Leise gleiten die alten Leute

In stilleren Abend; weich verwelken schöne Blätter.

Am Friedhof scherzt die Amsel mit dem toten Vetter,

Angelen gibt der blonde Lehrer das Geleite.

 

Des Todes reine Bilder schaun von Kirchenfenstern;

Doch wirkt ein blutiger Grund sehr trauervoll und düster.

Das Tor blieb heut verschlossen. Den Schlüssel hat der Küster.

Im Garten spricht die Schwester freundlich mit Gespenstern.

 

In alten Kellern reift der Wein ins Goldne, Klare.

Süß duften Äpfel. Freude glänzt nicht allzu ferne.

Den langen Abend hören Kinder Märchen gerne;

Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre.

 

Das Blau fließt voll Reseden; in Zimmern Kerzenhelle.

Bescheidenen ist ihre Stätte wohl bereitet.

Den Saum des Walds hinab ein einsam Schicksal gleitet;

Die Nacht erscheint, der Ruhe Engel, auf der Schwelle.

 

 

Im Winter

Der Acker leuchtet weiß und kalt.

Der Himmel ist einsam und ungeheuer.

Dohlen kreisen über dem Weiher

Und Jäger steigen nieder vom Wald.

 

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.

Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.

Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten

Und langsam steigt der graue Mond.

 

Ein Wild verblutet sanft am Rain

Und Raben plätschern in blutigen Gossen.

Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.

Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.

 

 

In ein altes Stammbuch

Immer wieder kehrst du Melancholie,

O Sanftmut der einsamen Seele.

Zu Ende glüht ein goldener Tag.

 

Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige

Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn.

Siehe! es dämmert schon.

 

Wieder kehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches

Und es leidet ein anderes mit.

 

Schaudernd unter herbstlichen Sternen

Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.

 

 

Verwandlung

Entlang an Gärten, herbstlich, rotversengt:

Hier zeigt im Stillen sich ein tüchtig Leben.

Des Menschen Hände tragen braune Reben,

Indes der sanfte Schmerz im Blick sich senkt.

 

Am Abend: Schritte gehn durch schwarzes Land

Erscheinender in roter Buchen Schweigen.

Ein blaues Tier will sich vorm Tod verneigen

Und grauenvoll verfällt ein leer Gewand.

 

Geruhiges vor einer Schenke spielt,

Ein Antlitz ist berauscht ins Gras gesunken.

Hollunderfrüchte, Flöten weich und trunken,

Resedenduft, der Weibliches umspült.

 

 

Kleines Konzert

Ein Rot, das traumhaft dich erschüttert –

Durch deine Hände scheint die Sonne.

Du fühlst dein Herz verrückt vor Wonne

Sich still zu einer Tat bereiten.

 

In Mittag strömen gelbe Felder.

Kaum hörst du noch der Grillen Singen,

Der Mäher hartes Sensenschwingen.

Einfältig schweigen goldene Wälder.

 

Im grünen Tümpel glüht Verwesung.

Die Fische stehen still. Gotts Odem

Weckt sacht ein Saitenspiel im Brodem.

Aussätzigen winkt die Flut Genesung.

 

Geist Dädals schwebt in blauen Schatten,

Ein Duft von Milch in Haselzweigen.

Man hört noch lang den Lehrer geigen,

Im leeren Hof den Schrei der Ratten.

 

Im Krug an scheußlichen Tapeten

Blühn kühlere Violenfarben.

Im Hader dunkle Stimmen starben,

Narziß im Endakkord von Flöten.

Menschheit

 

Menschheit vor Feuerschlünden aufgestellt,

Ein Trommelwirbel, dunkler Krieger Stirnen,

Schritte durch Blutnebel; schwarzes Eisen schellt,

Verzweiflung, Nacht in traurigen Gehirnen:

Hier Evas Schatten, Jagd und rotes Geld.

Gewölk, das Licht durchbricht, das Abendmahl.

Es wohnt in Brot und Wein ein sanftes Schweigen

Und jene sind versammelt zwölf an Zahl.

Nachts schrein im Schlaf sie unter Ölbaumzweigen;

Sankt Thomas taucht die Hand ins Wundenmal.

 

 

Der Spaziergang

1

Musik summt im Gehölz am Nachmittag.

