–
Wieder hat er, Tod vergeudend,
Einen Tag hindurch geschlagen,
Möchte in der Nacht und Kühle
Weiter fechten mit Behagen.
Vorwärts treibt er seine Scharen
Auf den nachtverhüllten Pfaden,
Um der Freiheit, seinem Liebchen,
Aufzuspielen Serenaden
Mit der Feldschlacht, seiner Orgel,
Die er weiß so stark zu greifen;
Pfaffenvolk und Fürstenknechte
Sind die gellen Orgelpfeifen.
Doch es dunkelt tiefer immer
Ein Gewitter in die Schlucht,
Nur zuweilen übers Tal weg
Setzt ein Blitz in wilder Flucht.
Hemmend lagert sich das Dunkel
Um die Wagenburg, die Rosse,
Die Geschirr' im Winde rasseln
Und die Bündel der Geschosse.
Ziska spricht: »O wie so flüchtig
Dieser schöne Blitz entfährt!
Könnt ich doch hier an die Tanne
Nageln ihn mit meinem Schwert!
Daß ich Gottes Welt befreie,
Zahle heim die Racheschuld,
Brüder, könnt euch doch das Feuer
Leuchten meiner Ungeduld!« –
Ha! ein Blitz, ein sonnenheller!
Herrlich strahlen aus der Nacht
Der Hussiten Schreckgestalten,
Ziskas Herz in Freude lacht.
Donner rollen, fern verhallend,
Aus des Himmels tiefster Brust,
Dem Gewitter lauscht der Feldherr,
Nachtgebannt, mit Neideslust:
»Könnt ich fliegen wie die Wolken,
Nachts in ungehemmter Eile!
Könnt ich auf verschanzte Sünder
Schießen meine Todeskeile!« –
Festgekoppelt stehn die Rosse,
Stampfend im Gewitterregen,
Manche Streiter, schlachtermüdet,
Schnarchen unter ihren Wägen;
Andre lagernd im Gebüsche
Singen Taboritenchöre;
Ziska harrt des Morgengrauens
Unter einer alten Föhre.
4.
In des Donners Klängen lauschet
Ziska der verwandten Seele,
Als ein Mann ihm naht behutsam,
Sprechend aus gedämpfter Kehle:
»Welche Wonne muß durchs große
Herz dem Donnergotte wallen,
Wenn er läßt die starke Stimme
Jauchzend durch die Lüfte schallen!
Welche Wonne in der Feldschlacht
Glüht durchs edle Heldenmark
Einem Mann wie du, o Ziska,
Der so haßt und ist so stark!
Aber süßre Wonne gibt es,
Als sie wird dem Helden kund,
Der, wie Wetter kalte Schloßen,
Leichen hagelt auf den Grund:
Süßre Wonne, Liebeswonne;
Hat dein Herz ihr nie geschlagen,
Als du einst am Königshofe
Lebtest in beglückten Tagen?
Königin Sophia sandte
Mich zu dir und deinem Grimme,
Daß ich in der Brust dir wecke
Eine holde Friedensstimme;
Königin Sophia sendet
Einen Gruß dir und die Kunde:
Isabella, die du liebtest,
Trauert sich um dich zugrunde.
Als ich scheidend stieg zu Rosse,
Sah ich noch die Edeldame
Senkend ihr gebleichtes Antlitz,
Still verzehrt von Liebesgrame.
Eilend spornt ich meinen Renner,
Denn die schönste Frau indessen
Welket rasch und unaufhaltsam,
Stirbt, wenn du sie hast vergessen.
Kehre heim, dir ist vergeben;
Laß des Glaubens wilde Streiter,
Nimm der Liebe sichern Himmel,
Denn dir winkt vielleicht kein zweiter.«
Also flüsternd sprach der Bote,
Scheu sich schmiegend an die Föhre;
Ihm entgegnet Ziska leise,
Daß es kein Hussite höre:
»O sie sterbe! als das reinste
Opfer sei sie hingegeben
Für die Freiheit, der ich opfre
Jede Freude, all mein Leben.
Isabella, Stern der Liebe,
Sinke! – meinem Pfade muß
Leuchten nur des Zornes Fackel; –
Bring ihr meinen letzten Gruß!
Doch nun raffe dich von hinnen,
Eile, Bote, und entweiche,
Weil du nanntest einen Namen,
Der dich schützt vor meinem Streiche!«
5.
Gerne sehn wir schöne Spiegel
Im Gemache schöner Frauen;
Möge froh ihr holdes Antlitz
Ihnen draus entgegenschauen!
Hat ja selbst Natur, die ernste,
Nichts so schön gemacht auf Erden,
Wie den Spiegel, drin sie anschaut
Ihre Züge und Gebärden.
Sie betrachtet durch des reinen
Menschenauges Zauberspiegel
Ihrer Züge schöne Rätsel,
Wie ein lächelnd Gottessiegel.
Rings hinaus in alle Weiten
Ist das Weltmeer hingegossen,
Doch ein Ozean der Tiefe
Ist das Auge, eng umschlossen.
Welten schwimmen auf den Fluten
Dieses Meers an uns heran,
In den ewgen Geist hinunter
Reicht der stille Ozean.
Lieben kann ich Ungeschautes,
Klang es hold mir; doch anbeten
Werd ich nur, was schön und göttlich
Vor das Auge mir getreten.
Schauen ist die höchste Wonne;
Wehe, wer das Licht verloren!
Jedes Glück ist seinem Dunkel
Wie ein Grüßen vor den Toren;
Jeder Schmerz wird doppelt heftig
In der Brust dem Blinden schlagen,
Weil die Mächte ihm des Lebens
Jeden stillen Trost versagen.
Weinen hört er die Entrückten,
Lachen hört er sie beklommen,
Doch der Wehmut stilles Lächeln
Und ihr Trost ist ihm genommen.
Tiefer stürzt der Schmerz beim Anruf
Gleich dem Hirsche, dem erschrocknen,
In die Wildnis; doch das stumme
Lächeln kann das Auge trocknen
Ziska hat gen Rabys Mauern
Seines Heeres Sturm gewendet,
Als ein Pfeil ihm auch das zweite
Auge trifft, er ist geblendet.
Tiefer wird er nun betrauern
Hussens Tod, des edlen Helden,
Heißer, wilder, schreckenvoller
Wird sein Zorn der Welt sich melden.
6.
Ragend steht der blinde Führer
Ziska dort auf seinem Wagen,
Mit der Donnerstimme herrschend,
Wie die heiße Schlacht zu schlagen.
Steht ein Hauptmann ihm zur Linken
Und ein andrer ihm zur Rechten,
Schildern ihm den Ort getreulich,
Wo es gilt, den Kampf zu fechten.
Lager, Zahl und Zug der Feinde
Melden sie, daß er befehle;
Alles schaut er klar im Strahle
Seiner lichten Feldherrnseele.
In den Tagen, eh der Pfeilschuß
Ihm geraubt das Augenlicht,
Blickt' er scharf dem Vaterlande
Ins geliebte Angesicht;
All die Wälder, Ström und Buchten,
Talgewind' und Bergesrücken
Eilt' er damals, dem Gedächtnis
Unauslöschlich einzudrücken.
Und der Genius der Rache
Weiß im Finstern zu erspähen
Jedes Grundstück, wo am besten
Feindesleichen hinzusäen.
Dunkelt auch um Ziskas Körper
Tiefe, schimmerlose Nacht,
Gängelt er doch mit dem Geiste
Leicht sein wildes Kind, die Schlacht.
Hüben lenkt die Nacht des Leibes,
Drüben Geistesnacht die Krieger;
Noch in keiner Schlacht bezwungen,
Bleibt auch heute Ziska Sieger.
Ha! wie lauscht dem Kampf der Blinde!
Er erkennt im Sturm der Luft
Jede Waffe an der Stimme,
Wie herbei den Tod sie ruft.
Wildharmonisch seinem Ohre
Rauscht das Ringen zweier Heere,
Waffen, Schlachtruf, Ziskas Leiblied,
Und im Hinsturz Mann und Mähre.
Freudig hört er, wie die Knechte
Sigismunds hinüberfahren,
All die sächsischen Geschwader
Samt den ungrischen Husaren.
Und dem wilden blinden Ziska
Geht im Heldenrausch der Ohren
Doch die klare Feldherrnruhe
Seines Geistes nie verloren.
7.
Durstig zieht die Karawane
Durch die Wüste, sucht die Quelle;
Horch! da rauscht auf grüner Matte
Die ersehnte, frische, helle!
Nach dem süßen Brunnenklange
Stürzen alle froh und eilig,
Doch sie sollen hier nicht trinken,
Denn es ist der Brunnen heilig.
Auserwählte Männer nahmen
Die Oase sich zu eigen,
Niemand sonst, wie heiß er schmachte,
Darf zum Quell die Lippen neigen.
Wächter stehen vor der Quelle
Reichen, gottvergoßnen Wonnen;
Doch der Wüstendurst ist mächtig,
Schwerter klirren um den Bronnen.
Und mit kampferhöhtem Durste
Stürzen an den Quell die Sieger,
Und sie trinken gierig, hastig,
Wie das Blut der heiße Tiger.
Mancher, schon vom Schwert getroffen,
Schlürft noch einen vollen Zug,
Um die Seele zu erfrischen
Auf den weiten Scheideflug.
Tigerhaft gereizten Durstes
Schmachten Ziskas Kampfgenossen
Nach dem Kelch des Abendmahles,
Den die Priester streng verschlossen.
Furchtbar rufen sie den Priestern:
»Habt ihr Christi Werk auf Erden,
Uns das Sakrament verstümmelt,
Sollt ihr selbst verstümmelt werden!«
Jauchzend schwingen sie die Kelche
Nach der Schlacht auf offner Wiese,
Mancher sterbend riecht im Weine
Blumen schon vom Paradiese.
Mit dem Blut des Liebevollsten
Will des Hasses Glut sich laben;
Drüben aber werden Tote
Von Verstümmelten begraben.
Wenn der lang und schwer Bedrückte
Freiheit sucht, so haßt der Wilde
Und zerbricht, wie andre Schranken,
Auch das eignen Herzens Milde.
8.
O wie ward der Tod ein andrer,
Als die Griechen ihn geschildert!
Aus dem milden Götterboten
Ist zum Schreckbild er verwildert.
Als ein Genius, der die Reise
Sterblichen verkünden soll,
Seine Hand zur Wange haltend
Stand der Tod gedankenvoll;
Oder zeigte, mildsymbolisch,
Daß die Erdenlust zu Ende,
Löschend die gestürzte Fackel,
Kreuzt' er drüber seine Hände.
Leise trat sein Fuß die Psyche;
Wie der Freund dem Freund ein Zeichen
Leise gibt, vom Festgelage
Ohne Störung fortzuschleichen.
Schlaf und Tod als Zwillingsbrüder
Standen oft auf einem Bilde;
Beiden, ach, so weit Verschiednen
Gleiche Bildung gab die Milde.
Zweifelhaft erschien der Genius,
Fragen sollte der Beschauer:
Ists der Schlaf und die Erholung?
Ists das Sterben und die Trauer?
Nur zuweilen ward gesondert,
Und das herbre Bildnis trug,
Daß der Blick den Tod erkenne,
Falter, Kranz und Aschenkrug.
Dort den Charos sieht der Grieche
Noch in späten, rauhern Zeiten
Mit der dunkeln Schar der Seinen
Über das Gebirge reiten;
Ihm voraus die Jungen wandern,
Alte kommen nachgeschlichen;
Und gereiht am Sattel sitzen
Zarte Kinder, frühverblichen. –
Heiter kam er noch als Fiedler,
Sein Gesinde trat den Reigen,
Und zu Lust und Tanz von hinnen
Rief sein Pfeifen, helles Geigen. – –
Thanatos, ach, ward ein Krieger,
Auf die Opfer Speere schwingend;
Ein Athlet, auf glattem Boden
Jeden Helden niederringend;
Thanatos, der edle Genius,
Ist zum Sensenmann verbauert,
Mäht den Menschen, einen Grashalm,
Der zur Erde niederschauert.
Fischer, mit dem leisen Köder,
Angelt er im Meer der Luft;
Legt uns Schlingen als ein Vogler,
Der mit falschen Stimmen ruft.
Nur noch feindlich naht der Wilde,
Drohend, ins Verderben lockend,
Auch dem Menschen wie ein Kobold,
Irrwisch auf dem Halse hockend.
Gräßlich naht uns mit der Sense,
Schreck- und Vorbild, das Gerippe;
Für ein mildes Lächeln hat es
Keine Wange, keine Lippe. –
So in wechselnden Gestalten
Macht der Tod die Erdenrunde;
Heute aber geht im Heere
Sigismunds die Schreckenskunde:
»Weil den Ziska, schlachtermüdet,
Leichter Schlummer überkommen,
Hat der Tod, ihn zu ersetzen,
Seine Rüstung umgenommen;
Denn unwiderstehlich jeden,
Der ihm naht im Schlachtgebraus,
Winkt der schwarze Helmbusch Ziskas
In die ewge Nacht hinaus.«
9.
Finster sitzt, abseit vom Heere,
Ein Hussit im Walde dort,
Einsam in des Baches Rauschen
Murmelt er sein Trauerwort.
Waschend in der Flut die Waffen,
Ruft er: »Heule, Bächlein, heule!
Ziska liegt im Zelte sterbend,
Schwingt nicht Lanze mehr, noch Keule!
Ziska liegt in seinem Zelte,
Sterbend liegt er auf dem Grunde;
Doch es ist kein Weibgeborner,
Der ihm schlug die Todeswunde.
Ha! wie kamen sie geritten,
Einen Kampf mit ihm zu wagen,
Hoch auf schwarzen, weißen Rossen;
Alle hat er sie erschlagen.
Ja, der Tod, der andre Männer
Niederschmettert und zerschellt,
Hat dem Ziska, dem Gewaltgen,
Feig und tückisch nachgestellt.
Heule, Bächlein, heult ihr Wälder,
Aller Welt den Schmerz zu melden,
Böhmen und der ganze Erdkreis
Sind verwaist des größten Helden.« –
Ziska tröstet die Betrübten,
Die an seinem Lager trauern:
»Brüder, heute werd ich sterben;
Doch die Taten werden dauern.
Denn es wird in späten Tagen
Unsern Leid- und Kampfgenossen
Stärkend aus Hussitengräbern
Trost und grüner Mut entsprossen.
Darum sollt ihr meinem Tode
Stark, nicht trüb und weich erscheinen;
Habt ihr nicht gelernt von Ziska,
Keinen Toten zu beweinen?
Seid gehorsam, wackre Brüder,
Meinem letzten Tagsbefehle:
Nehmt mein Sterben, nehmt mein Scheiden
Hin mit heitrer Kriegerseele.
Hochzeit ist in diesem Zelte,
Mit der Pest bin ich getraut;
Furchtbar war Johannes Ziska,
Furchtbar auch ist seine Braut.
Mit der Rache heißen Träumen
Hat kein Weib mein Bett geteilt,
Sie allein, von deren Kusse
Nimmer wird mein Herz geheilt.
Daß ein Teil von mir noch immer
In der Schlacht den Mut euch wecke,
Spannet lustig auf die Trommel
meines Leibes kalte Decke.
