Bald kam herabgerauscht
Der silbernen Trompeten helles Zanken.
Die ebnen Hallen harrten voller Stolz
Und glühten, tausend Gäste zu empfangen;
Geschnitzte Engel spähten starr vom Holz,
Das rückgewehte Haar umfaßt von Spangen,
Die Flügel kreuzweis unter kindlich runden Wangen.
Dann brach herein die laute Lustbarkeit
Mit Feder, Tiara und mit buntem Glanze,
Zahlreich, wie Schatten zahlreich sind im Leid,
Und so voll Prunk wie höfische Romanze –
Die alle denkt euch fort, und wollt euch still
Und andachtsvoll zu einem Fräulein kehren,
Die heut Sankt Agnes' Huld erflehen will,
Um tiefen süßen Liebestraum zu mehren,
Gut eingedenk der alten Frauen weisen Lehren.
Sie sagten, daß den Jungfraun Agnes' Nacht
Entzückende Visionen oft bereite,
Daß in der honiglichen Mitternacht
Der Liebste huldigend ans Lager gleite,
Falls sie nur recht erfüllten das Geheiß:
Sie müßten ohne Nachtmahl schlafen gehen,
Sich rücklings betten und um keinen Preis
Zur Rechten oder Linken um sich sehen,
Nur mit erhobnem Blick um Wunschgewährung flehen.
Und Magdalen sann diesem Märchen nach,
Empfand nicht der Musik verzücktes Tönen,
Die wie mit Göttermund in Seufzern sprach;
Ihr Mädchenblick; gesenkt, sah mancher Schönen
Prunkschleppe gleiten – doch sie achtet's nicht.
Manch Kavalier, der zarten Gruß ihr sagte,
Trat still zurück – sie aber blickte nicht,
Da ihre Seele nach ganz andrem fragte,
Um Agnes' Traum, den süßesten des Jahres, zagte.
Mit fernverlornem Blick schritt sie daher,
Ihr Atem flog, die Lippen bebten trunken,
Die heilige Frist war nah. Sie seufzte schwer,
Inmitten all des Lärmens traumversunken.
Und Flüstern, Lachen, Spott und Liebesschwur
Und Trommelbraus und Blick voll Dank und Strafe
Schien Traum zu sein: sie dachte wachend nur
An Agnes, ihre ungeschornen Schafe
Und was an Seligkeit sie finden sollt im Schlafe.
Sie sehnte sich, nun bald allein zu sein –
Und blieb doch noch. Indes war über Moore
Jung Porphyro, gequält von Liebespein
Um Magdalen herbeigeeilt. Am Tore,
Im Pfeilerschatten harrt er und beschwört
Die Heiligen, sein Warten zu entgelten
Mit günstigem Augenblick, der ihm gehört:
Nur schaun, nur knien vor ihren seligen Welten!
Und sprechen – fühlen – küssen! – Tat man dies so selten?
Er schleicht hinein. O schlummre nun, Verrat,
Kein Auge spähe! Sonst, sein Herz zu morden,
Sein liebefiebernd Herz, wär wild genaht
Ein Heer von Schwertern, denn barbarische Horden,
Zornheiße Feindesbrut enthielt dies Schloß;
Die Hunde würden selbst mit rauher Kehle
Ihm Flüche heulen, ihm und seinem Troß.
Ein Weib nur trotzte diesem Haßbefehle,
Ein altes Mütterchen, das siech an Leib und Seele.
Ah, Zufallsglück! Das alte Weibchen kam
Am Krückstock hinkend langsam hergeschlichen,
Und da sie ihre Schritte dorthin nahm,
Wo er, der Fackel und den feierlichen
Gesängen fern, im Säulenschatten stand,
Schrak sie zurück mit angstverwirrtem Lallen.
Doch sie erkannte ihn, nahm seine Hand:
»Oh Porphyro! Hinweg aus diesen Hallen,
Die ganze Sippe wird dich wütend überfallen!
Hinweg! Hinweg! Hier ist dir alles feind!
Zwerg Hildebrand verfluchte dich im Fieber,
Und selten war ein Fluch so ernst gemeint.
Und auch Held Moritz säh dich wahrlich lieber
Tot als lebendig! – Weh, oh weh mir! Flieh!«
»Ach, Freundin! Niemand wird uns hier entdecken,
Nimm Platz auf dieser Bank und sag mir, wie –«
»Ihr Heiligen! Man wird dich niederstrecken!
Komm, folge mir! Sonst wird dein Blut den Boden flecken.«
Durch niedre Bogengänge folgte er,
Die hohe Feder grau von Spinngeweben.
Mit Weh und Seufzen schlich die Alte her –
Dann sah er sich von kleinem Raum umgeben,
Der kühl und schweigend voller Mondschein schwamm.
»Sag, wo ist Magdalen?« sprach er; »ich flehe
Bei Agnes' Webstuhl, der so wundersam
Nur heiliger Schar erlaubt, daß sie ihn sehe,
Nur heiliger Schwesternschar, daß sie den Faden drehe.«
»Sankt Agnes! Ah, es ist Sankt Agnes Nacht!
Doch Menschen morden auch an heiligen Tagen.
Du hast wohl über Feen und Elfen Macht
Und kannst in Hexensieben Wasser tragen,
Daß du so kühn bist? Wahrlich, Porphyro,
Du wunderst mich! – Sankt Agnes Abend heute!
Die junge Herrin wartet glaubensfroh,
Daß Agnes ihr zukünftige Freuden deute.
Ach, lachen muß ich über solche jungen Leute!«
Sie kicherte im matten Mondenschein,
Und Porphyro betrachtet sie mit Staunen,
Wie wohl ein Kind ein altes Mütterlein,
Das ihm von Wichteln spricht und von Alraunen.
Bald aber leuchtete sein Auge auf,
Als seiner Dame Absicht sie berichtet,
Sehnsüchtige Tränen stiegen in ihm auf:
O junge Seele, die sich gläubig richtet
Nach all dem Spuk, den kaltes Alter ihr erdichtet!
Da kam ihm ein Gedanke, der wie Blühn
Von roter Rose ihm die Stirn betaute
Und Aufruhr warf ins Herz; der Plan war kühn,
Den er dem armen Weiblein nun vertraute.
»Oh!« rief sie, »wie du schlecht und gottlos bist!
Willst du der Herrin kindlich frommes Walten,
Gebet und Traum mit unverschämter List
Und frevlerischem Tun zum Narren halten?
Geh, geh! Du bist nicht der, für den ich dich gehalten!«
»Bei Gott! Ich schwör's, ihr soll kein Leid geschehn!«
Sprach Porphyro. »O mögen keine Gnaden
Dereinst an meinem Sterbebette stehn,
Käm nur ein Haar auf ihrem Haupt zu Schaden
Und säh ich roh in Leidenschaft sie an.
Sieh, diese Tränen sind ein Wahrheitszeichen!
Doch willst du, Treuste, mir nicht glauben, dann
Ruf ich jetzt selbst dem Feind und seinen Streichen,
Mag diese Meute auch den wilden Wölfen gleichen.«
»Ach! Was erschreckst du eine Seele so,
Die schwach, gelähmt, dem Grabe schon verfallen,
Die nur noch eines kann, mein Porphyro:
Von früh bis spät für dich Gebete lallen.« –
Ihr Klagen rührte ihn, und er begann
Sein stürmend Herz in sanftres Wort zu zwingen,
Sodaß sein Leid ihr Mitgefühl gewann
Und sie versprach, in diesen Liebesdingen
Ihm beizustehen – sollt es ihr auch Unheil bringen.
Sein Wunsch war der: in aller Heimlichkeit
Soll sie in Magdalens Gemach ihn führen,
Versteckt dort will er die geliebte Maid
Nur sehn, nur seiner Dame Nähe spüren,
Nur lauschen, was den Feen sie vertraut,
Die bleicher Zauber ihr ums Lager malte –
Vielleicht, vielleicht gewinnen eine Braut! –
Niemals. Verliebten solche Nacht erstrahlte,
Seit Merlin seinem Dämon höchste Schuld bezahlte.
»So sei es, wie du wünschst,« sprach Angela,
»Ich will dorthin die Festgeschenke bringen,
Wie's alter Brauch; das Lautenspiel lehnt nah
Bei ihrem Nähplatz. Soll der Plan gelingen,
So muß ich eilen – ach, die Zeit vergeht,
Mein alter Kopf ist schwach und angstbeklommen!
Nun warte, Sohn, und kniee im Gebet –
Wohl, wohl – du sollst zur Ehe sie bekommen,
Ich helfe dir – und wär's auch nicht zu unserm Frommen.«
Und eilig, furchtsam humpelte sie fort.
Wie dehnten sich die sehnenden Minuten.
Sie kam zurück mit heisrem Flüsterwort:
»Komm mit!« Ihr Blick schien Späher zu vermuten,
So ängstlich irrte er von Stein zu Stein.
Manch dunklen Gang muß Porphyro durchschreiten,
Dann sah er sich in keuschem Raum allein
Und barg sich gut in Schattendunkelheiten
Und fühlte dieses Zimmers reine Seligkeiten.
Die Alte ging und griff mit schwacher Hand
Im Dunkel nach der Treppenbalustrade,
Als plötzlich wie ein Engel vor ihr stand
Jung Magdalen, die heut in Agnes' Gnade.
Mit hellem Kerzenlicht und Sorgsamkeit
Half sie dem Mütterchen zur Halle nieder.