Im Korn sich ernste Vogelscheuchen drehn.

Hollunderbüsche sacht am Weg verwehn;

Ein Haus zerflimmert wunderlich und vag.

 

In Goldnem schwebt ein Duft von Thymian,

Auf einem Stein steht eine heitere Zahl.

Auf einer Wiese spielen Kinder Ball,

Dann hebt ein Baum vor dir zu kreisen an.

 

Du träumst: die Schwester kämmt ihr blondes Haar,

Auch schreibt ein ferner Freund dir einen Brief.

Ein Schober flieht durchs Grau vergilbt und schief

Und manchmal schwebst du leicht und wunderbar.

2

 

Die Zeit verrinnt. O süßer Helios!

O Bild im Krötentümpel süß und klar;

Im Sand versinkt ein Eden wunderbar.

Goldammern wiegt ein Busch in seinem Schoß.

 

Ein Bruder stirbt dir in verwunschnem Land

Und stählern schaun dich deine Augen an.

In Goldnem dort ein Duft von Thymian.

Ein Knabe legt am Weiler einen Brand.

 

Die Liebenden in Faltern neu erglühn

Und schaukeln heiter hin um Stein und Zahl.

Aufflattern Krähen um ein ekles Mahl

Und deine Stirne tost durchs sanfte Grün.

 

Im Dornenstrauch verendet weich ein Wild.

Nachgleitet dir ein heller Kindertag,

Der graue Wind, der flatterhaft und vag

Verfallne Düfte durch die Dämmerung spült.

3

 

Ein altes Wiegenlied macht dich sehr bang.

Am Wegrand fromm ein Weib ihr Kindlein stillt.

Traumwandelnd hörst du wie ihr Bronnen quillt.

Aus Apfelzweigen fällt ein Weiheklang.

 

Und Brot und Wein sind süß von harten Mühn.

Nach Früchten tastet silbern deine Hand.

Die tote Rahel geht durchs Ackerland.

Mit friedlicher Geberde winkt das Grün.

 

Gesegnet auch blüht armer Mägde Schoß,

Die träumend dort am alten Brunnen stehn.

Einsame froh auf stillen Pfaden gehn

Mit Gottes Kreaturen sündelos.

De profundis

 

Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt.

Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht.

Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist.

Wie traurig dieser Abend.

 

Am Weiler vorbei

Sammelt die sanfte Waise noch spärliche Ähren ein.

Ihre Augen weiden rund und goldig in der Dämmerung

Und ihr Schoß harrt des himmlischen Bräutigams.

 

Bei der Heimkehr

Fanden die Hirten den süßen Leib

Verwest im Dornenbusch.

 

Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern.

Gottes Schweigen

Trank ich aus dem Brunnen des Hains.

 

Auf meine Stirne tritt kaltes Metall

Spinnen suchen mein Herz.

Es ist ein Licht, das in meinem Mund erlöscht.

 

Nachts fand ich mich auf einer Heide,

Starrend von Unrat und Staub der Sterne.

Im Haselgebüsch

Klangen wieder kristallne Engel.

 

 

Trompeten

Unter verschnittenen Weiden, wo braune Kinder spielen

Und Blätter treiben, tönen Trompeten. Ein Kirchhofsschauer.

Fahnen von Scharlach stürzen durch des Ahorns Trauer

Reiter entlang an Roggenfeldern, leeren Mühlen.

 

Oder Hirten singen nachts und Hirsche treten

In den Kreis ihrer Feuer, des Hains uralte Trauer,

Tanzende heben sich von einer schwarzen Mauer;

Fahnen von Scharlach, Lachen, Wahnsinn, Trompeten.

 

 

Dämmerung

Im Hof, verhext von milchigem Dämmerschein,

Durch Herbstgebräuntes weiche Kranke gleiten.

Ihr wächsern-runder Blick sinnt goldner Zeiten,

Erfüllt von Träumerei und Ruh und Wein.

 

Ihr Siechentum schließt geisterhaft sich ein.

Die Sterne weiße Traurigkeit verbreiten.

Im Grau, erfüllt von Täuschung und Geläuten,

Sieh, wie die Schrecklichen sich wirr zerstreun.

 

Formlose Spottgestalten huschen, kauern

Und flattern sie auf schwarz-gekreuzten Pfaden.

