuschanzen
Hintermitternächt'ger Stunden
Mag der Siebziger nicht wagen;
Doch er klatscht mit frohen Händen
Euren jubelvollen Tagen,
Die nach Mitternächten enden;
Doch er hat im langen Leben
Einen frommen Spruch erworben,
Den er kann als Lehre geben:
Froh gelebt heißt froh gestorben.
Glücklich, welche fröhlich spielen!
Selig, welche mächtig hoffen!
Denn nach vielem muß man zielen,
Weil so wenig wird getroffen.
Geistesmahnung
1841.
Soll die Erde dich besiegen,
Ihre kalte, feige Macht?
Willst du dich mit Sklaven schmiegen
Wie in dumpfer Kerkersnacht?
Willst du gleich den Feigen sorgen
Um ein Ding, das nimmer dein?
Armer Geist! Dann bringt kein Morgen
Deinem Dunkel Sonnenschein.
Hast du Federn doch und Schwingen,
Edler Geist, so schwinge dich!
Laß sie rauschen, laß sie klingen!
Und die Nebel senken sich,
Wann du deine Höh' erflogen,
Und die dumpfe Nacht wird licht,
Und der Wahn, der dich belogen,
Weicht der Freude Sonnenlicht.
Freude! Freude! Welche Flügel!
Mut! O welches Schlachtenroß!
Diese reißen alle Zügel,
Diese sprengen jedes Schloß,
Diese brechen alle Riegel
Feiger Sorge, eitler List,
Diese, Unterpfand und Siegel,
Daß du Sohn des Himmels bist.
Sohn des Himmels, Kind der Sterne!
Dort dein Heim, dein Sitz, dein Reich –
Tiefe, Höhe, Nähe, Ferne,
Erd' und Himmel alles gleich –
Wo die Flügel immer schweben,
Liegt dein Reich. Auf, nimm es ein!
Nimm dein Reich ein, nimm dein Leben,
Nimm dich selbst! – Die Welt ist dein.
Frühling im Alter
1841.
Singen die Vöglein im grünen Wald,
Klingen die Bächlein bergunter,
Lockt es den Alten mit Lustgewalt,
Klopfet das Herz ihm so munter:
Denket der Wonnen verschienener Lenze,
Denket der Kränze und denket der Tänze,
Fallen auch Tränen herunter.
Singet und klinget! das Heute ist mein,
Heut will ich singen und klingen
Lustig mit spielenden Kindern feldein,
Fröhlich mit fröhlichen Dingen,
Will mir bekränzen die Locken, die greisen:
Bald muß ich hinnen und wandern und reisen,
Wo mir die Vögel nicht singen.
Allein
1841.
Ich bin allein, in weiter Welt allein,
All meine Sterne schlossen ihren Himmel,
Im dichten Menschenstrudel ganz allein,
Allein im bunten, wilden Erdgewimmel –
Allein? Wie furchtbar tönst du, Schreckenswort!
Zum Ozean des Nichts wie treibst du fort!
Allein! So schloß sich schwarz der Himmel zu,
Der meine jungen Tage einst umglänzte?
So flüchtig, süße Freude, warest du,
Die meinen Frühling einst mit Rosen kränzte?
Allein? Allein? O gräßlich düstres Wort!
Einsam der Mensch und ohne Heim und Ort?
Einsam der Mensch? Du faselst, dunkler Tor –
Lockt nicht die Sonne mit den alten Strahlen?
Lockt nicht die Wiese mit dem Blumenflor,
Ein zweites Eden vor dir hinzumalen?
Spricht Gott nicht in dem Stein und Gras und Strauch,
Im Sternenschimmer und im Blütenhauch?
Spricht Gott in dir nicht? Ja, wenn Kerkernacht
Im Moder fern von Sonn' und Mond dich hielte,
Und wenn des Satans schärfste Höllenmacht
Mit allen Zweifelsschüssen auf dich zielte,
Wo Gott und Liebe spricht, wie könnt' es sein?
Mit Gott und Liebe bleibt kein Mensch allein.
Mit Gott und Liebe – o das Freudenwort!
Gleich fliegen her die Myriaden Geister
Und jagen alle düstern Spuke fort
Und werden aller bösen Träume Meister,
Und fröhlich tagt's wie junger Morgenschein:
Mit Gott und Liebe bleibt kein Mensch allein.
O Gott und Liebe! O du Liebesheld!
Du Stiller alles Jammers, aller Klagen!
Du Helfer und Befreier aller Welt,
Der auch für mich den Dornenkranz getragen –
Bescheinst du mich, du höchster Liebesschein,
Ist alle Erde, aller Himmel mein.
Deutsches Kriegslied1
1841.
Fürs Vaterland, fürs Vaterland
All-Deutschland frisch und fröhlich auf!
Vom Ostseestrand, vom Nordseestrand,
Aus Berg und Tal All-Deutschland auf!
Auf! Auf! Was kann die Stange tragen,
Und was von deutschen Ehren weiß!
Und was ein deutsches Herz fühlt schlagen,
Dem glüh' das Herz heut doppelt heiß!
Fürs Vaterland, fürs Vaterland!
All-Deutschland frisch und fröhlich auf!
Auf gegen welschen Lügentand
Mit Sturmesschritt im Sprung und Lauf!
Ha! Hört ihr frech die Welschen tönen?
»Für uns das Land, für uns der Rhein!
Der Sieg ist Galliens tapfern Söhnen,
Drum, stiller Deutscher, gib dich drein!«
Fürs Vaterland! Fürs Vaterland!
Horch', Welschland! Hör' ein Gegenlied:
Ein Volk, ein Heer, ein Herz und Hand,
Was gegen euch den Degen zieht –
Sind all zu Schild und Helm geboren,
Das freie, tapfre Teutsgeschlecht,
Zu edlem Tode aufgeschworen,
Zum Kampf für Freiheit, Licht und Recht.
Fürs Vaterland! Fürs Vaterland!
Drum alle frisch und fröhlich drein!
Auf welschen Trotz ins welsche Land!
Für unsern Rhein frisch übern Rhein!
Mit Gott dem Herrn, dem Gott der Freien,
Drum alle frisch und fröhlich drein!
Und was die Prahler dräun und schreien,
Es muß durch Gott zerstoben sein.
Fußnoten
1 In den Jahren 1840 und 1841 begann es hin und wieder mit neuem Übermut von der Seine her zu klingen.
Als Thiers die Welschen aufgerührt hatte
Herbstmond 1841.
Und brauset der Sturmwind des Krieges heran,
Und wollen die Welschen ihn haben,
So sammle, mein Deutschland, dich stark wie ein Mann
Und bringe die blutigen Gaben,
Und bringe das Schrecken und trage das Grauen
Von all deinen Bergen, aus all deinen Gauen,
Und klinge die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!
All-Deutschland in Frankreich hinein!
Sie wollen's; so reiße denn, deutsche Geduld,
Reiß durch von dem Belt bis zum Rheine!
Wir fordern die lange gestundete Schuld –
Auf! Welsche, und rühret die Beine!
Wir wollen im Spiele der Schwerter und Lanzen
Den wilden, den blutigen Tanz mit euch tanzen,
Wir klingen die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!
All-Deutschland in Frankreich hinein!
Mein einiges Deutschland, mein kühnes, heran!
Wir wollen ein Liedlein euch singen
Von dem, was die schleichende List euch gewann,
Von Straßburg und Metz und Lothringen:
Zurück sollt ihr zahlen, heraus sollt ihr geben!
So stehe der Kampf uns auf Tod und auf Leben!
So klinge die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!
All-Deutschland in Frankreich hinein!
Mein einiges Deutschland, mein freies, heran!
Sie wollen, sie sollen es haben.
Auf! Sammle und rüste dich stark wie ein Mann
Und bringe die blutigen Gaben!
Du, das sie nun nimmer mit Listen zersplittern,
Erbrause wie Windsbraut aus schwarzen Gewittern!
So klinge die Losung: Zum Rhein! Übern Rhein!
All-Deutschland in Frankreich hinein!
Grabesgrün
1842.
Die Helden schlafen – all ihr Schall und Schein
Wie stumm und dunkel unterm Leichenstein!
Wie schließt das Grab – sie nennen's sanfte Ruh' –
Für alle gleich so Klang als Wonne zu!
Die Helden schlafen – rostend hangt ihr Schwert
Mit Schild und Helm und Fahnen ehrenwert,
Frisch wirkt die Motte drein und webt der Wurm,
Kalt braust vorbei des Tages wilder Sturm.
O Zeit, du graue Totengräberin,
Ob allem Leid und Weh Hinschweberin,
O Zeit, nur du allein hast nimmer Zeit,
Hinfliegen heißet dir Unsterblichkeit.
Unsterblichkeit? Wohl mir! Ich sehe grün
Aus deinem Grau das Leben wieder blühn,
Im Zeugen und Gebären ewig jung
Schwingst du der Welt geheimnisvollen Schwung.
Unsterblichkeit? Wohl mir! Drum Heldenmacht
Erbebe nicht dem Schlaf der langen Nacht!
Verklinget, Namen und Gedächtnis, gar!
Nichts stirbt, was wirklich gut und göttlich war.
Frisch kämpft die Tat, hell klingt das mächt'ge Wort
Gleich Blitz und Licht allgegenwärtig fort,
Geburt und Tod im steten Wechsellauf,
Hier schläft's, und dort wacht's lustig wieder auf.
So kreiset denn, Jahrtausend', euren Tanz,
So greife, Geist, den höchsten Wonneglanz,
Zerschlage das Sekundenglas der Zeit
Und greife und begreife Ewigkeit.
An die deutschen Fürsten
1842.
Ihr schaut den deutschen Michel1 an?
Er trägt nicht mehr den Stamm der Tannen,
Doch ist er noch der wilde Mann,
Der nicht viel dannen fragt noch wannen,
Das Riesenkind im alten Traum,
Vor dessen Faust die Welt muß strauchen;
Und nimmt er sich den Weberbaum,
Er weiß wie weiland ihn zu brauchen.
Ihr schaut den deutschen Michel an?
O meinet nicht mit ihm zu scherzen!
Er ist noch heut der wilde Mann,
Der viel im Arm hat, mehr im Herzen.
Traut nicht zuviel auf seinen Traum,
Er träumet hart am Morgentore,
Ein solcher Traum wird nimmer Schaum,
Er hat die volle Lichtaurore.
Ja, schaut euch nur den Michel an,
Er reibt die Augen zum Erwachen,
Ihm träumte, wie er ein Gespann
Von einem Riesen schlug und Drachen –
O schaut, wie ihm des Schlafes Sand
Vom lichtbestrahlten Auge fließet,
Wie er halb träumend mit der Hand
Wie durch die Lüfte Speere schießet.
Ja, schaut euch nur den Michel an,
Die Faust, das Herz, das Speereschießen,
Der schwere Schlaf gottlob! wird dann
Auch euch wie ihm im Licht zerfließen –
Kommt, schaut den Traum, des Träumers Spiel,
Und traut nicht, daß er nur will spielen:
Weil er mit Geistern spielt zum Ziel,
So wird er desto schärfer zielen.
Ja, schaut euch nur den Michel an
Und lernt im Michel euch erkennen,
Lernt mit dem deutschen, starken Mann
Wie weiland für die Freiheit brennen,
Für deutsche Ehre, deutsches Recht,
Für deutsche Wahrheit, deutsche Freude –
Lernt das, dann weidet eu'r Geschlecht
Auch künftig mit auf deutscher Weide.
Ja, schaut den deutschen Michel an,
Was soll ich Fürsten Wahrheit fälschen?
Zieht an den vollen deutschen Mann,
Werft weg den bunten Rock der Welschen,
Werft weg den welschen Lügenschein,
All eure welschen Feinereien –
Dann tritt der deutsche Held herein,
Der erste Freie unter Freien.
Ja, schaut den deutschen Michel an –
O wärt ihr ganz aus seinem Holze!
Gleich stünde da der ganze Mann,
Der Stille, Tapfre, Freie, Stolze,
Der winkte durch die Welt hinaus:
»Still, Moskowiter! Still, Franzose!
Wir stehen fertig jedem Strauß
Und schütteln kühn die roten Lose.«
Ja, schaut den deutschen Michel an –
Das Riesenkind mit Geisterträumen –
Nicht wird die Brandung, die begann,
Im dünnen Wellenspiel verschäumen –
Mit ihm mit hellem Mut hinein,
Wie wild auch Sturm und Woge treiben!
So werdet ihr die ersten sein,
Und Michel wird der zweite bleiben.
Fußnoten
1 Es geht dem Michel und der Michelei wie andern sprichwörtlich gewordenen Wörtern und Namen, z.B. dem berühmten Johann Balhorn. Schwer wird nachzuweisen sein, wo und woher dieser Michel zuerst in Brauch und Schwung gekommen ist. Es sind, die ihn von dem tapfern Ritter Michel Obentraut ableiten, einem rechten deutschen Michel, einem durch seine Biederkeit und Tapferkeit berühmten Feldherrn, von welchem man ein letztes schönes Michelsches Todeswort hat. Als nämlich sein alter Kriegsgesell Tilly dem auf dem Felde von Königslutter Todwunden und Gefangenen das Blut hemmen wollte, sagte er lächelnd zu ihm: »Laß laufen, Herr Bruder, auf solchem Felde pflückt man solche Rosen!« Gewiß, das waren echte Michelsworte; aber der Grund des Wortes liegt ferner und tiefer. Kommt er vom Erzengel Michel (Gott meine Stärke) oder von dem angelsächsischen Mickel, nordischen Mickil, die Bedeutung bleibt dieselbe, der Starke, der Gewaltige, wohinein jeder sich beliebig seinen Teil deutscher Derbheit und Plumpheit, auch wohl Dummheit legt./
Heimweh nach Rügen
1842.
O Land der dunklen Haine,
O Glanz der blauen See,
O Eiland, das ich meine,
Wie tut's nach dir mir weh!
Nach Fluchten und nach Zügen
Weit über Land und Meer,
Mein trautes Ländchen Rügen,
Wie mahnst du mich so sehr!
O wie, mit goldnen Säumen
Die Flügel rings umwebt,
Mit Märchen und mit Träumen
Erinnrung zu mir schwebt!
Sie hebt von grauen Jahren
Den dunkeln Schleier auf,
Von Wiegen und von Bahren,
Und Tränen fallen drauf.
O Eiland grüner Küsten!
O bunter Himmelschein!
Wie schlief an deinen Brüsten
Der Knabe selig ein!
Die Wiegenlieder sangen
Die Wellen aus der See,
Und Engelharfen klangen
Hernieder aus der Höh'.
Und deine Heldenmäler
Mit moosgewobnem Kleid,
Was künden sie, Erzähler
Aus tapfrer Väter Zeit,
Von edler Tode Ehren
Auf flücht'gem Segelroß,
Von Schwertern und von Speeren
Und Schildesklang und -stoß?
So locken deine Minnen
Mit längst verklungnem Glück
Den grauen Träumer hinnen
In alter Lust zurück.
O heißes Herzenssehnen!
O goldner Tage Schein
Von Liebe reich und Tränen!
Schon liegt mein Grab am Rhein.
Fern, fern vom Heimatlande
Liegt Haus und Grab am Rhein.
Nie werd' an deinem Strande
Ich wieder Pilger sein.
Drum grüß' ich aus der Ferne
Dich, Eiland lieb und grün:
Sollst unterm besten Sterne
Des Himmels ewig blühn!
Lust des freien Geistes
1842.
Horch'! Der Himmel klingt von Geigen,
Und du fragst: »Wer führt den Reigen?«
Antwort tönt: »Der freie Geist,
Er, der Einzighochgeborne,
Er, der Leuchtendgotterkorne,
Der die Sonnen tanzen heißt.«
Ha! Wie schlingen sich die Pfade!
Ha! Wie brausen die Gestade
In dem Weltenozean!
Dieser wirbelnde Mäander,
Dieses wirre Durcheinander
Seinen Saiten untertan.
Auf denn, Herz, zu seiner Wonne!
Tanze du, auch eine Sonne,
Mutig mit den Sternentanz!
Millionen sind die Flieger,
Nur der Schnellste bleibt der Sieger,
Nur der Kühnste greift den Kranz.
Frühlingslied an die Frömmler
1843.
Schmält mir nicht die alten Heiden,
Denn ein Heide bin ich auch,
Wann ich's Blümlein schau' der Heiden,
Wann ich's Vöglein hör' im Strauch.