Ha! schon hör ich Schlachten brausen;
Fliehend geben sie die Sporen,
Da den Feinden mein Vermächtnis
Schrecken trommelt in die Ohren.«
Also sprach er, wieder sinkt er
In den Traum der Fieberhitze,
Tummelt mitten in der Feldschlacht
Seine Keul und Lanzenspitze.
Alle, die sein Arm getötet,
Tötet er im neuen Strauß,
Alle, die schon längst im Grabe,
Müssen noch einmal heraus.
Ja! heraus! heraus! Husaren!
Panzerdicke deutsche Reiter!
Ziska kolbt euch eure Tage
Kürzer und die Köpfe breiter.
Reichen Schnee zur Erde nieder
Ließ der Himmel Böhmens fallen,
Daß der Feinde Blut in grellem
Abstich möge drüber wallen.
Ziska bohrt die Lanzenspitze
Tief den Feinden ins Gedärme,
Daß vom Frost des harten Winters
Sich das Eisen gütlich wärme.
Der beglückte Wahn des Traumes
Gab ihm seine Augen wieder,
All die Pfaffen, Fürstenknechte
Schaut er klar und haut sie nieder.
Also träumt er, also kämpft er,
Bis die letzte Kraft geschwunden,
In der Schlacht ein Held verscheidend,
Unversehrt, unüberwunden.
Waldlieder
1.
Am Kirchhof dort bin ich gestanden,
Wo unten still das Rätsel modert
Und auf den Grabesrosen lodert;
Es blüht die Welt in Todesbanden.
Dort lächelt auf die Gräber nieder
Mit himmlisch duldender Gebärde
Vom Kreuz das höchste Bild der Erde;
Ein Vogel drauf, sang seine Lieder.
Doch kaum daß sie geklungen hatten,
Flog scheu zum Wald zurück der Wilde;
Ich sang, wie er, ein Lied dem Bilde
Und kehrte heim in meine Schatten.
Natur! will dir ans Herz mich legen!
Verzeih, daß ich dich konnte meiden,
Daß Heilung ich gesucht für Leiden,
Die du mir gabst zum herben Segen.
In deinen Waldesfinsternissen
Hab ich von mancher tiefen Ritze,
Durch die mir leuchten deine Blitze,
Den trüglichen Verband gerissen.
2.
Die Vögel fliehn geschwind
Zum Nest im Wetterhauche,
Doch schleudert sie der Wind
Weitab von ihrem Strauche.
Das Wild mit banger Hast
Ist ins Gebüsch verkrochen;
Manch grünend frischer Ast
Stürzt nieder, sturmgebrochen.
Das Heer der Wolken schweift
Mit roten Blitzesfahnen,
Aufspielend wirbelt, pfeift
Die Bande von Orkanen.
Das Bächlein, sonst so mild,
Ist außer sich geraten,
Springt auf an Bäumen wild,
Verwüstend in die Saaten.
Der Donner bricht herein,
Es kracht die Welt in Wettern,
Als wollt am Felsgestein
Der Himmel sich zerschmettern.
Der Regen braust; nun schwand
Das Tal in seiner Dichte;
Verpfählt hat er das Land
Vor meinem Augenlichte.
Doch mir im Herzensgrund
Ist Heiterkeit und Stille;
Mir wächst in solcher Stund
Und härtet sich der Wille.
3.
Durch den Hain mit bangem Stoße
Die Gewitterlüfte streichen;
Tropfen sinken, schwere, große,
Auf die Blätter dieser Eichen.
An ein banges Herzensklopfen
Mahnt mich dieser Bäume Schwanken,
Mahnt mich an Gewittertropfen,
Die aus lieben Augen sanken.
Muß ein großer Schmerz in Zähren
Sich entlasten unaufhaltsam,
Stürzen ihm die großen, schweren
Tropfen plötzlich und gewaltsam.
War die Träne noch zu fassen,
Kam sie nicht hervorgebrochen,
Denn der Schmerz will sie nicht lassen,
Will sie heißer, herber kochen.
O! es waren heiße, herbe,
Die aus ihren Augen quollen;
Und ich werde, bis ich sterbe,
Sehen diese Tränen rollen.
4.
Bist fremd du eingedrungen,
So fürcht Erinnerungen,
Sie stürzen auf Waldwegen
Wie Räuber dir entgegen.
Willst du im Walde weilen,
Um deine Brust zu heilen,
So muß dein Herz verstehen
Die Stimmen, die dort wehen.
In froher Kinder Kreise
Verjüngen sich die Greise,
Und Grambeladne werden
Noch einmal froh auf Erden.
Verjüngender doch wirken
In heimlichen Bezirken,
Im Schoß der Waldesnächte
Natur und ihre Mächte.
Hier quillt die träumerische,
Urjugendliche Frische,
In ahndungsvoller Hülle
Die ganze Lebensfülle.
Es rauschet wie ein Träumen
Von Liedern in den Bäumen,
Und mit den Wellen ziehen
Verhüllte Melodien.
Im Herzen wird es helle,
Und heim zum ewgen Quelle
Der Jugend darfst du sinken,
Dich frisch und selig trinken.
Sehnsüchtig zieht entgegen
Natur auf allen Wegen,
Als schöne Braut im Schleier,
Dem Geiste, ihrem Freier.
Tautropfen auf den Spitzen
Der dunklen Halme blitzen
Wie helle Liebeszähren,
Ein süß nach Ihm Begehren.
Sie schweigt in Sehnsucht lauschend,
Dann plötzlich, freudig rauchend,
Scheint selig sie zu spüren,
Daß er sie heim wird führen.
All ihre Pulse beben,
In ihm, in ihm zu leben,
Von ihm dahinzusinken,
Den Todeskuß zu trinken.
So lauscht und rauscht die Seele,
Daß Gott sich ihr vermähle,
Fühlt schon den Odem wehen,
In dem sie wird vergehen.
5.
Wie Merlin
Möcht ich durch die Wälder ziehn;
Was die Stürme wehen,
Was die Donner rollen
Und die Blitze wollen,
Was die Bäume sprechen,
Wenn sie brechen,
Möcht ich wie Merlin verstehen.
Voll Gewitterlust
Wirft im Sturme hin
Sein Gewand Merlin,
Daß die Lüfte kühlen,
Blitze ihm bespülen
Seine nackte Brust.
Wurzelfäden streckt
Eiche in den Grund,
Unten saugt versteckt
Tausendfach ihr Mund
Leben aus geheimen Quellen,
Die den Stamm gen Himmel schwellen.
Flattern läßt sein Haar Merlin
In der Sturmnacht her und hin,
Und es sprühn die feurig falben
Blitze, ihm das Haupt zu salben;
Die Natur, die offenbare,
Traulich sich mit ihm verschwisternd,
Tränkt sein Herz, wenn Blitze knisternd
Küssen seine schwarzen Haare. – –
Das Gewitter ist vollbracht,
Stille ward die Nacht;
Heiter in die tiefsten Gründe
Ist der Himmel nach dem Streite;
Wer die Waldesruh verstünde
Wie Merlin, der Eingeweihte!
Frühlingsnacht! kein Lüftchen weht,
Nicht die schwanksten Halme nicken,
Jedes Blatt, von Mondesblicken
Wie bezaubert, stille steht.
Still die Götter zu beschleichen
Und die ewigen Gesetze,
In den Schatten hoher Eichen
Wacht der Zaubrer, einsam sinnend,
Zwischen ihre Zweige spinnend
Heimliche Gedankennetze.
Stimmen, die den andern schweigen,
Jenseits ihrer Hörbarkeiten,
Hört Merlin vorübergleiten,
Alles rauscht im vollen Reigen
Denn die Königin der Elfen
Oder eine kluge Norn
Hält, dem Sinne nachzuhelfen,
Ihm ans Ohr ein Zauberhorn.
Rieseln hört er, springend schäumen
Lebensfluten in den Bäumen;
Vögel schlummern auf den Ästen
Nach des Tages Liebesfesten,
Doch ihr Schlaf ist auch beglückt;
Lauschend hört Merlin entzückt
Unter ihrem Brustgefieder
Träumen ihre künftgen Lieder.
Klingend strömt des Mondes Licht
Auf die Eich und Hagerose,
Und im Kelch der feinsten Moose
Tönt das ewige Gedicht.
6.
Der Nachtwind hat in den Bäumen
Sein Rauschen eingestellt,
Die Vögel sitzen und träumen
Am Aste traut gesellt.
Die ferne schmächtige Quelle,
Weil alles andre ruht,
Läßt hörbar nun Welle auf Welle
Hinflüstern ihre Flut.
Und wenn die Nähe verklungen,
Dann kommen an die Reih
Die leisen Erinnerungen
Und weinen fern vorbei.
Daß alles vorübersterbe,
Ist alt und allbekannt;
Doch diese Wehmut, die herbe,
Hat niemand noch gebannt.
7.
Schläfrig hangen die sonnenmüden Blätter,
Alles schweigt im Walde, nur eine Biene
Summt dort an der Blüte mit mattem Eifer;
Sie auch ließ vom sommerlichen Getöne,
Eingeschlafen vielleicht im Schoß der Blume.
Hier, noch Frühlings, rauschte die muntre Quelle;
Still versiegend ist in die Luft zergangen
All ihr frisches Geplauder, helles Schimmern.
Traurig kahlt die Stätte, wo einst ein Quell floß;
Horchen muß ich noch dem gewohnten Rauschen,
Ich vermisse den Bach, wie liebe Grüße,
Die sonst fernher kamen, nun ausgeblieben.
Alles still, einschläfernd, des dichten Mooses
Sanft nachgiebige Schwellung ist so ruhlich;
Möge hier mich holder Schlummer beschleichen,
Mir die Schlüssel zu meinen Schätzen stehlen
Und die Waffen entwenden meines Zornes,
Daß die Seele, rings nach außen vergessend,
Sich in ihre Tiefen hinein erinnre.
Preisen will ich den Schlummer, bis er leise
Naht in diesem Dunkel und mir das Aug schließt.
Schlaf, du kindlicher Gott, du Gott der Kindheit!
Du Verjünger der Welt, die, dein entbehrend,
Rasch in wenig Stunden wäre gealtert.
Wundertätiger Freund, Erlöser des Herzens!
Rings umstellt und bewacht am hellen Tage
Ist das Herz in der Brust und unzugänglich
Für die leiseren Genien des Lebens,
Denn ihm wandeln voran auf allen Wegen
Die Gedanken, bewaffnet, als Liktoren,
Schreckend und verscheuchend lieblichen Zauber.
Aber in der Stille der Nacht, des Schlummers,
Wacht die Seele heimlich und lauscht wie Hero,
Bis verborgen ihr Gott ihr naht, herüber
Schwimmend durch das wallende Meer der Träume.
Eine Flöte klang mir im Schlaf zuweilen,
Wie ein Gesang der Urwelt, Sehnsucht weckend,
Daß ich süß erschüttert erwacht' in Tränen
Und noch lange hörte den Ruf der Heimat;
Bliebe davon ein Hauch in meinen Liedern!
Schlaf, melodischer Freund, woher die Flöte?
Ist sie ein Ast des Walds, durchhaucht vom Gotte,
Hört ich im Traum des heiligen Pan Syringe?
8.
Abend ists, die Wipfel wallen,
Zitternd schon im Purpurscheine,
Hier im lenzergriffnen Haine
Hör ich noch die Liebe schallen.
Kosend schlüpfen durch die Äste
Muntre Vöglein, andre singen,
Rings des Frühlings Schwüre klingen,
Daß die Liebe ist das beste.
Wo die frischen Wellen fließen,
Trinken Vöglein aus der Quelle,
Keins will unerquickt zur Stelle
Seinen Tagesflug beschließen.
Wie ins dunkle Dickicht schweben
Vöglein nach dem Frühlingstage,
Süß befriedigt, ohne Klage,
Möcht ich scheiden aus dem Leben;
Einmal nur, bevor mirs nachtet,
An den Quell der Liebe sinken,
Einmal nur die Wonne trinken,
Der die Seele zugeschmachtet,
Wie vor Nacht zur Flut sich neigen
Dort des Waldes durstge Sänger;
Gern dann schlaf ich, tiefer, länger,
Als die Vöglein in den Zweigen.
9.
Rings ein Verstummen, ein Entfärben;
Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.
Von hinnen geht die stille Reise,
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die Vögel haben ausgesungen,
Und dürre Blätter sinken leise.
Die Vögel zogen nach dem Süden
Aus dem Verfall des Laubes tauchen
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die Blätter fallen stets, die müden.
In dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir, als hör ich Kunde wehen,
Daß alles Sterben und Vergehen
Nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.
Sechstes Buch
Nachlaß und Nachlese
Erste Gedichte
Glückwunsch
welchen Nickolaus Nimbsch. Seiner Schätzbarsten Mutter zu dem Neuen Jahre Gewidmet hat Anno 1814.
Itzt näherte sich uns das neue Jahr,
In welchen ich meinen Dank bring dar,
Vor all Ihre Wohltaten, O geliebten
Eltern, an mir den vorigen ausgeübten.
Ich Wünsche Ihnen Glück und langes Leben
Und bitte Gott damit er dießes möchte geben
Ich empfele mich der Mütterlichen Huld in der Noth,
Und bleib Ihr gehorsamster Sohn bis in Todt.
In einer Sommernacht gesungen
Sei mir gegrüßet, o Nacht, du Freundin stiller Betrachtung!
Sei der erwachten Natur erhabnem Genusse geheiligt!
Hoch auf luftigen Pfaden im weiten Himmelsgefilde
Wandelt der Mond und bescheinet die Flur, die vom Walde begrenzt wird,
Der mich schweigend empfängt, und hebet die nächtliche Feier.
Tiefe Stille ringsum – nur einsame Laute vernehm ich,
Die wie Töne des Traums dem schlummernden Walde entschweben,
Und mit rührender Macht, als wären es Sprecher des Himmels,
In die Seele mir dringen und wecken die schlummernde Gottheit.
Nacht! du enthebest das Herz der Macht betörender Lüste,
Und mit Zaubergewalt entstreifst du dem Auge die Binde,
Von der Leidenschaft um ihren Vasallen geschlungen.
Einem entheiligten Tempel gleichet die sündige Seele,
Der den Götzen geweiht, gefüllet mit Bildern des Wahns ist;
Doch dein Ernst, o Nacht! erreget des weiseren Lebens
Kräftigen Keim, das Denken ans letzte Verstummen des Menschen;
Denn vom bewegten Gemüt wird jede Erscheinung gedeutet.
Plötzlich birgt nun der Mond sich hinter die schleierne Wolke,
Dämmerungslicht verbreitend über die waldige Gegend,
Gleich dem Lichte Vernunft; auch dies wird vom Schleier gedunkelt,
Der den himmlischen Gast der irdischen Hülle verwahret.
Weiter verfolg ich den Weg, den gefallene Blüten bedecken.
Lange nicht währet die Blüte, es sinkt das schöne Gebilde,
Wenns den ätherischen Duft in die wogenden Lüft verhaucht hat.
Wie die Blüte des Baums muß sinken die Blüte der Schöpfung,
Sinken der Mensch; – doch gleicht er in allem der Blüte, und wird die
Menschliche Seele dereinst der Blüte verwehetem Hauch gleich?