O! trauervolle Schatten an den Mauern.

 

Die andern fliehn durch dunkelnde Arkaden;

Und nächtens stürzen sie aus roten Schauern

Des Sternenwinds, gleich rasenden Mänaden.

 

 

Heiterer Frühling

1

Am Bach, der durch das gelbe Brachfeld fließt,

Zieht noch das dürre Rohr vom vorigen Jahr.

Durchs Graue gleiten Klänge wunderbar,

Vorüberweht ein Hauch von warmem Mist.

 

An Weiden baumeln Kätzchen sacht im Wind,

Sein traurig Lied singt träumend ein Soldat.

Ein Wiesenstreifen saust verweht und matt,

Ein Kind steht in Konturen weich und lind.

 

Die Birken dort, der schwarze Dornenstrauch,

Auch fliehn im Rauch Gestalten aufgelöst.

Hell Grünes blüht und anderes verwest

Und Kröten schliefen durch den jungen Lauch.

2

 

Dich lieb ich treu du derbe Wäscherin.

Noch trägt die Flut des Himmels goldene Last.

Ein Fischlein blitzt vorüber und verblaßt;

Ein wächsern Antlitz fließt durch Erlen hin.

 

In Gärten sinken Glocken lang und leis

Ein kleiner Vogel trällert wie verrückt.

Das sanfte Korn schwillt leise und verzückt

Und Bienen sammeln noch mit ernstem Fleiß.

 

Komm Liebe nun zum müden Arbeitsmann!

In seine Hütte fällt ein lauer Strahl.

Der Wald strömt durch den Abend herb und fahl

Und Knospen knistern heiter dann und wann.

3

 

Wie scheint doch alles Werdende so krank!

Ein Fieberhauch um einen Weiler kreist;

Doch aus Gezweigen winkt ein sanfter Geist

Und öffnet das Gemüte weit und bang.

 

Ein blühender Erguß verrinnt sehr sacht

Und Ungebornes pflegt der eignen Ruh.

Die Liebenden blühn ihren Sternen zu

Und süßer fließt ihr Odem durch die Nacht.

 

So schmerzlich gut und wahrhaft ist, was lebt;

Und leise rührt dich an ein alter Stein:

Wahrlich! Ich werde immer bei euch sein.

O Mund! der durch die Silberweide bebt.

Vorstadt im Föhn

 

Am Abend liegt die Stätte öd und braun,

Die Luft von gräulichem Gestank durchzogen.

Das Donnern eines Zugs vom Brückenbogen –

Und Spatzen flattern über Busch und Zaun.

 

Geduckte Hütten, Pfade wirr verstreut,

In Gärten Durcheinander und Bewegung,

Bisweilen schwillt Geheul aus dumpfer Regung,

In einer Kinderschar fliegt rot ein Kleid.

 

Am Kehricht pfeift verliebt ein Rattenchor.

In Körben tragen Frauen Eingeweide,

Ein ekelhafter Zug voll Schmutz und Räude,

Kommen sie aus der Dämmerung hervor.

 

Und ein Kanal speit plötzlich feistes Blut

Vom Schlachthaus in den stillen Fluß hinunter.

Die Föhne färben karge Stauden bunter

Und langsam kriecht die Röte durch die Flut.

 

Ein Flüstern, das in trübem Schlaf ertrinkt.

Gebilde gaukeln auf aus Wassergräben,

Vielleicht Erinnerung an ein früheres Leben,

Die mit den warmen Winden steigt und sinkt.

 

Aus Wolken tauchen schimmernde Alleen,

Erfüllt von schönen Wägen, kühnen Reitern.

Dann sieht man auch ein Schiff auf Klippen scheitern

Und manchmal rosenfarbene Moscheen.

 

 

Die Ratten

In Hof scheint weiß der herbstliche Mond.

Vom Dachrand fallen phantastische Schatten.

Ein Schweigen in leeren Fenstern wohnt;

Da tauchen leise herauf die Ratten

 

Und huschen pfeifend hier und dort

Und ein gräulicher Dunsthauch wittert

Ihnen nach aus dem Abort,

Den geisterhaft der Mondschein durchzittert

 

Und sie keifen vor Gier wie toll

Und erfüllen Haus und Scheunen,

Die von Korn und Früchten voll.