Weg mit euren dunklen Listen!
Weg mit eurer trüben Kunst!
Denn dem freien, frohen Christen
Werden solche Schmerzen Dunst.
Ihr, die uns das Licht verdüstert,
Schreckt die Freude blaß und bleich,
Wißt, was unter Rosen flüstert',
Hat auch Weg zum Himmelreich.
Blumen gab der Herr der Imme,
Liebesklang der Nachtigall
Und dem Menschen eine Stimme
Tiefer Brust für Freudenschall.
Bleibe Gott und Gottes Ehre
In der ewigen Natur!
Sophoklesse und Homere
Sangen seines Geistes nur.
Schmält mir Goethen nicht und Schiller,
Ihr, des engen Eifers heiß,
Alle eure Jammertriller
Geb' ich gern für solche preis.
Denn mein Heiland und Befreier
Fuhr herab ins Sündenland,
Der die höchste Sternenleier
Hat für Lust und Leid gespannt.
Der mit ersten Morgenröten
Sang der Welten Urgesang,
Gönnet auch den Erdenflöten
Ihren kurzen Freudenklang.
Denn besiegt hat er die Lüste
Und den Lüstensatan nur,
Damit jeder fröhlich wüßte,
Gottes Klänge klingt Natur;
Denn gebracht hat hellre Lichter
Darum er dem Erdengraun,
Daß die Menschenangesichter
Heller sollten um sich schaun.
Ha! Die Frühlingsbäume stäuben
Duft'gen Blütenschnee umher,
Mich beleben, mich beleiben
Will ich voll im Wonnemeer.
Alles Heitre blüh' und Schöne!
Spiele, süßer Sonnenstrahl!
Vöglein, singe deine Töne!
Bächlein, klinge hell zu Tal!
Danklied
1843.
Frischauf, mein Herz, und werde Klang!
Und, Seele, werde Lied!
Und, Freude, töne Lobgesang,
Der mir im Busen glüht!
Denn er, der alle Himmel rollt
Und zählt das Sternenheer,
Denn Gott, der Vater fromm und hold,
Verläßt mich nimmermehr.
Ich lag, umhüllt mit Finsternis,
Die aus der Hölle kam,
Und durch die tiefste Seele riß
Mit Tigerklaun der Gram,
Gebrochen war mir alle Kraft,
Erloschen aller Mut,
Da rief ich dem, der alles schafft:
Mach's, Vater, mach' es gut!
Und plötzlich ward die Nacht zu Licht,
Zur Wonne ward das Leid,
Und wieder schaut' ich aufgericht't
Des Lebens Herrlichkeit,
Den blauen, lichten Sternenraum,
Der Erde Blumenfeld –
Da war mein Jammer nur ein Traum,
Die Welt die beste Welt.
Drum dank' ich dem, der Wunder tut
Und Güte für und für,
Es rieselt jeder Tropfen Blut
Den Lobgesang in mir,
Es wird ein jeder Blick ein Strahl,
Der auf gen Himmel dringt,
Und tausend, tausend, tausend Mal
Das Heilig! Heilig! klingt.
Denn wie die Kindlein in dem Schoß
Die treue Mutter hegt,
Läßt seine Treue nimmer los,
Die alles selig trägt,
Und seine Liebe lockt so süß,
Was Liebe mag verstehn,
Daß wir zu ihm ins Paradies
Der Lust und Unschuld gehn.
Letzter Zug an Gott
1844.
Komm, Gott, komm, Gott vom Himmel
Und sieh in Gnaden drein,
Durchleuchte das Gewimmel
Der Nacht mit Sonnenschein,
Entwirre die Verwirrung,
Die ohne Licht und Rat
Stets tiefer in Verirrung
Verfahren hat den Pfad.
Komm, Gott, komm, Gott der Gnaden!
Und hilft nicht Sonnenschein,
So komm mit Blitz geladen
Und blitz' und donnre drein,
Daß wieder innewerden
Erbebend Herr und Knecht,
Daß Gott regiert auf Erden
Und pflegt das höchste Recht.
Es war der Tag gekommen,
Der Tag der bittern Schmach,
Der Tapfern, Weisen, Frommen
Das deutsche Herz zerbrach,
Es lag von düstern Schanden
Befleckt das Vaterland
In Ketten und in Banden
Durch welschen Trug und Tand:
Gefesselt in Verstrickung
Der freie deutsche Mann –
Da wehte mit Erquickung
Der Geist von dir ihn an,
Da schlug dein hehres Mahnen
Wie Blitz ihm durch die Brust,
Glück brausten seine Fahnen,
Sein Atem Siegeslust.
Ach! Von den schönen Tagen,
Von jener Wonnezeit
Tönt's heut nur wie von Sagen
Aus längst verklungner Zeit,
Verworren und beklommen
Weiß keiner kaum, wohin,
Den Weisen selbst und Frommen
Steht still der kluge Sinn.
Denn ach, die einen rufen:
Nichts, nichts als Frei und Gleich,
Die andern aber fluchen:
Sie wollen uns ans Reich,
Und böser Geister Schwirrung
Umschwirrt dies Nachtgeheul –
Verwirrung auf Verwirrung,
Stets dichter wird der Knäul.
So wirrt sich's durcheinander,
So tobt und schreit es laut –
Wo ist der Alexander,
Der diesen Zank durchhaut?
Wo lebt der hohe Meister,
Wo dräut der mächt'ge Bann,
Der diesen Krieg der Geister
Zum Frieden zwingen kann?
Das bist du, Gott der Gnaden,
Du einzig gleich und frei,
Komm von den Sonnenpfaden,
Komm, still' uns dies Geschrei,
Laß hell den Degen klirren
Von deiner Sternenburg,
Hau' von den wüsten Wirren
Den ganzen Jammer durch.
Mut des Verderbens
4. März 1844.
Und hätt' ich zehntausend Köpfe
Und trüge keinen zu Haus,
Die feigen Schurken und Tröpfe,
Sie machen mir's zu kraus.
Und trüg' ich zehntausend Kronen,
Ich würfe sie alle fort,
Vor allen Höhen und Thronen
Steht höchst das hohe Wort:
Das heilige Lutherzeichen,
Das schuf und trägt die Welt,
Den Listen und Griffen der Bleichen
Und Feigen zu hoch gestellt.
Ja presset mit eurer Presse,
Setzt, presset, drucket allein –
Ich kenn' eine feurige Esse,
Die schmiedet und gießt auch fein.
Da sitzt der Meister der Meister,
Da schmiedet er fort und fort,
Und seine Gesellen, die Geister,
Die blasen und schaffen am Wort.
Die schmieden und gießen die Lettern
Und streun sie lustig umher
Und sammeln zu Donnerwettern
Ihr leichtgeflügeltes Heer.
Doch weit über Hören und Sehen
Glänzt Narren die blitzende Schrift;
Drum donnert, ihr Mächte der Höhen,
Und schleudert Blitz, welcher trifft!
Und sammelt ihr auch die Lettern
Zu einem Vernichtungsspruch,
Und muß ich mit in den Wettern,
Ich lebte und liebte genug.
Das Finkenlied
5. Januar 1845.
Wir singen ein trauriges Finkenlied:
Der edle, freie Fink ist tot,
Ihn weckt zu frohem Lustgesang
Nie mehr ein irdisch Morgenrot,
Er hat ein beßres Land erflogen,
Er schwimmt auf hellern Himmelswogen –
Doch ach, für uns der Fink ist tot.
Wir singen ein fröhliches Finkenlied,
Ein Lied aus voller, deutscher Brust,
Und wenn wir auch in Trauern gehn,
Solche Trauer hat in Tränen Lust:
Um Tapfre sind so süß die Schmerzen,
Sie heben himmelan die Herzen,
Des Himmelfluges sich bewußt.
Wir singen ein fröhliches Finkenlied –
Wie fröhlich war des Finken Sang,
Wenn er den Dreiklang hellsten Tons
Recht, Vaterland und Freiheit klang!
Den Schlag in guten und bösen Tagen,
Den mußt er immer mutig schlagen,
Der war des deutschen Finken Klang.
Den klang er, als vom welschen Gei'r
Der deutsche Hain war stumm gemacht,
Den klang er frisch durch Berg und Tal;
Drob hieb der Gei'r ihm Bann und Acht
Und rief: Wir wolln den deutschen Schnäbeln
Die unverschämten Kehlen knebeln,
Schweigt, Freche! Bebet unsrer Macht!
So meint' und dräute welsche Wut,
Doch Gott im Himmel meint' es nicht,
Er schlug mit schärfsten Blitzen drein,
Da ward's in deutschen Hainen licht,
Da blühte deutscher Frühling wieder,
Da klangen wieder deutsche Lieder,
Und fremde Schnäbel krächzten nicht.
Und o, der Adler an der Spree,
Da, wo er thront in höchster Horst,
Vernahm des tapfern Finken Schlag
Und sprach: »Der hüte mir die Forst!
Der tut mit unverzagtem Singen
Den wunderschönen Dreiklang klingen,
Der hüte mir die Westenforst!«
Und siehe, auf des Aars Gebot
Froh fliegt der treue Finke hin,
Mit Morgenrot die Brust gefüllt,
Gesanges, Sieges freudig hin,
Damit das Land der Roten Erde
Der jungen Wonne selig werde,
Zur Westenforst, da fliegt er hin.
Dort hat sein Dreiklang frisch und frei
Geklungen mehr als dreißig Jahr
In Feld und Berg und Tal voran –
So wollt's der königliche Aar.
Und wollten Uhu, Kauz und Eulen
Das Lied der Finsternis sich heulen,
Er hielt den Ton der Kehlen klar.
So klang sein freies Lied voran
Mit vollem, hellem, deutschem Klang,
Daß es die düstre Vogelschar
Zum Fliehen oder Schweigen zwang.
Doch Amseln, Lerchen, Nachtigallen,
Die hört man doppelt lustig schallen,
Wann allen vor der Finke sang.
Drum singen wir fröhlich das Finkenlied –
O gebe Gott dem deutschen Wald
Stets solches Dreiklangs Freudenschall!
So bleibt das Glück uns wohlgestalt.
Recht, Vaterland und Freiheit klingen
Bleibt bestes Ding von guten Dingen,
Wann's mächtig durch die Seelen schallt.
Der Schwan von Pulitz
An Charlotte von Kathen in Putbus.
1846.
Schneeweißer Schwan, wo fliegst, wo klingst du her?
Wo kommst du Frühlingsklinger hergeflogen?
Aus meiner grünen Insel stillem Meer?
Aus Pulitz' sturmgeschirmten Wogen?
Flogst du aus seinen stillen Buchten her?
Und trägst im goldnen Schnabel goldne Mär?
Hast du die kleinern Inseln auch besehn?
Die steile Oi, vom Vilm die stolzen Buchen?
Den Rugard, Putbus' waldbekränzte Höhn,
Wo Reiz und Schönheit Aug' und Herz versuchen?
O klinge mir den süßen Heimatklang!
Mein greises Haupt, es neigt zum Schwanensang.
»Zum Schwanensang? Für diesen kam ich nicht,
Für diesen regt' ich nicht zum Rhein die Flügel,
Für diesen flog ich schnell wie Lieb' und Licht
So weiten Flug nicht über Tal und Hügel. –
Du weißt, still schaurig klingt der Schwanensang,
Heut kling' ich eitel hellen Freudenklang.
Heut kling' ich Klang der Himmelsnachtigall,
Die Lieb' und Lenz in Putbus' Hainen singet,
Heut kling' ich nach den süßen Wunderschall,
Der wie aus höherm Himmel niederklinget,
Ich klinge nach – o könnt' ich's recht und ganz! –
Du kennest Klang und Wonne, Licht und Glanz.
Nimm Klang und Gruß!« – Und horch'! Der Flügel rauscht,
Und ehe Aug' und Ohr sich noch besinnen,
Wie man im Traum auf Bild und Stimme lauscht
Und fassen will, ist Schwan und Flügel hinnen,
Und wie aus Fernen klingt ein süßer Schall,
Die Himmelsstimme, Putbus' Nachtigall.
Zu Martin Luthers 300jähriger Todesfeier
Frühlingsmond 1846.
An die Protestanten.
Ihr wagt's, die Toten aufzuwecken?
O laßt den alten Luther ruhn!
Erbebt ihr nicht den blassen Schrecken
Des Donnerkinds für euer Tun?
Dreihundert Jahr hat er geschlafen –
Seid ihr die Reinen, Freien, Braven,
Die seiner Klinge Blitz bestehn?
Denn Blitz führt seines Wortes Klinge –
Hui! Turm und Mauer, Wall und Burg!
Hui! Feinster Listen Kettenringe
Er stürmt und bricht und haut sie durch. –
Doch horch'! Wie? Naht sein Waffenklirren?
Es lispelt nicht wie Taubengirren –
In Säuseln kommt der Donner nicht.
»Wie,« ruft er, »zaubert aus dem Grabe
Prophetenstimmen ihr herauf?
Längst trug ich meiner Arbeit Habe
Zu meinem Gott und Christ hinauf.
Laßt Tote modern bei den Toten!
Zu höchsten Sternen sendet Boten,
Da fragt der Zukunft Donnerlaut.
Denn Donnerglocken könnt' ich läuten,
Worob Gesicht und Ohr vergehn,
So nahe ferne Zeichen deuten,
Mit solchem Grausen euch durchwehn,
Daß ihr im Zittern und Verzagen
Mit euren Klagen, euren Fragen
Verstummtet vor dem Schreckenklang.
Denn wohl könnt' ich zuerst euch fragen,
Wie ihr das Erbe angewandt,
Das einst in Sorgen, Kämpfen, Plagen
Ich euch errang mit starker Hand,
Das Erb' und Recht des tapfern Wortes;
Ob ihr des goldnen Freiheitshortes
Die kühnen, wachen Wächter seid;
Ob von Innozenzen und Gregoren,
Von Loyolas Assassinenschwarm,
Von Rittern von den goldnen Sporen
Euch keiner bog den deutschen Arm,
Ob welschen Schleichern, Spähern, Schranzen
Ihr hieltet vor die rechten Lanzen
Für Gott und Recht und Vaterland.
Denn wohl zum zweiten könnt' ich fragen,
Ob Menschenwitz und Satanslist
Mit leersten Künsten nicht sich schlagen
Um meinen Glauben, meinen Christ,
Ob ihr in guten, frohen Dingen
Noch könnt mit mir von Herzen singen:
›Das Wort sie sollen lassen stehn!‹
Jawohl zum ersten, zweiten, dritten –
Ich hauche weg wie Wind die Spreu,
Was ihr gelitten, was gestritten,
War's nicht um, für und durch die Treu',
Denn fallt ihr hier der scharfen Frage,
So wird zum Märchen gar die Sage,
Daß keinen Deutschen Gott verläßt.
Doch schon zuviel der strengen Worte,
Es ziemt der Zorn dem Feste nicht.«
Er schweigt; ausgießt die Himmelspforte
Den hellsten, vollsten Strom von Licht.
So fährt der alte, tapfre Meister
In Licht und Blitz ins Reich der Geister
Zu seinem Gott und Christ zurück.
Mimerung unter deutschen Eichen
1846.
Träumend in Mimerung1 wandelte jüngst im Schatten
Deutschesten Hains ich sturmbewegter Eichen,
Und wie sie rauschten, rauschten mir Gedanken
Wild durch die Seele,
Dunkle Gedanken – Wie der Blitz, auf schwarzen
Wolken sich wälzend, schaurig durch die Luft schießt,
Schoß es mit Blitzesleuchtung mir mit scharfem
Weh durch die Seele.
Hundert und tausend, wie des Blitzes Funken
Fliegen, so flogen Vögel heißer Schwingen
Mir um den Busen, hiehin, dahin flatternd,
Mächtige Wühler.
Wühler, aufreißend tiefsten Grund des Herzens,
Reißend der glücklich dicht verhüllten Zukunft
Dunkles Gewölk auf, wo es wie gespenstisch
Mitternachtspiel spielt.
Mitternachtspiel; denn gleich entbundnen Geistern,
Nicht wie aus Windeln in der Zukunft Wiege,
Nein, wie aus Gräbern, tanzten vor mir grausig
Säkeln den Tanz ab.
»Weh mir der Zeichen!« rief ich, »du gewaltiges
Wehen des Geistes! Schone deiner Blitze!