Nun Porphyro, nun halte dich bereit,
Blick hin zum Bett, schon kehrt die Taube wieder:
Wie ist ihr Blick so mild, so strahlend ihr Gefieder!
Das Licht erlosch, als sie ins Zimmer lief,
Im Mondschein glitt sein kleiner Rauch von dannen.
Sie schloß die Tür, sie atmete so tief,
Nun waren Geister nah und nicht zu bannen.
Kein Laut jetzt – Wehe wär sein Widerhall!
Doch hob ihr Herz die Brust in schweren Wellen,
Als würde zungenlose Nachtigall
Vergeblich ihren Hals zum Singen schwellen
Und herzerstickt hinsterben bei des Tales Quellen.
Dreibogiges Fenster war in diesem Raum,
Üppig umkränzt von Eichenschnitzereien
Mit Blüte, Blatt und Frucht vom Rosenbaum,
Und Scheiben leuchteten in farbigen Reihen
Wie Diamant und bunter Schmetterling.
Und zwischen Heiligen in seligem Sinnen
Und Waffenzier und Kriegstrophäen hing
An Dämmerwand ein Wappenschild darinnen,
Mit Blut befleckt von Königen und Königinnen.
Hier sah der volle Wintermond herein,
Der Magdalen mit rotem Glühen schmückte,
Auf Brust und Hände fiel's wie Rosenschein,
Als sie nun knieend sich herniederbückte;
Ihr silbern Halskreuz war wie Amethyst,
Ihr Haar von mildem Heiligenschein umgeben:
Ein Engel, dem der Himmel offen ist!
So fühlte Porphyro in tiefem Beben.
Sie schien, in Unschuld betend, erdenfern zu schweben.
Wie tiefe Ohnmacht hielt es ihn in Bann,
Als sie vom Perlenkranz ihr Haar entblößte,
Den warmen Schmuck vom Halse nahm und dann
Des Kleides angeschmiegte Bänder löste.
Leis knisternd sinkt das Kleid. Ein wacher Traum
Läßt sie in ihrem Bett Sankt Agnes sehen,
Doch voll zurückzuschauen wagt sie kaum,
Sonst würde all das Zauberwerk vergehen
Und all ersehntes Träumen bliebe ungeschehen.
Bald bebte sie im weichen kühlen Nest
Und lag von wacher Ohnmacht ganz benommen,
Bis sie der mohnbekränzte Schlummer fest
– So Leib wie Seele – in den Arm genommen.
Weit floh die Seele nun ins Dunkel fort
Und ruhte fern von Schmerz und Lust, verschlossen,
So wie ein Meßbuch an unheiligem Ort,
Wie Rosenkelch, wenn Regenfluten gossen,
Wie keusche Knospen oder erste Frühlingssprossen.
Und Porphyro sah hin auf's leere Kleid
Und fühlte seiner Pulse wildes Rennen
Und stand und harrte voller Bangigkeit,
Des Schlummers ruhiges Atmen zu erkennen.
Dann kam er zage aus dem Winkel vor,
Geräuschlos wie wohl eines Mädchens Bangen,
Wenn es in dunkler Wildnis sich verlor;
Zum Lager trat er hin mit heißen Wangen
Und hob den Vorhang – o wie lag sie schlafumfangen!
Als sich der Mond verbarg und silberbleich
Ein Zwielicht spann, schob er an Bettes Seite
Leis einen Tisch, warf halb in Angst ein reich
Gewand darauf, drin Rot, Gold, Schwarz sich reihte.
O jetzt ein schläfernd Morpheus-Amulet,
Da plötzlich schrill die Festtrompeten werben,
Die Kesselpauke und die Klarinett!
Die Saaltür fällt zurück – ein jäh Ersterben,
So wie Krystall, das schrill zersprang, verstummt in Scherben.
Doch hielt azurlidriger Schlaf sie fest
In bleichen, duftigen Lavendelkissen;
Indessen er aus wohlverstecktem Nest
Kandirtes Obst und andre Leckerbissen,
Gelees, die linder sind als süßer Rahm,
Und seltne Frucht aus südlichen Geländen,
Die fern von Fez mit Handelsschiffen kam,
Und Spezerein von Syriens Felsenwänden
Geschwind zum Tische trug mit fieberheißen Händen.
Dies alles häufte er in goldne Pracht
Getriebner Schalen und auf Silberplatten,
Und alles duftete in kühle Nacht
Und gleißte seltsam hell aus tiefem Schatten. –
»Und nun, mein Lieb, mein Engel du, wach auf!
Du bist wie über mir des Himmels Blauen,
Und ich, dein Beter, hoffe zu dir auf.
O laß mich deine blauen Augen schauen,
Sonst wird hier neben dir mein Schmerz in Tränen tauen.«
Und kraftlos sank ins Kissen auf ihr Haar
Sein warmer Arm. Umsonst sein leises Sprechen.
Des Traumes Bann, der Mittnachtzauber, war
Unmöglich wie vereister Strom zu brechen.
Der Teller Glanz erstrahlt im Mondenlicht,
Dem Schmuck und Fransen hundert Spiegel liehen,
Doch hinter dunklen Vorhang leuchtet's nicht,
Nichts kann die Herrin ihrem Traum entziehen,
Der Nacht so tief verstrickten Wunderphantasieen.
Er griff zur Laute. Zarte Melodie
Entlockte er in schmeichelnden Akkorden:
Provencer Lied »La belle dame sans mercy,«
Ein altes Lied, das längst schon stumm geworden.
Er schlug das Spiel in ihrer warmen Näh.
Sie stöhnte klagend, wie von Schmerz betroffen.
Er hörte auf – sie keuchte schnell – und jäh
Standen erschreckt die blauen Augen offen.
Er sank auf seine Kniee, bleich in Angst und Hoffen.
Sie blickte offen, und trotzdem sie wach,
Hat ihren Traum sie immer fortgesponnen.
Der aber war verändert, scheuchte, ach,
Des Schlaftraums tiefe und so reine Wonnen,
Was ihr die Tränen aus den Augen trieb
Und banges Weh aus liebendem Gemüte;
Auf ihn jedoch ihr Blick geheftet blieb,
Auf Porphyro, der betend vor ihr kniete,
Reglos und stumm, als sei sie eines Traumes Blüte.
»Ach Porphyro!« sprach sie, »wie war doch nur
Süß zitternd eben noch in meinen Ohren
Dein lieber Klang, des Herzens süßer Schwur.
Und wie ist jetzt dein Blick so leidverloren,
Wie bist du anders: traurig, bleich und kalt!
Du sollst mir alle Wonnen wiedergeben,
Mit deiner Augen himmlischer Gewalt
Empor aus diesem Höllenweh mich heben.
Denn wenn du stirbst, mein Lieb, weiß ich nicht wo zu leben.«
In Liebe über Sterbliche erhöht
Durch solche Laute, hat er sich erhoben:
Ein herzbewegter Stern, der flimmernd steht
In lichter Ruh saphirner Himmel droben.
In ihren Traum schmolz er hinein, wie Duft
Der Rose sich mit Veilchenduft verbindet,
Süß aufgelöst. Es bläst die Winterluft
Der Liebe Ruf, die Fenster sind erblindet
Durch scharfen Hagelschlag; Sankt Agnes' Mond verschwindet.
's ist dunkel! Windgepeitschter Hagel schlägt.
»Dies ist kein Traum, o Magdalen, du Meine!«
's ist dunkel; Sturmwind stößt und Hagel schlägt.
»Kein Traum ach, ach! Und Weh ist all das Meine!
Porphyro läßt mich hier in Harm und Schmerz.
O welch ein Frevel, dich hierher zu bringen!
In deins verloren ist mein ganzes Herz.
Ich fluche nicht dem grausamen Gelingen:
Verlassne Taube ich mit kranken jungen Schwingen!«
»Mein Magdalen? O Traum, o Himmelsbild!
Darf dein Vasall ich ewig sein – gesegnet?
Ich deiner Schönheit herzgeformter Schild?
Vor dir, Altar, ruht aus, wer dir begegnet!
Dem müden Pilger soll ein Wunder licht
Die krankzerquälte Seele nun erneuen.
Ich fand dein Nest, berauben will ich's nicht –
Nur um dein süßes Selbst, wenn ohn Bereuen
Schön Magdalen vertraun will – keinem Ungetreuen.
Horch! 's ist ein Elfensturm aus Feenland,
Sehr teuflisch polternd, doch für uns voll Gnade:
Steh auf – steh auf! Schon glüht der Morgenbrand;
Die vollen Zecher sehn nicht unsre Pfade!
So laß uns eilig fliehn und froh, du Mein!
Denn keiner hört, kein Fuß vermag zu stehen, –
Betrunken sind sie all von Met und Wein:
Wach auf! Steh auf! Und laß uns furchtlos gehen,
Und hinterm Moor sollst du bei mir die Heimat sehen.«
Sie eilt bei seinen Worten – angstbedrückt,
Denn schlafend rings viel gierige Drachen liegen, –
Hellwach vielleicht, den Todesspeer gezückt.
Sie hasteten hinab die Dämmerstiegen.
Im ganzen Hause ist kein Menschenlaut,
Nur Fackeln flackern wild in Eisenringen;
Und über lose Stofftapeten haut
Der Sturm ein Wogenspiel von Geisterschwingen,
Die tobend durch die hohe zugige Halle dringen.