Oder lebet sie fort und lebt, ohne je zu vergehen,
Immer sich weitend und inniger immer die Gottheit erfassend?
Seligster aller Gedanken! vielleicht gedacht auch vom Ewgen
Und gewecket in mir durch seinen empfindbaren Abdruck,
Durch die Natur! Doch jetzt hemmt liebliche Störung den Fortgang
Meiner Betrachtung, es ist das schmelzende Lied Philomelens.
Der begeisterte Vogel feiert nun jubelnd sein Dasein.
Wie mich der Strom melodischer Töne süß zwingend dahinreißt,
Wiegend die horchende Seel im Wechselschwunge des Wohlklangs.
Heil dir, herrlicher Sänger! als Schöpfungsgenosse verwandt mir,
Wie ein jegliches Wesen der großen Verbrüderung Mitglied!
(Schöne Ansicht der Dinge, sie knüpfet mit liebendem Bande
Uns an die Welt und ist die Mutter beständiger Freuden.)
An Mathilde
Schon verrauscht der Tag, und des Abends sanftere Seele
Fließt wie süße Musik sänftigend uns in die Brust.
Horch, Mathilde, wie leise der West durch Blüten dahinscherzt,
Leiser noch weht sein Hauch, kost er um deine Gestalt.
Sieh die Biene, sie wandelt von Blume zu Blume geschäftig,
Süße Bereicherung lockt weiter die summende stets;
Also wandelt die Seele dereinst von Blume zu Blume,
Welche zum strahlenden Kranz sich der Unendliche wand:
Also wandelt sie einst von Welten weiter zu Welten,
Näher dem liebenden Gott, liebender, göttlicher stets.
Aber die Wechselgestalten des Lebens, sie teilen nicht alle
Gleich der Unsterblichkeit Los, wenn uns der Ewige winkt;
Nur das Schönste des Lebens, worin der Himmel uns kund wird,
Nimmt die Seele mit fort, schwingt sie den Sternen sich zu.
Doch die trüben Gestalten verhüllt Nacht, ewige Nacht dann.
Heil der Stunde, die selbst dann noch uns wonnig umstrahlt!
O Mathilde, dein Auge voll himmlischer, tiefer Bedeutung,
Blickt mir ins Auge so ernst, und so entzückend zugleich,
Daß die Seele mir bebt, o Geliebte! ahnet dir etwa,
Daß auch diesen Moment hüllen nicht werde die Nacht?
Rezept
Rp. Von diesem romantischen Unsinn alle Stund 2 Eßlöffel voll
Gleichwie des Frühlings Sonnenblick
Den Busen der Natur durchglüht,
Dem neues Leben nun entblüht,
So traf auch mich dein Engelblick.
Er krönet all die stillen Stunden,
In denen ich dem Ideal gelebt;
Denn nun hat sich das Zauberbild gefunden,
Dem Wesen selbst die Brust entgegenbebt.
Wenn mich des Waldes düstre Nacht umschlingt,
Wo Zephir seufzend durch Gebüsche schleicht,
Wo sich die Seel ins Land der Träume schwingt
Und kaltes Denken der Empfindung weicht:
Da schwebt dein Bild vor meinen trunknen Blicken,
Und ich verliere mich in himmlisches Entzücken.
Erinnerung
Selige Stunde! Da mir meine Bertha
Mächtig ergriffen von der Liebe Sehnen
An den bewegten, ihr allein geweihten
Busen gesunken.
Nächtliche Stille lag auf Flur und Hain, es
Ruhten die Weste, um die leisen Seufzer
Nicht zu verwehn, dem Pochen unsrer Herzen
Lauschten die Sterne
Glühende Küsse bebten durch die Seele,
Innig umschlungen hielt ich dich, Geliebte!
Göttliche Bertha! Zierde meines Lebens!
Selige Stunde!
Das Rosenmädchen
1.
Ein Mädchen zart und engelrein
Erzog mit liebenden Sorgen
Sich Rosen, doch nur sich allein,
Denn tief im Haine verborgen,
Wo in der Quelle rauschenden Fall
Sich mengen die Lieder der Nachtigall,
Lag sanft erhöht
Das Rosenbeet.
2.
Da stand das Mädchen unschuldsvoll
Und schaut' mit Wonne die Blüten;
Und höher ihr der Busen schwoll,
Die Augen heller ihr glühten.
So sah ich das liebliche Mädchen dort,
Doch ewig blühen die Rosen nicht fort.
Des Mädchens Freud
Währt' kurze Zeit.
3.
Und als die Rosen nicht mehr blühn
Und nimmer flötet die Nachtigall,
War auch des Mädchens Lust dahin –
Sie stand am murmelnden Wasserfall,
Sie stand – von säuselnden Lüften umweht,
Und dachte mit Wehmut: daß alles vergeht,
Das Auge naß,
Die Wange blaß.
4.
Da naht ich freundlich ihr und sprach:
»Die Rose sinket wohl nieder,
Doch weine nicht der welken nach,
Es kehrt der Frühling ja wieder;
Und wie im Frühling das Leben erwacht,
So folgt auf des Grames düstere Nacht
Mit Sonnenblick
Das beßre Glück.«
Trias Harmonica
Drei Seelen hab ich offenbar,
Denn eine kann drei Dinge nicht
Zugleich vollbringen, wie sogar
Der weise Psychologe spricht.
Die eine hängt voll Liebesglut
An schönen Munds Korallenrand;
Die andre schwimmt auf Weinesflut
Hinüber an den Götterstrand;
Die dritt in freudigem Tumult
Braust ihre Dithyramben laut
Und schleudert ihren Katapult
Ans kalte Herz, metallverbaut.
So gehts, bis an den Bettelstab
Sie ihren Wirt, den Leib, gezehrt;
Bis jubilierend dann hinab
Die tolle Drei zur Hölle fährt.
Abendbild
Schon zerfließt das ferne Gebirg mit Wolken
In ein Meer; den Wogen entsteigt der Mond, er
Grüßt die Flur, entgegen ihm grüßt das schönste
Lied Philomelens.
Aus dem Blütenstrauche, der um das Plätzchen
Zarter Liebe heimlichend sich verschlinget:
Mirzi horcht am Busen des Jünglings ihrem
Zaubergeflöte.
Dort am Hügel weiden die Schafe beider
Traulichen Gemenges in einer Herde,
Ihre Glöcklein stimmen so lieblich ein zu
Frohen Akkorden.
Das Ideal
Tief in des Waldes heiligen Schatten saß
Ich, und der Stimme, welche zu edleren
Gedanken lädt im Laubgesäusel,
Horchte die Seele mit leisrem Ohre.
Und es ergriff mich schnell die Begeistrung,
Riß mich fort, – der Busen stürmete lauter mir,
Und weiter riß michs fort, als wollt es
Mich in der Welten Umarmung stürzen.
Schon hört ich nimmer säuseln das Eichenlaub,
Weit wich zurück die Erde mit meinem Grab;
Und jenseits war ich der Verwesung,
In dem Gefilde der Ideale.
Da schwebt' ein Mädchen lächelnd entgegen mir;
Wie aus gelüpftem Schleier der Abendwolk
Der Mond, so strahlte stille Tugend
Ihr aus dem himmlischen Angesichte. –
Donnergeroll jetzt zankte zurück mich, und
Ein kalter Tropfen fiel auf die glühende Stirn:
Da war mein Ideal dahin, – es
Strömte Regen herab vom Himmel.
O schönes Bild! oft sucht ich im Leben dich;
Doch hing die Seele sehnend nach dir hin, ach,
So flohst du mich, und meine Tränen
Netzten das flatternde Lockenhaar dir!
An einen Tyrannen
Tyrann! des Blutes, welches in Schlachten du
Vergossen kalt, das rauchte vom Henkerbeil,
Das, deinen Qualen zu entrinnen,
Strömte dein Sklave mit eigner Hand hin:
Des Blutes soll ein jeglicher Tropfen einst
Vor deinem Aug in streifender Ewigkeit
Aufschäumen, schwellen zum Vulkane,
Der von den Seligen streng dich scheidet!
Erwacht dann Sehnsucht heiß in der Seele dir
Hinüber in die Täler Elysiums,
Willst überklimmen du die Höhn, dann
Schleudern sie dich in die Tiefe donnernd!
Entgegen gleiße deinem entsetzten Blick
Ein Schneegebirg von Menschengebeinen, hoch;
Darüber bleich und unbeweglich
Starre des Mondes bekümmert Antlitz.
Dann stocke, schweige jenes Gebirg des Bluts,
Herüberklinge deinem verlaßnen Ohr
Das Wonnelied der Auserwählten,
Säuselnd, unendliche Sehnsucht weckend.
Doch plötzlich störe Kettengerassel dich,
Und Sterbgewinsel, das durch die Lüfte klagt,
Und heulend rolle dir die Windsbraut
Schädellawinen vor deine Füße!
König und Dichter
Stolz flammt ein König dort auf erhabnem Thron,
Befehl den Völkern winkt in die Fernen er,
Denn scheu vor ihm zurück stets weiter
Weichen die Grenzen des Reichs, und weiter.
Zum nahen Flug jetzt lüftet der schnelle Tod
Den Fittig, und – was flammte, das glimmt nur mehr:
Er rauscht heran – sein starker Flügel
Fächelt vom Throne herab die Asche. –
Dort singt ein Sänger hohe Begeisterung:
Die Welle horcht, Wald, Täler und Berge, selbst
Die Götter horchen, seliger, und
Sehnen vom hohen Olymp herab sich. –
Du winkst, o Tod; – er schweigt: der erstarrten Hand
Entsinkt die Leier; doch im Triumphe führt
Die Ewigkeit sein Lied davon, das
Zürnend die Stärkere dir entrissen.
An Seneca
Durchs enge Tal nachts irret ein Wanderer;
Dumpf braust der Waldstrom, drängt an die Klippenwand
Den Pfad, der mühsam durch Gesträuch und
Bodentragende Wurzeln fortkriecht.
Der laute Sturmwind kämpft mit dem Föhrenwald;
Der Felsensohn trotzt seiner Gewalt: nun stürzt
Zornschnaubend sich der Rückgeworfne
In das Gefummel des Wogenkampfes.
Erstorben sind am Himmel die Lichter rings,
Der Sturm entfacht auf seltne Momente nur
Der Asche des Gewölkes einen
Funken, der spärlich herunterdämmert.
Die Nacht ist wild, mit wachsender Macht empört
Sturm sich und Strom! der Wanderer bebt, und weilt,
Und zaget vorwärts, zu verschlingen
Droht ihn der schwellenden Wogen Andrang.
Wie sehnt ins Heimatland sich die Seele dir!
Wie sucht dein Aug, o Wandrer, den lieben Mond!
Er bricht hervor dort und beleuchtet
Freundlich dir, eile! des Tales Ausgang!
So leuchte mir, wenn Stürme den Lebenspfad
Begraben einst in finstere Nacht, dein Strahl,
O Seneca, geleite freundlich
Mich ins elysische Feld hinüber!
Bettlers Klage
Bin einsam, schwach und alt,
Mich hüllen Lumpen ein,
Wie bläst der Wind so kalt,
Geht mir durch Mark und Bein.
Ich bettle vor der Tür,
Und hab ich lang gefleht,
So tönt es oft herfür:
»In Gottes Namen geht!«
Da fährt durchs hohe Tor
Ein Herr, – der Rosse Huf
Verstampfet seinem Ohr
Des Bettelmannes Ruf.
Die Dame wendt den Blick
Voll Ekel von mir; ach,
Mein schreckliches Geschick
Fühl ich dann siebenfach!
In der Nacht
Alles schläft, und übers Gefild der Ruhe
Wandelt leisen Schrittes dahin des Lebens
Genius; sanft schimmert vom Weltendom die
Lampe des Mondes.
Sieh! den ernsten Zügen des Gotts entringet
Holdes Lächeln sich, denn er sieht die Lieben
In des Schlafes süßer Umarmung ihrer
Qualen vergessen.
Hüll in deine Schatten mich tief, geliebte
Linde, daß die kummergebleichte Wange
Und die bange Träne sein holdes Lächeln
Nimmer verscheuche!
Ach, schon dreimal sank dir die Blut, o Linde,
Seit der Stunde, wo das Gespräch der Freunde
Von Unsterblichkeit du behorchtest, und ein
Sanftes Gesäusel
Durch dem mondversilbertes Laub uns Hoffnung
In die Seele goß, daß wir einst uns wieder
Finden; – dreimal welkte der Halm am Grabe
Meines Geliebten!
Bruchstück einer Ode
Der Stadt Getös ward banges Gemurmel, und
Es schlagen mattern Schlages die Pulse nun
Des vielgeschäftgen Lebens, – schrecklich
Hallt noch im Ohre das Donnerwort ihr. –
Klagt, Glocken, klagt! Der Herrliche sank! mit ihm
Das große Werk des Brüdervereins der streng
Geschiedenen Völker! – Hülle tiefer,
Tiefer, o Seele, dich ein in Wehmut!
Der geldgierige Pfaffe
Der Pfaffe weiß mit Dampf, Gesang und Glocken,
Mit Mummerei, Gebärd und schlauem Segen
Den Pöbel zum Guckkasten hinzulocken,
Worin sich Höll und Himmel bunt bewegen.
Derweil, entzückt, der Pöbel, und erschrocken,
Ans Wunderloch nun tut das Auge legen,
Umschleichet ihn der Pfaffe, aus den Taschen
Die schweißgetränkten Kreuzer ihm zu haschen.
Das Veilchen und der Schmetterling
Ein Veilchen stand
An Baches Rand,
Und sandte ungesehen
Bei sanftem Frühlingswehen
Süßen Duft
Durch die Luft.
Da kommt auf schwankendem Flügel
Ein Schmetterling über den Hügel
Und senket zur kurzen Rast
Zum Veilchen sich nieder als Gast.
Schmetterling
Ei! Veilchen! wie du töricht bist,
Zu blühn, wo niemand dein genießt!
Veilchen
Nicht ungenossen blüh ich hier,
Ein Schäfer kommt gar oft zu mir
Und atmet meinen Duft und spricht:
»Ein solches Blümchen fand ich nicht,
Wie Veilchen du! auf Wiesen, Auen
Ist keines mehr wie du zu schauen!«
Schmetterling
's ist schöner doch, glaub meinem Wort
Zu blühn auf freier Wiese dort,
In jener bunten Blumenwelt, Als hier im dunklen Schattenzelt!
Veilchen
Hier bin ich meines Schäfers Wonne,
Dort aber bleichet mich die Sonne,
Und ohne Farbe, ohne Duft,
Find ich zu früh dort meine Gruft.
Drum blüh ich in der Einsamkeit,
Wenn auch nur Einer mein sich freut.
Die Mutter am Grabe ihres Kindes
Husch! husch! wie braust der kalte Wind
Über beschneite Gräber her!
Unter dem Schnee da liegt mein Kind,
In meinen Armen nicht mehr!
Wie seufzt das Totenkreuz so bang
Vom Sturm geschüttelt hin und her!
Ach! als die Totenglocke klang,
Wie ward der Mutter so schwer!
O weh! nun liegt mein armes Kind
In der Erde tief verscharrt!
Über dem Grabe weht der Wind,
Die Träne zu Eis mir erstarrt!
Der Wangen schöne Röselein
Zerknickte der grause Tod so bald!