Schone des Donners! Denn er donnert Schrecken,
Geistesverwirrung.
Weh mir der Zeichen! Weh der Sehnsuchtsfragen
Ahnender Sehnsucht, ob von diesen Eichen
Freie Germanen Siegeskränze flechten?
Enkel noch flechten?
Ob, wann Gefahr, wann Kriegsgetümmel andrängt,
Blut nur der Fremden deutsche Klingen rötet?
Vielheit der Fürsten wie ein Mann dann vorficht?
Einheit in Treue?
Ob, wann aus Welschland ein Orkan, aus Rußland
Brausend ein zweiter Deutschlands Mitte fasset,
Fern kein Arminius sein wird und kein zweiter
Gneisenau-Blücher?«
Da hat's gelispelt: »Hoffe! Wahrlich, beide
Augen, du könntest sie am Born der Weisheit
Mimern verpfänden, vollen Trunk der Seele
Schlürftest du doch nicht.
Laß drum das Mimern, wolle nicht ergrübeln,
Was von den künftigen Tagen Gott verhüllte:
Tropfen nur schenkt er; wer des vollen Borns will,
Will die Verwirrung.«
Fußnoten
1 Mimern ein treffliches deutsches Wort der innersten Betrachtung; ebenso Rernung (osnabrückisch Rärning, französisch rêver). Solche Bezeichnung des verschiedensten Ahnungsvermögens kann kein Poet und Philosoph entbehren.
Frühlingstraum
1846.
Ging ich aus ins Frühlingstal,
Wollte Blüten fangen,
Blumenlust und Sonnenstrahl,
Alt und jung Verlangen.
Altes, wieder grün und kraus,
Webte frische Ranken,
Junges in die Welt hinaus
Schneller als Gedanken.
Aber weh! Der Himmel zog
Dunkel sich zusammen,
Und ein Donnersturmwind flog
Her mit Blitzesflammen:
Wald und Feld und Au und Tal
Ringsumher zerzauset,
Und der Lerch' und Nachtigall
Jeder Ton vergrauset.
Nur vom Stumpf und Dornbusch krächzt
Kräh' mir und Neuntöter,
Und aus Turmgetrümmer ächzt
Kauz, der Schwerenöter.
Und der ganze Frühlingstraum
Hinnen wie geschwinde!
In den öden, weiten Raum,
Weg in alle Winde!
Lenzesbild, du Lebensbild –
Fliege mit, o Wandrer,
Was dir heut verwelkt, verquillt,
Morgen fängt's ein andrer.
Herzenssaitenspiel
1846.
Was spielte so klingende Saiten
Auf dir, mein altes Herz,
Aus fernsten Tiefen und Weiten
Zugleich mit Schmerz und Scherz?
Es fließen die Stunden, die Räume
Zusammen in dem Gewirr
Und Schattenspiele der Träume
Im leichten Flügelgeschwirr.
Bald spielt es wie im Reigen
Hell auf zum lustigen Tanz,
Und Sonn' und Blüten neigen
Darüber Frühlingsglanz;
Bald bläst wie über Leichen
Die tiefe Flöte Weh,
Wie hohle Töne streichen
Fernher auf tiefer See.
Das ist's, die Tiefen, die Weiten,
Das ist's, das meint der Klang,
Das jauchzen, das klingen die Saiten.
Sei drum, mein Herz, nicht bang.
Die Sonnen und die Erden –
Wer misset Flug und Schritt? –
Müssen Flieger und Tänzer werden:
Du tanze lustig mit.
Und laß sie spielen, die Saiten
Auf dir, du altes Herz,
Und frage nicht Nähen noch Weiten,
Spielt alles doch himmelwärts.
So fliege mit tanzenden Himmeln
Und glaube, die Welt ist dein;
Wo Götter und Sonnen sich wimmeln,
Rolle mit in dem Klang und Schein.
Heid' und Christ
1846.
»Geh drunter durch und laß es rollen!
Laß donnern laut, was Donner ist!
Denn was die Höchsten droben wollen,
Das muß geschehn zu jeder Frist.
Sprich: Trotz sei dir, o Himmelskönig!
Auch meine Stirne trägt dein Mal –
Hui! Hoch und Niedrig, Groß und Wenig!
Kühn steh' ich deinem Wetterstrahl.
Wie? Knien, wimmern mit den Wichten?
Das hemmt kein Tröpflein deiner Flut –
Zerschlagen kannst du, nicht vernichten:
Auch meine Brust schwellt Götterglut.
Reck' aus denn! Schleudre deine Flamme
Mit deinen schärfsten Blitzen aus!
Den Funken vom Prometheusstamme
Ihn löschet keine Allmacht aus.«
So klingt des alten Heiden Rede,
So kämpft er, groß im Weltensturz,
Die ungeheure Geisterfehde,
Doch wird ihm Lust und Atem kurz.
Was frommt Ich trage keine Ketten,
Was frommt der kühne Spruch dem Mann,
Den von dem finstern Stolz erretten
Kein Sonnenstrahl der Liebe kann?
Was frommt ihm Werfen in die Speichen
Des Schicksalswagens frech die Faust,
Der über Trümmer fort und Leichen
Unwiderstehlich weitersaust?
Was frommt's, im bittern Gram vermodern,
Wenn auch der Funke nimmer stirbt?
In heißer Flamm' unsterblich lodern,
Wenn Lust und Mut im Trotz verdirbt?
Mir horch'! Ich will dir Schönres weisen,
Den hellen, heitern, sanften Weg:
Zu meinem Heiland sollst du reisen,
Ihn schaun, und Trotz und Zorn ist weg.
Prometheus auch hat er gehangen
An seinem blut'gen Kaukasus,
Weil er das Sehnen und Verlangen
Der bangen Seelen stillen muß;
Weil er das neue Licht getragen,
Der Menschheit junges Morgenrot,
Ist er ans Schandenholz geschlagen,
Gestorben den Verbrechertod.
Ihn schau', sein Kreuz und seine Wunden,
Dann geht dir auf ein himmlisch Licht,
Und alle Schrecken sind verschwunden,
Und Stolz und Hochmut kämpfen nicht.
Dann laß nur alle Donner rollen,
Gar fröhlich gehst du drunter durch:
Denn wie dein Vater muß Gott wollen,
Und Liebe trägt die Himmelsburg.
Waldgrutz
1846.
Ihr, süße Blumen, grüne Haine,
O seid ihr endlich wieder mein?
In euch geborgen gar alleine,
Doch nie bin ich bei euch allein:
Ihr sprecht mit wundersamer Stimme
Die einz'ge Sprache ohne Trug,
Der Vogel predigt hier, die Imme,
Der Blütenzweig wie Gottes Buch.
O Gottes Buch! O welche Klänge
Aus allerstillster Einsamkeit!
Entflohn dem wilden Weltgedränge
Zu höhrer Welt Gemeinsamkeit:
Denn wie aus längst vergangnen Tagen,
Wie aus der Geister Ewigkeit
Haucht's hier von Fabeln und von Sagen
So dicht, als Lenzwind Blüten schneit.
O Gottes Buch! O heil'ge Mächte!
Hier brecht ihr alle Siegel auf:
Geheimnis stummer Mitternächte
Und Sonnenlauf und Mondenlauf,
Und was von irren Wandelsternen
Die tiefe Menschenbrust durchkreist,
Kann hier der stille Lauscher lernen,
Wo alles hoch nach oben weist.
O Gottes Buch! O süßes Wehen,
Das säuselnd durch die Zweige geht!
O leises Flüstern aus den Höhen,
Wo aller Herzen Sonne steht!
O süßes Ahnen, süßes Sehnen!
Hier ist dein trauter Liebesort,
Hier findet Gram die ersten Tränen
Und Zorn sein mild Versöhnungswort.
Drum kommt, ihr Blumen, kommt, ihr Haine,
Komm, stille, fromme Waldesnacht,
Und werdet, bleibet ewig meine
Mit aller süßen Gottesmacht,
Mit allen Vögeln, allen Immen,
Mit allen Blüten groß und klein,
Mit Millionen Wonnestimmen
Singt mir das Herz in Frieden ein.
Gespräch mit Stöcken und Degen
1846.
Meine Stöcke stehn gereiht,
Gar ein dicker Haufen,
Steif genug, noch hundert Jahr'
Durch die Welt zu laufen;
Und der Säbel mittendrin,
In vergangenen Tagen
Einst von mir zu Schutz und Trutz
Durch die Welt getragen.
Und nun stehn sie da so still,
Freud- und Leidgesellen,
Und mir wollen Brust und Aug'
Bei dem Anblick schwellen.
Ach! Gesellen, gebt euch drein,
Alles muß auf Erden
Nach dem Sturm der Lust und Kraft
Zahm und stille werden.
Tröstet euch, ihr bleibet hier,
Werdet bald mit andern
Lustig über Berg und Tal,
Seen und Ströme wandern.
Alter, du doch schäme dich,
Hier vor den Gesellen
Deines weiland Tagewerks
Dich so mürb zu stellen.
Dieser Träne schäme dich,
Die dem Aug' entgleitet,
Du, dem die Unendlichkeit
Himmelwandrung spreitet.
Dort wird frisch aus frischem Holz
Neuer Stab geschnitten
Und mit neu geschliffnem Stahl
Neuer Kampf gestritten.
Also ist es, soll es sein!
Nimm dir kühnes Wollen,
Und so laß dein Küglein froh
Mit den Sternen rollen!
Der Weihnachtsbaum
1847.
Steht er da, der Weihnachtsbaum,
Wie ein bunter, goldner Traum,
Spiegelt Unschuldkinderglück,
All sein Paradies zurück.
Und wir schaun und denken dann,
Wie uns heut das Heil begann,
Wie das Kindlein Jesus Christ
Heut zur Welt geboren ist;
Wie das Kind von Himmelsart
Lag auf Stroh und Halmen hart,
Wie der Menschheit Hort und Trost
Erdenelend hat erlost.
Also stehn und schauen wir
Gottes Lust und Gnade hier:
Was uns in dem Kindlein zart
Alles heut geboren ward.
Blüh' denn, leuchte, goldner Baum,
Erdentraum und Himmelstraum,
Blüh und leucht' in Ewigkeit
Durch die arme Zeitlichkeit!
Sei uns Bild und sei uns Schein,
Daß wir sollen fröhlich sein,
Fröhlich durch den süßen Christ,
Der des Lebens Leuchte ist.
Sei uns Bild und sei uns Schein,
Daß wir sollen tapfer sein
Auf des Lebens Pilgerbahn,
Kämpfend gegen Lug und Wahn.
Sei uns Bild und sei uns Schein,
Daß wir sollen heilig sein,
Rein wie Licht und himmelklar,
Wie das Kindlein Jesus war.
Erinnerung
An Charlotte Weigel.
1847.
Ein Vöglein flog wohl hier zum Rhein
Mit goldnen Flügeln und goldnem Schnabel,
Sang Grüße mir ins Haus hinein,
Als wär's Frau Mär oder Jungfer Fabel.
So schien es, aber Gebär' und Gesicht
Sprachen anders, sie sprachen: Die ist es nicht.
Jungfer Fabel trägt leichteren Flug und Sinn,
Leichter als Aprilensonnenstrahlen
Fliegt's ihr auf dem Angesicht her und hin,
Kein Maler könnte die Wechsel malen:
So spielt sie mit Scheinen, selbst eitel Schein –
Diese Leichte, Lustige kann's nicht sein.
Wie nenn' ich mir denn das geflügelte Kind?
Wie deut' ich die freundliche, süße Stimme,
Die säuselt wie sanft durch den Blütenwind
Das Lenzgesumse der Honigimme?
Gesäusel, das tief in den Busen dringt
Und längstverklungene Töne klingt?
Du bist es, du bist es, die ewig jung
Wie Frühling grünet bei grauen Locken,
Du Seligste bist es, Erinnerung:
Du wehst der Vergangenheit Blütenflocken
Mit stillem Sehnen aufs alte Herz,
Die alte Freude, den alten Schmerz.
Du bist es, die echte, die rechte Mär,
Nicht jene, die leichthin tändelt und flattert,
Die, was in der Welt ist herrlich und hehr,
Zum Spott und Gelächter hinunterschnattert –
Du bist es, graulockig, doch ewig jung,
Du bist es, holde Erinnerung.
Rechtes Geistesmatz
1847.
Denke Gott und aller Welt
Millionen Sonnenstraßen,
Miß, was diese Erde hält,
Miß es dir mit Sonnenmaßen,
Tritt den Staub dir ganz zu Staub,
Tritt ihn mit Prometheus' Sohlen;
So nur kannst du Himmelsraub
Mit Prometheus' Mut dir holen.
Hoch und niedrig, groß und klein –
Dieser Stolz, dies Maß muß schwinden,
Dann nur kannst du Flieger sein
Mit dem Adler über Winden:
Seine Federn schweben still
Schaukelnd über Sonnenscheiben,
Wo kein Sehnen weiter will,
Da nur ist ein selig Bleiben.
Hehrer Aufblick! Höchstes Ziel!
Maße schwinden und Gewichte,
Und der Geist im zarten Spiel
Schwelgt und jauchzt im heitern Lichte:
Denn um keine Majestät,
Um kein Glück wird mehr gestritten,
Jeder Punkt, auf dem er steht,
Ist ein Punkt der Weltenmitten.
Gottes Scherz
1847.
Geister lieben Scherze, glaube das,
Gott im Himmel, glaube, liebt Gespaß;
Darum gucken himmlische Gespenster
Dir tagtäglich durch dein Herzensfenster.
Was der Tage Herr damit gewollt,
Wie er Scherz und Ernst zusammenrollt,
Dieser schweren Millionenfragen
Lösung wird kein Weiser je dir sagen.
Trau' du nur bei Gottes buntem Scherz,
Traue, Menschenherz, auf Gottes Herz,
Laß mit allen Millionenirren
Alle Geisterflügel dich umschwirren.
Glaube, nicht ein Frühlingskuckucksruf
War's, daß dich der große Scherzer schuf;
Denke, daß er Himmelsnachtigallen
Hieß das Erdenwillkommslied dir schallen.
Spiele so, du kurzes Menschenherz,
Lustig durch des Lebens Gottesscherz,
Laß den großen Spieler, ihn laß sorgen,
Er macht Irrwischnacht zu hellem Morgen.
Stammbuch
31. Dezember 1847.
»Frei das Wort aus voller Brust!
Aus der Scheide frisch die Klinge!
Das ist Jugendmut und Lust,
Das ist Leben guter Dinge.«
O du Glanz vom Morgenrot!
O du Jugendheldensage!
Ach! wie schleppt dich matt und tot,
Langsam tot der Gang der Tage!
Kälter rollt des Blutes Tanz,
Stiller wandeln hin die Jahre,
Und bald liegt der ganze Glanz
Welk und farblos auf der Bahre.
Nein doch! ruf' ich, aber nein!
Weg mit deinem Hohn, Erfahrung!
Lasse nimmer weg mir schrein
Heilige Herzensoffenbarung.
Schiltst du, daß im Nebeldunst
Meine bunten Vögel fliegen,
Weis' ich dir die hohe Kunst,
Die sie lehrt das Licht ersiegen.
Schüttelst du nur faule Frucht
Von dem kahlen Lebensbaume,
Mitten in der Tage Flucht
Halt' ich fest am Jugendtraume.
Mut des Geistes
1848.
Klein wird die Erde, klein der Erde Sonne,
Im Meer der Sonnen o ein Fünkchen nur –
Wo bleibt dir da, o Mensch, die alte Wonne?
Wo bleibt dein Stolz, du Endziel der Natur?
Hast du den Mut, mit Erden zu zerstieben?
Hast du den Mut, mit Sonnen zu vergehn?
Den Göttermut, im allgemeinen Lieben
Im höchsten Feuertode zu vergehn?
Was Mut? Schaut Erden mir und Sonnen nieder!
Schärft eurem Sehrohr täglich weitres Ziel!
Denn meinen Mut, ihr schauet ihn nicht nieder,
Wieviel Gefunkel eurem Rohr auch fiel.
Hoch über euren Zahlen, euren Maßen,
Hoch über eurem Groß und eurem Klein
Fliegt er glückselig eigne Sonnenstraßen,
Und keines eurer Röhren holt ihn ein.
So bleibe mir mein Küglein, liebe Erde!
So bleibe Erdensonnenfünkchen mir!