Die beiden gleiten wie Phantome fort,
Durch weiten Gang zum eisernen Portale,
Berauscht und schnarchend lag der Wächter dort,
In seinen Fingern noch die nasse Schale.
Der Bluthund hebt sich, schüttelt Fell und Strick,
Doch sieht und wittert er den Hausgenossen.
Und Bolz und Riegel gleiten leicht zurück,
Der Schlüssel dreht – das Tor ist aufgeschlossen
Und öffnet sich in ächzenden Scharnierkolossen.
Und sie sind fort. Vor langen Jahren flohn
Die Liebenden hinaus ins Ungewitter.
In jener Nachtzeit träumte der Baron
Von manchem Feind, auch waren seine Ritter
Schwer alpbedrückt von Hexe, Wurm und Wicht
Und Höllenspuk und eklen Grabgestalten.
Die Alte starb mit gräßlichem Gesicht. –
Der Beter schlief nach langem Händefalten
In seiner kalten Asche, stets für fremd gehalten.
Calidor
(Ein Fragment)
Jung Calidor durchquert im Boot den See.
Sein Geist ist wach, ist voll vom schönen Weh,
In das der Abend sich so liebend kleidet,
Weil er nur ungern von der Erde scheidet.
Noch zögert rings ein letztes warmes Licht.
Zum blauen Himmel hebt er das Gesicht
Und lächelt lang hinauf in klare Runde,
Bis er im Herzen fühlt die Sehnsuchtswunde;
Da wendet er den Blick zum sanften Bogen
Der Uferböschung und ins Blätterwogen
Der Bäume, die sich schattend niederneigen
Und sich im See die zarten Blüten zeigen.
Sein froh begeistert Auge folgt dem Schwung
Der flinken Schwalbe durch die Dämmerung,
Wie sie so launisch auf und nieder schwebt,
Bald tief zum Wasser stößt, bald hoch sich hebt,
Jetzt mit der Brust die kühle Nässe streift,
Jetzt unsichtbar in blauen Höhen schweift.
Nun hebt sich seines Bootes scharfer Kiel
Und gleitet leicht durch krauses Wellenspiel
Hinein in breites Wasserlilienbeet:
Wie weiß ein jeder Blütenbecher steht
Und Tau erhoffend auf zum Himmel schaut.
Ganz nahe hier liegt voll von Busch und Kraut
Ein Inselchen: von dort genießt man gut,
Wie schön der See in seinem Ufer ruht,
Das sich zum Fuß der blauen Berge dehnt;
Doch keiner, der mit warmem Herzen sehnt
Und klaren Auges sieht, was die Natur
An Schönheit zeigt auf beider Ufer Flur,
Geht leicht vorbei; sie grüßte Calidor
Heut sanfter noch als alle Zeit zuvor.
Seitwärts die Wipfel, reich in Gold gekleidet,
– Die frohe Sonne schenkt es, eh sie scheidet –
Draus ab und zu der Eichelhäher schießt
Und bunte Schönheit in die goldne gießt.
Ein alter Turm mit sturmzerstörten Mauern,
Zu stolz, um einstige Größe zu betrauern;
Schwarz wacht beim grauen Grab die starre Fichte
Und wirft zu Boden ihre harten Früchte.
Das Fischerkirchlein, dicht vom Epheulaube
Umkränzt bis hoch zum Kreuz; die weiße Taube,
Die auf dem Fenster glättet ihr Gefieder,
So licht, als käme sie vom Himmel nieder.
Grünbuschige Inseln legen linden Schatten
Quer übern See. Durchs Zwielicht lugen Matten
Mit breiten Ampferblättern und Ranunkeln,
Mit wilder Katzen glühem Augenfunkeln,
Mit zarten silberigen Birkenbäumen,
Mit hohen Gräsern, die all dies umsäumen.
Und Abendtau erquickte alles Schöne,
Als Calidor beglückt die Silbertöne
Einer Trompete hörte. Ach, es nahen
Viel Freuden ihm! Des Wächters Augen sahen
Durchs Tal herauf der Schimmel Mähnen wehen;
Bald wird er seine liebsten Freunde sehen!
Er stößt sein Boot voran mit heitrem Sinn,
Nun streicht er einsam übers Wasser hin,
Blind für den Schwan und taub für Philomele –
So sehr voraus eilt drängend seine Seele.
Nun wendet er mit kräftigem Ruderstoß
In letzte Bucht, und düster ist und groß
Das Schloß, noch fern, vor seinem Blick erschienen.
Fast schneller, als die eifrigste der Bienen
Zwei Pfirsiche umsummen kann, erreichten
Des leichten Bootes Rippen jene feuchten
Marmornen Stufen, die ins Wasser führen.
Und aufwärts eilt er, dann durch Flügeltüren,
Durch eichene Hallen und durch Corridore.
Köstliche Töne! Nie klang seinem Ohre
Und seinem Herz ein Vogellied so traut,
Als jetzt der Rossehufe Klapperlaut.
Zwei edle Hengste und ein Zelterpaar
Ward er beim Eintritt in den Hof gewahr:
In lockern Zügeln warfen sie die Nacken
Zurseite, während sie auf Prachtschabracken
Glückliche Bürden trugen durch das Tor.
Welch sanften Kuß und Druck gab Calidor
Den Händen jeder Dame! Wie entzückt
Umspannt er feine Knöchel! Süß entrückt
War seine Seele, während Flüstergrüße
Ihn zögern ließen, ihre zarten Füße
Herab zu lassen auf die harte Erde.
Wie süß dies Schmiegen, als sie sich vom Pferde
Hin über seinen Nacken sinken ließen!
Und ob da leise Sehnsuchtstränen fließen,
Oder ob ihre Locken Tau gefangen:
Er fühlte eine Feuchte auf den Wangen –
Und segnete mit Lippen, die erbeben,
Mit Augen, die sich leuchtend aufwärts heben,
All diese Wonne, die so weich und warm
Und innig sich geschmiegt in seinen Arm.
Auf seiner Schulter hing die Grübchenhand
Schön wie ein Wunder aus dem Feenland,
Wie weiße Cassiablüte, die der Regen
Der Sommernacht erfrischt – o reicher Segen!
Er koste sie mit seiner frohen Wange,
Als ob er alle Seligkeit empfange,
Da schlug Sir Clerimonds freundliches Grüßen
Ans Ohr ihm. Sanft zog er aus ihrer süßen
Knechtschaft den Arm, den neuer Dienst begehrt,
Voll Dank, daß ihm so viele Lust bescheert,
Indes er an die Stirne eine Hand
Herzinnig preßte, die ein Gott gesandt,
Bedrängten gut zu helfen: eine Hand,
Die aus den kalten Klippen dieser Welt
Jung Calidor erheben wird zum Held.
Zwischen den Pagen und den Fackeln stand
Bei seinem Roß ein Ritter, elegant
Und stolz gewachsen; seine Federn wären
Im Wind so hoch wie wilde Eschenbeeren
Oder wie Hermes' Flügelkappe ragt.
Und sicher hätte nie ein Mensch gewagt
Den Panzer, den er trug und der so fein
Geflochten war, für Stahl zu halten, nein,
Man hielt ihn eher für ein Prunkgewand,
In dem wohl gar ein hoher Engel stand,
Der sich verkappt den Gästen zugesellt.
»Sir Gondibert, der weit berühmte Held,«
So stellte Clerimont ihn munter vor.
Der junge Krieger kam zu Calidor
Anmutigen Schritts voll Herzlichkeit heran
Und bot gepanzert eine Hand ihm an,
Bereit zu grüßen den erglühten Knaben;
Der schaut, als dürfe er die Augen laben
An hohem Wunder. Während er voll Glück
Die Damen führte, sah er oft zurück,
Im Licht der Lampen, die vom Dach der Halle
Herniederhingen und die Wehrmetalle
In überirdischem Glanz erstrahlen machten,
Die ritterlichen Brauen zu betrachten,
Die unter feingeschwungenem Visier
Sich wölbten über Augen von Saphir.
Bald sitzen sie in angenehmem Raum.
Die Damen mit den Lippen süß wie Traum
Begrüßten all die grünen Ranken schon,
Die rund um Fenster klimmen und Balkon,
Um ihre purpursternigen Blütenlocken
Zu zeigen und die zarten Bernsteinglocken.
Sir Gondibert tat ab sein stählern Kleid,
Und er genießt nun voll Behaglichkeit
Den leichten Mantel über Brust und Rücken.
Und während Clerimond mit milden Blicken
Sich umschaut, brennt jung Calidor danach,
Von Rittertat zu hören: wie man Schmach
Zurückwies, wie man stark mit tapfrer Hand
Von werter Fraue Schrecken abgewandt;
Und übervoll hiervon gab jeder Hand
Der Damen er so warmen Kuß und blickte
So feurig drein, daß es sie halb entzückte
Und halb erstaunte, bis sich herzbewegt
Ein Lächeln über ihre Mienen legt,
So süß wie sonnenselig Himmelsblauen
Hoch über zauberhafte Inselauen.
Sanft kamen Lüfte aus des Waldes Herzen,
Sanft bliesen seitwärts sie das Licht der Kerzen,
Klar war der Sang der Nachtigallenkehle,
Lieblich der Duft der Lindenblütenseele,
Verlockend wild der ferne Hörnerklang,
Reizend der Mond auf seinem stillen Gang.
Süß auch die Unterhaltung dieser Freunde
Wie guter Geister fröhliche Gemeinde,
Wie sanftes Summen, das wir rundum hören,
Wenn Hesperus erscheint mit Sternenchören.