Und die holden Äugelein
Sind geschlossen und kalt!
O weh! nun liegt mein armes Kind
In der Erde tief verscharrt!
Über dem Grabe weht der Wind,
Die Träne zu Eis mir erstarrt!
Dahin!
Einst, o nächtlicher Himmel! blickt ich
Selig empor zu dir, umschlungen
Von der Geliebten, und ich weinte
Dank dem ewigen Gott!
Und sie pflückte mit Küssen mir die
Blüte der Wonne von der Wang, und
Mächtiger zog ich die Geliebte
An die klopfende Brust.
Doch nun sind sie dahin! die Stunden
Seliger Lust; und ach! nun weht der
Brausende Sturm die heiße Träne
Banger Wehmut dahin!
Erinnerung
Erinnrungsvoller Baum, du stehst in Trauer;
Dein Laub ist welk, mein Leben ist es auch.
Mein Herz durchziehen bange Wehmutschauer,
Wie dein Gezweig des Herbstes kühler Hauch.
Hier saßen wir in abendlicher Stille,
Sanft bebte über uns dein flüsternd Grün,
Auf jenen Höhn, die nun in Nebelhülle,
Verweilte noch der Sonne letztes Glühn.
Wie selig hielt das Mädchen ich umfangen
Und horchte ihrem leisen Liebesschwur;
Und holder lachten uns die Blütenwangen
Der auferwachten göttlichen Natur.
Doch hatte kaum der Lenz die sanfte Seele
Verhaucht und seine Blüten hingestreut,
Kaum war verhaucht im Hain die süße Kehle:
War auch dahin der Liebe Seligkeit.
O traure, Herz, vorüber sind die Tage,
Da liebend dir ein Herz entgegenschlug,
Die andern schleichen hin in stiller Klage,
Der toten Liebe finstrer Leichenzug.
An die Hoffnung
Hoffnung! laß allein mich wallen,
Gaukle nicht um meine Bahn!
Deine Sterne sind gefallen,
Und mich täuscht kein holder Wahn!
Dieser streckt nach einer Krone
Seine Hand verwegen aus;
Doch ihn stoßt der Tod mit Hohne
In sein enges, kühles Haus.
Und ein andrer hat errungen,
Was der erste nur gewollt;
Hat die höchste Höh erschwungen:
Throne wanken, wenn er grollt.
Hoffnung! o warum entzündest
Du sein Herz zum stolzen Plan,
Da du schmeichelnd ihm verkündest
Einen Weltteil untertan?!
Über Völkern klirrt die Kette,
Da sein Schritt nach Osten stürmt;
Bang ruft eins dem andern: rette!
Von der Schreckensmacht umtürmt.
Nun ergreift ihn sein Verhängnis,
Reißt ihm Krön und Purpur ab,
Schleudert ihn ins Meergefängnis;
Bald verschlingt ihn dort sein Grab. –
In der Nächte stiller Feier
Hebt der heiligen Natur
Kühn ein Forscher ihre Schleier
Und verfolget Gottes Spur.
Denn du lassest schön erglänzen
Ihm ein Mal der Ewigkeit,
Enkel seine Gruft bekränzen; –
Und ihn lohnt – Vergessenheit!
Nach der Liebe treuem Glücke,
Das er nirgends finden soll,
Kehrt ein andrer seine Blicke,
Dir vertrauend, sehnsuchtsvoll.
Ach, sie liebt ihn, der Entglühte
Hält sie wonnevoll umstrickt;
Doch der Liebe zarte Blüte
Wird im Rausche bald zerknickt! –
All dein Wort ist Windesfächeln;
Hoffnung! dann nur trau ich dir,
Weisest du mit Trosteslächeln
Mir des Todes Nachtrevier!
Bei Gelegenheit einer ländlichen Unterhaltung in Bordacs
Die Göttin des Glücks
Was rauscht durch diese Pappeln? – horchet, Brüder!
Als naht' ein Genius aus Himmelshöhn
Und senkte sich auf ihre Wipfel nieder,
So rauscht es durch den Hain mit leisem Wehn.
Welch Schimmer! ha! mich faßt ein süßes Bangen!
Ein Mädchen seh ich dort am Schattenrand
Mit güldnem Fittig, rosenroten Wangen,
Ihr Antlitz ist uns lächelnd zugewandt.
Die Göttin ists des Glücks! o Brüder, eilet
Und rafft ihn auf, den frohen Augenblick,
Solange noch ihr rascher Flügel weilet;
Denn der verlorne kehret nicht zurück!
Es kommt ein Tag, die frohe Lust verklinget,
Es zieht die Göttin fort im schnellen Flug;
Und diese Hand, die jetzt den Becher schwinget,
Hält bebend den betränten Aschenkrug.
Drum soll, solang das Mädchen dort uns lächelt
Und manches andre noch, solang der Wein
Noch schmeckt, die Wange Frühlingsluft umfächelt,
Der eitle Gram von uns geächtet sein!
Das Glas gefüllt! Es lebe hoch die Freude
In Euren Herzen! und die Priesterin
Der Freude lebe hoch! die hier uns heute
An ihren Altar rief mit frommem Sinn!
Was Ihr auf Erden Liebes habt, es lebe!
Die Maid, die Euch mit Küssen labt, sie lebe!
Der Freund, der mit Euch lacht und weint, er lebe!
Der Tag, der wieder uns vereint, er lebe!!!
Die bezaubernde Stelle
Liebende, die weinend mußten scheiden, –
Wenn nach heißer Sehnsucht langen Leiden
Sie ans Herz sich endlich dürften pressen,
Würden sich zu küssen hier vergessen.
Abschied von Galizien
Nach dem Polnischen des N. Boloz von Antonievicz
Lebt wohl, lebt wohl, ihr trauten Lindenbäume,
Die ihr ans stille Vaterhaus euch schmiegt!
Ihr seid die Zeugen meiner Jugendträume,
In die mich euer Flüstern oft gewiegt.
Nahm auch dem Knaben einst auf Augenblicke
Ein eingebildet Unglück seine Ruh,
Und kam er trostlos dann zu euch zurücke,
So rauschtet ihr ihm Trost und Freude zu.
Von meinen frohen Spielen seid ihr Zeugen,
Von meinem raschen, leichten Jugendsinn;
Nun säuselt Wehmut mir aus euren Zweigen,
Die Tage meiner Jugend sind dahin!
Sie sind dahin! – Ein Knabe noch vor Jahren,
Nehm Abschied heute ich als Mann von euch;
Ich ziehe fort zu Taten und Gefahren,
Es gilt der Tyrannei den Todesstreich.
So lebet wohl! – Du Werkzeug meiner Spiele,
Das einst ich trug, du kleines Schwert von Holz!
Sei nun ein Blitz in der Gewitterschwüle,
Du Ritterschwert, sei des Sarmaten Stolz!
Lebt wohl, Geschwister! mög euch Gott bewahren!
Ich bin ein Pole bis zum letzten Hauch!
Hurra! ihr vaterländschen Heldenscharen!
Leb wohl, du mein geliebtes Mädchen auch! –
Schmach, Jüngling, dir! hält dich der Glanz von Tränen
Zurück vom ewig hellen Waffenglanz!
Dir, Jungfrau, Schmach! die du, bei Polens Sehnen
Nach Freiheit, nun empfängst den Myrtenkranz!
Schmach, Mutter, dir! den du zur Schmach geboren,
Umklammre deinen Sohn! entlaß ihn nicht!
Der Freiheit Ruf schlug nicht an seine Ohren,
Er fühlt für Polen keine Kindespflicht!
Dem Vater Schmach! – – doch dort, mit Silberhaaren
Wer ist der schwache Greis in Kriegertracht?
Du Alter, läßt du Weib und Kinder fahren?
Kehrst du vom Grabe um und wankst zur Schlacht?
»Ich habe Weib und Kinder Gott befohlen!
Mein Haupt ist weiß, es zittert meine Hand;
Doch kämpf ich mit den heilgen Kampf der Polen:
Wohl mir! ich folge meinem Vaterland!
Und möge nicht mein Vaterland verschmähen
Des schwachen Greises ärmlichen Tribut:
Dies treue Herz, das bald wird stille stehen,
Und, der es noch erwärmt, den Tropfen Blut.«
So opfre ihn! komm, komm zu jenem Hügel,
Den unsre Scharen decken, eilen wir!
Der weiße Adler lüftet seine Flügel,
Bald wird sein Auge flammen für und für!
Lebt wohl, Geschwister! mög euch Gott bewahren!
Mir nach! wer Pole bis zum letzten Hauch!
Hurra! ihr vaterländschen Heldenscharen!
Leb wohl, du mein geliebtes Mädchen auch!
O weine nicht, bin ich dir nun entschwunden,
Und teile mit der Freiheit du mein Herz;
Sie sei Gespielin dir in bangen Stunden,
Und sterb ich, mag sie trösten deinen Schmerz!
Mein Liebchen, ich empfehle dich dem Himmel!
Hurra! Sieg oder Tod im heilgen Streit!
Kanonendonner pocht im Schlachtgetümmel
Wild an die Pforten schon der Ewigkeit! –
Auf dem Hochberg
(12. Juli)
An Agnes
Die Gletscher glühen in dem goldnen Lichte
Und rötlich glänzt die Felsenwand,
Um diese Gipfel wehen Traumgesichte,
Aus frühen Tagen mir bekannt.
Im Purpurmeer seh ich den Nachen treiben:
Die Sonne spiegelt sich im weiten See.
Am fernen Kloster zähl ich alle Scheiben,
Im Herzen wird mirs wohl und weh.
Es locken Täler hinter Felsentoren,
Ein Sehnen faßt mich im Gemüt,
Nach Glück, besessen – nie – und nie verloren,
Verwelkt und niemals doch erblüht!
Den Blick laß in die blaue Ferne tauchen
– Dort ist es nicht, nur Trug und Pein!
Da unten, wo die stillen Hütten rauchen,
Da muß es oder nirgend sein!
Auf Alpenhöhe mit dir, Seelenschwester,
Im Abendschein ich schweigend stand,
Nicht reden könnt ich, drückte fest und fester
Nur deine liebe, treue Hand.
Die Glocken riefen zum Gebet die Müden,
Und aller Zauber der Natur
Kam über uns mit seinem tiefen Frieden,
Doch blieb auch eine Wehmutspur.
Wann stehen wir wie jetzt so eng verbunden
Wohl wieder in dem Abendstrahl,
Wann bringen späte Jahre solcher Stunden
Verein im grünen Alpental?
Bald wird der Abschied mir die Brust zerschneiden,
Vom Vaterland, vom Vaterhaus.
Getrennt von dir, muß Herzensfrost ich leiden,
Zur Fremde treibt es mich hinaus.
Du bist mir mehr als meine Heimatschwelle,
Dein Herz ist mir ein Heilgenschrein,
Mir wie dem müden Pilgrim die Kapelle;
Ich legte Wonn und Schmerz hinein!
Wir werden oft uns, einst gewiß ach! trennen,
Vereint doch sein in Lieb, Gebet.
Wir werden wieder sehen uns, erkennen:
Ein Trost ist dies, der fest besteht.
Ausfahrt
Frau von Reinbeck
Ich hab es lange schon gewußt:
Ein tiefer Zauber wohnt in dir.
Wie hast du süße Märchenlust
Noch eben erst erschlossen mir!
Hast mich gewiegt in Frühlingstraum,
Trotz Schnee und strenger Winterszeit;
Im Blätterschmucke Baum an Baum –
Wie lieblich lockt Waldeinsamkeit! –
Du stiller Liebling der Natur!
Ihr Rätsel hast du tief geschaut,
Und was sie schafft auf Berg und Flur –
Dir hat sie alles anvertraut.
»Die Heimwehkranken heile du,
Ich lehrte dir die Wunderschrift!« –
So ruft sie dir im Traume zu,
Und ahnend greifst du nach dem Stift. –
Gehorsam deinem Genius,
Dir senden Farbe, Licht und Luft
Durch Schnee den leisen Maienkuß
Im schwesterlichen Blütenduft.
Hesperien! Du treues Herz!
Wenn wir erstarrt im Lebensfrost,
So winkst doch du uns himmelwärts,
So hast du Sonne, Lieb und Trost.
Mit Orangen
Hier bring ich süße Früchte,
Die auf gar ferner Au,
Dort unter jenem Himmel
Gereift, der ewig blau.
Wenn du sie wirst genießen,
So werden sie dir gern
Den freien Blick erschließen
In weite Länderfern.
Du denke dir die Bäume,
Die sie erzogen groß,
Das saftig-dunkelgrüne
Laubwerk, das sie umschloß,
Wie sie wohl mochten winken
Hell aus der Blätternacht,
Wie Edelsteine blinken
Aus dunklem Bergesschacht.
Du denk dir die Olive,
Wie sie ihr Grün, so licht,
Mit der Zypresse Dunkel
Zu buntem Kranze flicht.
Du denke dir die Pinien,
Gewaltig, breit und dicht,
Der Pappeln schlanke Linien
Zum Himmel aufgericht.
Die Rebe, die die Stämme
Mit süßem Netz umringt,
Die leicht von Baum zu Baume
Die Liebesketten schlingt.
Denk dir die Rosen glühend
Im schönsten Purpurschein
Und süße Düfte sprühend
Durch nächtlich dunkeln Hain.
Denk dir die Pracht des Kaktus,
Die blühnde Aloe
Und drüber hin die Palme,
Strebend hinauf zur Höh!
Sieh, Schmetterlinge fliegen
Durch all die Blumen hin
Eidechsen, die sich wiegen
Auf Rosen, goldengrün.
Denk dir durch dieses alles
Der Lüfte leisen Tanz
Und über diesem allem
Des Mondes Zauberglanz,
Der wandelnd still und milde
Im Äther, wolkenlos,
Sich unten schau im Bilde
Aus blauem Meeresschoß.
Und durch die See hin fahre
Ein Nachen, fischervoll,
Aus dem die Barkarole
Dir lustig schallen soll,
Wechselnd mit frohem Lachen
Aus süßer Mädchen Mund,
Die, schaukelnd sich im Nachen.
Schauen in Meeres Grund.
Mit unaufgeblühten Blumen
Der Frühling ist gekommen,
Er zieht durch sein Revier,
Du hast es nicht vernommen
Im Krankenzimmer hier,
Wie er durch seine Strahlen
Den Winter ganz vertrieb,
Daß ihm in Berg und Talen
Nicht eine Stätte blieb,
Wie er den Grund erschlossen
Und alle Keime weckt,
Daß man ein lustig Sprossen
Schon überall entdeckt.
Doch um dir zu ersetzen,
Was unterdes dahin,
Schickt er, dein Äug zu letzen,
Dir dieses frische Grün.
Er schickt dir diese Pflanzen,
Daß sie dir ungefähr
Anzeigten, wie's im ganzen
Nun aussieht rings umher.
Zwar sind noch leider offen
Die schönen Blüten nicht,
Doch steht es wohl zu hoffen,
Daß bald die Knospe bricht.
So hoff ich, daß dein Leben
Die Krankheit brech entzwei,
Daß es in regem Streben
Erblühe frisch und neu,
Und hoff, wenn aufgegangen
Der Kelch der Blumen ganz,
So sollest wieder prangen
Auch du im Blumenglanz.