Eisige Winde im Dunkel greinen.

 

 

Trübsinn

Weltunglück geistert durch den Nachmittag.

Baraken fliehn durch Gärtchen braun und wüst.

Lichtschnuppen gaukeln um verbrannten Mist,

Zwei Schläfer schwanken heimwärts, grau und vag.

 

Auf der verdorrten Wiese läuft ein Kind

Und spielt mit seinen Augen schwarz und glatt.

Das Gold tropft von den Büschen trüb und matt.

Ein alter Mann dreht traurig sich im Wind.

 

Am Abend wieder über meinem Haupt

Saturn lenkt stumm ein elendes Geschick.

Ein Baum, ein Hund tritt hinter sich zurück

Und schwarz schwankt Gottes Himmel und entlaubt.

 

Ein Fischlein gleitet schnell hinab den Bach;

Und leise rührt des toten Freundes Hand

Und glättet liebend Stirne und Gewand.

Ein Licht ruft Schatten in den Zimmern wach.

 

 

In den Nachmittag geflüstert

Sonne, herbstlich dünn und zag,

Und das Obst fällt von den Bäumen.

Stille wohnt in blauen Räumen

Einen langen Nachmittag.

 

Sterbeklänge von Metall;

Und ein weißes Tier bricht nieder.

Brauner Mädchen rauhe Lieder

Sind verweht im Blätterfall.

 

Stirne Gottes Farben träumt,

Spürt des Wahnsinns sanfte Flügel.

Schatten drehen sich am Hügel

Von Verwesung schwarz umsäumt.

 

Dämmerung voll Ruh und Wein;

Traurige Guitarren rinnen.

Und zur milden Lampe drinnen

Kehrst du wie im Traume ein.

 

 

Psalm

Karl Kraus zugeeignet

 

Es ist ein Licht, das der Wind ausgelöscht hat.

Es ist ein Heidekrug, den am Nachmittag ein Betrunkener verläßt.

Es ist ein Weinberg, verbrannt und schwarz mit Löchern voll Spinnen.

Es ist ein Raum, den sie mit Milch getüncht haben.

Der Wahnsinnige ist gestorben. Es ist eine Insel der Südsee,

Den Sonnengott zu empfangen. Man rührt die Trommeln.

Die Männer führen kriegerische Tänze auf.

Die Frauen wiegen die Hüften in Schlinggewächsen und Feuerblumen,

Wenn das Meer singt. O unser verlorenes Paradies.

Die Nymphen haben die goldenen Wälder verlassen.

Man begräbt den Fremden. Dann hebt ein Flimmerregen an.

Der Sohn des Pan erscheint in Gestalt eines Erdarbeiters,

Der den Mittag am glühenden Asphalt verschläft.

Es sind kleine Mädchen in einem Hof in Kleidchen voll herzzerreißender Armut!

Es sind Zimmer, erfüllt von Akkorden und Sonaten.

Es sind Schatten, die sich vor einem erblindeten Spiegel umarmen.

An den Fenstern des Spitals wärmen sich Genesende.

Ein weißer Dampfer am Kanal trägt blutige Seuchen herauf.

Die fremde Schwester erscheint wieder in jemands bösen Träumen.

Ruhend im Haselgebüsch spielt sie mit seinen Sternen.

Der Student, vielleicht ein Doppelgänger, schaut ihr lange vom Fenster nach.

Hinter ihm steht sein toter Bruder, oder er geht die alte Wendeltreppe herab.

Im Dunkel brauner Kastanien verblaßt die Gestalt des jungen Novizen.

Der Garten ist im Abend. Im Kreuzgang flattern die Fledermäuse umher.

Die Kinder des Hausmeisters hören zu spielen auf und suchen das Gold des Himmels.

Endakkorde eines Quartetts. Die kleine Blinde läuft zitternd durch die Allee,

Und später tastet ihr Schatten an kalten Mauern hin, umgeben von Märchen und heiligen Legenden.

Es ist ein leeres Boot, das am Abend den schwarzen Kanal heruntertreibt.

In der Düsternis des alten Asyls verfallen menschliche Ruinen.

Die toten Waisen liegen an der Gartenmauer.