Süß sei ihr Schlaf – – –
Dedikation an Leigh Hunt
Liebreiz und Glaube sind dahingeschwunden,
Denn ziehn wir jetzt aufs freie Feld hinaus,
Grüßt kein Altar, drauf Kranz und Blumenstrauß
Als frommes Opfer frohen Tod gefunden.
Und keine Mädchen ziehn in ersten Stunden
Des Tags auf Floras weites Land heraus,
Mit Rosen, Veilchen, Korn und Blattgekraus
Dem Mai den Dank der Jugend zu bekunden.
Doch andre Lust – und größre – bleibt zu pflücken
Und wird auf meinen Weg mir Blumen streuen:
Vermag auch heut kein Pan mehr zu entzücken,
So wird doch tiefre Freude mich erneuen,
Wüßt' ich mit dieser Gabe zu beglücken
Und einen Mann wie du bist zu erfreuen.
An …
Wär ich von ritterlichem Wuchs, vielleicht
Wär meinem Weh ein Widerhall erwacht
Und hätte wohl dein Herz in Glut entfacht,
Daß es mir selbst die Waffen überreicht.
Doch ach, ich bin kein Held, dem alles weicht,
Und meine Brust schirmt keine Panzerpracht;
Kein Schäfer bin ich, dem ein Mädchen lacht,
Und dessen Mund erzittert und erbleicht.
Und muß dich dennoch lieben – süß dich nennen,
Viel süßer noch als Hybla's Rosenbecher,
Wenn sie von Tau gefüllt fast überrinnen.
Ah, dieser Tau! Ich will, ich muß ihn kennen!
Erscheine Mond! Mach mich zum seligen Zecher!
Mit Spruch und Zauber muß ich ihn gewinnen!
Wie viele Sänger schritten durch die Zeit
Wie viele Sänger schritten durch die Zeit
Und gaben meiner Seele ein Entzücken,
Denn jede Schönheit suchte ich zu pflücken,
So Erdenklang wie Sang der Ewigkeit!
Und oft, wenn mich der Muse Kuß geweiht,
Schwillt dieses Tönemeer, mich zu beglücken.
Doch sucht kein Klang den andern zu erdrücken,
Da ist kein roher Lärm, kein wilder Streit.
Es ist wie Sang, den uns der Abend bringt:
Das Quellenrieseln und der Glockenklang,
Das Vogellied, der Blätter eiliges Sprechen –
Wie alles dies im Chor zusammenklingt
Und tönend formt des Tages Schlußgesang,
Und keins vermag die Einheit zu durchbrechen.
Ich sah von Hügelhöh ins Land hinein ...
Ich sah von Hügelhöh ins Land hinein.
So stille lag die Luft im Sonnenschein,
Daß volle Knospen, die in sanftem Bogen
Die leichten schwanken Stengel seitwärts zogen,
Noch glänzten in dem bunten Sternenprangen,
Mit dem der Morgen schluchzend sie behangen,
Die Wolken waren weiß und rein wie Schafe,
Die nach der Schur und nach geruhigem Schlafe
Im Bache badeten; sie lagen matt
Im blauen Himmelsfeld; und Blatt um Blatt
Schien nur ein leiser Atem zu bewegen,
Das Schweigen nur schien seufzend sich zu regen;
Denn jeder Schatten, der ins Grüne fiel,
Lag steif und starr und wußte nichts von Spiel.
Die Landschaft ruhte still und weit und frei
Und lud den Blick zu trunkner Schwelgerei:
Des Horizonts krystallnen Glanz zu sehen
Und seinen zarten Linien nachzugehen,
Auch jenem Feldweg, der sich seltsam windet,
Durch Wälder krümmt und fern, ganz fern verschwindet;
Und an bebuschten Streifen zu erkennen,
Wo unter Schatten kühle Wasser rennen.
Ich schaute, und mir war so wohl und klar,
Als fächte sanft des Hermes' Flügelpaar
Die Füße mir. Mein Herz war leicht und frei,
Den Geist entzückten Freuden mancherlei.
Nach buntem Strauß begann ich mich zu bücken,
Mir weiße, blaue, goldne Lust zu pflücken:
Ein Busch Maiglöckchen, daran Bienen hängen,
Die wühlend lief in süße Kelche drängen;
Ein Guß Goldregen soll darüber fließen,
Und langes Gras soll' meinen Strauß umschließen,
Ihn feucht und kühl erhalten und in Schatten
Die Veilchen hüten, daß sie nicht ermatten.
Hier grünt ein Haselstrauch, um den mit schlanken
Schmiegsamen Armen wilde Rosen ranken,
Und dunkles Geißblatt, das zu lichten Höhen
Die schwanke Winde hebt. Daneben stehen
Und wiegen ihre süßen Frühlingsträume
In kleiner Reihe schlanke junge Bäume,
Aus wunderlichen Wurzeln aufgeschossen.
Das alte moosige Flechtwerk wird umgossen
Von klarem, frischem, sprudelfrohem Quell;
Im Vorwärtshasten plaudert er noch schnell
Von seiner Töchter blauer Lieblichkeit –
Von Glockenblumen. Ach, er ahnt die Zeit,
Da wohl gedankenlose Kinderhand
Die zarten pflückt und wirft in Sonnenbrand.
O Ringelblume, goldner, goldner Glanz!
Entzünde deinen Kranz!
Wisch ab den Tau, der dir vom Aug sich stiehlt,
Denn Gott Apoll befiehlt,
In diesen Tagen soll nur eine Weise
Die Harfen rühren: nur zu deinem Preise!
Und wenn er morgen deine Augen küßt,
Sag ihm, daß du in meinen Wonnen bist;
Und streif ich dann in fernem Tal – vielleicht
Daß seine Stimme meine Stirn umstreicht.
Platterbsen stehen flugbereit auf Zehen
Und lassen rot und weiße Flügel wehen;
Ihr spitzer Finger hascht nach allen Dingen,
Sie fest mit winzigen Ringen zu umschlingen.
Sieh hier das Bächlein, niedrig überbrückt
Von schwanken Planken; weile hier entzückt
Und lausche, wie Natur so sanft sich rührt,
Die süßer noch als Taubenruf verführt;
Wie still das Wasser um die Biegung zieht:
Kein Flüstern, das hinauf ins Grüne flieht,
Kein Gruß den Weiden Gras und Halme kommen
Durch wirre Schatten langsam hergeschwommen,
So langsam – könntest du nicht zwei Sonette
Gelesen haben, eh im trägen Bette
Dies Gras dorthintreibt, wo die Strudel kreisen
Und Holz und Halm im Tanzen unterweisen
Und so geschwätzig mit den Kieseln lärmen?
Elritzen stehen dort in ganzen Schwärmen
Und stemmen sich dem kräftigen Strom entgegen,
Genießen so den vollen Sonnensegen
Im kühlen Wasser. Wie sie immer ringen
Um diese süße Lust! Und glitzernd schlingen
Sie flink den Silberleib durch Kieselsand.
Erhebe nur ein wenig deine Hand,
Im selben Augenblick sind alle fort –
Und senkst du sie, sind alle wieder dort.
Sieh, wie die kleinen Wellchen Freude fühlen,
Sich zwischen Kressenlocken abzukühlen.
Sie nehmen Kühlung und sie geben Feuchte
Dem krausen Grün, damit es frischer leuchte,
Gleich guten Menschen, die in Redlichkeit
Zu wechselseitigem Geben gern bereit.
Von niedern Zweigen schwingt sich hin und wieder
Ein Häuflein bunter Distelfinken nieder:
Nur kurze Zeit, nur nippen und geschwind
Die Federn feuchten, die voll Sonne sind,
Dann plötzlich fort, wie's muntre Laune will.
Doch manchmal hält ihr gelbes Schwirren still
Und zeigt die glänzend schwarz und goldnen Schwingen.
Wär ich wie sie bestimmt zu solchen Dingen –
Ach, wär ich sie, ich würde beten mögen,
Daß meine Lust in grünenden Gehegen
Nur süßres störe, nur ein Mädchenkleid,
Das nahe rauscht und voll Behendigkeit
Vom Löwenzahn die Samenfäden fegt –
Als eines Mädchens Fuß, der nah sich regt
Und der im Spiel beim schnellen Vorwärtsgehen
Den Sauerampfer schaukelt mit den Zehen.
Wie würde sie erschreckt zusammenfahren,
Weil man ihr liebes kindliches Gebahren
Entdeckt. Oh, übers Wasser sie zu leiten,
Das halbe Lächeln sehn, das Niedergleiten
Der scheuen Blicke; ihre Hand zu fassen –
Von ihrem Atem mich berühren lassen!
Und wenn sie von mir geht – daß sie sich wende,
Den schönen Blick durch braune Locken sende!
Was weiter? Primeln hier ein voller Strauß!
O schaue, Seele, träume, ruhe aus
Und sinke schlummernd hin; doch immer wecke
Dich sanft das Platzen einer Knospendecke,
Dich irgend eines Falters trunkne Hast,
Der ruhlos weiterfliegt von Rast zu Rast,
Und Luna wecke dich, wenn sie die Schale
Nun aus dem Wogen schimmernder Opale,
Aus milchigen Wolkenmeeren, silbern hebt
Und sacht empor in Himmelsbläue schwebt.
O Göttin du der Dichter, liebe Lust
Der schönen Welt und jeder edlen Brust!