Doch aller Schein der Sonnen,
Der Blüten schönstes Rot
Und alle Frühlingswonnen
Sind für uns hin und tot,
Wenn Gott, der gnadenreiche,
Dies eine nicht erteilt,
Daß er von schwerer Seuche
Die liebe Mutter heilt.
Drum wünsch ich dir dies eine
Nur zum Geburtstag heut,
Daß bald ihr im Vereine
Frisch und genesen seid.
Charade
Die ersten Silben nennen dir den Fluß,
Nach dessen schönem Strande
Aus fernem, fernem Lande
Ertönen wird mein sehnsuchtsvoller Gruß.
Die dritte bildet dir dein Haus im Leben,
Und wird, bist du geschieden
Zum ewigstillen Frieden,
Auf deinem Hügel ehrend sich erheben.
Der Hauch der letzten ist dem Herzen eigen,
Wenn ihm das Wort gebricht,
Doch tief die Liebe spricht
In ihrer Sehnsucht selig bangem Schweigen.
Das Ganze zeigt ehrwürdiges Gemäuer
Vier alternder Ruinen
Mit schwesterlichen Mienen,
Die meiner Seele als Erinnrung teuer.
Nie zurück!
Als der Cherub aus dem Paradies
Ihn und seine Klagen streng verwies,
Weinte Adam noch am Gartensaume
Still zurück nach seinem schönen Traume.
Und durch einen weichen Morgenwind
Sandten Rosen ihm erbarmungslind
Duftend ihre süßen Scheideküsse,
Paradiesesvögel letzte Grüße.
Wie er trauernd an der Grenze stand,
Wie er tief das ›Nie zurück!‹ empfand! –
Mich durchdrangen alle seine Leiden,
Als ich mußt auf immer von dir scheiden.
Mir auch ward zum milden Scheidegruß
Deiner Lippenrosen noch ein Kuß,
Und wie Edens Vögel ihn umsungen,
Kam dein Lebewohl mir nachgeklungen.
Ein Heimatbruder!
Der Wandrer, irrend in der Ferne,
Wo fremd das Tier, der Baum, das Kraut,
Wo fremd die Nacht und ihre Sterne,
Wo fremd und tot der Menschenlaut,
Wie fühlt er sich allein, verstoßen,
Wie jauchzt sein Herz im fremden Land,
Wenn plötzlich er den Sprachgenossen,
Den heimatlichen Bruder fand!
Protest
Wenn ich verachte heimliches Verschwören,
Und wenn ich hasse Meuchelmörderhand,
Wenn in des Volkserretters Ruhmgewand
Verhüllte Schufte meinen Groll empören,
Reih ich das Königstum den Himmelsgaben,
Verlaßner Völker Vaterhaus und Hort.
O glaubet nicht, ich liebe drum sofort,
Was jetzt und hier an Königen wir haben.
O glaubet nicht, ich führe keinen Zunder
Im Herzen für des Zornes edle Glut,
Tritt wo ein Fürst sein Volk im Übermut,
Noch daß ich ehren kann gekrönten Plunder.
Nie wird mein Flügelroß zum Schindergaule
Für meine Ehre, und mich strafe Gott,
Sing ich ein Fürstenlied, daß mir, zum Spott,
Die Hand vom Saitenspiel herunterfaule.
Frl. von Hünersdorff ins Album
Gleichwie Nachtlüfte wehn in Blütenhagen,
Wehmütig säusem, doch kein Blatt entführen;
Wie Nachtigallen in den Büschen klagen,
Doch keine Rose je zu Tode rühren,
So soll, Verehrte, meiner Lieder Trauern
Durch deine reichen Freudenblüten schauern.
An Wilhelm Kirchhoff
zu freundlicher Erinnerung. Der Verfasser
In einen Band seiner Gedichte
Kirchhoff! wandelt auch von dannen mein Gebein,
Laß mich tief in dir begraben sein.
An Fräulein Julie
zu ihrem Geburtstage
Als du gingst auf eine Reise,
Tratst du noch in deinen Garten,
Jeder Blume deiner Pflege
Noch ein Lebewohl zu sagen.
Als du warst davongezogen,
Tränkte sie der frische Quell auch,
Neigten trauernd sich die Blumen,
Und sie waren nicht zu trösten.
Wie du pflegst des Frühlings Kinder,
Pflegtest du das Kind der Schwester
Und das edle Reis des Herbstes:
Deinen lieben alten Vater.
Sei gesegnet, meine Freundin!
Froher blühn die Blumen, schöner,
Die du pflegst mit treuen Händen,
Und die Menschen leben lieber.
Der Laudachsee
Ein Bruchstück
Laß meiner Einsamkeit das Angedenken
Der schönsten Stunden jetzt vorüberziehn,
Die mir das Erdenleben durfte schenken,
Geist der Natur! der öden Gegenwart entfliehn
Und in Erinnerungen mich versenken,
Zeig mir den See im stillen Felsentale,
Von Schilf und Wald die Ufer rings umsäumt,
Der Felsenhäupter Glühn im Abendstrahle,
Den Rasensitz, wo ich so süß geträumt.
Komm du auch, meine Freundin Phantasie,
Erweck mir Echos Geisterchöre
In dieser Heimat der Melancholie,
Daß ich durch sie jetzt alles wieder höre,
Was damals wie aus schönern Welten mir erklang
Und in die tiefste Seele drang.
Begraben will ich in des Sees Gruft
Und ihrer Dunkelheit vertrauen meine Leiden,
Ob dann die Zeit auch wieder wach sie ruft;
Nie wird mein Herz von dieser Stelle scheiden,
Wo einst so schöne Stunde mir gelacht
Und überglänzt hat meines Lebens Nacht.
Wie nun dies Bild vor meiner Seele schwebt,
Helft mirs zutage fördern, daß es lebt,
Ihr mächtgen Geister, gebt ihm eure Weihe,
Daß ihre Sprache auch Natur ihm leihe.
Vergönnt euch dann ein freundliches Geschick,
Daß eines Auserwählten warmer Blick
Befriedigt, angezogen drauf verweilt
Und im Erkennen die Empfindung teilt,
Die es beseelt; – dann saget laut,
Ihr Wald- und Felsenstimmen, was euch ward vertraut.
Wien
Impromptu
O Einsamkeit! wie trink ich gerne
Aus deiner frischen Waldzisterne!
Traum
Ein Bruchstück
Nächtlich hatt ich einen Traum,
Liebe Mutter, einen guten,
Ob wir unter einem Baum,
Wanderungsmüde, beide ruhten.
In den Schoß zu süßer Ruh
Legt ich dir mein Haupt, das schwüle,
Und du fächeltest mir zu
Eine himmlisch süße Kühle.
Ahnung faßte mir das Herz,
Daß es würde besser werden,
Und ich fühlte himmelwärts
Mich gehoben von der Erden.
Sitze nieder, will mein Haupt
An die treue Brust dir legen,
Daß es fühle, lang beraubt,
Deiner Liebe Himmelssegen.
An die medisierenden Damen
Sproßt ihr wie des Frühlings junge Triebe,
Ahmt die Wange seiner Rosen Glut,
Soll das Herz auch ahmen seine Liebe,
Wie das Herz des Frühlings – mild und gut.
Medisiert das Blümlein auf der Wiese,
Seinem un verlernen Paradiese?
Tuns im Wald die jungen, grünen Blätter,
Wenn sie beim Gedröhn der Frühlingswetter
Wonnig rauschen und zusammenschauern?
Geht und lauscht und lernet euch bedauern!
Liebe singt der Vogel von den Zweigen,
Und im frohen Jugendreigen
Rauben liebestrunken Maienlüfte
Aufgeblühten Blumen ihre Düfte;
Aber keinen guten Namen.
Medisiert nicht, junge Damen!
Saß ich einst in einem Mädchenkreise,
Da begann in ihrem Blütenkranze
Erst geheim zu zischeln, klug und leise,
Doch bald laut die Schlange: Medisance.
Und sie rümpften ihre feine Nase,
Ekel zuckte mancher Rosenmund,
Weil ein Name, wacker und gesund,
Von dem Biß der Schlange ward zum Aase. –
Ist der Name krank, so laßt den kranken
Ungeneckt an euch vorüberwanken;
Wollt ihr lindern nicht die Namenswunde
Mit des Frauenmitleids weichem Öle,
Laßt ihn ziehn; doch nicht in eure Runde
Reißt ihn als in eine Räuberhöhle! –
Wandelt ihr im Herbste eurer Tage,
Ist in jedem Mienenzug zu lesen
Des Verwelkens untröstbare Klage,
Daß ihr nimmer seid, was ihr gewesen;
Dann, ihr Damen, lernt vom Herbst die Wehmut,
Lernet die gedankenvolle Demut,
Nehmet mit Bedacht
Euer Grab in acht,
Statt in andrer Fehler schnöd zu kramen;
Medisiert nicht, alte Damen!
Fliegt ein schuldlos Vöglein unbewußt
Über Guas-Upas giftgen See,
Stürzt es schnell, die liedervolle Brust
Ist verstummt in bittrem Todesweh.
In den Borden eurer Kessel, Kannen
Flutet Guas-Upas: Tee, Kaffee,
Und es zog kein Name heil von dannen,
Dessen Flug verirrt an diesem See;
Klang der arme Flattrer auch
Erst im heimatlichen Strauch
Wie das Lied des Vogels rein und gut,
Stürzt er tot in eure braune Flut. –
Aber, gilt es auch nicht gleich den Namen,
Noch vor einem hütet euch, ihr Damen:
Flieht auch vor dem spöttischen Belächeln,
Diesem Schleicher, weichbesohlten Diebe,
Diesem Vampir, der mit leisem Fächeln
Lullt in Schlaf die Achtung und die Liebe;
Wenn sie einnickt, aus den Adern ihr
Saugt das Herzblut mit verstohlner Gier!
Mit einem Edelmardermuff
Schöne Frau! die ich verehre,
Wenn ich ein Naturgeist wäre,
Würd ich heut zur Weihnachtspende
Für die vielgelobten
Kunst- und fleißerprobten
Blumenschöpferischen Hände
Nicht das Fell des Marders geben;
Nein! zum Schutz vor Frostesqualen
Würde ich aus Frühlingssonnenstrahlen
Einen Zaubermuff dir weben.
Der Fingerhut
Hast du noch immer nicht gefunden den teuren, teuren Fingerhut,
Um den du plötzlich aufgesprungen
Und meinen Armen dich entrungen?
Ich ließ dich fahren mit verbißner, doch wahrlich nicht geringer Wut.
War ich ein Forscher, sprach ich trocken:
Indes du 's Hütlein suchst erschrocken,
Such ich, worauf das Herz des Weibes, das wandelbare Ding, beruht?
War ich ein Schwärmer, rief ich fluchend:
O wär ich doch, den Rhein besuchend,
Ertrunken in den tiefsten Wirbeln der weitverrufnen Bingerflut!
Als Egoiste würd ich sprechen:
Das Hütlein schützt sie vor dem Stechen,
Ich wills mit meinem Herzen halten, wie sie mit ihrem Finger tut,
Ich leg ans Herz, daß sie's nicht raube,
Mir eine Sturm- und Pickelhaube,
Das ist für ihre Liebesblicke, die scharfen Herzdurchdringer, gut.
Doch bin ich nichts davon und sage:
Such überall herum und frage;
Kannst doch das Meer nicht meiner Liebe ausschöpfen mit dem Fingerhut,
Hat die Romantik deiner Liebe auch Platz in einem Fingerhut.
Albumblatt
Bedenk, wenn Undank herb dich kränket,
Daß dankbar bis zum letzten Hauch
Der Mensch nur dann der Huld gedenket,
Wenn Wohltat ihn gebessert auch.
Poetisches Votum
an die verehrte Frau Hofrätin v. Kleyle, über den herzkläglichen Unfall, welcher sich in deroselben berühmten Speisekammer ereignet hat in der Nacht vom 10. auf 11. Oktober, im Jahre diesmal des Unheils 1837, zu Penzing in der Schmiedgasse
Es füllt die Speisekammer
Ein bitterlicher Jammer,
Und wohl mit Fug und wohl mit Recht,
Denn wie die Welt geworden schlecht,
Zeigt sich ein schnöd Exempel
In diesem Magentempel.
Die Mutter steht betroffen
An den beraubten Brettern
Und ruft in Zorneswettern:
»Wer ließ das Fenster offen?«
Wenn sie nicht Christin wäre
Und eingedenk der Lehre:
›Du sollst dem Feind vergeben‹,
Der Eingriff in ihr Leben,
In ihren Speiseständer,
Er könnte sie versuchen,
Den Räuber zu verfluchen,
Den Magentempelschänder.
Sie blickt nach ihren Schätzen,
Und ach! erblickt sie nicht,
Da bleicht ihr Angesicht
Hausfrauliches Entsetzen.
Sie forscht in ihrem Schrecke
Vergebens nach dem Specke,
Er ist bei Nacht verschwunden,
Trotz unseren drei Hunden.
Sie sucht in ihrem Gram
Das Leibgericht der Wiener,
Das auch abhanden kam,
Die braungebacknen Hühner.
Hühnlein sind abgezogen,
Dem Specke nachgeflogen,
Sie sind vorbeigeschwunden
An drei verschlafnen Hunden.
Jetzt faßt ein tödlich Grauen
Die häuslichste der Frauen,
Sie ist ins Herz verletzt,
Der Jammer packt sie jetzt
Mit seiner ganzen Stärke,
Es ist ein Streich zum Weinen:
Geraubt sind auch die feinen
Geburtstagszuckerwerke!
Nun steht sie da ergrimmt,
Ihr Auge glüht und schwimmt
In wirtschaftlichen Tränen,
Unchristlich, doch von Herzen
Wünscht sie drei Tage Schmerzen
Den frechen Diebeszähnen.
Jetzt sammeln sich die Kinder
Und klagen nicht gelinder,
Und aus der bittern Klage
Entspringt die große Frage:
»Hat sich ein Mensch vergessen?
Hat dies ein Tier gefressen?«
Als eurer Zweifel Richter
Laßt gelten einen Dichter:
Was hier dem Dieb gefiel,
Zu vielerlei und viel
Wills meinem Sinne scheinen
Für eines Tieres Fraß;
Drum soll ich lieber meinen,
Daß sich ein Mensch vergaß.
Doch muß ich wieder glauben
Trotz viel und vielerlei,
Bei solchem frechen Rauben
War auch ein Tier dabei.
Wie auch der Fall sich wende,
's ist alles eins am Ende:
In diesem Duftrevier
Hat beides: Mensch und Tier
Zu eurem Herzeleide
Heut nacht sichs lassen schmecken,
Ob in zwei Leibern beide,
Ob sie in einem stecken.
Scherz nach einer zufällig aufgeschlagenen Bibelstelle
Ahimaaz, der Sohn des Zadok, sprach,
Sprach wiederholten Males zu Joab:
»Wie, wenn ich liefe auch dem Chusi nach,
Schnell hinter seiner Ferse Staub im Trab?«
Da sprach Joab: »Gemach, mein Sohn, gemach!