Aus grauen Zimmern treten Engel mit kotgefleckten Flügeln.

Würmer tropfen von ihren vergilbten Lidern.

Der Platz vor der Kirche ist finster und schweigsam, wie in den Tagen der Kindheit.

Auf silbernen Sohlen gleiten frühere Leben vorbei

Und die Schatten der Verdammten steigen zu den seufzenden Wassern nieder.

In seinem Grab spielt der weiße Magier mit seinen Schlangen.

Schweigsam über der Schädelstätte öffnen sich Gottes goldene Augen.

 

 

Rosenkranzlieder

An die Schwester

 

Wo du gehst wird Herbst und Abend,

Blaues Wild, das unter Bäumen tönt,

Einsamer Weiher am Abend.

 

Leise der Flug der Vögel tönt,

Die Schwermut über deinen Augenbogen.

Dein schmales Lächeln tönt.

 

Gott hat deine Lider verbogen.

Sterne suchen nachts, Karfreitagskind,

Deinen Stirnenbogen.

 

 

Nähe des Todes

O der Abend, der in die finsteren Dörfer der Kindheit geht.

Der Weiher unter den Weiden

Füllt sich mit den verpesteten Seufzern der Schwermut.

 

O der Wald, der leise die braunen Augen senkt,

Da aus des Einsamen knöchernen Händen

Der Purpur seiner verzückten Tage hinsinkt.

 

O die Nähe des Todes. Laß uns beten.

In dieser Nacht lösen auf lauen Kissen

Vergilbt von Weihrauch sich der Liebenden schmächtige Glieder.

 

 

Amen

Verwestes gleitend durch die morsche Stube;

Schatten an gelben Tapeten; in dunklen Spiegeln wölbt

Sich unserer Hände elfenbeinerne Traurigkeit.

 

Braune Perlen rinnen durch die erstorbenen Finger.

In der Stille

Tun sich eines Engels blaue Mohnaugen auf.

 

Blau ist auch der Abend;

Die Stunde unseres Absterbens, Azraels Schatten,

Der ein braunes Gärtchen verdunkelt.

 

 

Verfall

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,

Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,

Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,

Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

 

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten

Träum ich nach ihren helleren Geschicken

Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.

So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

 

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.

Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.

Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

 

Indes wie blasser Kinder Todesreigen

Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,

Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

 

 

In der Heimat

Resedenduft durchs kranke Fenster irrt;

Ein alter Platz, Kastanien schwarz und wüst.

Das Dach durchbricht ein goldener Strahl und fließt

Auf die Geschwister traumhaft und verwirrt.

 

Im Spülicht treibt Verfallnes, leise girrt

Der Föhn im braunen Gärtchen; sehr still genießt

Ihr Gold die Sonnenblume und zerfließt.

Durch blaue Luft der Ruf der Wache klirrt.

 

Resedenduft. Die Mauern dämmern kahl.

Der Schwester Schlaf ist schwer. Der Nachtwind wühlt

In ihrem Haar, das mondner Glanz umspült.

 

Der Katze Schatten gleitet blau und schmal

Vom morschen Dach, das nahes Unheil säumt,

Die Kerzenflamme, die sich purpurn bäumt.

 

 

Ein Herbstabend

An Karl Röck

 

Das braune Dorf. Ein Dunkles zeigt im Schreiten

Sich oft an Mauern, die im Herbste stehn,

Gestalten: Mann wie Weib, Verstorbene gehn

In kühlen Stuben jener Bett bereiten.

 

Hier spielen Knaben. Schwere Schatten breiten

Sich über braune Jauche. Mägde gehn

Durch feuchte Bläue und bisweilen sehn

Aus Augen sie, erfüllt von Nachtgeläuten.

 

Für Einsames ist eine Schenke da;

Das säumt geduldig unter dunklen Bogen,

Von goldenem Tabaksgewölk umzogen.

 

Doch immer ist das Eigne schwarz und nah.

Der Trunkne sinnt im Schatten alter Bogen

Den wilden Vögeln nach, die ferngezogen.

 

 

Menschliches Elend

Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt –

Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen,

Im Abendgarten kahle Bäume sausen.

Des Toten Antlitz sich am Fenster regt.

 

Vielleicht, daß diese Stunde stille steht.