Du Heiligenschein, der alle Wasser schmückt,
Du süßer Kuß, der uns mit Tau beglückt,
Du milde Hand, die schöne Augen schließt
Und schönen Traum in stillen Schlummer gießt,
Du Freundin von Gebet und Schwärmerei,
Von Einsamkeit und Liebegrübelei!
Dich preise ich vor allen andern Dingen,
Die tief beglückend uns zum Dichten zwingen.
Du Paradiesesglanz, du ewiges Licht,
Du bist die Seele, die der Dichter spricht.
Du nahst – und irgend eine dunkle Linie
Wird ihm zum Umriß würdevoller Pinie;
Dein Lächeln, das zur dunklen Erde schwebt,
Gibt Silberfäden, draus er Märchen webt
Und ist solch Märchen köstlich aufgebaut,
So atmen wir den Duft von Sommerkraut
Und gleiten hin auf üppigen Wollustschwingen,
Die uns in himmlische Regionen bringen:
Taufeuchte Rosen streicheln unsre Wangen,
Wir sehen Lorbeer reich in Blüten prangen,
Zu Häupten gleißt Jasmin in voller Laube,
Und lächelnd blüht aus grünem Kleid die Traube,
Ein Bächlein hüpft, mit sanftem Sang zu rühren
Und alles Leid ins Weite zu entführen.
Wir fühlen uns befreit von Not und Welt
Und hoch auf weiße Wolken hingestellt.
So fühlte er wohl, der zuerst erzählt,
Wie Amor seine Psyche sich erwählt:
Was sie gefühlt, als erster Kuß ihr glühte,
Und wie sein Seufzen ihr entgegenblühte,
Und wie sie beide bebten und Verlangen
In Küssen zitterte auf Mund und Wangen;
Die Silberlampe – und der Gott im Schlafe –
Dann Dunkel – Einsamkeit – und schwere Strafe –
Der Flug zum Himmel – Ende aller Leiden –
Und ewige Vereinigung der beiden. –
So fühlte er wohl, der die Zweige bog
Und unsern Blick in weite Waldung zog,
Um Faune und Dryaden zu belauschen,
Wie sie so sorglos durch die Büsche rauschen
Und sich mit süßen wilden Blumen kränzen
Und Freude finden in verzückten Tänzen;
Wie Syrinx flieht in namenlosem Schrecken
Und angstvoll sucht, vor Pan sich zu verstecken.
O armer Pan! Verloren war die Spur
Am schilfigen Strom, und Windesseufzen nur
Erlauschtest du, nur schwermutvollen Hauch,
Der leise hinglitt über Schilf und Strauch. –
Dem war Natur wohl tief ins Herz gedrungen,
Der einst Narzissus' Liebespein besungen.
Er schritt vielleicht durch dunklen Wald und fand
Sich plötzlich an umbuschten Teiches Rand,
Der still und glatt und ungewöhnlich klar
Dem Himmelsblau ein treuer Spiegel war,
Das hie und da durchs dichte Laubdach blickte
Und heitern Gruß in müde Schwermut schickte.
Am Ufer stand ein einsam Blümelein,
Sah sanft und traurig in den Teich hinein,
In dem es seine bleiche Schönheit sah –
So unerreichbar – und so greifbar nah!
Taub war die Blume für des Zephirs Werben,
Nur schauen mochte sie, nur glühn und sterben.
Der Dichter stand und träumte lange dort,
Und seine Seele nahm dies Bild mit fort,
Und bald darauf, da war der Sang geschrieben
Von jung Narziß und seinem kranken Lieben.
In welches Wunderreich war Er gedrungen,
Der uns den süßesten, den ewig jungen,
Den anmutvollen reinen Sang geschenkt,
Der Seligkeiten senkt
Ins Herz des Mondscheinwandrers, ihm enthüllt
Die unsichtbaren Götter, ihn erfüllt
Mit Sphärenklang, der hoch aus Himmeln tönt,
Wo Nacht und Glanz sich friedevoll versöhnt?
O sicher! Dieser wußte nichts von Banden,
Er wandelte in wundersamen Landen,
Der Fesseln ledig schwebte er davon,
Um dich zu suchen, o Endymion!
Ein Dichter war er, ein Verliebter auch,
Der hoch auf Latmos stand, als süßer Hauch
Vom heiligen Myrthental sich aufwärts schwang
Zugleich mit feierlichem, frommem Sang,
Dem Hymnus, den man zu Diana schickte,
Die hell aus dunklen Himmeln niederblickte.
Doch ob sie auch sich huldvoll lächelnd neigte,
Ein Antlitz klar wie Kinderaugen zeigte –
Der Dichter weinte, sie so schön zu sehn,
So einsam durch die Ewigkeiten gehn:
Hell sang die Leier, die sein Hymnus schwellte,
Der Cynthia den Endymion zugesellte.
Du Königin, du lieblichstes Gesicht!
Du köstlich reiner Glanz, du mehr als Licht!
Gleich wie dein Lächeln alles überragt,
So jenes Lied, das deine Schönheit sagt.
O gib mir Worte, die wie Honig fließen,
Ein Wunder deiner Brautnacht zu erschließen:
Wo ferne Schiffe wie im Äther hängen,
Hielt Phoebus seiner Räder mächtiges Drängen
Für kurz zurück und lächelte dich an,
Eh weiter stob sein feuriges Gespann.
Der Abend war so mild und leuchtend klar,
Daß, wer gesund war, auch voll Frohsinn war
Und ausschritt wie Homer beim Hörnerschall,
Wie jung Apollo auf dem Piedestal;
Und Frauen waren schön und warm belebt,
Wie Venus, die entzückt die Wimper hebt.
Die Luft war lind und wehte frisch und rein,
Schlich in verhängte Krankenstuben ein
Und kühlte sanft den Fieberschlaf der Kranken,
Die bald in tiefen festen Schlummer sanken.
Sie wachten auf – und atmeten gesund,
Klar war ihr Auge und erfrischt ihr Mund,
Und Schmerz und Fieberhitze war vergangen;
Und wie sie nun erquickt vom Lager sprangen,
Da sahn sie rings geliebte Freunde stehn,
Die staunend kaum begriffen, was geschehn,
Die sie umarmten und mit inniglichen
Gebärden ihre stille Stirne strichen. –
Und Jünglinge und Mädchen sahn betroffen
Einander an und glühten in Erhoffen,
Denn aller Augen waren lichterfüllt,
Und alles Sehnen lag so schlicht enthüllt –
Sie staunten, lächelten – bis Poesie
All ihrer Sehnsucht schöne Worte lieh;
In süßen Reimen wußte man zu werben,
Und kein Verliebter brauchte mehr zu sterben.
O Cynthia, als dein lieber Hirt dich küßte –
Wer ist, der alle Seligkeiten wüßte,
Die da erblühend sich herniedersenkten,
Vielleicht der Erde einen Dichter schenkten? –
Doch Seele, sieh, du schweiftest weit genug,
Zurück, zurück vom allzuhohen Flug!
An G.A.W.
Nymphe des Lächelns mit gesenkten Blicken,
In welchen glanzverklärten Tagesstunden
Sei deiner Lieblichkeit der Kranz gewunden:
Wenn süße wirre Reden dich verstricken –
Wenn du in himmelheiterem Verzücken
Gedanken lebst – wenn du so ungebunden
Hintanzest durch des Gartens Sonnenstunden
Und hundert Blumen dir Willkommen nicken?
Oder wenn du gebannt in süßem Lauschen
Die Rosenlippen teilst? – Wie darf ich fragen!
Ein Schönstes gegen Schönstes umzutauschen,
War Torheit nur. Ich könnte dann auch sagen,
Welche der Grazien in Apolls Geleit
Die erste sei an holder Lieblichkeit.
Einsamkeit! Wohl muß mit dir ich wohnen
Einsamkeit! Wohl muß mit dir ich wohnen;
Doch sei es nicht in diesem finsterkalten
Gewirr von Häusern; hoch auf Felsgestalten –
Sternwarten der Natur – da laß uns thronen!
Wo tief das Tal mit Fluß und Wälderkronen
Nur fußlang scheint. Laß uns Vigilien halten,
Dort wo das Reh aus grünen Hinterhalten
Die Biene schreckt von Ginst und Anemonen.
Wohl möcht ich gern mit dir dies alles schauen!
Doch süßre Freude meine Seele kennt,
Und das ist Höchstes, was mir Sehnsucht nennt:
Mit Wahlverwandtem fliehn zu deinen Gauen,
Mit ihm, in dem die reine Flamme brennt
Und Worte weiß, ihr Wesen zu vertrauen.
Die letzten Blätter, die an Büschen hängen
Die letzten Blätter, die an Büschen hängen,
Zerrauft ein Wind mit monotonem Wort,
Die Sterne stehen kalt am Himmel dort,
Und vor mir liegt ein Weg von Meileslängen.
Doch kann mich Kampf und Kälte nicht bedrängen;
Auf toten Blättern schreit ich heiter fort,
Obschon sehr fern der heimatliche Ort
Und kalt herab die Silberlampen hängen.
Denn übervoll bin ich der Freundlichkeit,
Die heut in kleiner Hütte zu mir kam,
Von Miltons Klage, Lycidas geweiht,
Als Schicksalshärte diesen Freund ihm nahm;
Von Laura, die Petrarca so entzückte,
Daß ihn die Krone aller Kronen schmückte.