Bleib, gib dem Winkel deinen Wanderstab,
Laß deine Botschaft unter meinem Dach,
Der König kauft sie dir mit Prügeln ab!«
Doch jener spricht: »Wie, wenn ich dennoch laufe,
Und bald zurück den Chusi spring und schnaufe?«
Da sprach Joab: »So laufe doch mein Sohn!«
Und also lief stracks fort Ahimaaz
Und springt dem Chusi vor im schnellen Satz,
Und Chusi kommt um seinen Botenlohn.
Lebe hoch! Sofie! Die edle Frau!
26. September 1838
Laßt uns für Sofiens teures Leben
Herz und Glas in alle Höh erheben!
Ihrem Leben segenfeste Dauer!
Jede Freude, jedes schöne Hoffen
Soll ihr pünktlich kommen und genauer,
Als sie selbst von Ischl eingetroffen!
Aber will ein Unfall sie erfassen,
Soll er, wie sie selbst, nur Zeit sich lassen.
Und er komme, folgend ihrem Gleise,
Stets zu spät um eine Tagesreise!
Literarisches
Dichters Klagelied über das junge Deutschland
Da droben auf jenem Berge,
Da steh ich tausendmal
An meinem Stabe gebogen
Und schaue hinab ins Tal;
Folg meiner Gedankenherde,
Mein Herz bewahret mir sie;
Die Kunst ist herabgekommen
Und weiß wohl selber nicht wie.
Da stehet von schönen Blumen
Die ganze Wiese so voll,
Ich breche sie, ohne zu wissen,
Wem ich sie geben soll.
Und Regen, Sturm und Gewitter
Verpaß ich unter dem Baum;
Die Türe dort bleibt verschlossen,
Und alles ist leider ein Traum.
Es stehet ein Regenbogen
Wohl über jenem Haus;
Poesie ist weggezogen,
Und weit in das Land hinaus;
Hinaus in das Land und weiter,
Vielleicht gar über die See.
Vorüber, ihr Schweine, vorüber!
Dem Dichter ist gar so weh.
An Karl Mayer
Tust du nur einen Saitengriff,
So fängt der Hund zu heulen an;
Daß sie sein Ohr nicht feiner schliff,
Hat ihm die Schöpfung angetan;
Drum, wenn dein Lied die Schöpfung preist,
Gib acht, daß dich der Hund nicht beißt.
Die Frivolen
Die Zeit ist hin, wo vor den Banngewittern
Des Glaubens noch ein Bube mußte zittern.
Dahin sind auch die Tage, wo der Flug
Der Meisterkraft die Stümper niederschlug.
Der Geist hat auch sein gutes Recht verloren,
Sein altes Machtwort übers Volk der Toren.
Wie einen Lappen, aufgehängt im Winde,
Durchbohrt kein Kugelschuß auch dies Gesinde.
Sie flüchten, wenn der Ernst sie je befiel,
Ins Fleisch, in ihr verwesliches Asyl.
So durch und durch verdorben ist die Bande,
Daß sich der Blitz befleckt an ihrer Schande.
Der Bube läßt aufgären mit Gekreische
Der niedern Leidenschaften trübe Maische;
Was als ihr Heiligstes die Menschheit kennt,
Er wirfts in seinen Kübel als Ferment;
Wenn er die Blase schaut in seinem Schaume,
Scheint sie Weltkugel seinem Dünkeltraume.
Die Kunst ist eine derbe Magd geworden,
Verpöbelt in der Frone schlechter Horden.
Sie schleppt das Holz, daß zündend sie bediene
Der Lüste lustig prasselnde Kamine.
Sie trägt den Eimer der verflachten Lumpen,
Mit Beifallstränenflut ihn voll zu pumpen.
Im Stalle waltet sie, den Freudenfesten
Der Taumelnden das Vieh heranzumästen.
Sie schreitet ihnen vor, aus ihren Wegen
Wie dürres Laub die Sitte fortzufegen.
Ich las einmal in einem fränkschen Blatte,
Daß eine Metze einen Liebsten hatte.
Der Liebste war ein armer, armer Ritter,
Dachlos, brotlos, kleidlos, es drückt' ihn bitter.
Denn, ach! er hatte nicht um sich geschlagen
Den Bettlermantel, den die Schwaben tragen,
Das Notgewändlein, das im Neckartal
Die Patria, Religion, Moral,
Drei alte Schneiderjungfern, zubereiten
Und dort den Bettlern um die Hüfte breiten.
Schon war der Arme fast in Not verkommen,
Da hat die Metze sein sich angenommen.
So manchem Jüngling war die Dirne schädlich,
Nur mit dem Einen meinte sie es redlich.
Was mit der Sünde sie gewann, der feilen,
Sie bracht es heim, es treu mit ihm zu teilen;
Behaglich nahm es an der faule Schuft,
Wie sie entehrt zueilte ihrer Gruft.
Und als ich von der Dirne las die Kunde,
Dacht ich der Kunst und wie sie geht zugrunde.
Kein Bannesblitz kann solche Frevler schrecken,
Kein Geistesdonner sie zum Geiste wecken.
Für solcher Seelen schmähliche Umnachtung
Ist nur der Bann geblieben der Verachtung.
An einen Tadler
Wenn gegen falschen Schmerz du dich ereiferst
Und Tränenkünstelei, so hast du recht;
Doch hast du was von einem Henkersknecht,
Wenn du mit Spott den wahren Schmerz begeiferst.
Verfolge rüstig, wo du kannst, die Lügen;
Die Wahrheit ehre; ist dir wohl zumut,
So sollst du zügeln dein vergnügtes Blut
Und zur Gesundheit nicht die Roheit fügen.
Auch Freuden gibt es, die nur Freuden scheinen,
Und mehr vielleicht als Schmerzen, die nicht wahr;
Wem Lust blüht, lache; traure, wem sie gar;
Und ists ein Dichter, mag sein Lied auch weinen.
Musa teleologica
Wie das Ding die Flügel tummelt
Und im Wind gewaltig rummelt,
Obs zu Himmel wollte fliegen
Und im Flug den Aar besiegen.
Und die träge Rinderherde,
Schauend solche Fluggebärde,
Und die Gänse auf der Wiese
Glauben: 's ist ein Vogelriese.
Wisset, Gäns und Wiederkäuer,
Euer Vogelungeheuer,
Taumelnd dort am fernen Hügel,
Ist 'ne Windmühl, kein Geflügel.
Seine Schwingen sind nur Speichen,
Schlagend, wenn die Winde streichen,
Wenn sie rasten, stille passend,
Doch das Niedre nie verlassend.
Und das Herz dem Vogelwunder
Ist ein Stein, ein glatter, runder;
Grobes Korn ist seine Seele,
Das er mahlt zu seinem Mehle.
Kompetenz
Männer, welche eine Höh erklommen,
Sind als Richter wert uns und willkommen;
Ist es nicht die Höhe des Gesanges,
Seis die Höhe doch des Forscherganges.
Solchen steht es an, ein Wort zu reden
Von des kühnen Wandrers Mühn und Fehden
Mit Abgründen, Klippen, Eisesflächen,
Wo die Jäger sich die Hälse brechen.
Solche mögen auch mit Recht verspotten
In der niedern Marsch die Pöbelrotten.
Wer mit Gemsen eine Luft getrunken,
Atmet nicht behaglich bei den Unken.
Wer zum Abgrund schwindellos gesehen,
Wird des Bruders kühnen Tritt verstehen;
Wer den Fels der Meisterschaft erklettert,
Ehrt den Mann, der hier nicht sank zerschmettert
Aber alle andern sollen schweigen,
Wenn sich Männer ihrem Volke zeigen;
Schweigen sollen sie und sollen lernen,
Wie man näher wandeln mag den Sternen.
Scheu mit seinem Urteil sich verschliefe,
Wer herum noch stümpert in der Tiefe.
Glaubt ihr denn, ihr lahmen Krüppelwichte,
Daß die Welt nach eurer Weisheit richte?
Ha! ihr wollt als Ellen eure Krücken
Kindisch messend an die Geister drücken!
Und indem ihr mit der Krücke schaltet
Und den Stecken in die Lüfte haltet,
Raubt ihr eurer lahmen Wucht die Stütze,
Und ihr stürzt erbärmlich in die Pfütze,
Denn der Windhauch, den ihr wolltet messen,
Hat euch umgeblasen unterdessen.
Und es hinken weiter unsre Richter,
Vorwärts tragend schmutzige Gesichter,
Während hier und dort aus lyrischen Lacken
Ihre Lieder ihnen Märsche quaken.
Einem Forcierten
Zu besiegen deine schwere
Ungelenkigkeit,
Bist du tanzen in die Lehre
Gangen zu Sankt Veit.
Und der wackre Meister bläute
In den Leib dir ganz
Seinen Rhythmus, und die Leute
Lobten deinen Tanz.
Schief ist all dein Hirn gebeutelt,
Jedes Glied verdreht;
Drum wer tanzend nicht sanktveitelt;
Dünkt dir kein Poet.
Einem kritischen Nachtarbeiter
Weil ein Wort der Diätetik
Besser noch mir mag gelingen,
Als ein Wort dir der Ästhetik,
Will ich einen Rat dir bringen.
Hast du auf des Tages Bahnen
Müd gelaufen deine Glieder,
Zupft mit wohlgemeintem Mahnen
Dir der Schlaf die Augenlider:
Wolle nicht, hinüberduselnd,
Für die Welt geschwind noch richten,
Hegelisch-ästhetisch nuselnd,
Was du nicht verstehst, mein Dichten;
Schlagen nicht das Haupt vom Rumpfe
Meinem Werk mit plumpen Scherzen,
Schnell, beim letzten Flackerstumpfe
Deiner abgebrannten Kerzen.
Denn dir leuchten zum Erkennen
Keine hellen Kunstgestirne;
Armer Kauz, du scheinst zu brennen
Talg im Leuchter und Gehirne.
Darum halte dich geschieden
Von den kritischen Bezirken,
Leg aufs Ohr dich, gönn dir Frieden,
Dein Beruf ist Werkelwirken.
Einem unberufenen Lober
Ich trink ihn schon, den Becher der Begeistrung,
Ich brauche nicht, daß du mich invitierest,
Daß du mit ekelnd süßer Lobeskleistrung
Als Mundschenk mir den reinen Rand beschmierest.
Guter Rat
Willst du richten
Unser Dichten,
Obs geflattert
Und geschnattert,
Obs geschwungen
Und gesungen,
Birg doch klüglich
Unverzüglich
Deinen Ungeschmack,
Und verscharre
Das Geschnarre:
Deinen Dudelsack.
Der Reiter von W.
Auf dem krit'schen Schusterbänklein
Nahmst du dich noch aus erträglich,
Hattest manchmal ein Gedänklein;
Doch als Dichter bist du kläglich!
Rezensenten sind fast alle
Obenleichthindrüberhuscher,
Und die dümmsten mit Gelalle
Auch versifikante Pfuscher.
Kommt der Bursch in seinem Streitwahn,
Unter tausend Stümperängsten,
Tief zu Esel auf die Reitbahn,
Dröhnend von arabschen Hengsten.
Hei! hei! heil du krit'scher Bummler,
Zeige dich nun selbst als Reiter!
Zeige dich als kecker Tummler!
Sporne! peitsche! vorwärts!! weiter!!!
Hörst du's wiehern? hörst du's rufen?
Doch dein Graugaul sträubt die Ohren,
Stampfend möcht er mit den Hufen
In die Erde sich verbohren.
Und die Reiter nehmens Kränzlein,
Das du ihnen gabst zur Ehre,
Und sie bindens an das Schwänzlein
Lachend deiner grauen Mähre.
Raschelnd mit den Lorbeerbauschen
Peitscht der Esel sich die Flanken,
Unter Spottgelächters Rauschen
Bricht er scheu aus unsern Schranken.
Die zerzauste Panegyrik
Hat der Wind davongetragen,
Lachend denkt man nur der Lyrik,
Die dein Esel aufgeschlagen.
Reiter, die dir nicht gefallen,
Die du jüngst so scharf gescholten,
Haben spottend jetzt vor allen
Schadenfreudig dirs vergolten.
Willst du richten unser Dichten,
Laß die Vers' im Halse stecken;
Sie zernichten dir dein Richten!
Laß den Grauen bei den Säcken!
Laß als Müller du dein Fohlen
Immerhin zur Mühle gehen;
Und als Schuster flick die Sohlen
Schlechtbeschlagnen Renommeen!
An einen Dichter
Dir gab ein Gott die Dichtergabe,
Als Nachen ist der Ruhm bereit,
Mit dir zum Strand Unsterblichkeit
Zu tanzen überm Wellengrabe;
Doch mußt du einsam ihn beschreiten,
Der Mut allein sei dein Gespan!
Die Fähre trägt nur einen Mann,
Soll sie mit dir todüber gleiten.
Du siehst das Ufer lockend winken;
Nimmst du, zu trotzen der Gefahr,
Von Ruderknechten eine Schar,
So müßt ihr allesamt versinken.
Einem Theaterdichter
In der Niedrung schmilzt der Schnee,
Im Gebirge schneit es;
Ob der Schwarm in Tränen steh
Über all dein Breites,
Uns wird kühl, langweilig weh,
Bringst du nichts Gescheites.
Unberufen
Nicht ein jeder wagt zu richten
Meister, so in Farben dichten,
Noch des Meisters Flug in Tönen
Schnell zu tadeln, flink zu krönen;
Denn mit Farben und Gestalten
Weiß der Laie nicht zu schalten,
Und im Kontrapunkt zu reden,
Ist nicht Sache eines jeden.
Doch des Worts ist, so und so,
Wer nicht stumm, ein jeder froh.
Darum wer in Worten dichtet,
Wird vom ganzen Troß gerichtet;
Jeder weiß von ihm zu schwatzen,
Launisch greifen ihm, heut schmückend,
An die Stirne, morgen pflückend,
Alle ungeweihten Tatzen.
Dieser Pöbel faßt es nie,
Daß er über Poesie,
Als die höchste Kunst von allen,
Hat kein Urteil hinzulallen.
Eben weil ihm ihre Zeichen
Altvertraut sind, dünkt ihm alt
Und vertraut auch ihr Gehalt,
Und er wird ihn nie erreichen;
Ewig schließt für ihn die Pforte;
Weil er im bekannten Worte
Nur sein täglich Brot erkennt,
Ists für ihn kein Sakrament.
Ein offner Wald
Ein offner Wald am Straßensaume
Ist dein Gedicht, du mußts ertragen,
Reibt sich an seinem schönsten Baume
Ein Schwein mit grunzendem Behagen
Ein Rezensent
Ich las in seinem Buche viel Frivoles,
Scheinbar Verständiges und witzig Hohles,
Ich sah ihn seine Richtermiene schneiden,
Ich sah ihn führen spitzige Lanzetten,
Mit ekler Lust Skandale auszuweiden,
Heliogabaläisch Formen kneten.
Ich sah ihn Unrat sammeln in Retorten,
Er sublimierte ihn zu scharfen Witzen,
Am Boden blieb nach schnellverdampften Worten
Als ›caput mortuum‹ die Ehre sitzen
Gebildete Sprache
Weil ein Vers dir gelingt in einer gebildeten Sprache,
Die für dich dichtet und denkt, glaubst du schon Dichter zu sein?