Vor trüben Augen blaue Bilder gaukeln

Im Takt der Schiffe, die am Flusse schaukeln.

Am Kai ein Schwesternzug vorüberweht.

 

Im Hasel spielen Mädchen blaß und blind,

Wie Liebende, die sich im Schlaf umschlingen.

Vielleicht, daß um ein Aas dort Fliegen singen,

Vielleicht auch weint im Mutterschoß ein Kind.

 

Aus Händen sinken Astern blau und rot,

Des Jünglings Mund entgleitet fremd und weise;

Und Lider flattern angstverwirrt und leise;

Durch Fieberschwärze weht ein Duft von Brot.

 

Es scheint, man hört auch gräßliches Geschrei;

Gebeine durch verfallne Mauern schimmern.

Ein böses Herz lacht laut in schönen Zimmern;

An einem Träumer läuft ein Hund vorbei.

 

Ein leerer Sarg im Dunkel sich verliert.

Dem Mörder will ein Raum sich bleich erhellen,

Indes Laternen nachts im Sturm zerschellen.

Des Edlen weiße Schläfe Lorbeer ziert.

 

 

Im Dorf

1

Aus braunen Mauern tritt ein Dorf, ein Feld.

Ein Hirt verwest auf einem alten Stein.

Der Saum des Walds schließt blaue Tiere ein,

Das sanfte Laub, das in die Stille fällt.

 

Der Bauern braune Stirnen. Lange tönt

Die Abendglocke; schön ist frommer Brauch,

Des Heilands schwarzes Haupt im Dornenstrauch,

Die kühle Stube, die der Tod versöhnt.

 

Wie bleich die Mütter sind. Die Bläue sinkt

Auf Glas und Truh, die stolz ihr Sinn bewahrt;

Auch neigt ein weißes Haupt sich hochbejahrt

Aufs Enkelkind, das Milch und Sterne trinkt.

2

 

Der Arme, der im Geiste einsam starb,

Steigt wächsern über einen alten Pfad.

Die Apfelbäume sinken kahl und stad

Ins Farbige ihrer Frucht, die schwarz verdarb.

 

Noch immer wölbt das Dach aus dürrem Stroh

Sich übern Schlaf der Kühe. Die blinde Magd

Erscheint im Hof; ein blaues Wasser klagt;

Ein Pferdeschädel starrt vom morschen Tor.

 

Der Idiot spricht dunklen Sinns ein Wort

Der Liebe, das im schwarzen Busch verhallt,

Wo jene steht in schmaler Traumgestalt.

Der Abend tönt in feuchter Bläue fort.

3

 

Ans Fenster schlagen Äste föhnentlaubt.

Im Schoß der Bäurin wächst ein wildes Weh.

Durch ihre Arme rieselt schwarzer Schnee;

Goldäugige Eulen flattern um ihr Haupt.

 

Die Mauern starren kahl und grauverdreckt

Ins kühle Dunkel. Im Fieberbette friert

Der schwangere Leib, den frech der Mond bestiert.

Vor ihrer Kammer ist ein Hund verreckt.

 

Drei Männer treten finster durch das Tor

Mit Sensen, die im Feld zerbrochen sind.

Durchs Fenster klirrt der rote Abendwind;

Ein schwarzer Engel tritt daraus hervor.

Abendlied

 

Am Abend, wenn wir auf dunklen Pfaden gehn,

Erscheinen unsere bleichen Gestalten vor uns.

 

Wenn uns dürstet,

Trinken wir die weißen Wasser des Teichs,

Die Süße unserer traurigen Kindheit.

 

Erstorbene ruhen wir unterm Hollundergebüsch,

Schaun den grauen Möven zu.

 

Frühlingsgewölke steigen über die finstere Stadt,

Die der Mönche edlere Zeiten schweigt.

 

Da ich deine schmalen Hände nahm

Schlugst du leise die runden Augen auf,

Dieses ist lange her.

 

Doch wenn dunkler Wohllaut die Seele heimsucht,

Erscheinst du Weiße in des Freundes herbstlicher Landschaft.

 

 

Drei Blicke in einen Opal

An Erhard Buschbeck

 

1

Blick in Opal: ein Dorf umkränzt von dürrem Wein,

Der Stille grauer Wolken, gelber Felsenhügel

Und abendlicher Quellen Kühle: Zwillingsspiegel

Umrahmt von Schatten und von schleimigem Gestein.