Wohin von Gott ich auch verwehet werde,
Dem Geist ist jeder Punkt des Alls sein Hier.
Hahnenkrei des deutschen Morgens
1848.
Hat mir ein goldkammiger Hahn gekräht,
Der der Zeiten und Völker Geheimnis singt –
Ihr wißt, es wird nimmer zu Wind verweht,
Was der kluge Schnabel der Weisheit klingt –
Er sang aus verborgener Zukunft Wolke
Mir Wunderrunen vom deutschen Volke.
Er krähte – sein goldiger Kamm ward bleich –
Mir der deutschen Treue geschwundene Kraft,
Die Leichengesänge vom heiligen Reich,
Von verrosteten Degen der Ritterschaft,
Von gebrochenen Türmen, geschleiften Wehren
Und des Kaiserpurpurs zerrissenen Ehren.
So kräht' er mir traurig vom dürren Ast
Der Schandejahrhunderte Weh und Ach,
Er krähte, daß unter der Töne Last
Vom eisigen Jammer das Herz mir brach,
Daß mir mit mordlich scharfen Harpunen
Die Brust durchschossen des Sanges Runen.
Doch sieh! Bald fliegt er auf grünen Baum,
Bald kräht er von blühendem Zweig sein Lied,
Das hell, ein leuchtender Zeitentraum,
Der Zukunft sonnige Bahnen zieht:
Er kräht gar lustig aus heitrer Wolke
Verjüngte Freuden dem deutschen Volke.
Er krähte: »Der düstern Jahrhunderte Lauf
Verrann, Germaniens Luft wird klar,
Neu wachen die Heinriche, Friedriche auf,
Mit ihnen der Seher, der Helden Schar,
Die deutsche Sonne mit glänzenden Tagen
Lenkt über die Häupter der Völker den Wagen.«
O Goldkamm, du glückverkündender Hahn,
So singst und klingst du vom grünen Ast –
O süßer, heiliger, deutscher Wahn!
Ich halte die Herrlichkeit fest umfaßt:
Was seine Runen geklungen haben,
Die Weissagung soll mir kein Grab begraben.
Frei und Gleich, und der Bassermann
1848.
Blast, blast, Trompeten, blast ein Lied!
Es ist das Vaterland erstanden.
Schaut, wie der böse Feind entflieht
Mit seinen Schanden, seinen Banden,
Mit seiner Helfershelfer Schar,
Mit seiner Großmama, der Lüge;
Schaut, wie der freie deutsche Aar
Froh fliegt die alten Sonnenflüge,
Er klingt und singt sein Frei und Gleich,
Er klingt und singt vom Deutschen Reich.
Blast, blast, Trompeten! Laßt den Klang
Dem Adler nach zur Sonne tönen!
Nie mehr wird deutschen Hochgesang
Der Kerker Weheruf durchstöhnen,
Der Weheruf des freien Worts,
In Sklavenketten festgebunden:
Uns ist des Nibelungenhorts
Versunknes Gold am Rhein gefunden,
Der edle Hort von Frei und Gleich,
Das Gold, der Glanz vom Deutschen Reich.
Blast, blast, Trompeten! Blast dem Mann,
Des Hand zum großen Fund sich reckte,
Dem deutschen Mann, dem Bassermann,
Der wie aus bösem Schlaf uns weckte.
Er spricht den kühnen Zauberspruch,
Und flugs entsteigt der Hort den Tiefen,
Und Geister wie aus einem Buch,
Millionen Geister, welche schliefen,
Unisono von Frei und Gleich,
Das singen sie und Deutsches Reich.
Drum lebe hoch der Bassermann!
Baß klingt sein Name vor den meisten,
Der uns den edlen Hort gewann,
Daß selbst die Schwachen sich erdreisten:
Das große Wort von Frei und Gleich,
Kaum hat sein Mund es ausgesprochen,
So ist die Lüge blaß und bleich
Zu ihrer Höll' hinabgekrochen.
So schlug der Klang von Frei und Gleich,
So schlug der Klang vom Deutschen Reich.
Blast denn, Trompeten! Blast und klingt!
Und Bäum' und Steine, werdet Lieder!
Die alte deutsche Fahne schwingt
Die stolzen, goldnen Flügel wieder;
Zur Sonne fliegt der deutsche Aar,
Dort holt er sich die alten Blitze,
Und legt sie auf den Weihaltar,
Geschenk dem leeren Kaisersitze,
Worunter wohne Frei und Gleich
In Ewigkeit als Deutsches Reich.
Hermann von Boyen in Walhall
1848.
Blast! Blaset hell von Walhalls Zinnen!
Tut weit die goldnen Pforten auf!
Weckt alle Ehren, alle Minnen!
Es steigt ein hoher Glanz herauf.
Weckt jede Harfe, jede Leier!
Erleuchtet jeder Wonne Schein!
Ein Held, ein Retter, ein Befreier,
Licht, Recht und Schwert1 tritt bei euch ein.
Licht, Recht und Schwert, das sind die Fahnen,
Worunter Hermann Boyen stritt,
Die läßt den Enkeln er als Ahnen
Für deutscher Zukunft Heldenschritt.
Wird wo gesungen, wo gelesen
Von einem hohen, edlen Mann,
Der rein und fleckenlos gewesen,
So bleibt der Boyen Vordermann.
Schon steht er da im Götterglanze
Auf Idas ewig grüner Au,
Schon grüßen aus dem Heldenkranze
Sein Scharnhorst ihn, sein Gneisenau.
Der Blücher grüßt, Bülow der Schnelle,
Sein Streitgenoß und Siegsgenoß,
Grolman der Freund, der Ernste, Helle,
Des Auge Schlachtenblicke schoß.
Doch steigen von der hohen Stätte
Zur kleinen Erde wir hinab
Und legen Hoffnung und Gebete
Auf unsers deutschen Hermanns Grab.
Wir beten: Ewig lebe Treue
Für König, Gott und Vaterland,
Wie dieser stille Schlachtenleue
Sich ihre Ehrenkränze wand!
Wir beten: Nimmer möge fehlen
Die freie, fromme Heldensaat
Von solchen festen, starken Seelen,
Gerüstet gleich für Wort und Tat!
Wir beten: Nimmer möge fehlen
Der Blitz, der durch die Herzen fährt,
Der rechte Blitz für deutsche Seelen,
Der Blitz von Licht und Recht und Schwert!
Fußnoten
1 Weiland einer von Boyens Wahlsprüchen.
Friedrich Balduin von Gagern
1848.
Die Totenglocken schallen,
Still zieht ein Leichenzug,
Umflorte Fahnen wallen
Sanft ohne Schwung und Flug,
Schwarz, Rot und Golden senken
Zur Erde tief den Glanz,
Deutsch Herz muß heute denken
Gar einen blassen Kranz.
Den Kranz der deutschen Eichen,
Den Lust- und Siegeskranz,
Den dacht' es, nicht den bleichen
Den grauen Totenkranz,
Geflochten von Zypressen:
Es dachte Siegesgrün,
Das über dem Vergessen
Der Gräber sollte blühn.
Nun muß es anderes denken,
Es traurt von Weh durchbohrt,
Schwarz, Rot und Golden senken
Die Fahnen, schwarz umflort:
Denn eines Helden Leiche
Fährt hin zu anderm Staub,
Ihm trug die deutsche Eiche
Vergebens Siegeslaub.
Vergebens? wie? vergebens?
O nein! und aber nein!
Verhüt' es, Herr des Lebens!
Bei Gott! das soll nicht sein!
Er fiel im guten Streite,
Er fiel fürs Vaterland,
Durchlebt der Zeiten Weite,
Sein Name wird nicht Sand.
Sein Klang ist der der magern,
Der kahlen Namen nicht,
Friedrich Balduin von Gagern
Verfällt dem Dunkel nicht:
Er wird im Liede klingen,
Wo ja als Schwur erklingt,
Solange deutschen Klingen
Ein guter Streit gelingt.
So zieh denn, Heldenleiche,
Zieh hin zur dunkeln Gruft,
Und Haß und Zwietracht weiche
Aus reiner deutscher Luft!
Es flieh' von deutschen Grenzen
Verrat und Untreu' fern!
Der Gagernstern soll glänzen
Darob als Friedensstern!
Klage um Auerswald und Lichnowsky
1848.
Hast du noch Lebensodem,
O Erde grün und schön,
Um die aus schwarzem Brodem
Nur finstre Nebel wehn,
Auf der blutwilde Horden
Brand, Mord und Zeter schrein
Und frech in Meuchelmorden
Der Freiheit Glanz entweihn?
Wie? Sind dies deutsche Fahnen?
Die Farben roter Wut?
Will deutsche Kämpfe mahnen
Das Rot an Brust und Hut?
Wie? Rot der welschen Seine
Das mahnte deutschen Mut,
Für Wolf und für Hyäne,
Doch nicht für Deutsche gut?
Sind dies der Freiheit Gaben?
Ist dies der Freiheit Klang,
Von schwarzen Galgenraben
Der Mitternachtgesang?
Nein! Nein! Von Freiheitstötern
Des Blindschleichs Schlangenlist,
Wo unter grausen Zetern
Kein Laut der Freiheit ist.
Ist dies die deutsche Treue?
Trifft so das deutsche Schwert?
Springt so der deutsche Leue,
Der grad' aufs Eisen fährt?
Mann steht den Mann, den Satan
Bestehen zwei und drei,
Doch sieht man solche Tat an,
So bricht das Herz inzwei.
Zwei Helden sind gefallen,
Nicht, wie der Tapfre fällt
Bei hellem Trommelschallen
Auf blut'gem Schlachtenfeld;
Sie haben andre Rosen
Weiland gepflückt im Streit:
Was war den Waffenlosen
Hier für ein Kampf bereit?
Mein Deutschland, Land der Treue!
Mein Deutschland, Land des Muts!
Wann löschet lange Reue
Die Flecken solchen Bluts?
Den Mord, womit der Feige
Den Unbewehrten trifft?
O deutschen Ruhmes Neige!
O deutscher Erde Gift!
O wehe, dreimal wehe!
Weh dieser düstern Tat!
Nein, meine Seele gehe
Nie mit in solchen Rat!
Der Ruhm, den Mörder haschen,
Der werde nie mein Ruhm!
Ach! Nimmer wegzuwaschen
Vom deutschen Heldentum!
Erinnerung aus unserm Frankfurter Reichstage von 1848
Ärgre dich nicht an den Fratzen,
Eseln unter Löwenhäuten,
An den Katzen ohne Tatzen,
Die den Freiheitsjammer läuten,
Ja den vollsten Freiheitsjammer,
Vaterlandesjammer heulen –
O ein Thor, der mit dem Hammer
Schlüge drein! Ein Held mit Keulen!
Doch o weh! Thor hebt den Hammer
Nie auf die, so du gewiesen,
Keilt nicht auf so kleinen Jammer,
Seine Schläge gelten Riesen;
Spuk von Zaubrern, List von Zwergen
Und des Hexenkessels Künste
Können seinem Stahl sich bergen:
Blitz zermalmet keine Dünste.
Mehr, o weh! Der Geist der Lügen,
Loke, hat den Thor bezwungen,
Sieg ist seinen Wandelzügen
Übers Reich des Lichts gelungen –
Darum hütet eure Lichter,
Tapfre Deutsche, fromme Christen!
Denn die feinen Bösewichter
Haben hunderttausend Listen.
Drum frischauf, ihr Tapfern, Frommen!
Drum frischauf, ihr Hellen, Lichten!
Zagt nicht! Deutschlands Thor wird kommen
Und die Satansbrut vernichten:
Tausendfach gefeite Hauben
Von dem feinsten Höllensegen
Halten nicht vor unserm Glauben,
Halten nicht vor unsern Schlägen!
Das Erdbeben
Frankfurt, 10. des Christmonds 1848.
Die Welt erbebt und zittert rings,
Und alle Vögel sind im Schweben,
Des Geistes Vögel all, als ging's
Zum letzten Kampf auf Tod und Leben.
Komm denn, mein Vogel, leichter Sinn!
Komm, Leichtsinn, auch! Wir müssen's wagen.
Man soll uns nicht als Leichen hin
Lebend'gen Leibs zu Grabe tragen.
Durch Blitz und Donner fröhlich hin!
Dein Flügelklang sei Klang der Wonne,
Als flöge Glück mit mir dahin,
Umleuchtet von des Sieges Sonne.
Hinein in dicksten Schlachtenkampf,
Wo ältste Königsthrone fallen!
Dort überm Kampf und überm Dampf
Laß Siegeslieder lustig schallen.
Dort greife dir den süßen Raub
Des Muts, dem ew'ge Sterne blinken,
Und, muß es sein, laß froh den Staub,
Der nicht du ist, zu Staub versinken.
Ha! Was ist Leben? Was ist Tod?
Soweit des Geistes Lüfte wehen,
Wird neu erblühn dein Morgenrot,
Neu deine Sonne auferstehen.
Laß unten Krähn und Raben schrein,
Empor, wo Adlerschwingen tönen!
So in den vollsten Kampf hinein
Im Mut des Guten und des Schönen!
Trinklied zu meinem 79. Jahrestage
1848.
Schenkt ein und reicht mir den Pokal,
Gefüllt mit Gold von edlen Weinen!
Heut soll ein letzter Sonnenstrahl
Mit Jugendglanz mein Haupt bescheinen!
Viel tausend Sonnen gingen zu Tal
Mit trüben und mit hellen Scheinen,
Doch zieh' ich's Fazit aus der Zahl,
Wippt hoch das Lachen auf das Weinen.
Bei diesem Fazit fällt mir ein:
Wo seid ihr, meine Schwinger, Klinger
Von gutem Eisen, gutem Wein?
Wo seid ihr, Klinger, Schwinger, Singer?
Wo ihr, die weiland hell und frisch
Im Freudenkampf mit mir gestritten?
Vom Kampfplatz fern, vom Jubeltisch,
Ach, längst vom Leben abgeglitten.
Doch schenkt mir ein! Heut will im Schwung
Ich über Tod und Leben schweben;
Schenkt voll mir ein! Heut will ich jung
Zurück ein Halbjahrhundert leben –
Und fliegen über Staub und Grab
Nach oben alle guten Geister,
Sie winken heut mir Lust herab
Und rufen: Bleib der Freuden Meister.
Drum schenkt mir ein! Mein vollstes Glas
Dem Herrscher über Tod und Leben,
Der mir ein Herz gab ohne Haß
Und Harm, sei höchster Klang gegeben!
Ein hoher allen, die den Greis
In seinen kalten, grauen Tagen,
Wofür er kaum zu danken weiß,
Mit treuer, junger Liebe tragen!
Ja, zweimal hoch und dreimal hoch
Dir, Liebe, Königin der Erde,
Die mich in süßer Lust erzog,
Daß Mensch ich ward in Lichtgebärde!
Schenkt ein, weil noch die Sonne scheint!
Der Liebe soll mein Letztes klingen!
Und allem, was mich freundlich meint,
Will ich damit mein Schönstes bringen!
An H.L. zur Fahrt übers Weltmeer
1849.
Glück auf die Reise! Pilgre fort!
Es lockt dich weg mit Wunderklängen,
Die weite Welt, sie lockt dich fort
Vom Vaterhaus, dem stillen, engen.
Geh, Sohn! Viel Schönes wirst du schaun
In neuen Toren, neuen Gattern,
Auch bunte Schlösser gnug dir baun,
Die spanischen Schlössern gleich zerflattern.
Doch horch', vernimm mein letztes Wort:
Von allen jenen Zauberglocken,
Die rastlos weg von Ort zu Ort
Den lebenslüsternen Jüngling locken,
Tönt endlich klagend durch ein Ton
Wie aus der Erde fernsten Enden,
Ein Klang der Sehnsucht, dir, o Sohn,
Die Eingeweide umzuwenden.
Zurück zur Heimat klingt der Klang,
Zurück zum engen Vaterhause,
Dir wird in weiter Welt so bang,
Du sehnst dich nach der stillen Klause.
O bringst du dann dein eignes Herz
Noch mit aus wildem Weltgewimmel,
So war dein Pilgern froher Scherz,
Ein Spiel auf Erden hin zum Himmel.
Ermannung
1849.
Laß du die Dinge nur rennen und rinnen,
Blitzet es draußen, so blitze du drinnen,
Brauche den göttlichgeborenen Blitz!