Schiller
Wie das Schlachtroß proprio Marte
Plötzlich tanzt und feurig springt,
Wenn ihm die Trompete klingt,
Und davoneilt zur Standarte;
Wie sichs stellt in Reih und Glied
Und das Bäuerlein im Bügel
Fort muß mit verwirktem Zügel,
Gar nicht weiß, wie ihm geschieht:
Also trägt das deutsche Wort,
Das von Meistern ward geritten,
Als sie sich den Kranz erstritten,
Manchen Stümper mit sich fort.
Ein Epigramm
Das Schwert zu führen, die verschanzten Sitze
Des starken Feinds mit Pfeilen zu beschießen,
An seinem Fluch zu messen seine Wunde,
Ist meine Lust; und heut in müß'ger Stunde
Freut michs, an Epigrammes Nadelspitze
Zum Spaß dich Eintagsfliege aufzuspießen.
Dank mirs, so wirst du doch nicht gleich vergessen,
Nicht von der nächsten Spinne aufgefressen.
Schade!
Schade, daß des Kreuzes Zeichen,
Das auf Golgatha gestanden
Zur Erlösung aus den Banden,
Nun dem Zensor dient zum Streichen!
Das Symbol ward uns verkehrt,
Höhnend steht es da und lehrt,
Daß wir lange noch vom Bösen
Hoffen dürfen kein Erlösen.
Guter Rat
Willst du auf die Ferne wirken,
Und dein Leben ihnen zeigen,
Mußt du vor den Nahen schweigen,
Die belauschend dich umzirken,
Die, wenn sie ein Wort erpassen,
Gleich entstellt es drucken lassen.
Trutz euch!
Ihr kriegt mich nicht nieder,
Ohnmächtige Tröpfe!
Ich komme wieder und wieder,
Und meine steigenden Lieder
Wachsen begrabend euch über die Köpfe.
Komm an!
Willst du an meine Kraft heran dich wagen,
Komm an! ich werde deinen Stoß ertragen,
Du wirst zerschellen, und ich werde ragen,
Die Welt sieht nichts von dir in künftgen Tagen,
Die Keule nur, womit ich dich erschlagen.
Der Unhold
Lächelnd lehnt er am Weidenstumpen,
Zwerghaft, bucklig, uralt, in Lumpen.
Seine abendbesonnte Herde
Freut sich brüllend der üppigen Erde.
Schauen sonst Tiere mit dunklem Leid
Menschengestalt, hier sonder Neid
Blicken die wohlgewachsenen Rinder
Auf das unschönste der Menschenkinder;
Neidlos, auch ohne Furcht und Grauen
Mag die Herde den Hirten beschauen;
Haben auch Rinder Phantasie,
Ist sie doch so gewaltig nie,
Nie von also plastischer Schärfe,
Daß in des buckligen Unholds Nähe
Sich die trächtige Kuh versehe,
Kalbend ein Dromedarlein werfe.
Aus der Albigenserzeit
Der Kürass
»Wollt Ihr nicht einen Küraß kaufen,
Herr Husar! mein Herr Husar?
's ist doch besser im Küraß raufen,
Als im schleißigen Tuch, nicht wahr?«
Lacht der Husar dem Judengauche:
»Hast du den Hafendeckel gebracht,
Daß die Seele mir nicht ausrauche,
Wenn sie mir kocht im Feuer der Schlacht?«
»Kauft den Küraß! wie wärs doch schade
Um den schönen gewichsten Bart,
Wenn er um eine schlechte Parade
Noch so schwarz schon würde verscharrt!«
»Jude, kennst du Husarenhiebe?
Säbel und Schild und Küraß zugleich
Führt meine Faust; Jud, schiebe dich, schiebe,
Sonst verkostest du meinen Streich«
Und der Husar den blanken Säbel
Kreuzend und kreisend ums Haupt sich schwingt,
Daß es wie ein eiserner Nebel
Vor den Augen des Juden springt.
»Bravo, Husar! Doch besser ist besser;
Kauft den Küraß, helft Euch und mir.
Seht, dort reiten drei Eisenfresser,
Weh, drei Feinde! bald sind sie hier.«
»Ei, so komm«, so ruft der Magyare,
»Will dir helfen, du armer Tropf!«
Und er packt ihn an seinem Talare,
Setzt ihn vor sich auf den Sattelknopf.
»O du ärmster Jude auf Erden!
Ich bin hinten, und du bist vorn;
Du mußt selber mein Küraß werden!«
Und er gibt dem Rosse die Sporn.
Wild verzweifelnd schreit der Hebräer,
Doch der Husar hält fest; hu! hu!
Reitet näher und näher und näher
Auf die drei feindlichen Reiter zu.
Hält den Juden mit seiner Linken,
Mit der Rechten führt er das Schwert,
Und die drei Reiter vom Rosse sinken,
Und der Jude blieb unversehrt.
Sanft hinab vom schäumenden Hengste
Setzt den Juden jetzt der Husar,
Für die Gefahren und Todesängste
Reicht er den Beutel voll Goldes ihm dar.
»Keinen Küraß mehr dem Husaren!«
Ruft der Husar und reitet davon;
Zitternd noch von den Todesgefahren,
Zählt der Jud die Dukaten schon.
Der Stille See
Die Felsen rings bewahren den stillen dunkeln See,
Und auf den Gipfeln schimmert der zarte Sommerschnee.
Der stille See getreulich läßt jedes Rlatt erscheinen,
Die Treue ist zu schauen im Friedlichen und Reinen.
Reiseunbehagen
Teufel hinein! daß gerade
Zu meinen Füßen
Die schnarchende Ambassade
Hat sausen müssen!
In der Neujahrsnacht 1839/1840
Fahr wohl, fahr hin, o Jahr! nimm fort mit dir im Scheiden
All deine Lust, nur laß nicht liegen mir die Leiden!
O könnt ich hinter dir die Pforte schließen, – hören,
Wie deine Tritte sich in stiller Nacht verlören!
Jetzt nah und schon so fern, wie auf der Flucht ein Reiter,
Daß mein Gedächtnis, müd, nicht folgen könnte weiter,
Wie einem Reitersmann des Weges noch ein Stücke
Nachbellend folgt der Hund, und still dann kehrt zurücke!
Doch ist dies eitler Wahn, des Weges nimmer müde,
Folgt deinen Spuren nach, wohl bis er stirbt, mein Rüde.
Fahr hin, unholdes Jahr! mir warst du von den schlimmen;
Es mögen andre dir ein Liedlein Dankes stimmen.
Die andern?! – strafend will die Scham mich überkommen,
Daß ich, was andern frommt, nicht mir auch ließe frommen.
Was gilt mein Körnlein Schmerz, was gilt mein Lüftchen Klage,
O scheidend Jahr, wenn ich den letzten Gruß dir sage?
Doch läßt mein Herz auch nur vom Weltgeschick sich führen,
Kann mich dein Scheiden nicht zu Dankestränen rühren.
Zwar hieß dein wahres Wort manch Lügenbild erblassen,
Doch war dein Lieben matt, doch war zu kühl dein Hassen.
Zwar hast du unserm Heil den Weg gebahnt von Eisen;
Doch eisern mochte nicht dein Wille sich erweisen.
Noch fährt der Nachtgeist fort zu siegen und zu schrecken,
Auf neuen Feldern stets sein Lager abzustecken.
Eins sei gebeten, Jahr: was du getan, gesonnen,
Verlaufe nicht im Sand wie Wein zerschlagner Tonnen.
Wenn die Ablöse kommt, das neue Jahr von Osten,
Und nimmt an deiner Statt den Erdenwacheposten,
So murmle nicht zu dumpf die geltende Parole
In den bereiften Bart, daß sie der Wind nicht hole;
Damit dein Nachmann fein einhellig sich gebare,
In deinem Segensspruch nicht fluchend weiter fahre,
Und nicht, wo du geflucht, ins Knie anbetend sinke,
Und nicht, was du verscheucht, zurück liebkosend winke;
Und wo du Funken warfst, die glücklich schon gezündet,
Wo schon der Rauch für bald den Flammenschlag verkündet,
Da soll das neue Jahr nicht schrecken vor dem Rauche,
Nicht löschen feig stupid mit seinem Wasserschlauche!
In Emma Niendorfs Merrbüchlein
Justinus Kerner
und Alexander
lieben dich ferner
mit einander
Und meine Lieb als dritte
Geht mit in gleichem Schritte.
Zuruf
Die Keuschen, Sittigstrengen, Tugendfrommen
Sind lahm und lau, wenns gilt den Strauß zu fechten,
Wenn ihr Panier ins Blutgedräng gekommen,
Doch Helden sind die sogenannten Schlechten.
Der Fromme mit dem feisten Gottvertrauen
Verwächst und seine Klinge mit der Scheide:
»Der starke Gott wird selber durch sich hauen,
Er will es, daß sein Knecht hienieden leide.
Laßt nur die Taumler ins Verderben rennen;
Ihr seht sie heut frohlocken, morgen modern;
Wie Branntweintrunkne schmählich selbstverbrennen,
Muß jede Schuld in ihrem Rausch verlodern.«
Doch solchem Ruf gebührt zur Antwort solches:
O feige Gottesknechtschaft! Kettenhunde!
Ein stumpfes Amen statt des scharfen Dolches?
Spürt euer kalter Brand nicht mehr die Wunde?
Der Römler wird am Sakrament nicht irre,
Wenn sündhart lebt der Priester der Gemeine,
Weil Gnade nicht gerinnt im Schmutzgeschirre,
Die Hostie schmutzt ja nicht, die ewig reine.
O lernt vom Römler Weisheit, fromme Zager!
Ist mancher Streiter auch nicht rein des Schmutzes,
Ist rein doch das Panier im Freiheitslager,
Und wahr das Herz des ungeschlachten Trutzes.
Im Strauchgewirr von Glauben, Recht und Sitte
Ein Ungeheuer liegt in Schlangenringen,
Trat mancher drauf mit unversehnem Tritte
Und schrie entsetzt; kann das melodisch klingen?
Ein kaltes, plumpes, blödes Ungeheuer,
Das Herzen frißt und saugt Gehirne trocken,
Das ewig wälzt, ein träger Wiederkäuer,
Des Elends mittelalterliche Brocken.
Harpunen in die Schuppen starrer Satzung!
Und Dolche nach, die Menschheit zu erlösen!
Kein blutend Herz dem Untier mehr zur Atzung,
Messias' Zorn! o komm, erschlag den Bösen!
Dein Tod am Kreuz, o Christus, ist verloren,
Wenn du nicht wieder kommst für unsre Nöten,
Prophet, hat uns das Völkerleid geschworen,
Messias, daß du diesmal kommst, zu töten.
Sie fingen auf das Blut von deinen Hüften,
Die Welt zu tränken mit gefälschter Schale,
Die Welt damit zur Feigheit zu vergiften,
Sie krankt vom Opium in deinem Grale.
Darum ans Kreuz dir jetzt die Knaben rücken,
Sie klettern drauf, um deine Dornenkrone
Wie 's Vogelnest im Lenz vom Baum zu pflücken,
Und wer das Kreuz verehrt, verfällt dem Hohne.
Drum Männer scharf dein Kreuz beschossen haben
Mit eisigen Verstandes Hagelwettern;
Und Grübler nach des Kreuzes Wurzel graben,
Daß sie es schier umwerfen, schier zerschmettern.
In einer Schlucht!
1.
Gewaltig tobt der Wind und beugt
Den Wildbusch, sausend in der Schlucht,
Der Bach beschleunigt seine Flucht,
Von Regenwolken großgesäugt.
Nach Süden eilt hinab der Bach,
Nach Norden spritzt ihn das Geschnaub,
Und unstät irrt das dürre Laub
Dem »Wasser und dem Winde nach.
Nun gilt des Herbstes Sterbgebot,
Doch unglückselig ist das Tal,
Daß hin der holde Sommerstrahl,
Und alles grollt und schmäht den Tod.
Mit schwerem Kampf das Leben bricht,
Der Baum, der Busch, so todesmatt,
Hält seufzend fest am letzten Blatt;
Wie gut der Tod, sie glaubens nicht.
2.
Was klinget zum Gebüsch heraus?
Ein Knabe vor das Glöcklein schwingt,
Das Sakrament ein Priester bringt
Wohl dort in jenes Köhlerhaus.
Ei! seltsam ist des Manns Geleit,
Voran ihm schellt der Ministrant,
Die Glock am Hals, kommt nachgerannt
Ihm eine Geiß, die meckernd schreit.
Was will die Geiß vom Priester nur?
Sie schreit ihn spöttisch kläglich an,
Als riefe sie: Gib, frommer Mann,
Die letzte Ölung der Natur!
Die Albigenser von Nicolaus Lenau
Wieder ist es, ach! kein Ganzes,
Sträußlein nur statt eines Kranzes,
Ohne Rundung, Schluß und Naht,
Nur ein loses Aggregat,
Wie die gänzlichen Pedanten
Meinen Florentiner nannten.
Einem Dichter
In diesen Herzen wogt die Liebe,
In jenen drüben kocht die Galle,
Dein Feuer brachte sie doch alle
In Wallung; gut, wenn es so bliebe!
Doch gehst entgegen du dem Leide,
Wo alles still wird um dich sein,
Wo du dein Leid für dich allein
Aufspielen wirst auf einer Heide;
Wo du nach einem Wetterschlage
Hinausblickst von der trüben Fläche,
Daß er auf dich herunterbreche,
Damit doch jemand nach dir frage.
Die Rache
Der dunklen Wolken letzte schwand
Hinab am glatten Meeresrand,
Um Schatten fernem Land zu schenken
Und mit Gewittern es zu tränken.
Hier regt kein Hauch das durstge Laub,
Und ruhig liegt der feinste Staub;
Die Sommerluft ist schwül und matt,
Und auf der Wasserfläche glatt
Mag sicher hin die Spinne schreiten,
Sie kann in keine Furche gleiten;
Die Möwen taumeln trag und schlagen
Die schlaffe Luft mit Unbehagen.
Matrosen baden dort und singen,
Um Leben in die Luft zu bringen,
Denn ist der Seemann müßig auch,
Er liebt des Windes frischen Hauch,
Auf seinen Fahrten lernt er hassen
Das stille Meer, vom Wind verlassen.
Sie singen froh ein irisch Lied,
Wie dem Matrosen wohl geschieht,
Wenn er die Fahrt mit Müh vollbracht,
Die Münze rollt, die Dirne lacht,
Die Fiedel ... weh! ein banger Schrei!
Den einen biß ein Hai entzwei.
Dem Kameraden, ders erblickt,
Hat Schreck und Wut das Herz durchzückt.
Doch hat er schnell sich aufgemannt,
Sein Schreck ist in der Wut verbrannt,
Er springt ans Land und holt sein Messer
Und stürzt zur Rache ins Gewässer,
Die andern starren vom Gestade
Ihm nach, und flehen Gott um Gnade.
Wo bist? komm an! – er taucht und dreht
Die Augen rings und schwimmt und späht
Und sucht den grimmen Feind verwegen;
Da schießt das Untier ihm entgegen,
Weit gähnt ihm zu der Rachenriß
Und fletscht nach ihm das Mordgebiß.
Doch denkt er nicht der eignen Sache,
Nur Rache, seinem Toten Rache.
Tief in des Meeres Einsamkeit
Und Dämmerung beginnt der Streit,
Wild, atemlos, still; wer bezwungen,
Wird stiller nicht, als er gerungen,
Der Dolch, die Zähne sind gezückt,
Das Auge nah dem Auge rückt.