 

Des Herbstes Weg und Kreuze gehn in Abend ein,

Singende Pilger und die blutbefleckten Linnen.

Des Einsamen Gestalt kehrt also sich nach innen

Und geht, ein bleicher Engel, durch den leeren Hain.

 

Aus Schwarzem bläst der Föhn. Mit Satyrn im Verein

Sind schlanke Weiblein; Mönche der Wollust bleiche Priester,

Ihr Wahnsinn schmückt mit Lilien sich schön und düster

Und hebt die Hände auf zu Gottes goldenem Schrein.

2

 

Der ihn befeuchtet, rosig hängt ein Tropfen Tau

Im Rosmarin: hinfließt ein Hauch von Grabgerüchen,

Spitälern, wirr erfüllt von Fieberschrein und Flüchen.

Gebein steigt aus dem Erbbegräbnis morsch und grau.

 

In blauem Schleim und Schleiern tanzt des Greisen Frau,

Das schmutzstarrende Haar erfüllt von schwarzen Tränen,

Die Knaben träumen wirr in dürren Weidensträhnen

Und ihre Stirnen sind von Aussatz kahl und rauh.

 

Durchs Bogenfenster sinkt ein Abend lind und lau.

Ein Heiliger tritt aus seinen schwarzen Wundenmalen.

Die Purpurschnecken kriechen aus zerbrochenen Schalen

Und speien Blut in Dorngewinde starr und grau.

3

 

Die Blinden streuen in eiternde Wunden Weiherauch.

Rotgoldene Gewänder; Fackeln; Psalmensingen;

Und Mädchen, die wie Gift den Leib des Herrn umschlingen.

Gestalten schreiten wächsernstarr durch Glut und Rauch.

 

Aussätziger mitternächtigen Tanz führt an ein Gauch

Dürrknöchern. Garten wunderlicher Abenteuer;

Verzerrtes; Blumenfratzen, Lachen; Ungeheuer

Und rollendes Gestirn im schwarzen Dornenstrauch.

 

O Armut, Bettelsuppe, Brot und süßer Lauch;

Des Lebens Träumerei in Hütten vor den Wäldern.

Grau härtet sich der Himmel über gelben Feldern

Und eine Abendglocke singt nach altem Brauch.

Nachtlied

 

Des Unbewegten Odem. Ein Tiergesicht

Erstarrt vor Bläue, ihrer Heiligkeit.

Gewaltig ist das Schweigen im Stein;

 

Die Maske eines nächtlichen Vogels. Sanfter Dreiklang

Verklingt in einem. Elai! dein Antlitz

Beugt sich sprachlos über bläuliche Wasser.

 

O! ihr stillen Spiegel der Wahrheit.

An des Einsamen elfenbeinerner Schläfe

Erscheint der Abglanz gefallener Engel.

 

 

Helian

In den einsamen Stunden des Geistes

Ist es schön, in der Sonne zu gehn

An den gelben Mauern des Sommers hin.

Leise klingen die Schritte im Gras; doch immer schläft

Der Sohn des Pan im grauen Marmor.

 

Abends auf der Terrasse betranken wir uns mit braunem Wein.

Rötlich glüht der Pfirsich im Laub;

Sanfte Sonate, frohes Lachen.

 

Schön ist die Stille der Nacht.

Auf dunklem Plan

Begegnen wir uns mit Hirten und weißen Sternen.

 

Wenn es Herbst geworden ist

Zeigt sich nüchterne Klarheit im Hain.

Besänftigte wandeln wir an roten Mauern hin

Und die runden Augen folgen dem Flug der Vögel.

Am Abend sinkt das weiße Wasser in Graburnen.

 

In kahlen Gezweigen feiert der Himmel.

In reinen Händen trägt der Landmann Brot und Wein

Und friedlich reifen die Früchte in sonniger Kammer.

 

O wie ernst ist das Antlitz der teueren Toten.

Doch die Seele erfreut gerechtes Anschaun.

 

Gewaltig ist das Schweigen des verwüsteten Gartens,

Da der junge Novize die Stirne mit braunem Laub bekränzt,

Sein Odem eisiges Gold trinkt.