Rasen die Stürme und brausen die Fluten,
Zünden die Blitze mit fressenden Gluten,
Halte, Prometheus, den Geist auf dem Sitz!
Mutig gleich schlachtenbegeisterten Rossen,
Wiehernd entgegen den Donnergeschossen
Streite und schreite entgegen dem Sturm!
Streite und schreite, und, gilt es zu stehen,
Schau', wie die Blätter und Halme verwehen,
Schau', wie er steht, wie er fällt, auf den Turm.
Streiten und Schreiten und Stehen und Fallen,
So klingt der Spruch von dem irdischen Wallen,
Rastlos und endlos im Ernst und im Spiel.
Wähnst du das Ende der Bahn zu erreichen,
Gleich siehst du's dämmern und fliehn und entweichen.
Mensch, hier auf Erden erreichst du kein Ziel.
Spazierende Gedanken
1849.
Schau' ich wandelnd die prächtigen Häuser mir an,
Wird's mir schier, als möcht' ich noch bauen,
Und sollte doch ein so steinalter Mann
Himmelauf nur und himmelein schauen;
Wird doch seinem flüchtigen Bleiben allhier
Rappell bald zum Abmarsch geblasen,
Und wird ihm auf Erden sein letztes Quartier
Gebettet bald unter dem Rasen.
Ei Fabel! Was fabl' ich das Alte mir vor,
Die Kluft zwischen Himmel und Erde?
Weitauf steht der Welten unendliches Tor,
Wo ich Kleiner schon durchschlüpfen werde:
Sankt Peter mit aller Kardinalpolizei,
Mit all ihrer schrecklichen Presse
Schaut meinen Paß an und rufet: »Passiere nur frei!
Dein Paß ist der beste der Pässe.
Dir flammet im Herzen der göttliche Mut,
Dir flammen im Kopfe die Blitze,
Für solche sind Himmel und Erde gleich gut,
Sie bauen nicht bleibende Sitze.
Frei durch denn! Und wolltest du wieder heraus,
Bei dem Tor sind unzählige Pforten:
Soweit Licht scheint, bauen Götter und Geister ihr Haus,
Ihnen tönt's nicht von Stätten und Orten.«
So pilgr' ich und finde mich leidlich zurecht –
Das übrige wisse Sankt Peter –
So schrei' ich über Erden- und Himmelgeflecht
Nicht kläglich Mordio! und Zeter!
Denn der's geflochten, das weiß ich, der wird seinerzeit
Alle Fäden aufs schönste entwirren:
Ihm trau' ich, drum lass' ich zu wild und zu weit
Die Gedanken mein Hirn nicht umschwirren.
Nein, kein Jung und kein Alt und kein Dort und kein Hier!
Weg, Gedanken, ihr grauen und falben!
Weicht von mir! Ich stelle mein lustig Quartier
Bei dem Ältsten, er heißt Allenthalben:
Bei dem Ältsten der Tage, da nehm' ich den Sitz –
Er blies auch durch mich seinen Odem.
Auf mit Flügeln, mein Geistchen! Und funkle wie Blitz!
Blitze Leben aus Kaltem und Totem!
Sei mutig! Dem Kühnen verwelket kein Kranz,
Ein ewiger Lenz ist sein Eigen;
Tanze mit in der Welten unsterblichem Glanz
Der Wonne unsterblichen Reigen.
Sei mutig! Und gleich wird das engste Revier,
Wo du weilest, der weiteste Himmel,
Das Unten und Oben, das Dort und das Hier
Verschwimmt in der Wonne Gewimmel.
Ihr Könige, gebt acht!
3. Mai 1849.
Was Ehr' im Leibe hat, ruft Einheit, Ehr' und Macht
Und Tilgung langer deutscher Schanden,
Es ruft und flucht aus allen Landen:
Ihr Könige, gebt acht!
Der deutsche Gott lebt noch und wacht.
Es lebt und wacht der Gott der Herrlichkeit und Macht,
Sein sind die Wonnen und die Schrecken,
Die aus dem Schlaf die Völker wecken.
Ihr Könige, gebt acht!
Gott ist's, der Sturm und Heitre macht.
Erbebt! Das Wetter ist des Herrn, der blitzt und kracht,
Er wird des deutschen Haders Drachen
Zu Staub zerblitzen und zerkrachen.
Ihr Könige, gebt acht
Auf Gottes Acht und Aberacht!
Erbebt! Denn alles Volk ruft Einheit, Ehr' und Macht,
Es schreit den Ruf in alle Winde,
Wo es den deutschen Kaiser finde.
Ihr Könige, gebt acht!
Schaut, horcht, woher es blitzt und kracht.
Erbebt! Erkennt die Zeit, die Gott der Herr gemacht!
Wollt länger ihr im Stolz erblinden,
So haut euch Gott aus allen Winden –
Ihr Könige, gebt acht! –
Die deutsche Acht und Aberacht.
Die Ausfahrt zur Heimholung des Deutschen Kaisers
Frankfurt, 17. Mai 1849.
Kaiserstolz und Majestät
Zogen auf geschwinden Sohlen
Wir fürs Deutsche Reich zu holen,
Wovon neue Sage geht.
Klang und Sage überall,
Soweit deutsche Zungen klingen:
Einen Kaiser heimzubringen
Rief der Völker Jubelschall.
Ach! Wie sollten Dorn und Stein
An der Wandrer Sohlen reißen!
Zu den Scheinen, die nur gleißen,
Warf man unsern Kaiserschein.
Kaiserschein, du höchster Schein,
Bleibst du denn in Staub begraben?
Schrein umsonst Prophetenraben
Um den Barbarossastein?
Nein! Und nein! Und aber nein!
Nein! Kyffhäusers Fels wird springen,
Durch die Lande wird es klingen:
Frankfurt holt den Kaiser ein!
Aus Frankfurt weg!
Mai 1849.
Hinweg! Die besten Streiter matt,
Die stärksten Arme todeswund.
Hinweg! Satt ist und übersatt
Gelebt – es kommt die Sterbestund'.
Weg! Keinen Augenblick gesäumt!
Sonst stirbst du wie ein feiger Hund.
Du hast vom Kaiserstolz geträumt –
Vergrab einstweilen deinen Fund.
Die Besten wissen, wo er liegt,
Einst heben sie ihn ans Sonnenlicht.
Wir sind geschlagen, nicht besiegt.
In solcher Schlacht erliegt man nicht.
Alterswehmut
1849.
O Erde, Land der Träume,
O Erde, Land des Trugs,
Willst in die hellern Räume
Die Flügel meines Flugs
Mir dunkeln stets und kürzen?
In deines Jammers Staub
Mich elend niederstürzen
In Jagd nach schlechtem Raub?
Es soll dir nicht gelingen,
Ich habe meinen Hort,
Der trägt auf Feuerschwingen
Mich durch die Himmel fort;
Ich habe meinen Meister,
Der Held und König ist –
Er ist der Fürst der Geister
Und heißet Jesus Christ.
Er stieg vom Himmel nieder
Auf unsre Erdenau'n,
Damit die Menschen wieder
Nach oben könnten schaun,
Damit die armen Wichte,
Von Wahn und Trug umstrickt,
Aufschauten nach dem Lichte,
Woraus die Gottheit blickt.
O König aller Liebe,
O Glanz des höchsten Lichts,
Wenn mir auch gar nichts bliebe,
Gar nichts in diesem Nichts,
Worum die Welt sich reißet,
Du bleibst mein Held und Hort,
Und was auch reißt und spleißet,
Nichts reißt von dir mich fort.
So mag denn alles schweben
Im Wechsel hin und her,
Mir ist hinfort gegeben,
Was wechselt nimmermehr:
O Liebe, Licht und Leben!
O süßer Gottesheld!
Du, du bist mir gegeben –
Was frag' ich nach der Welt?
Die Rheinfahrt
(Ein Bruchstück.)
1851.
Wir sind am Bord – Engländer, Amerikaner,
Franzosen, Russen – alles will zum Rhein;
Doch sollten Pelasger, Danaer und Trojaner,
Die ältsten Trümmerhäusler, mit uns sein.
Der irdischen Verschollenheiten Mahner,
Wie Herrlichstes zuletzt als Stein und Bein,
Worüber einsam Krähn und Raben fliegen
Und Käuze wimmern, muß im Staube liegen.
Doch du, o Rhein, bleibst frisch in deiner Schöne,
Du brausest jugendfrisch durch Felsgestein,
Nie schwinden deiner Sagen Liedertöne
Um Drachenfels, Rheineck und Hammerstein.
Was kümmert das Vergänglichkeitsgestöhne
Unsterbliche? Was dich, ob Stein und Bein
Dereinst als Staub in alle Winde fliegen,
Solange deine Quellen nicht versiegen?
Und wir? Zerbröckelt uns an Trümmersteinen
Und an geborstnen Türmen heut der Mut?
Erlischt uns an der Vorzeit blassen Scheinen
Des Lebens junge, helle Sonnenglut?
Nein, wahrlich nicht zum Stöhnen, Wimmern, Weinen
Schnellt heut der Dampf uns siegreich durch die Flut –
Heißt er des Tages Atem, heißt sein Kämpfer,
So werd' er heute trüber Dämpfe Dämpfer.
Wie? Auf dem Strom der Katten und der Franken,
Wo nichts als Stolz und Ruhm und Großheit winkt,
Da webten wir der Trümmer Efeuranken
Um das, was stets als Staub zum Staube sinkt?
Da spönnen wir Gespenster aus Gedanken,
Wodurch das Schwert des Vaters Teuto blinkt,
Worin die Karle, Friedriche, Ottonen
Zur Höhe weisen, wo die Höchsten thronen?
Frischauf! Auf zum Lebendigen von dem Toten!
Von toten Steinen zum lebendigen Stein!
Von bleicher Vorzeit Schatten zu den roten
Gebilden, rot im Jugendsonnenschein!
Ha! Wird nicht Jugendglanz dem Blick geboten?
Der frische Glanz vom Ehrenbreitenstein?
Nein, weg von diesem mächtigen Felsgesteine!
Weg in die kleine Lahn vom mächtigen Rheine!
Auf! In die Lahn! Vom Tode hin zum Leben!
Von toten Steinen zum lebendigen Stein,
Nach Nassau auf, wo heilige Geister schweben,
Die deutschen Geister vom lebendigen Stein!
Mit aller deiner Schöne, deinen Reben
Und Wassern hast du einen, stolzer Rhein,
Nur einen, der dem Manne sondergleichen,
Dem Sohn der kleinen Lahn sich könnte gleichen?
Wir stehn in seinem Tal, auf seinen Bergen,
Wir rufen: Sprich das Wort, erhabner Geist,
Das Wort des Fluchs den Schelmen und den Schergen,
Wodurch die Welt um deutschen Raub sich reißt,
Wodurch man deutsche Ehre, wie aus Särgen
Den Leichenmoder, durcheinander schmeißt –
Sprich, Hoher! – Du verstandest zu zerschmettern –
Du Donnrer, rede heut aus Donnerwettern!
Komm nieder, laß es schallen, hoher Sprecher!
Von deinen Sternen komm herab ins Tal!
Du Ehrenzünder, komm! Du Schandebrecher,
Komm mit dem allerschwersten Donnerstrahl!
Des Vaterlandes Mahner, Warner, Rächer,
Auf deutscher Erde rede noch einmal:
Wo Kleinste um das Größte sich befehden,
Da sprich zu uns in lautsten Himmelsreden!
Wohin? Zwar sind die Donner Gottessprüche,
Vielleicht auch Geistersprüche – doch wohin?
Wir flehen aus dem Jammer unsrer Brüche
Und Wunden, wissend kaum, woher, wohin.
Der Mann des Zorns war Stein, doch nicht der Flüche,
Trug in der stärksten Brust den frommsten Sinn,
Der Mann, im Glauben mächtig und im Beten,
Vor Könige stolz und still vor Gott zu treten.
Drum könnt ihr beten, betet hier um Segen,
Um Segen bittet den erhabnen Geist,
Der über unserm Weh auf Sternenwegen
Mit allen guten Geistern selig kreist,
Der allen Geistern, die sich unten regen
In tapfrer Kraft, die deutsche Losung weist:
Seid stark im Lieben, werdet schwach im Hassen!
So wird Gott seine Deutschen nicht verlassen.
Die deutschen auswandernden Krieger
1851.
O mein Deutschland, will dein Jammer
Breiter, täglich breiter werden?
Finden deine besten Söhne
Keinen Platz auf deutscher Erden?
Klingt der bittre Fluch des Flüchtlings
Durch der Angeln Land und Hessen?
Wird so deutsche Lieb' und Treue
Deinen Tapfern zugemessen?
Jammer, den kein Lied kann singen!
Unheil, das kein Wort kann fassen!
Also müssen deine Streiter,
Kampfs- und glücks- und landsverlassen,
Nach Utopien, nach Brasilien
Bettelnd durch die Länder streichen?
Ihre nackten Ehrennarben
Zeigen als ein deutsches Zeichen?
Ihr von Siebzehnhundertachtzig
Kassellieder, Stuttgartlieder,
Ihr des Aspergskerkersängers
Alte Lieder, tönt ihr wieder?
Die bei Saratoga fielen,
Die die Mohrensonn' verbrannte,
Werden sie uns heute wieder
Neugeborne, Neugenannte?
Heute Achtzehnhundertfünfzig
Hessen, Angeln, Sachsen, Friesen
Laufen in die Welt des Elends
Ehr- und glücks- und landsverwiesen?
Ob dem Jammer bricht das Wort ab,
Wo die Ehre will zerbrechen –
Wo der Helfer? Wo der Rächer,
Solche grimme Schmach zu rächen?
Still! Es rufet: Du sollst beten,
Christ, sollst glauben, lieben, hoffen;
Sperrt sich dir die deutsche Welt auch,
Ewig steht der Himmel offen.
Drum laß alles durcheinander
Fallen, stürzen, krachen, brechen,
Droben, glaube, waltet einer,
Der wird letztes Urteil sprechen.
Zaunkönig
1852.
Zaunkönig, kleinstes Vögelein,
Wie fliegst du einsam und allein?
Was baust du vor dem Maienwest
Dein traurig kaltes Winternest,
In stillster Eck', im kahlen Strauch
Ganz wider jeden Vogelbrauch?
Das Vöglein spricht: »Leicht wird gefragt,
Doch Antwort oft mit Not gesagt;
Denn altes Leid und altes Glück
Schaut hinter sich nicht gern zurück.
Wohl tausend Jahr' und noch viel mehr
Ist Antwort und Geschichte her –
Viel tausend Jahre – Wonnezeit!
Da trug Zaunkönig Königskleid,
Goldkronen goldner tausendmal,
Als feinstes Gold im Sonnenstrahl;
Im Fluge und Gesang voran
War er der Vögel Vordermann,
So klein, so golden doch und groß
Saß er dem Glück und Ruhm im Schoß.
Doch zu viel Glück tut selten gut
Und schwellt den grünen Übermut.
So ging es auch dem Vögelein:
Es wollte was Besondres sein;
Ein Ausderspur und ein Fürsich
Hielt's einen gar selbsteignen Strich
Und macht' in stolzer Phantasei
Von Gott und von Natur sich frei,
Wollt' gar im Winter Nester baun.
Als das die andern Vögel schaun,
Beginnt Verwundern, Schrein und Graun
Ob solchem unerhörten Stolz,
Und wie die Glut aus dürrem Holz
Schlägt aus dem Graun der Zorn herauf.
Drob rufet alles Volk zuhauf
Der Federträger ein Prophet
Und Seher, stark vom Geist durchweht –
Der Rabe führt und nimmt das Wort.
Er schreit: ›Fort mit dem Frevler! Fort!‹
Er ruft dreimal: ›Schafft ab! Schafft ab!
Was lockt des Himmels Fluch herab!
Fort mit dem kleinen Übermut,
Der sich Gott gleich gebärden tut,
Als hätt' er's Wetter in der Hand!
Er werd' aus unserm Volk verbannt,
Der eitle Geck, der Schneephantast,
Der seines Volkes Sitten haßt –
Man haue Acht und Aberacht
Dem, der vorm Lenz den Frühling macht!‹
So ward's. Ich armes Vögelein
Muß drum noch heute einsam sein,
Im kalten Winter, wo andre ruhn,
Als hätt' ich vollen Frühling, tun,
Tragen Moos und Gras fürs öde Nest,
Wo mich der Nord mit Schnee umbläst;
Einsam allein bis diesen Tag
Verbüß' ich, was der Ahn verbrach.«
Was meinet diese Kindermär?