Grashüpfer und Heimchen
Niemals ist tot der Erde Poesie:
Wenn Vögel müde sind von heißen Sonnen,
Dann nimmt die Führung in den Sommerwonnen
Grashüpfers Stimme, und sie rastet nie.
Von Heck zu Hecke rennt die Melodie
Und hält die frischgemähte Trift umsponnen;
Macht Lust ihn matt, so ruht er süß versonnen
Bei grünstem Halme, der für ihn gedieh.
Nie endet sie, die Poesie der Erde.
Am stillen Winterabend, wenn der grimme
Nachtfrost ein Schweigen breitet, schrillt vom Herde
Des Heimchens Sang dem Träumer in die Ohren,
Als habe sich Grashüpfers Sommerstimme
Aus grüner Trift in seinen Traum verloren.
Wie lieb ich das: Wenn still aus goldnen Krügen
Wie lieb ich das: wenn still aus goldnen Krügen
Der Sommerabend fließt und die gelinden
Weißwölkchen ruhn auf duftgeschwellten Winden,
Von trübem Denken mich hinwegzulügen;
Befreit vom Kleinlichen, in vollen Zügen
Den Glanz zu trinken, ein Versteck zu finden,
Wo Schönheit und Natur sich Kränze winden,
Und dort mein Herz zur Freude zu betrügen;
Ans heimatlich Erhabne mich zu drängen,
Dem Schicksal Milton's, Sidney's nachzuhängen,
Bis beide ernst vor meiner Seele leuchten –
Vielleicht im Liede mich hinaufzuschwingen,
Bis Melodieen mir die Augen feuchten
Und Lust und Leid in Tränen sanft verklingen.
Die Glocken läuten Trübsinn in die Welt
Die Glocken läuten Trübsinn in die Welt.
Laut mahnt ihr Ruf zu anderen Gebeten;
Mit wilden Zungen, fürchterlich beredten,
Von Grauen, Schmerz und Schreck ihr Toben gellt.
Und machtvoll ist ihr Ruf, der zürnend bellt,
Denn Menschen folgen ihm, fliehn angstbetreten
Vom stillen Herd, wo edelste Poeten
Mit Wort und Werken ihren Geist erhellt.
Noch – noch ihr Läuten! Und wie Grabesschauer
Würd' mich Verzweiflung fassen, wüßt' ich nicht,
Daß dieses Heulen nicht von langer Dauer.
Ich aber weiß, wie einer Lampe Licht
Einmal erlischt, so stirbt auch dieser Schrei, –
Und edle Freudigkeiten blühen neu.
Nach langer Zeit, da dichte Nebeldecken
Nach langer Zeit, da dichte Nebeldecken
Das Land bedrückten, wacht mit sanfter Schwüle
Ein Tag auf von des Südens sonnigem Pfühle
Und fegt vom kranken Himmel alle Flecken.
Fröhlich erlöst aus trübem Winterschrecken
Frohlockt die Zeit in mailichem Gefühle;
Die Lider spielen mit der sanften Kühle,
Wie Rosenblätter Sonnentropfen lecken;
Uns überkommen friedliche Gedanken:
Von Knospenkraft – Fruchtreife – Herbstessonnen,
Die still auf Halme lächeln und auf Ranken –
Von Sapphos Wange – Schlummerkindleins Rot –
Von Sand, der sanft durchs Stundenglas geronnen –
Vom Bach im Wald – von eines Dichters Tod.
Auf ein Bild des Leander
Ihr sittsam süßen Mädchen, kommt gegangen,
Senkt unter Wimpern blasser Augenlider
Demütig keuschen Blick zur Erde nieder
Und haltet milde Hand von Hand umfangen,
Als könntet ihr bestürzt nur und mit Bangen
Ein Opfer eurer Schönheit sehn, das nieder
In nasse Nacht sinkt: niemals löst ihn wieder
Die junge Liebe aus den Wogenschlangen.
Leander ist's, der sich zu Tode müht.
Ohnmächtig lächeln noch die matten Lippen
Den letzten Kuß, den Sturm zu Hero trug.
O schrecklich! Seht, wie seine Kraft versprüht.
Sein Leib löscht aus wie Leuchten zwischen Klippen,
Aufperlt der Liebe letzter Atemzug.
Auf das Meer
Es flüstert rings zum Strand in Ewigkeit,
Füllt flutend zwanzigtausend Grotten an,
Bis ihnen Hekate mit Zauberbann
Wieder den alten dunklen Klang verleiht.
Oft ist es von so sanfter Heiterkeit,
Daß allerkleinste Muschel ruhen kann,
Wo sie dem lauten Wogenbraus entrann
Nach letztem wildentbranntem Wetterstreit.
Ihr, deren Augen brennend oder matt,
Ergötzt sie wieder auf der weiten Flut!
Ihr, deren Ohren taub vom rohen Spotte
Oder von Melodieen übersatt,
Sitzt nah dem Meer und hört in Traumesglut
Den Sang des Nymphenchors aus aller Grotte!
Wenn Furcht mich faßt, mein Dasein könne enden
Wenn Furcht mich faßt, mein Dasein könne enden,
Noch eh' die Feder, was mein Hirn erdachte,
In Schrift, in Büchern wußte zu vollenden,
Das reife Korn in volle Speicher brachte –
Wenn wolkengleich tief seltsame Legenden
Der Nacht besterntes Antlitz überfließen,
Und ich es weiß, daß nie mit Zufallshänden
Das Glück mir hilft, ihr Bild in Form zu gießen –
Und wenn ich fühle, Schönste du von allen,
Daß nur die flüchtige Stunde uns umfängt,
Daß nie mein Herz in jenen Zauberfallen
Gedankenloser Liebe träumend hängt –
Dann steh ich einsam vor den Ewigkeiten,
Bis Ruhm und Liebe in ein Nichts entgleiten.
An eine Dame
(flüchtig gesehen in Vauxhall)
Fünf Jahre ebbt das träge Meer der Zeit,
Und langsam rann der feine Stundensand,
Seit du den Handschuh zogst von weißer Hand
Und ich mich fing in deiner Lieblichkeit.
Und dennoch: schau ich auf zum Sternenlicht,
So zeigt Erinnrung deiner Augen Glanz,
Und seh ich rosiger Rosen zarten Kranz,
Denkt meine Seele nur an dein Gesicht.
Kein Knospenschwellen kann mein Auge sehen,
Ohn' daß mein töricht Ohr sich neigt und lauscht,
Um deines Mundes Worte zu verstehen.
So wird in jedes Glück dies Deingedenken
– Wie tiefre Lust; die inniger berauscht –
Den süßen Stachel seiner Schmerzen senken.
Das Milchmädchen
Wo gehst du nur hin, du Mädchen, sag?
Und was trägst du im Körbchen so sittig?
Du sauberes Kind, eil nicht so geschwind,
Reich mir einen Trunk, ich bitt dich!
Ich mag deinen Anger, ich mag deinen Klee,
Und Milch naschen mag ich unendlich;
Doch lieber mir's ist, wenn dein Mündchen mich küßt.
Das ist ja so selbstverständlich.
Ich mag deine Hügel, deine Täler so sehr,
Und ich mag deine blökenden Schafe –
Doch ach, mich ins Heu zur Seite dir treu
Zu betten zum Liebesschlafe!
Dein Körbchen, das stell ich recht sorgsam beiseit,
Deinen Schal häng ich auf an der Weide,
Und dann seufzen wir matt in Blumen und Blatt
Und küssen und küssen uns beide.
Stanzen an Miss Wylie
O komm, Georgiana! Die Rosen schau an,
Den blumigen Teppich, den Flora rings spann;
Die Luft ist voll Süße, das Wasser voll Glanz.
Der West schwebt mit funkelndster Sonne zum Tanz.
O komm! Laß uns ziehn ins erfrischende Grün,
Durch Schatten und Matten, die duften und sprühn,
Zur Waldlichtung hin, wo die Feen sich drehn
Und Sylphen wie lichtester Sonnenglanz gehn.
Und bist du dann müde, so bett ich dich sacht
Auf Moos und auf Blumen mit liebem Bedacht;
Dort lieg ich, Georgiana, zu Füßen dir nah,
Mein Märchen von Liebe erzähl ich dir da.
Und atme so zärtlich und seufze so lind,
Als seufze von Liebe der Frühsommerwind;
Dein schönes Knie preß ich und atme so tief –
Da fühlst du, daß ich's war, der seufzend dich rief.
Warum, liebstes Mädchen, entbehren dies Glück?
Ein Narr nur weist soviel Beglückung zurück:
So lächle Gewährung und gib deine Hand
Und ein zärtliches Wort, das dein Herz für mich fand.
Ich lachte heut - warum? Wer sagt es mir?
Ich lachte heut – warum? Wer sagt es mir?
Kein Gott, kein Dämon ist, der Antwort sagt,
Der mir aus Himmel, Hölle Antwort wagt!
Nur Schweigen, – Herz, so wend ich mich zu dir:
Herz! Du und ich sind traurig und allein;
Ich frage: weshalb lachte ich? – Nun? Nun? –
O Dunkel, Dunkel! Und ich kann nicht ruhn,
Und Himmel, Hölle, Herz höhnt meine Pein!
Ich lachte heut – warum? – Kurz ist das Leben,
Sein Seligstes genoß beschwingt mein Geist –
Doch würd' ich heute gern dem Tod mich geben,
Der unsre bunten Fahnen schrill zerreißt:
Lied, Ruhm und Schönheit türmen nur den Thron
Für König Tod – des Lebens höchsten Lohn.