 

Die Hände rühren das Alter bläulicher Wasser

Oder in kalter Nacht die weißen Wangen der Schwestern.

 

Leise und harmonisch ist ein Gang an freundlichen Zimmern hin,

Wo Einsamkeit ist und das Rauschen des Ahorns,

Wo vielleicht noch die Drossel singt.

 

Schön ist der Mensch und erscheinend im Dunkel,

Wenn er staunend Arme und Beine bewegt,

Und in purpurnen Höhlen stille die Augen rollen.

 

Zur Vesper verliert sich der Fremdling in schwarzer Novemberzerstörung,

Unter morschem Geäst, an Mauern voll Aussatz hin,

Wo vordem der heilige Bruder gegangen,

Versunken in das sanfte Saitenspiel seines Wahnsinns,

 

O wie einsam endet der Abendwind.

Ersterbend neigt sich das Haupt im Dunkel des Ölbaums.

 

Erschütternd ist der Untergang des Geschlechts.

In dieser Stunde füllen sich die Augen des Schauenden

Mit dem Gold seiner Sterne.

 

Am Abend versinkt ein Glockenspiel, das nicht mehr tönt,

Verfallen die schwarzen Mauern am Platz,

Ruft der tote Soldat zum Gebet.

 

Ein bleicher Engel

Tritt der Sohn ins leere Haus seiner Väter.

 

Die Schwestern sind ferne zu weißen Greisen gegangen.

Nachts fand sie der Schläfer unter den Säulen im Hausflur,

Zurückgekehrt von traurigen Pilgerschaften.

 

O wie starrt von Kot und Würmern ihr Haar,

Da er darein mit silbernen Füßen steht,

Und jene verstorben aus kahlen Zimmern treten.

 

O ihr Psalmen in feurigen Mitternachtsregen,

Da die Knechte mit Nesseln die sanften Augen schlugen,

Die kindlichen Früchte des Hollunders

Sich staunend neigen über ein leeres Grab.

 

Leise rollen vergilbte Monde

Über die Fieberlinnen des Jünglings,

Eh dem Schweigen des Winters folgt.

 

Ein erhabenes Schicksal sinnt den Kidron hinab,

Wo die Zeder, ein weiches Geschöpf,

Sich unter den blauen Brauen des Vaters entfaltet,

Über die Weide nachts ein Schäfer seine Herde führt.

Oder es sind Schreie im Schlaf,

Wenn ein eherner Engel im Hain den Menschen antritt,

Das Fleisch des Heiligen auf glühendem Rost hinschmilzt.

 

Um die Lehmhütten rankt purpurner Wein,

Tönende Bündel vergilbten Korns,

Das Summen der Bienen, der Flug des Kranichs.

Am Abend begegnen sich Auferstandene auf Felsenpfaden.

 

In schwarzen Wassern spiegeln sich Aussätzige;

Oder sie öffnen die kotbefleckten Gewänder

Weinend dem balsamischen Wind, der vom rosigen Hügel weht.

 

Schlanke Mägde tasten durch die Gassen der Nacht,

Ob sie den liebenden Hirten fänden.

Sonnabends tönt in den Hütten sanfter Gesang.

 

Lasset das Lied auch des Knaben gedenken,

Seines Wahnsinns, und weißer Brauen und seines Hingangs,

Des Verwesten, der bläulich die Augen aufschlägt.

O wie traurig ist dieses Wiedersehn.

 

Die Stufen des Wahnsinns in schwarzen Zimmern,

Die Schatten der Alten unter der offenen Tür,

Da Helians Seele sich im rosigen Spiegel beschaut

Und Schnee und Aussatz von seiner Stirne sinken.

 

An den Wänden sind die Sterne erloschen

Und die weißen Gestalten des Lichts.

 

Dem Teppich entsteigt Gebein der Gräber,

Das Schweigen verfallener Kreuze am Hügel,

Des Weihrauchs Süße im purpurnen Nachtwind.

 

O ihr zerbrochenen Augen in schwarzen Mündern,

Da der Enkel in sanfter Umnachtung

Einsam dem dunkleren Ende nachsinnt,

Der stille Gott die blauen Lider über ihn senkt.

 

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