Sie schlägt und bohrt mit scharfem Speer
Und spricht: »Mach' dir nicht selbst was weis,
Halt hübsch das eingefahrne Gleis,
Hänge jeden überschwenglichen Traum
An den ersten besten Galgenbaum:
Denn stets jagt Acht und Aberacht
Den, der vorm Lenz den Frühling macht.«
Jesusgebet
1853.
Ich glaub' an dich, du höchster Geist,
Der Liebe ist und Liebe heißt,
Der ganz aus Gott geboren ist,
Ich glaub' an dich, Herr Jesus Christ.
Ich glaub' an dich, du klarster Geist,
Der mir den Weg zum Himmel weist,
Auf grader Bahn zum hellsten Ziel
Aus diesem trüben Erdenspiel.
Du reinster Abglanz reinsten Lichts,
O leuchte durch die Nacht des Nichts,
Durch ihrer Wirren Lügenschein
Mir himmelwärts und himmelein.
Du, mein Woher und mein Wohin,
Was ich gewesen, was ich bin,
Was ich durch dich, mein Heil, soll sein,
Das leuchte mir ins Herz hinein.
Dann bin ich bei dir und in dir,
Dann hab' ich schon den Himmel hier:
Es lebt, umstrahlt von sel'gem Licht,
Wer Jesus Christ im Glauben spricht.
Nachklang aus 1848-49
1853.
Und fragst du noch nach deutschen Straßen?
Es weist dir keiner Weg noch Steg,
Die hellen Töne sind verblasen,
Dumpf schallt und hallt es: Alles weg!
Wie Glockenläuten hinter Toten
Klingt's aus dem deutschen Eichenhain,
Die Weißen läuten mit den Roten
Unisono hier überein.
Ja, weg mit allen Jubelklängen
Vom großen, jungen, deutschen Jahr!
Weg mit den Vaterlandsgesängen
Vom stolzen deutschen Doppelaar!
Sein Fliegen ward zum Eulenflattern,
Er zog die hohen Flügel ein,
Bald hört man ihn die Gans beschnattern
Und Kräh' und Sperling ihn beschrein.
Doch schien's ein Jahr voll Mut und Leben,
Der Weissagung, der Hoffnung Jahr;
Als hätt's auf einmal Gott gegeben,
Ward alles allen plötzlich klar;
Als könnten Stein' und Beine sprechen,
Klang aus dem Zauberstein Getön:
Der Kaiserschlummer werde brechen,
Der Barbarossa auferstehn.
Kam er? Sie sind zu leicht erfunden,
Die ihm gerufen und geschrien.
Er liegt bis heute fest gebunden –
So spricht der stumme Stein für ihn:
»Wie? Wagt ihr mir den Schlaf zu strafen
In eurer feigen Ungeduld?
Wißt, weil ihr schnarchet, muß ich schlafen –
Straft eurer eignen Faulheit Schuld.«
Rausche durch den Wald
1853.
Rausche durch den Wald, rausche durch das Herz,
Tränenzorn, du frischer Lebenswind!
Schweige nicht das Wort, schweige nicht den Schmerz,
Rausche, du des Muts erstgebornes Kind!
Rausche, brause frisch! Klinge, schalle kühn!
Kühner, weil der Feigheit Pestilenz,
Deutsche Pest, uns leirt Welken und Verblühn,
Winterfrost und Tod vor dem deutschen Lenz.
»Wo ist Babel heut? Wo das alte Rom?
Welche Fahnen wehn heut vom Kapitol?
Wie kein Tropfen fließt je hinauf den Strom,
Find't erloschner Stern nimmer neuen Pol.«
Leiertest du so mit, verschneiter Greis?
Tod und Nacht, die deutsche Greisennacht,
Weil kein Kaiser kommt, welcher weist und weiß,
Was den deutschen Mut stark und fröhlich macht?
Feiger Memmen Klang tönest du so nach,
Weiberhoffen, Weiberzagen nach,
Weil noch immer kein Adlerflügelschlag
Klingt den langen Schlaf Barbarossas wach?
Nicht also mit dir! Nimm dir deutschen Schwung,
Deutscher! Nimm einmal dir den deutschen Stolz
Für dein großes Volk, unter Greisen jung,
Grün wie seines Waldes grünstes Eichenholz.
Nicht also mit dir! Rausche durch den Wald!
Rausche, brause, Zorn, durch Stein und Bein!
Brause, deutscher Mut, Gottes Zorngewalt!
Greif die Adler dir, laß die Krähen schrein.
Sonntagslied
1853.
Es ist Sonntag und ist stille
Von allem wilden Tun,
Es ist des Höchsten Wille,
Heut soll die Arbeit ruhn,
Aus allem wirren Leben
Und aus Mühseligkeit
Soll heut der Mensch sich heben
Zu Gott, zur Ewigkeit.
O größter Held der Gnaden,
O süßer Jesus Christ,
Durch den die Welt geladen
Zur Himmelsfreude ist,
Hilf, hilf uns aus den Schmerzen
Der armen Zeitlichkeit!
Hilf! Hebe du die Herzen
Zu Gott, zur Ewigkeit!
O hilf uns! Hilf verstehen,
Du süßer Jesus Christ,
Warum du aus den Höhen
Des Himmels kommen bist,
Durch deine Liebesminne,
Durch dein Versöhnungswort
Schleuß Geister auf und Sinne
Heut für den Heimatsort.
Was fromme Seelen weisen,
Durchweht von Geisteswehn,
Wovor die größten Weisen
Anbetend stille stehn,
Das Heimatland der Sterne,
Der Geister Lebenslauf,
Schleuß diese sel'ge Ferne,
Schleuß, Heiland, sie uns auf.
Was Menschenangesichter
Nicht schauen noch verstehn,
Das können, Licht der Lichter,
Allein durch dich wir sehn –
O dahin lehr' uns schauen,
Vom Erdenstaub zum Licht,
Gib Glauben, gib Vertrauen,
Gib Himmelszuversicht.
Es steht uns ja gerichtet
Das Aug' zum Himmelsglanz,
Und wird's von dir gelichtet,
So schaut's den Himmel ganz;
Und ist das Herz befreiet
Durch dich von Erdengier,
So stehn wir recht geweihet
Zur Sonntagsfreud' vor dir.
Trost in Gott
1854.
Und willst du gar verzagen,
Du armes Menschenherz,
In Sorgen, Ängsten, Klagen,
Im feigen Erdenschmerz?
Und missest du nach Spannen
Dein kurzes Glück und Leid,
Das rinnt geschwinde dannen
Ins Meer der Ewigkeit.
Nach oben mußt du sehen,
Hier unten findst du's nicht,
Nur in den Himmelshöhen,
Nur da ist Trost und Licht;
Was hier die Stunden bringen,
Macht Mut der Stärksten scheu,
Von oben muß dir klingen
Der Klang von Gottes Treu'.
Vom hohen Sterngewölbe
Herab erklingt der Klang:
Stets gleich und stets derselbe
Bleibt Gottes Weltengang;
Dort in der heitern Bläue,
Dort steht die feste Welt,
Dort Gott der Ewigtreue,
Der alles wohl bestellt.
Am hohen Sterngewölbe
Da strahlt in Sternenschrift
Der Gleiche und derselbe,
Den nimmer Wechsel trifft:
Daß sich der Glaube freue,
Daß zittre Lug und Spott,
Strahlt dort der ewigtreue,
Der gute, fromme Gott.
Dahin! Da ist dein Himmel,
Da ist dein Heimatland,
Das dir im Erdgewimmel
Verdunkeln Leid und Tand,
Da klingen Wunderklänge,
Die machen frisch und neu,
Da klingen die Gesänge
Von Gottes Lieb' und Treu'.
Dahin! Dahin! Und lerne,
Was so herniederklingt
Und auf dem höchsten Sterne
Das Heilig! Heilig! singt,
Dann wird dir stets aufs neue
Aufgehn sein Gnadenschein,
Er selbst, der Ewigtreue,
Mit, in und bei dir sein.
Lebensbescheid
1854.
Wieviel tausend Sonnen und Regenbogen
Sind an dir und über dich hingezogen!
Wieviel tausend Scherz und Schmerz!
Sprich ein Wort, du altes, krankes Herz.
Scherz und Schmerz? Wer mag hier wägen und scheiden?
Frage rundum bei weisesten Christen und Heiden,
Frage rund, vernimm den Klang,
Wie ihn schon Homer und David sang.
Soweit Menschen hier blühen und verblühen,
Leuchten die Sterne gleich über Freuden und Mühen –
Wer spricht hier den letzten Spruch?
Wiss', ich hatte beides übergnug.
Glücklich jedoch im ältsten Kinderglauben
Fliegen aus meiner Arche Raben und Tauben
Aus in die wilde Lebensflut,
Bringen im Schnabel: Gott macht alles gut.
Und glückselig solcher Tauben und Raben
Und des Blattes, das sie im Schnabel haben,
Ruft den Spruch das alte Herz:
Auf der Wage überwog der Scherz.
Gottes Geist
1854.
O Gottes Geist und Christi Geist,
Der uns den Weg zum Himmel weist,
Der uns die dunkle Erdennacht
Durch seine Lichter helle macht.
Du Hauch, der durch das Weltall weht
Als Gottes stille Majestät,
Du, aller Lichter reinstes Licht,
Erleucht' uns Herz und Angesicht.
Komm, leuchte mit dem Gnadenschein
Hell in die weite Welt hinein,
Komm, mach' uns in der Finsternis
Des lichten Himmelswegs gewiß.
Ach! Hier ist alles Staub und Nacht,
Die Wahn und Sünde trübe macht,
Ach! Hier ist alles Not und Tod,
Geht uns nicht auf dein Morgenrot.
Das Morgenrot der bessern Welt,
Das wie ein Strahl vom Himmel fällt,
Als Gottes Macht und Gottes Lust
Durchblitzt die kranke Menschenbrust.
O Gottes Geist und Christi Geist,
Der uns wie Kinder beten heißt,
Der uns wie Kinder glauben heißt,
O komm! o komm, du Heil'ger Geist!
Komm, Gottes Frieden, Gottes Mut!
Komm, stille Kraft, die nimmer ruht!
Komm, gieße deinen Gnadenschein
In Seele, Sinn und Herz mir ein.
Dann wandl' ich wie ein Kind des Lichts
Im Glanze deines Angesichts
Schon meinen kurzen Erdenlauf
Stets himmelein und himmelauf.
Zur Fahnenweihe des Bonner Veteranenvereins
1854.
Dies wolle Gott im Himmel walten,
Der jedes gute Werk regiert!
Hier stehn wir halbzerrißnen Alten
In frischer Reihe aufmarschiert;
Gebete gehn zur Himmelsbläue,
Wir feiern heut ein großes Fest,
Ein schönstes Fest, ein Fest der Treue:
Wir nageln unsre Fahne fest.
Dies meint nicht Treue festzunageln –
Die muß durch Gott gefestet sein,
Daß, wann die Schlachtenwetter hageln
Und Blei und Eisen niederspein,
Die Fahne fliege als ein Zeichen,
Der Ehre Pfand, der Treue Pfand,
Daß in dem Kampf kein Mann will weichen
Für König, Gott und Vaterland.
So stehen wir, die Veteranen,
Wie uns die Treue hergebot,
Und denken an zerschoßne Fahnen
Und tapfrer Kameraden Tod,
An heiße Tage, schwere Wunden,
Wo Schlachtendunkel uns umzog,
Doch auch an manche Freudenstunden,
Wo Preußens Adler oben flog.
So stehn wir hier, die Veteranen,
Als rief es: Vorwärts! Nehmt's Gewehr!
Vor allen denkt man heut der Ahnen,
Der Heldengeister heut im Heer,
Der höchsten, hellsten Siegesblitze –
Ihr Name klingt Unsterblichkeit –
Der Friedrich Wilhelme, der Fritze;
Durch sie sei unser Tuch geweiht!
So stehn wir hier, die Veteranen,
Und viele fallen uns noch ein,
Die leuchten auch als Preußens Ahnen –
Sie schaun auf unser Fest mit ein –
Schwerin und Seidlitz, Zieten, Blücher –
Wer zählte alle Helden her,
Die füllen die Geschichtenbücher
Mit schönster deutscher Siegesmär?
Und nun das höchste Hoch der Alten!
Zum Himmel steige das Gebet!
Wir wollen feste Treue halten,
Wo diese Fahne vor uns weht;
Und muß sie einst im Felde fliegen
Den stolzen Preußenadlerflug,
So bleibe Fallen oder Siegen
Der Veteranen Ehrenspruch.
Ermunterung
1855.
Willst du sinken, nichts als sinken,
Armes, krankes Menschenherz?
Immer nur den Becher trinken,
Den dir füllet Sorg' und Schmerz?
Immer alles nur in grauen,
Schwarzen Erdenfarben sehn?
Lerne doch nach oben schauen,
Wo die heitern Sterne gehn.
Dahin schau'! Da ist dein Eigen,
Da dein altes Heimatland;
Dahin schau'! Und lerne steigen
Aus dem dürren Erdensand,
Aus dem trüben Nebelstaube –
Nimm den Flug und zittre nicht,
Glaube, was der Christenglaube
Bald zweitausend Jahre spricht.
Da hinauf! Da ist dein Streiter,
Vor dem Not und Tod zerfällt,
Dahin schau'! Und hell und heiter
Blüht dir wieder Gottes Welt –
Schaue, schau' auf diesen Einen:
Immer steht der Held bereit,
Der sein Himmelreich läßt scheinen
Auf dein kurzes Erdenleid.
Ja, auf diesen Einen, deinen
Heiland, schaue, halte fest
An dem Einen, der die Seinen
Nun und nimmermehr verläßt;
Aus ihn sollst allein du schauen,
Der vom Himmel niederkam,
Der hinweg des Todes Grauen
Und der Hölle Schrecken nahm.
Schaue! Suche! Du wirst finden,
Halt, was du gefunden hast,
Und so gib den leichten Winden
Alle schwere Erdenlast
Mutig! Denn der höchste Sieger
Schreitet dir im Streit voran,
Und die Losung tönt dem Krieger:
Sei ein Christ und steh als Mann!
Abschiedslied
1855.
Schon dunkeln meine Lebenstage
Sich tief hinab zum Abendschein,
Und ernster fragt die große Frage:
Was bist du? Sprich: Was wirst du sein?
Wie löst das Rätsel deines Lebens
Sich hinter deinem Grabe auf?
War all dein Streben nicht vergebens?
War eitel Irrlauf nicht dein Lauf?
Jawohl, die letzten Glockenschläge,
Der letzte Strahl des Abendlichts,
Was klingen sie im Busen rege?
Was leuchtet er aus deinem Nichts?
Was melden deiner Augen Tränen?
Was wird im kranken Herzen wach?
O all dein Irren, Träumen, Sehnen,
Des Lebens langes Weh und Ach.
So ist's: Mit Düsternis umhangen
Wie oft war dir die wunde Brust,
Ein Dorn dein Sehnen und Verlangen,
Ein Gift die Süßigkeit der Lust;
Wie mochte sich der Blinde hüten
Auf bunter Täuschung Blumenfeld,
Wie oft die Natter unter Blüten
Den Biß auf ihren Pflücker schnellt?
Doch still! Auch lieblich ist verklungen
Dir mancher schöne Erdentag,
Von Gottes Lieb' und Lust durchsungen,
Die tönt Erinnrung fröhlich nach.
Ja, Gott, ich danke für dein Werde!
Fürs Wonnewort: Es werde Licht!
Für deine schöne, grüne Erde
Und all ihr Sonnenangesicht.
Ja, Dank dir, Herr, für reiche Freude
Auf schwerstem, längstem Pilgergang.
Es macht des Abends Schlafgeläute
Dem müden Wandrer nimmer bang;
Wie oft er auch auf wüstem Pfade
Von deinem Lichte lief verirrt,
Er weiß, daß deine Huld und Gnade
Ihn nimmermehr verlassen wird.
Nein, nimmer! Felsen sind die Worte,
Die Worte dein, Herr Jesus Christ,
Durch welche mir die Himmelspforte
Der Gnade weit geöffnet ist.
Mag dieser Erde Licht verscheinen,
Mag diese Sonne untergehn,
Ich werde selig mit den Deinen
Lobsingend stehn auf höhern Höhn.