An den Schlaf
O sanfter Duft der stillen Mitternacht,
Der zart und sorgsam unsre Augen schließt
Und schattend vor dem Lichte sie bewacht,
In Seelen göttliches Vergessen gießt.
O sanfter Schlaf! Schließ mir die willigen Lider,
Eh dieses Hymnus' letztes Wort verklingt,
Nein, hör das Amen erst, eh schläfernd nieder
Dein Mohn die süßen Gnadengaben bringt.
Dann hüte mich, sonst gießt der Tag sein Licht,
Vielfachen Jammer brütend, auf mein Kissen,
Behüte mich, denn ach, es schlummert nicht
Das wie ein Maulwurf wühlende Gewissen;
Dreh flink den Schlüssel in geölten Riegeln,
Die meiner Seele Springbrunn sanft versiegeln.
An Fanny
Ich schreie: hab Erbarmen! – Mitleid! – Liebe!
Liebe, die sich erbarmt und die nicht quält,
Beständige, arglose, offene Liebe,
Die, makellos, sich keine Maske wählt.
O gib dich ganz! Sei mein – sei meinem Flehen!
Gestalt und Antlitz – süßer kleiner Mund –
Himmlische Augen, Hände, die verstehen,
Der warmen Brüste freudevolles Rund, –
Gib deine Seele – gib dein ganzes All,
Halt nichts zurück, nichts – nichts! Ich würde sterben!
Und lebte ich, dein elender Vasall,
Ich würde doch an meinem Schmerz verderben!
Ich könnte meines Daseins Sinn nicht finden,
Mein Geist, mein Ehrgeiz würden stumpf erblinden!
La belle dame sans merci
Was fehlt dir doch, du armer Wicht,
Was schweifst du einsam bleich umher?
Das Schilf ist längst schon welk, es singt
Kein Vöglein mehr.
Was fehlt dir doch, du armer Wicht;
Was bist du so verhärmt und krank?
Des Eichhorns Speicher ist gefüllt,
Die Ähre sank.
Eine Lilie blüht auf deiner Stirn,
Betaut von Fieber, Not und Qual,
Die Rosen deiner Wangen sind
Verwelkt und fahl.
»Ein Fräulein traf im Hag ich an,
War schön, wie nur ein Feenbild,
Ihr Haar war lang, ihr Schritt war leicht,
Ihr Blick war wild.
Ich hob sie auf mein schreitend Roß,
Und seitwärts lehnte sie und sang;
Nun sah ich nichts als sie im Tag –
Viel Stunden lang.
Ich flocht ihr einen Kranz aufs Haupt
Und duftigen Kranz um Brust und Arm,
Sie dankte mir mit Blick und Wort
So süß und warm.
Sie suchte saftiges Wurzelwerk,
Wildhonig, Manna-Tau für mich
Und sagte mir in fremdem Laut:
Ich liebe dich.
Sie nahm mich in ihr Grottenschloß
Und sah mich an und seufzte tief.
Ich küßte ihr die Augen zu,
Sie lag und schlief.
Dort schlief auch ich im Moose ein,
Da träumte mir ein Traum so bang,
Der letzte Traum, den ich geträumt
Am Hügelhang.
Sah Könige, Fürsten, Ritter stehn –
So bleich, wie Tod nur bleich sein kann –
Sie schrien: La belle dame sans merci
Hat dich im Bann!
Aus klaffend offnem Totenmund
Der schauerliche Warnruf drang.
Ich wachte auf und fand mich hier
Am Hügelhang.
Und darum irr ich einsam hier
Und bleich im welken Schilf umher,
Obgleich ich weiß, es singt schon längst
Kein Vöglein mehr.«
An die Herbstzeit
Du Zeit der Feuchte und der Fruchtbarkeit,
Freundin des Sonnengotts, der Reife sendet,
Mit ihm vereinigt, daß zur Süßigkeit
Des Rankenweins betaute Traube endet,
Daß Apfellast die moosigen Bäume biegt,
Daß aller Früchte Herz von Saft durchquollen,
Daß Kürbis schwillt und jede Nuß sich füllt
Mit würzigem Kern, und weicher gelber Pollen
In vielen späten Blumen wartend liegt,
Und jede Biene schwer zur Zelle fliegt,
Draus Sommers Segen schäumend überquillt.
Wer sah nicht oft in deiner Pracht dich stehn?
Sucht einer draußen, mag er wohl dich finden
Mit Lächeln über weite Speicher gehn,
Die Haare sanft bewegt von Fächelwinden,
Oder auf halbgemähtem Ackerreich.
Im Mohnduft schlafen: vor den nächsten Schwaden
Voll Blumen hält die Sense noch zurück.
Und manchmal gehst du, Ährenlesern gleich,
Quer übern Bach, den hohen Kopf beladen,
Oder du läßt den ernsten Hüterblick
Im gelben Fluß der Obstweinkelter baden.
Wo ist, ach wo, des Frühlings Finkenschlag?
O still! Musik – auch dir ist sie verliehen –
Wenn wolkenbunt verblüht der sanfte Tag
Und Rosenschatten über Stoppeln ziehen:
Dann klagt in Uferweiden das Gewimmel
Der winzigen Mücken – lebt der Wind empor,
Hebt sich der Schleier, stirbt er, sinkt der Flor –
Erwachsne Lämmer blöken laut am Bach,
Und Grillen zirpen; nun entzückt das Ohr,
Rotbrüstchens Flötensang vom Laubendach,
Und Schwalben sammeln zwitschernd sich im Himmel.
Ode auf die Melancholie
Du sollst nicht Lethe suchen, sollst nicht Wein
Aus harter giftiger Wolfsmilchwurzel klopfen,
Noch soll Proserpinas blutrote Pein,
Nachtschattentraube, deine Stirn umtropfen.
Dein Rosenkranz sei nicht aus Taxusperlen,
Dein Gram soll nicht zum flaumigen Kauz sich retten,
Im schwarzen Falter ein Symbol erblicken
Und klagend wandeln unter Trauererlen,
Sonst wird nur schläfernd Dunkel dich umbetten
Und deiner Seele wache Qual ersticken.
Doch wenn Melancholie herniederdrängt,
Gleich wie vom Frühlingshimmel Wolkenweinen
Um grüne Höhn sein graues Bahrtuch hängt
Und volle Nahrung gibt den müden kleinen
Kopfhängerischen Blumen, – oh, so drücke
Dein Leid in frühen Rosenkelch und schmücke
Päonienblühn mit dunklen Gramgeschmeiden;
Und ist die Herzensherrin trüb, verdrossen –
Halt ihre Hand in Händen sanft verschlossen
Und laß den Blick in ihren Augen weiden.
Sie lebt, wo Schönheit ist, die sterben muß,
Wo Freude ist, die stets, die Hand am Munde,
Zum Gehn bereit – bei schmerzendem Genuß,
Der Gifte braut aus jeder seligen Stunde.
Ja selbst im Tempel aller hohen Wonnen
Besitzt Melancholie Altar und Stätte –
Wenngleich nur der sie sieht, der Mut gewonnen,
Der Freudenbeere allzusanfte Glätte
Mit durstiger Zunge aufzutun: er findet
Die Schwermut ihrer Macht, die ewig bindet.
Zeilen an Fanny
Was kann ich tun, um meinen Augen
Erinnrung zu entziehn? Warst du doch nah;
Erst eine Stunde ging, seit ich dich sah,
Mit durstigem Blick dein Bildnis aufzusaugen.
Berührung hat Gedächtnis! Lieb, o sage,
Wie kann ich das ertöten?
Wie rett ich mich aus diesen tiefen Nöten,
Daß ich in aller Freiheit wieder rage?
Wenn jeder Schönen, die ich sah, mein Fang
Geschickt gelang,
So riß doch bald die schlechtgewebte Schlinge,
Und ich entsprang!
Ob dürftige, ob farbenbunte Dinge –
Ich fühlte meiner Muse Flügel,
Ich hielt die Zügel!
Und stets war ihre Kraft bereit
Sich meinem Wunsch zu schenken,
Der ohne nachzudenken
Doch thronte in erhabner Göttlichkeit.
In Göttlichkeit! – Der Vogel, den sein Flug
Hintanzend über Meeresrauschen trug,
Wird er im heitren Steigen, Neigen, Senken –
Ein Philosoph – an Ziel und Absicht denken?
Wie soll ich tun,
Von neuem nun.
Verlorne Federn wiederzuempfangen,
Empor, empor,
Bis drunten Amors Flattern sich verlor,
In ewigreinen Äther zu gelangen? –
Berausche dich in Wein! –
Das ist gemein,
Ist Sünde, Ketzerei,
Die das Gesetz der Liebe schmählich schändet.
Nein, – nur den Frohen macht das Trinken frei,
Doch mir ist Leid gesendet! –
Wie soll ich wissen, wo mein Friede sei?
Und wie mich stählen, jenem grausigen Lande,
Dem Kerker meiner Freude, fern zu bleiben:
Dem eklen Strande,
An dem sie scheiterten und haltlos treiben;
Der fürchterlichen Welt, wo trübe Flüsse
Die schmutzigen Wellen an die Ufer spülen
Und nie die Nähe heitrer Götter fühlen –
Wo rauher Wind beeiste Ruten schwingt
Und Geißelhiebe bringt
Und wilden Schmerz als einzige Genüsse –
Wo blind und schwarz erfrorne Wälder ragen,
Dryaden schreckend –, wo verdorrtes Gras,
Des dürren Ochsen widerlicher Fraß,
Die Wiesen deckt, die keine Blumen tragen –
Wo niemals lockt ein lieber Vogelruf:
Dem Land, das die Natur im Zorn erschuf!