Ja, süßer Heiland, mit den Deinen,
Sei auch ich unter Kleinsten klein –
Dein Licht wird ewig auf mir scheinen,
Dein Glanz wird ewig bei mir sein.
Hier gilt kein Zagen und kein Fragen,
Hier gilt: Halt fest, den Glauben fest,
Daß Gott nach diesen dunklen Tagen
Dir hellere Sterne scheinen läßt.
Frühlingsruf an den Greis
1855.
O holder Frühling, lieblicher Mai,
Wie lustig hör' ich noch dein Juchhei!
Die Vögel singen, die Bäche klingen,
Die Kinder und Lämmer zu Felde springen,
Und Kuckuck, Lerch' und Nachtigall
Tönen durcheinander den Freudenschall.
Dein Dreimalschelm doch, der Kucku,
Zählt schon mir kürzeste Zahlen zu:
Wie schrie er zu vierzig und fünfzig Malen
Sonst ungefragt mir die langen Zahlen!
Jetzt ruft mit neckischem zwei und drei
Er mir im Fluge: Vorbei! Vorbei!
Schrei' er sich heiser mit zwei und drei,
Ich schreie dem fröhlichen Mai Juchhei!
Seinen Abendschimmern und Morgenröten
Seinen Stimmen, die Freude und Liebe flöten.
Mich schreckt kein Kuckucksprophetenschrei,
Sein eins, zwei, drei und sein Vorbei.
Drum kling' ich lustig Juchhei! Juchhei!
Auf! Leuchte, Frühling, und jauchze, Mai!
Mich hat vor Gripsgrabbelei und Sorgen
Das fröhliche Sprüchlein vorlängst geborgen:
Auf Leid folgt Freude, auf Winter Mai,
So wandelt Leben und Jahr vorbei.
Trost auf dem Leichenfelde
1855.
Über Gräbern schaust du in die Welt –
Rede, wo sind alle deine Lieben,
Deine Jugendfreunde all geblieben?
Suche sie im Leichenfeld.
Leichenfeld? Jawohl, ein Leichenfeld,
Jeder Erdenfuß tritt hier auf Leichen:
Die Jahrtausende blühen und erbleichen,
Und ein Grabfeld ist die Welt.
Grabfeld? Horch'! Des Windes Spiel, der Sand,
Jetzt Gebläs' von kleinsten Würmerzwergen,
Stand einst, Riesenstein, auf Alpenbergen.
Dies der Dinge Übelstand.
Ewigkeit, wie saust und braust dein Meer,
Worauf zwischen Särgen, zwischen Wiegen
Die Jahrtausende sich niederwiegen,
Graunvoll rollend hin und her!
Du auch, Erde, du mein Mutterland,
Süßer Sehnsucht Land und süßer Lügen,
Wie mit Millionen Flammenzügen
Ziehst und brennst du mich zu Sand!
Sei's! Muß alles, was gebar der Staub,
Wieder hier zu Sand und Staub zerstieben,
Meine Lieben all sind mir geblieben;
Denn kein Staub nimmt solchen Raub.
Drum nur immer auf dem Leichensand
Festen Muts und Fußes aufgetreten!
Auf des Herzensnordsterns Lichtmagneten
Unverrückt den Blick gewandt!
Auf! Empor, wohin dein Stern dir weist!
Schau', wohin die Sonnenadler schweben!
Traue! Denn er winkt unsterblich Leben,
Traue deinen Sonnenvögeln, Geist!
Graun, hinweg! Weg alles, was da bebt!
Traue! Glaube! Alle deine Lieben
Stehn im Himmelsbuche eingeschrieben,
Wo sich's ewig liebt und lebt!
Blindes Menschenkind
1856.
O krankes, blindes Menschenkind,
Wie wehet dich des Tages Wind
Ein steuerloses Schiff im Meer
Auf wilden Wogen hin und her!
Vom bunten Schein, der immer log,
Verlockt, du wähnst dich himmelhoch
Und weißt mit aller Kunst und List
Doch nimmer, was und wo du bist.
O sei, o werde wieder dein!
Und gleich wird dir gesunder sein;
O kehre bei dir selbst doch ein!
Da leuchtet dir der rechte Schein.
Den Schlüssel nimm der linken Brust;
Da liegt dein Schatz von Mut und Lust,
Da schließt dein Glück sich auf und zu:
Das ist dein Selbst, ja das bist du.
Da tief geheim liegt der Magnet,
Der ewig unverrücklich steht,
Der Hauch, gehaucht vom höchsten Geist,
Der ewig hin zum Himmel weist.
Das ist dein Evangelienbuch,
Das spricht zu dir wie Gottes Spruch,
Dein Angeld auf Unsterblichkeit,
Anweisung auf die Ewigkeit.
Das ist der Gottesstrahl und Blitz,
Zermalmend Trug und Lügenblitz,
Der Freudenschein und Schreckenschein,
Der zündend schlägt durch Mark und Bein.
Wo diese heil'ge Flamme brennt,
Da brennt das Licht, das Gott erkennt,
Die Heldenkraft, die Männerkraft,
Die Welten denkt und Welten schafft.
Da bete an, da kniee hin,
Da stähle frisch dir Herz und Sinn
Und schau' und sieh, ob dein Magnet
Zu seinem Nordpol richtig steht.
Gott hält die Wacht
1856.
Warum betrübst du dich so sehr,
O Menschenherz, und sinkst im Meer
Des tiefsten Erdenjammers unter?
Schau' auf und werde frisch und munter,
Schau' auf zu Gottes Lieb' und Macht:
Er ist dein Gott, er hält die Wacht.
Auf! Aus dem bangen Erdenleid!
Auf! Aus der feigen Zeitlichkeit!
Weg mit dem Grübeln, Sorgen, Grämen
Um eitel Schatten, Scheine, Schemen!
Blick' auf! Gib auf die Höhen acht!
Dort waltet Gott und hält die Wacht.
Blick' auf! Gab er dir nicht den Geist,
Der mutig hin nach oben weist,
Zum Lichte hinweist aus dem Dunkeln,
Wo hellere Sterne selig funkeln?
Blick' auf zu dem, der dich gemacht!
Er ist dein Gott und hält die Wacht.
Zu ihm blick' auf, zu seinem Sohn,
Der niederstieg vom Himmelsthron,
Erschien, ein milder Stern der Gnaden,
Zu heilen deinen Seelenschaden;
Auf deinen Liebesstern gib acht:
Er und der Vater halten Wacht.
Drum auf! Aus kurzer Zeitlichkeit
Schau' auf zur langen Ewigkeit,
Schau' aus dem trüben Erdgewimmel
Empor in deinen lichten Himmel,
Schau' auf zur Weisheit, Lieb' und Macht,
Die halten ewig treue Wacht.
Schlutz aller Lebensverse
1856.
Könnt' ich Löwenmähnen schütteln
Mit dem Zorn und Mut der Jugend,
Wie gewaltig wollt' ich rütteln
An des Tages blasser Tugend,
An dem Trug der Feigen, Matten –
Wer will ihre Namen nennen?
Die der Väter Heldenschatten
Nur als Leichenschatten kennen.
Eisen galt in meinen Tagen.
Horch' ich solchen Stundenweisern,
Hör' ich sagen, fragen, klagen,
Eisern sei ich, übereisern,
Fern sei mir das Los gefallen
Von den edlen Glanzmetallen,
Fern, o fern von jenen allen,
Woraus feine Klänge schallen.
Weg vom Silber denn, vom Golde
Hin, wohin die Weiser weisen!
Trage, wie dein Schmied es wollte,
Trage mutig durch dein Eisen!
Preis ihm, der es hart geschmiedet!
Nimmer magst du würdig preisen,
Nimmer, was die Welt befriedet,
Was die Welt erhält, das Eisen.
O du Segenglanz des Pfluges!
Gold der Ähren, Gold der Reben!
O du Blitz des Degenzuges,
Dem die Völkerzwinger beben!
Lebenhalter, Ehrenhalter,
Bestes Ding von besten Dingen,
O ich könnte tausend Psalter
Voll von deinen Ehren klingen.
Darum Preis dem Rauhen, Harten,
Preis dem Menschenschirmer Eisen!
Mag vom Blanken, Feinen, Zarten
Sich ein andrer Seines preisen,
Kann ich nur ein Fünkchen zählen
In mir echter Männergluten,
Gönn' ich gern den weichen Seelen
Volle Weibersehnsuchtsfluten.
Erinnerungsbilder
1856.
Her mit deinen Helden, wenn auch in nuce!
Heut sollst du mir deine Sehrmänner nennen,
Die vor dir in gloriosissima luce,
Im Ruhmessonnenschein leuchten und brennen.
Frostwetter ist es, daß Gott erbarm'!
Wir sind an Taten und Ehren arm.
Den Größten zuerst – das Wörtlein der Größte
Verpufft mich billig, doch wie dem sei,
Dem Deutschen bleibt der Beste der Größte,
Der Treueste Beste – das bleibt dabei.
Solchen Ehrenspruch begreint mir kein Hohn:
Der Beste war Scharnhorst, der Bauersohn.
Den Edelsten jetzt – O Edel! Hochedel!
Wort, das von göttlichen Flammen sprüht!
Vernimm, nie hat's unter menschlichem Schädel,
In menschlichem Herzen nie stolzer geglüht,
Geglühet, geblühet auf deutscher Au
Als im Ritterglanze, im Gneisenau.
Den Hellsten – Lieber, hier werd' ich ein Blinder,
Licht suchend unter so strahlenden Lichtern.
Du meinst der Schlachten Treffer und Finder,
Das hellste Aug' von den hellen Gesichtern.
Da schaute vor vielen mit Adlerblick
Der Grolman des wogenden Kampfs Geschick.
Den Frommsten – O fröhliches Heldengewimmel!
Wie sind da die Tausende betend gezogen!
Wie sind da die Fahnen und Herzen zum Himmel
In Gottes Hoffnung und Wonne geflogen!
Der Löwe Hiller. Glückseliger Mann,
Wer solchem gleich fechten und beten kann!
Den Stillsten – Was meinest du wohl mit dem Stillen?
Eine Frage fast hoch über meinem Erreich.
Ich meine, du meinest den tapfersten Willen:
Solcher Stillen ist Erdreich und Himmelreich –
So merke die Wörter Hell, Frei und Treu,
Darin sitzt der Boyen, der stille Leu.
Den Mutigsten – Dornigste Frage der Fragen,
In Deutschland zu fragen nach mutigstem Mut.
Mut war ja von allerältesten Tagen
Ein eigenstes, allerdeutschestes Gut –
Doch der nimmer und vor nichts sich gefürchtet, voran
Stehe hier der Blücher, der deutscheste Mann.
Den Stärksten – O der Starke der Starken,
Der herrlich schließet den Heldenreihn,
Der Gewaltigste war in des Vaterlands Marken,
Der Stärkste der unzerbrechliche Stein.
Solange klinget von deutschen Lippen Gesang,
Wird klingen des mächtigen Namens Klang.
Der Dämon des Sokrates
1856.
Sokrates, der große Geisteskämpfer,
Hatte einen Flüstrer und Erreger,
Einen Weiser, Leiter, Halter, Dämpfer
Und auch Diener und Laternenträger,
Wo es galt durch Finsternis zu wanken.
Dieser Ohrenflüstrer, Haucher, Lauscher,
Aller seiner Triebe und Gedanken
Kluger Mitdurchsprecher, Gegentauscher
Galt ihm, wie uns andern das Gewissen;
Dämon schalt er ihn und all sein Wissen,
All sein Ahnen, Lieben, Denken, Wollen –
Wie in uns auch Geisterchen sich rollen –
Schob er diesem Führer zu und Folger.
Ach! ruft jeder, lebt noch wo ein solcher?
Sind sie denn erloschen, jene Sterne,
Woher solche Folger Menschen kamen?
O ihr Gaffer, Greifer in die Ferne!
Könnt ihr des Begleiters kurzen Namen,
Jenes weisen, gottgeweihten Griechen,
Euch in gutes Deutsch nicht übersetzen?
Müsset durch den Hochmut doppelt siechen?
Drum herunter von den hohen Stufen!
Auf die Bank der Schüler mit der Fibel!
Dort wird auch der Kleinste lachend rufen:
Das war ja der Engel aus der Bibel.
Klinglied
1856.
Zum Himmel auf! Doch du bist mitten drinnen,
Dein Bällchen Erde rollt mit Gottes Sonnen.
Ach! wärest du so mitten in den Wonnen
Des höchsten Lichts mit allen deinen Sinnen!
Denn wieviel Nichts, was wir hienieden spinnen!
Was wir als Schönstes wähnen, wann gesponnen!
Wir schauen auf – zerstoben und zerronnen
Fliegt, fliegt's mit deinem Wahn wie Spreu dir hinnen.
Drum auf zum Himmel! laß zur Erde sinken
All deinen Stolz, woran noch Erde hanget,
All deinen bunten blanken Maulwurfshügel.
Denn sollen Gottes Sterne in dir blinken,
So rufe: Weg! hinab! was irdisch pranget!
So wachsen nur zum Himmelsflug die Flügel.
An die Freunde Friedrich Dahlmann und Friedrich Welcker
1856.
Seid gegrüßt, ihr treuen Alten,
Die dem alten Gott vertraun,
Durch des Altertums Gestalten
Hin auf neue Schöpfung schaun.
Her die Hände auf den Glauben,
Der sein Halte fest! uns schreibt
Und, wieviel auch Narren schnauben,
Doch der Ewiggleiche bleibt.
Vaterland und Freiheit haben
Wir in stillem Streit gesucht,
Wollten nicht, daß Krähn und Raben
Frech bekrächzen Adlerflucht.
Haben auf die Adlersiege
Fest gehofft und treu geglaubt,
Doch fiel in dem schweren Kriege
Mancher Tropfen Schweiß vom Haupt.
Und so schaun trotz feiger Tadler
Und trotz feiler Knechte Witz
Wir von fern den deutschen Adler
Mit dem alten Donnerblitz.
Ja, schon saust es und wird kommen –
Deutschland, süßes Vaterland!
Alle Tapfern, Treuen, Frommen
Sind dem Wetter zugewandt.
Schrei' der Pöbelschwarm sich heiser,
Was sich fern zusammenballt,
Aus dem blitzt der Donnerweiser
Neuen Lebens Lichtgestalt.
Der Weihnachtsbaum
1856.
Prangst du, schöner Weihnachtsbaum,
Meiner Kindheit goldner Traum?
Strahlst du, süßes Himmelslicht,
Das die Heidenwelt durchbricht?
Bist du, Sehnsucht aller Frommen,
Heut zur Welt herabgekommen?
Ja, es kam ein Kindlein klein,
Daß wir sollten selig sein:
Denn aus diesem Kindlein klein
Glänzte heller Gottesschein,
Engel klangen Jubellieder
Auf die dunkle Erde nieder.
Herrlich ging der Morgenstern
Alles Lichtes auf vom Herrn.
Über alle Welten weit
Jauchzt und klingt und singt es heut
Hell aus Millionen Seelen,
Was die Engel sich erzählen.
Schau', mein Herz, schau' fromm und still,
Was der Baum dir sagen will:
Daß der süße Jesus Christ
Heut zu uns gekommen ist,
Daß, dem alle Engel dienen,
Als dein Bruder ist erschienen.
Bete, schaue fromm und still,
Was der Baum dir sagen will:
Hell wie dieses Tages Schein,
Hoch und hell und klar und rein
Soll der Christen fröhlich Leben
Von der Erd' zum Himmel schweben.
Karl Vollertsen, des Schleswigers, Grab
1857.
Einen Biedermann deckt dieser Sand,
Der fiel fürs liebe Vaterland.
Als aus Osten die Kriegstrompete blies,
Da nahm er freudig Schwert und Spieß,
Es galt die Zwinger zu vertreiben:
Da konnt' er nicht zu Hause bleiben.
Da rief er seinem tapfern Sohn:
Komm! Komm! Uns sprechen die Dänen Hohn,
Das leiden wir nun und nimmermehr!
So haben beide gegriffen zur Wehr,
Doch nur der Sohn ist wiedergekommen,
Den Vater hat eine Kugel genommen.
Einen Biedermann deckt dieser Sand,
Der fiel fürs liebe Vaterland.
Steh, Anglerjüngling, steh hier still,
Horch', was sein Geist dir sagen will.
Er ruft: Streut Blumen, vergießt nicht Tränen,
Und auch: Vergesset nicht die Dänen!
Einen Biedermann deckt dieser Sand,
Karl Vollertsen war er genannt.
Er war gegossen aus vollem Erz,
Aus vollem Männerstahl sein Herz.
Das ruft: Streut Blumen, vergießt nicht Tränen,
Doch auch: Vergesset nicht die Dänen!
Steh fromm vor dieses Grabes Mal.
Solange die Sonne geht zu Berg und Tal,
Solange schlägt ein treues, deutsches Herz
Und Hoffnung blicket himmelwärts,
Ruft Vollertsen: Streut mir Blumen, nicht Tränen,
Doch auch: Vergesset nicht die Dänen!
Die rechte Versenkung
1857.
Hinein mit vollen Segeln in den Sturm!
Es denkt an mögliche Kometenschwenkung,
Die Land und Meer wegfegt und Sonnenschein,
Auf seinem grünen Grashalm kaum der Wurm –
Hinein denn, Kämpe Mensch, da voll hinein!
Dann steige wieder bei dir selber ein,
Hinein in deine tiefste Selbstversenkung,
In Platons Abgrund mutig dann hinein!
Da schaust du in dem wilden Weltengraus
Mit Götterblicken aus dir selbst heraus,
Da schaust du rechte Lenkung, rechte Schwenkung,
Da klingt aus stillster, innerster Bedenkung
Dein großes Ja, vernichtend jedes Nein:
Du bist, du bist gewesen, du wirst sein.
Worte, gesprochen an Schills Grabe in Stralsund zur halbhundertjährigen Gedächtnisfeier seines Todes, am 31. Mai 1859
Wir kommen heut getreten,
Du tapfre Sundia,
Zu wünschen und zu beten;
Zu beten ist immer da:
Schon wieder listen die Welschen
In weiter Welt herum,
Zu verkehren und zu fälschen
Deutsch Evangelium:
Evangelium der Treue,
Die beste deutsche Macht,
Die täglich wieder neue
Und frische Herzen macht:
Die Macht, worauf wir stehen
Und stehen ganz allein,
Die Macht, der in den Höhen
Der Herr will Helfer sein.
Bei dir ist viel zu melden
Von alter Sachsenkraft,
Deine Bürger waren Helden
Mit Schwert und Lanzenschaft,
Es mußt' an deinen Wällen,
Wie stolz er lief daran,
Der Wallenstein zerschellen,
Der allgewaltige Mann.
Die ritterlichen Namen,
Die dich als Braut gewollt
Und um dich werben kamen,
Die Fahnen aufgerollt,
Wer mag sie heute nennen,
Die stolze Heldenzahl,
Die herrlich leuchtend brennen
In deinem Wappenstrahl1?
Viel reiche Ruhmesgarben
Fuhrst weiland du dir ein;
Die buhlend um dich warben,
Schwer ließest du sie ein;
Zuletzt ist einer der Frommen
In böser welscher Zeit
In deine Mauern gekommen.
Sein Name klinge heut!
Ja, als die Wucht von Schanden
Den Nacken Deutschlands bog,
Ist einer aufgestanden,
Der stolz den Degen zog;
Als viele wie Memmen erblichen
Und kuschten feig und still,
Ist dieser nicht ausgewichen.
Sein Name klinget Schill.
Er ruht an deinem Strande,
Du edle Strahlenstadt,
Umgerollt im Vaterlande
Ist glücklich der Zeiten Rad:
Über dem die Welschen riefen:
Verscharrt ihn wie einen Hund!
Den grüßen heut aus Herzenstiefen
Die Männer am Stralensund.
Drum wollen wir fröhlich treten
Heut an des Helden Gruft
Und fromm für jeden beten,
Der Nieder Welschland! ruft;
Wer nichts als deutsche Sache
Und deutsche Freiheit will,
Ruft Nieder, welscher Drache!
Ruft Hoch der deutsche Schill!
Fußnoten
1 Stralsund führt einen Strahl (Pfeil) im Wappen, gleichsam schon Geburtszeichen seiner kriegerischen Geschicke. Kriegsspiel in und um sie gespielt haben außer dem Wallenstein Gustav Adolf, der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm, Karl der Zwölfte und Leopold der Dessauer.
Verse zur Begleitung des Schillschen
Ewig, Mensch, sollst du das loben,
Was die Erdennot besiegt
Und im stolzen Flug nach oben
Mit des Geistes Flügeln fliegt,
Was mit hochgebornen Seelen
Um die stolze Freiheit wirbt
Und nicht rechnen kann und zählen,
Wo sich's ehrlich lebt und stirbt.
Fliegende Erinnerungsblättchen. Denksprüche, Erinnerungsblätter
1.
Eines reinen Auges Klarheit,
Eines tapfern Mundes Wahrheit,
Einer treuen Rechte Schwur –
Diese drei geweihten Dinge
Heben hoch zum Sonnenringe
Aus der Nacht der Erdenflur.
Doch auf Erden sollst du weilen,
Streiche mit den Düstern teilen,
Deren Banner Lüge bläht.
Hier gilt's Licht und Recht zu wahren
Und den Gott zu offenbaren,
Der aus Menschennüstern weht.
Deine Erde sollst du tragen
Und dich mit dem Geist zerschlagen,
Der die finstern Fahnen schwellt,
Jene drei geweihten Dinge
Sind die diamantne Klinge,
Durch die Lug und Teufel fällt.
2.
Hell Gesicht bei bösen Dingen
Und bei frohen still und ernst –
Und gar viel wirst du vollbringen,
Wenn du dies beizeiten lernst.
3.
Bei dem Schwanze fängt nicht an,
Wer des Dinges Kopf will fassen;
Wer nach oben will als Mann,
Muß das Kriechen unten lassen.
4.
Klopf' immer frisch nur an die linke Brust.
Die weiß Geheimnis, was nur Gott gewußt.
In Nebeln fliegt dahin der Witz der Weisen,
Die dir die Fahrt nach anderm Kompaß weisen:
Trau' dem Magnet, den Gott der Herr dir setzte,
Er bleibe dir das Erste und das Letzte.
5.
Wer sich des Muts erkühnt zu singen und zu klagen
Dein Weh, o Vaterland, dein Weh, o Menschenherz,
Wer die Lawine wälzt der Schicksalsrätselfragen,
Bald fliegend himmelauf, bald stürzend höllenwärts,
Der horche nimmer auf, wo Späne von Philistern,
Mit schalem Spott bespritzt, durch Himmelsflammen knistern.
6.
Wer edel sich erkühnt und stark zu sein,
Der rüste sich für Schicksalsdonnerschläge;
Gerecht mißt Gott Hoch, Niedrig, Groß und Klein –
Das wisse, danach wähle dir die Wege.
7.
Wie das Leben auch rollt,
Ob kreuz oder quer,
Was voll du gewollt,
Das streu' nicht umher:
Denn was viele gewußt,
Zersplittert sich gleich,
An Macht und an Lust
Ist der Stille nur reich.
8.
Wer fest will, fest und unverrückt dasselbe,
Der sprengt vom festen Himmel das Gewölbe,
Dem müssen alle Geister sich verneigen
Und rufen: Komm und nimm! Du nimmst dein Eigen.
9.
Vor Menschen ein Adler, vor Gott ein Wurm,
So stehst du fest im Lebenssturm.
Nur wer vor Gott sich fühlet klein,
Kann vor den Menschen mächtig sein.
10.
Trage frisch des Lebens Bürde,
Arbeit heißt des Mannes Würde,
Kurzer Bach fließt Erdenleid,
Langer Strom die Ewigkeit.
11.
Ein Wort der Lehre, nimm es mit
Ins Leben: Halt die Zunge fest,
Denn ungewogne Rede fliegt
Unflügger Vogel aus dem Nest;
Doch noch ein zweites beßres Wort:
Halt deine Seele fromm und rein,
So wird, was deinem Mund entfliegt,
Nie ein unflügger Vogel sein.
12.
Willst du in Gottes Spiegel schauen,
Schau' in die Seele reiner Frauen,
Und aller Himmel Glanz ist dein;
Doch hat der Spiegel Brüch' und Flecken,
Dann flieh wie vor dem Schreck der Schrecken,
Er spiegelt Höllenzauberschein.
13.
Wer großes Glück kann tragen,
Der hat ein starkes Herz
Und mag es mutig wagen
Mit jedem Spiel und Scherz:
Drum wird auf steilsten Höhen
Des Ruhmes Kranz gereicht;
Denn Unglück zu bestehen
Macht Gott im Himmel leicht.
14.
Freund, wer männlich sein Ich will
Frommen Munds versteht zu sprechen,
Mag im Erdentale still
Manche süße Blume brechen.
15.
Geh deines Weges still,
Geh deines Weges grad'.
Dem, der nichts weiter will,
Verrennt man nicht den Pfad;
Wer aber kreuz und quer
Abschweift vom graden Weg,
Den stößt ein ganzes Heer:
Die meisten laufen schräg.
16.
Licht suchst du da, wo tausend Lichter funkeln,
Und schreist: Wer sagt mir, ob ich nicht im Dunkeln?
Im Meer des Lichtes willst du magre Klarheit,
Willst jedes Funkens Fünklein dir zerklauben,
Damit du könnest, daß es leuchte, glauben.
O blinder Tor mit solcher blinden Wahrheit!
Der Feldherr, welcher jede Lanzenspitze
Der Knechte zählt, wird nimmer mit dem Blitze
Des Siegers Schlachtenreihen niederschmettern.
Auf! Nimm dir Mut und stürze dich ins Ganze,
Rauf' aus der Blumen Fülle dir zum Kranze
Und zähle seine Wonne nicht nach Blättern.
17.
Wann die Worte sprühen und schäumen,
Die Gedanken nebeln und träumen
Und das Herz schlägt auf in Glut –
O dann halte das Schwert in der Scheide,
Das Schwert der Tat; denn zum bittern Leide
Wird dir der viele und dunkle Mut.
18.
Schön ist die Welt, sei du, o Mensch, auch schön,
Sei schön und gut, so wird dir's wohl ergehn.
Bedenke: Fernst von Worten liegen Taten,
Fern liegt der Ernte Lust vom Streun der Saaten:
Wer nicht zu handeln, nicht zu säen wagt,
Von dem wird endlich Welt und Glück verklagt.
19.
Wer sich des Festes will erbauen,
Schaue Grau nicht aus dem Grauen,
Hellem Mut gehört die Welt.
Zwar auch Helden sieht man fallen,
Aber traurig fällt vor allen,
Wer durch eigne Schwere fällt.
20.
Schämst du dich, daß Schelme sind?
Willst du deutsche Schelme streicheln,
Die dich dem Aprilenwind
Gleich mit Wechseln auch umschmeicheln?
Nein, den Handschuh frisch heraus!
Feig wird, wer den Feigen weichet –
Lust und Mut wächst überaus,
Wenn man Schelmenbacken streichet.
21.
Man schilt mein Deutschland einen Greis,
Zu kalt und zu verständig,
Ich aber schelt': »Er ist zu heiß,
Der Junge, zu lebendig,
Ein Junge noch, doch hoffnungsvoll
Bei allen tollen Streichen!
Und grade darum darf und soll
Die Hoffnung mir nicht bleichen.
Kann man den wilden Jugendmut,
Der schäumt und bäumt, nur binden,
So wird er sein verlornes Gut,
Die Freiheit, wiederfinden.«
22.
Deutscher wagst du kaum zu heißen,
Möchtest nur mit Fremdem gleißen,
Möchtest mit Engländern und Franzosen
Bunt dir pletzen Wams und Hosen,
Mit Moskowitern gar und Polen
Flicken die zerrißnen Sohlen.
Schäme dich! Auch mit nackten Beinen
Wage deutsch zu sein, zu scheinen!
Schäme dich! Auch mit nackten Armen
Drein mit dem deutschen Herzen, dem warmen!
Drein mit dem vollen deutschen Herzen!
Und du magst den Hohn verschmerzen,
Womit Fremde Deutsche nennen.
Doch tief muß der Hohn erst brennen,
Tief im vollen deutschen Herzen,
Tief mit vollen deutschen Schmerzen.
Wage nur dich zu erkennen!
Und man wird dich anders nennen.
23.
Was du geträumt in grüner Jugend,
Das mache wahr durch Männertugend –
Die frühsten Träume täuschen nicht.
Doch wisse, Träume sind nicht Taten:
Ohne Arbeit wird dir nichts geraten.
Die Tugend trägt ein ernst Gesicht.
24.
Das Eisen sinkt im Meer,
Doch weißt du's auszuweiten,
So kann's auf Wogen reiten
Als leichtes Schiff einher.
So ist, o Mensch, dein Mut –
Daß er nicht schwer verdämmre,
Schlag rastlos drauf und hämmre,
Halt frisch der Schmiede Glut!
25.
Was macht den Mann? Ich will es dir
Mit ein paar kurzen Worten sagen:
Du mußt auf jede Lust und Gier
Wie mit dem Eisenhammer schlagen.
Dann bleibt dir nur dein dünnstes Selbst,
Und dein Metall ist ausgeschmiedet,
Und das, womit du Himmel wölbst
Und sie vernichtest, steht gefriedet.
Was ist dies dünne bißchen Mann,
Von dem die schweren Schlacken flogen?
Es heißet Geist und hat erst dann
Sein helles Lichtkleid angezogen.
26.
Sei tapfer! Sei ein Mensch! Du trägst das Zeichen
Von Gott dir hell geprägt auf hoher Stirne –
Ja, eben daß ich Mensch bin, jagt die bleichen
Gedanken oft mir auf in dem Gehirne.
Heut wirbl' ich gleich der Lerche sonnentrunken
Mit Himmelsliedern fröhlich auf zur Höhe,
Und morgen lieg' ich tief hinabgesunken
Und ächz' aus dumpfem Staub mein Menschenwehe.
O schlimmste Zweiheit, ältste Menschenklage!
Laß nun auch ältster Weisheit Spruch dir singen:
Vertrau' dem Gott in dir, den Menschen wage
Und nimm und trage, was die Stunden bringen.
27.
Horch' nicht auf das Geläute und Gebimmel,
Wonach die liebe Menge horcht und schreit;
Es klingt dich nur heraus aus deinem Himmel,
Lockt nur wie Schlachtgesang hinein in Streit.
O bleibe lieber, wo die Stillen wohnen,
Wo stille Blumen im Verborgnen blühn;
Da winde dir des Glückes zarte Kronen
Und laß den Weltschall froh vorüberziehn.
28.
Ein Wort ein Wort, ein Mann ein Mann,
Das muß als deutsche Losung klingen.
Wer da nicht wanket ab und an,
Kann alle Höllenteufel zwingen.
29.
Nur einen Freien gibt es, der heißt Gott,
So spricht der edle Heide Äschylus.
Kein Narr macht diesen Spruch zum Narrenspott,
Weil jeder Staubgeborne dienen muß.
Ich diene, klang des Böhmenkönigs Spruch.
Mensch, Erdenkönig, nie dienst du genug.
30.
Wolle Eines, woll' es ganz,
Zupfe nicht an Stücken des Stückes,
Und du pflückst den vollen Kranz,
Kranz des Mutes, Kranz des Glückes.
31.
Tief in dich hinab, tief in dich hinein!
Bricht da dir aus der Tiefe kein Schein,
Der von helleren Scheinen was kann erzählen,
So denk' an die Schäden der Menschenseelen –
Es muß in dir was verschüttet sein.
Kannst du solchen Schutt nicht tapfer räumen,
So bleibt's beim eitlen Wähnen und Träumen.
32.
Im Kleinen leicht, im Großen schwer,
So vergeht der Deutsche nimmermehr.
Hält er sich fest das Wörtlein Treu',
Zerstäubt vor ihm alles wie Schaum und Spreu.
33.
Wer dir die kleinen Freuden nimmt,
Nimmt dir das große Entzücken:
Über tausend schmalste Stege geht
Der Weg zur Himmelsbrücken.
34.
Du suchst der Dinge Grund – stürz' in den Abgrund dich.
Wird da dein Fuß nicht fest, ist nirgends Grund für dich;
Wagst du nicht ritterlich Verzweiflung und Verzagen,
So laß doch lieber ab, nach Gott und Welt zu fragen:
Des Wissens Morgenrot wird nie dem Feigen tagen.
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