O daß ein Wunder käme!
Daß Sonne diese Höllenschatten nähme!
Sie müssen fort! – Bei Tages Dämmerschein
Ist meine Dame mein!
O meiner Seele Lust:
Noch einmal ruhn auf dieser süßen Brust!
Noch einmal meine Arme fühlen lassen,
Daß sie als Kerkermeister dich umfassen!
Noch einmal mich an deinen Atem drängen,
Daß seine Düfte in mein Haar sich hängen!
Du tiefe Süße solcher Qual –
O küß mich noch einmal!
Genug! genug! Es ist genug für mich:
Find ich im Traume dich!
Lamia
Erster Teil
Vorzeiten, ehe noch die Feenbrut
Satyrn und Nymphen trieb aus Waldeshut,
Eh König Oberon mit Krongeschmeide
Und Szepter und betautem Blütenkleide
Die Faune und Dryaden ganz vertrieb,
Daß ihnen nicht ein Binsensaal mehr blieb,
Kein Dornendickicht und kein lichter Hain,
Kein Wiesengrund mit gelben Blümelein,
Floh Hermes, neu entbrannt, den goldnen Thron
Und stahl sich fort um süßer Liebe Lohn.
Den Wolken Jupiters nahm er das Licht
Zur Erdenseite fort, damit ihn nicht
Sein hoher Mahner auf der Flucht entdecke,
Und flog dann hin zu dunkler Waldesstrecke
Auf Kretas Inselufer, denn hier war
Ein Nymphlein, dem die ganze Satyrschar
Ergeben kniete; sehnende Tritonen
Versuchten ihre Schönheit zu belohnen
Mit Perlen, die sie ihr zu Füßen legten.
Ganz nah den Quellenbächen, grün umhegten,
Die Bad ihr gaben, und auf jenen Matten,
Die oft schon ihren Schritt getragen hatten,
War manche reiche Gabe ausgestreut,
Den Musen fremd – doch Phantasie gebeut,
Aus ihrem reichen Born nur auszuwählen.
Ach, so viel Liebe läßt sich garnicht zählen!
So dachte Hermes, und ein himmlisch Glühn
Durchflog von den beschwingten Sohlen ihn
Bis aufwärts zu den Ohren – sonst so weiß
Wie klare Lilien, jetzt wie Rosen heiß,
Um die sich dicht die goldnen Locken ballten,
Und ringelnd tief auf nackte Schultern wallten.
Er flog von Tal zu Tal, von Wald zu Wald
Und gönnte keinen Atemzug sich Halt,
Kaum daß die Blumen sein Erglühen fühlten.
An Flüssen hin, die ihre Ufer kühlten,
Flog er, der Nymphe Lager zu erspähn:
Doch nirgends konnte er die Süße sehn.
So hielt er an verlassner Stelle Rast,
Gedankenvoll, von Eifersucht erfaßt
Auf jeden Waldgott, ja auf jeden Baum.
Da hört er eine Stimme wie aus Traum;
So sanfte Stimme, die wohl mildem Herzen
All Leiden fortnimmt, bis auf Mitleidschmerzen.
»Wann werd ich diesem Ringelgrab entsteigen,
Wann mich in süßem Leib dem Leben zeigen,
Der Liebe und der Lust und rotem Streit
Von Herz und Mund? O Arme ich in Leid!«
Der taubenfüßige Gott glitt schweigend fort
Um Busch und Baum, sacht streifte hier und dort
Sein Fuß das Gras und voll erblühte Kraut,
Bis er im Dickicht eine Schlange schaut,
Die, kreisgerollt, wie Glanz im Düster bebt,
Gordischer Knoten, blendend und belebt.
Zinnober, golden, grün und blau gefleckt,
Mit Kreisen wie ein Leopard bedeckt,
Mit Zebrastreifen und mit Pfauenaugen
Und Silbermonden, die beim Atemsaugen
Zerflossen oder strahlender erglänzten,
Mit sanftem Schein den buntern Schmuck umkränzten.
So regenbogenstrahlend lag sie dort,
Wie schmachverflucht durch Zorn und Zauberwort,
Nein, selber schien ein Dämon sie zu sein.
Ihr Haupt umgab ein bleicher Feuerschein,
Von Sternglanz hell, Ariadnes Tiara gleich,
Ihr Haupt war Schlange, doch – wie wunderreich
Und bitter süß! – sie hatte Weibesmund
Mit schimmerschönem vollem Perlenrund.
Und ihre Augen! Konnten solche Augen
Zu andrem als zu heißem Weinen taugen,
Weil sie, so schön, für solchen Leib bestimmt?
Klagt doch Proserpina noch heut ergrimmt
Um ihr Sizilien und um seine Pracht.
Ihr Hals war Schlangenhals, doch lind und sacht
Wie Honig flossen ihre Worte hin,
Und Liebessehnen schenkte ihnen Sinn.
Und Hermes lag, die Schwingen vorgeneigt,
Dem Falken gleich, wenn sich die Beute zeigt.
»O schöner Hermes, holder Himmelsglanz,
Umragt, bekrönt von lichtem Schwingenkranz,
Ich träumte diese letzte Nacht von dir:
Auf goldnem Throne sah ich dich vor mir,
Hoch im Olymp, im frohen Götterkreise.
Nur du warst traurig, taub der sanften Weise
Des Lautenspiels der Musen, taub sogar
Apollos Sang, so süß und weh er war.
Mir träumt', ich sah dich funkenübersprüht
Durch Wolken brechen, hell wie Morgen glüht,
Und dann verliebt wie Phöbus' Pfeil so schnell
Nach Kreta eilen – und du bist zur Stell!
Zu sanfter Hermes, fandest du die Maid?«
Da gab der Stern der Lethe so Bescheid:
»Du Schlange mit dem süßen Frauenmund,
Himmlischer Weisheit bist du sicher kund!
Du prächtiger Kranz mit schwermutvollem Blick,
Dein sei das allerseligste Geschick,
Nur sage mir, wo meine Nymphe ruht,
Wohin sie floh?« »O Gott, du redest gut,«
Die Schlange sprach, »doch gib des Schwures Siegel!«
»Ich schwöre,« sagte Hermes, »bei dem Spiegel,
Der deine Augen sind, bei deinem Glanz,
Bei meinem Stab und seinem Schlangenkranz!«
Die ernsten Worte flohn ihm leicht vom Munde
Und glitten sanft in blütenbunte Runde.
Und wieder drauf das schöne Weib und Tier:
»Zu schwach dein Herz! Denn höre nun von mir:
Die Nymphe gleitet unsichtbar wie Luft
Hier durch die Wildnis, frei wie zarter Duft
Genießt sie ungesehen ihre Tage,
Kaum daß ihr flüchtiger Fuß das Gras im Hage
Und zarte Blumen streift. Von schweren Zweigen,
Gebognen Ranken, die sich lastvoll neigen,
Pflückt sie ganz ungesehn die süße Frucht,
Sie badet ungesehn in Bach und Bucht,
Und meine Macht ist's, die die Schöne hütet,
Daß dreiste Gier umsonst in Blicken wütet,
Und Faune und triefäugiger Silen
Umsonst zu ihr in tiefen Seufzern flehn.
Bleich wurde die Unsterbliche vor Leid,
Um aller dieser Wilden Dreistigkeit;
Da gab ich ihr aus Mitgefühl den Rat,
Ihr Haar zu tauchen in ein Zauberbad,
Dann könne sie in Freiheit ungesehn
Und unbehelligt rings durchs Grüne gehn.
Du sollst sie schauen, Hermes, du allein,
Willst du, dem Schwur getreu, mir dankbar sein.«
Da schwur der Gott, verzückt, noch einen Eid.
Die Schlange fühlte tiefe Seligkeit,
Als warm und bebend seine Worte klangen,
So voll von Glut und Liebe und Verlangen.
Sie hob ihr Kirke-Haupt beglückt empor
Und hauchte selig nah dem Gott ins Ohr:
»Ich war ein Weib, – laß mich noch einmal haben
Die Weibgestalt und Weibes Reiz und Gaben.
Ich liebe einen Jüngling aus Korinth,
Mach mich zum Weib und führ mich schnell wie Wind
Hin wo er weilt – nun, Hermes, beug dich nieder,
Ich hauche – und du siehst die Nymphe wieder.«
Er schloß die Schwingen halb und neigte sich,
Und über seiner Brauen Bogenstrich
Ging leis ihr Atem, und sogleich erschien
Die Nymphe beiden sichtbar nah im Grün.
Es war kein Traum – doch sagt so, wenn ihr wollt;
Der Götter Traum ist Wirklichkeit, und hold
Entrollt wie ewiger Traum ihr ewiges Leben.
Ein Augenblick gab Glühen und Erbeben:
Der Nymphe Schönheit warf den Gott fast nieder;
Nun trat er hin ins Grün und blickte wieder
Zur bleichen Schlange her und regte sacht
Den Arm und übte seines Zaubers Macht.
Dann schickte er den Blick zur Nymphe hin,
Verehrung stand in Tränenschrift darin,
Und schritt zu ihr.
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