Am Strande stehn die andern harrend,
Bang nach dem Ausgang niederstarrend.
Wohl manchen mahnts: o spring hinein,
Laß deinen Bruder nicht allein!
Doch Schrecken hemmt die kühne Tat
Und raunt ihm zu: Es ist zu spat.
Da sehn sie rot das Meer sich färben,
Stets röter quillts – wer mußte sterben?
Der Hai tat einen Schuß und Schnapp,
Doch am Gebiß vorüber knapp
Ist ihm der kühne Held geschwommen,
Und sucht bauchunter ihm zu kommen;
Er weicht und schießt und taucht hinab
Dicht unter seines Bruders Grab,
Bohrt ein den Dolch bis an die Haft,
Und zieht den Schnitt mit Lust und Kraft.
Gestachelt von des Schmerzes Feuer,
Wälzt seinen Leib das Ungeheuer,
Und wendet ihn, den wütend jachen,
Dem Tapfern droht der offne Rachen,
Darin vor grimmigem Erbittern
Und Mordbegier die Zähne zittern;
Der Mann entglitt zum zweitenmal,
Und mordend wühlt der scharfe Stahl.
Der Hai an ihm vorübersinkt,
Doch aus dem Schlund die Wut noch blinkt;
Wie sterbend ihn das Auge mißt
Des Hais, der Seemann nie vergißt.
Er schwingt sich auf nach Luft und Licht,
Erschöpft sein Leib zusammenbricht;
Das Hurra jauchzt, das Siegsgeschrei:
Der starke Held bezwang den Hai! –
Da wirft sich der verwegne Fechter
Ermüdet in den Ufersand
Und schlägt ein helles Lustgelächter,
Daß er das Untier überwand.
Des Teufels Lied vom Aristokraten
Ich lobe den Aristokraten;
Hat er des Adels rechte Völle,
Ist er vorweg schon halb geraten
Und zugerichtet für die Hölle.
Wer besser schon sich dünkt und echter,
Bloß weil er lebt, als ganze Scharen,
Der wird gewiß zur Grube schlechter
Als all die Tausend niederfahren.
Was schützen mag die Niedern, Rohen
Vor meiner Finger scharfen Griffen:
Natur und Liebe – wird dem Hohen
Schon in der Kindheit abgeschliffen.
Geschieden von der schlechten Rotte
Des Volkes sitzt der Edelreine
In seiner lieben Ahnengrotte
So kühl, erhaben und alleine.
Vorüber braust an seinem Saale
Das Volk mit Not- und Dampfgewerben,
Sie schwingen ihm die Festpokale,
Man lebt – und eilt, für ihn zu sterben.
Doch Ruh ist in des Edlen Kammer,
Daß er die Lebensmüh nicht spüre,
Und jeden Seufzer muß der Jammer
Verschlucken still vor seiner Türe.
O köstlich ist die stille Schonung,
Denn deutlich hörts der Mann der Gnaden,
Wenn süß ertönt um seine Wohnung
Die Luft von meinen Serenaden.
Er setzt in Noten sich mein Ständchen,
Bewundernd singen es die Schranzen,
Und morgen muß allwärts im Ländchen
Das Volk nach meinem Liede tanzen.
Das Gespenst
Dies war einmal ein Edelhaus,
Nun ist es trauriglich zerfallen,
Es schneit und regnet in die Hallen,
Nur Rauher gehn dort ein und aus.
Der Sohn einst mit dem Vater stritt,
Wer auf der Jagd die Ent erschossen;
Da ist des Alten Blut geflossen,
Der wilde Sohn zum Teufel ritt.
Weib, Knecht und Dirne flohn den Ort,
Hat keins das Blut nur aufgescheuert;
Nun heißts: bei Nacht auf Enten feuert
Des Alten Geist durchs Fenster dort.
Ein Räuber spukt im Haus umher,
Den toten alten Grafen spielend,
Im weißen Hemd, auf Enten zielend,
Durchs Fenster feuernd sein Gewehr.
Der Hirte sieht im Mondschein hell
Von fern das Hemd des Geistes flattern,
Hört in der Luft die Enten schnattern,
Den Schuß – und kriecht ins Lämmerfell.
Er staunte jüngst in dunkler Nacht,
Wie Lichter im Gemäuer brannten,
Den wirren Lärm von Musikanten
Der Heidewind ihm zugebracht.
Hei! lustig klangs im alten Nest
Von Schmaus und Saus, Zigeunergeigen;
Die Räuber tanzen tollen Reigen,
Der Hauptmann hält sein Hochzeitsfest,
Doch leuchtet nicht am Firmament
Dem Räubersmann und seinem Schatze
Der Brautnacht Mond, des Pfaffen Glatze;
Die Lust vereint, der Scherge trennt.
Den Hirten lockt es Schritt um Schritt,
Er spürt beherzt in diesen Tönen
Das warme Blut von Erdensöhnen;
Er trinkt und tanzt und jubelt mit.
Des alten Edelmannes Geist
Spielt nun der Hirte gern vor allen,
Er läßt die Entenflinte knallen,
Sein weites Hemd im Monde gleißt.
Der Alte übte Raub und Trutz
Im Dickicht finstrer Adelsbräuche,
Nun dient er als Pandurenscheuche
Den Räubern noch zu gutem Nutz.
Einem Wanderer in österreichischer Felsenschlucht
Durch einen schmalen Felsenritz
Siehst du am Himmel Nacht und Blitz.
Am Klippenrand der karge Strauch
Ist wildbewegt vom Wetterhauch.
Gebrochen zuckt herein der Strahl,
Ein Feuersplitter, dir ins Tal.
Wie weit Gewitter füllt die Luft,
Kannst du nicht schaun in deiner Kluft;
Doch wechseln hörst du Donnerstimmen,
Bald ferne dort, bald nah ergrimmen.
Nun folgt in langer Pause nach,
Spät eingedenk, dem Blitz der Krach,
Dem Wandrer in der Schlucht zu künden,
Wie weithin Wetter sich verbünden.
In das Album einer Dame nach Durchwanderung des Schlosskellers und Gartens zu Eschenau
Auf solchem Gang durch einen reichen Keller,
Da schlägt der Puls des Herzens tiefer, schneller.
Auf solchem Gang durch einen grünen Garten,
Da wetzt das Leben aus die alten Scharten.
Auf einen Bergquell, genannt Rothschildbrunnen
Nicht der Quell allein, der klare,
Der vom Berge kommt geronnen,
Auch der Zeitenstrom, der trübe,
Nenne sich den Rothschildbronnen.
An Wilhelmine Dilg
Meine Lieder kommen alle,
Dich mit ihrem schönsten Schalle
Innig dankend zu begrüßen,
Auf die Stirne dich zu küssen.
Gruß und Kuß von allen Musen,
Die beglückend mir den Busen
Je gerührt zum Freudenschauer,
Zum Gesänge dunkler Trauer.
O kein Ringlein ist so golden,
Wie der Ring von meiner holden
Treuen Mutter, längst im Grabe! –
Gruß und Kuß für deine Gabe.
Letzte Gedichte
Prolog
zum Jubelfeste des Erzherzogs Karl
Gesprochen in Wien am 17. April 1843.
Schnell ist die Tat dem Aug des Tags entschwunden,
Doch ist sie nicht verloren und zunichte;
Sie bleibt, als hätt ein Zauber sie gebunden,
Gefesselt von dem Auge der Geschichte.
Sein Strahl ruht liebend, lohnend auf dem Guten,
Vor dieses ernsten Auges Zornesgluten
Ist das Gewölk der Lüge bald zerronnen,
Das hüllend um den Frevler ward gesponnen.
Gesegnet und gefeiert sei der Mann,
Der frei in dieses Auge blicken kann;
Und wenn es freudig ihm entgegenglänzet,
Verdient er, daß die Menschheit ihn bekränzet. –
Napoleon stand auf den Marchfeldsflächen,
Mit seinen Heldenscharen, Heeresmeistern,
Umrauscht, umflammt von allen Siegesgeistern,
Und fest entschlossen, Deutschlands Herz zu brechen.
Wie bebte dieses Herz vor seinem Tritte,
Das Völkerband vor seinem Todesschnitte!
Sein Wort gebot den Mächten dieser Erde,
Mehr als des Rechts altheiliger Bestand
Galt seines Munds ein Hauch, sein Wink, der Hand
Beglückende, vernichtende Gebärde.
Vom Königszittern schwankten rings die Thronen,
Und eine Wanderlust ergriff die Kronen,
Wie Vögel im Spätjahr der Reisezug,
Als er die alte Welt in Trümmer schlug. –
»Bald stürzt vor mir und meinem starken Heer
Der Leopard Britannias ins Meer!
Der Briten Stolz verwandle ich in Gram
Und ihren Taumelkelch zur Tränenurne;
Hispania liegt zu meinen Füßen zahm,
Und wischt den Schlachtenstaub mir vom Kothurne
Mit ihrem weichen aufgelösten Haare;
Auf Lisbons Zinnen setz ich meine Aare;
Und Deutschland –« Halt! bei Aspern mußt du fragen,
Wie deutsche Herzen, deutsche Schwerter schlagen!
Dort zeigt sichs bald in blutigen Gewittern,
Ob du ganz ungelehrig für das Zittern!
Dort steht ein Fürst, ein gottgeadelt-echter,
Wie selten ihn gezeugt die Hochgeschlechter;
Der Brennpunkt jeder Freude, jedem Schmerz
Des Vaterlands ist sein geweihtes Herz;
Er ist an Heldenkraft selbst dir gemessen,
Doch eines schmückt ihn schön, was dir gebricht,
In seinem Herzen brennt der Liebe Licht,
Und nie hat er der Menschlichkeit vergessen! – –
Napoleon stand auf dem Marchfeldboden,
Für sich – die Welt gewaltig umzuroden;
Schon lag erobert Wien zu seinen Gnaden,
Mit Herzensangst, mit Schmach und Not beladen.
Geharnischt ritten durch die bange Stadt
Napoleons erlesne Kürassiere,
Die Erde bebte vom Gestampf der Tiere,
Der Schrecken sah an ihnen sich nicht satt.
Sie ritten, stolz auf sich und ihren Herrn,
Und gern beglänzt vom deutschen Sonnenstrahle,
Furchtbar dahin, in blanker Eisenschale
Des Kaiserheeres tödlich bittrer Kern.
Und als sie kamen auf das Feld der Schlacht
Und bodenschütternd sprengten an mit Macht,
Da stemmten Ostreichs tapfre Bataillone
Wie felsgequadert sich dem Reiterheer,
Sie standen still, geschultert das Gewehr
Auf wenig Schritte noch, als wie zum Hohne.
Der Reiterschock auch plötzlich stille stand,
Erstaunt, als zweifelten sie scheu und bange,
Ob nicht in dieser starren Männerwand
Ein furchtlos Geisterheer sie kalt empfange.
Doch sollen sie bald bitterlich erfahren,
Wie kernhart und lebendig diese Scharen.
Denn »Feuer!« schallts, und Salvendonner schmettern,
Und rasselnd stürzen Roß und Mann zum Grunde,
Der, weithin schlitternd von den Todeswettern,
Vor Freude bebt in dieser großen Stunde.
Und Karl erscheint an jedem heißen Ort,
Wo er die Seinen sieht im Streite wanken,
Im wildesten Getümmel hier und dort,
Schnell, feurig, wie von Gott ein Siegsgedanken.
Die Fahne schwankt, im dichten Pulverdampfe,
Da faßt er sie und trägt sie selbst zum Kampfe.
Wie hat er stets das rechte Wort gefunden,
Die Herzen seiner Krieger zu entflammen!
Da raffte mancher letzte Kraft zusammen
Und trug zum neuen Sturm die Todeswunden.
Heiß war der Kampf um jenes Dorf entglommen,
Zehnmal gestürmt, verloren, und genommen
Ward jedes Haus, der Kirchhof, jede Scheune,
Man focht um einzle Bäume, Mauern, Zäune,
Den besten Helden aller Zeiten gleich,
Als wäre jeder Punkt ein Himmelreich.
In Rauch und Blut schien sich die Welt zu baden,
Die Trommeln wirbeln ohne Rast zum Laden,
Im Qualme blitzt der Schüsse roter Schimmer,
Ein Strom von Donnern rollt das Feuer immer.
Kolonnen stürzen zwischen Bajonette,
Dem Vaterland zu brechen seine Kette. –
Wie rang in Wien die Hoffnung mit dem Trauern,
Sie lauschten dem Verhängnis von den Mauern,
Ob ferner die Kanonenschüsse grollen,
Ob tröstend ihre Donner näher rollen. –
Nun ward es still; die Luft muß müde sein
Vom tausendstimmig wilden Todesschrein;
Nur manchmal ruft ein Posten, eine Wacht,
Ein Stöhnen auf der Walstatt, ausgestoßen
Von wundgeschlagnen Menschen oder Rossen,
Dann wieder schweigt es, finster ist die Nacht.
Er ist besiegt, der Revolution
Gewaltger, muttermörderischer Sohn,
Der Riesige, der Frankreichs Freiheitsbäume
Zum Throne sich gezimmert und geschlichtet,
Der Herkules, der wilder Freiheitsträume
Stymphalisches Geflügel hat vernichtet.
Er ist besiegt, ihn trägt in leichtem Kahn
Die Donau rettend nach der Inselbucht,
Und eine Fackel leuchtet seiner Flucht,
Zu Füßen liegt ihm sein zerbrochner Wahn;
Gleichgültig blickt er nieder auf die Leichen,
Die mit den Wellen ihm vorüberstreichen;
Da lischt die Fackel aus im Windeswehen,
Wie seine Herrlichkeit einst wird vergehen. –
Noch wollte ihn der dunkle Strom erhalten,
Er trug ihn eigenmächtig ans Gestade,
Denn damals waren die Naturgewalten
Noch nicht verschworen gegen seine Pfade.
Was Karl empfand auf jenem Ehrenfeld,
Weiß nur des Schicksals Liebling, nur ein Held,
Der auch wie er, den Degen in der Hand,
Und Gottes Geist im Haupt, fürs Vaterland
Mit solchem Helden rang, und es gerettet
Aus Schmerz und Schmach, worin es lag gekettet.
Mag immerhin nach Asperns blutger Schlacht
Der stolze Feind erheben seine Macht,
Aufwerfen siegreich seine Heldenfahne,
Sie blieb doch krank vom schüttelnden Orkane.
Die Donner Asperns habens ausgesprochen:
»Er ist besiegbar!« unvergeßlich allen,
Und Leipzig wird die Donner widerhallen;
Napoleons Waffenzauber war gebrochen.
O Karl! es war dein schönster Heldentag!
O Österreich! dein höchster Herzensschlag! – –
Der Feldherr gab dem Frieden seine Wehre;
Und weiter schuf an seinem edlen Bilde
Im stillen das Geschick; der Schreck der Heere
Steht nun vor uns ein Held an frommer Milde.
Für jeden, den er schlug auf rauher Bahn,
Lebt einer, der ihm freundlich wohlgetan.
Er zeichnete, entrückt den Tatenflügen,
Gedächtnisblätter, Kriegern zur Belehrung,
Und schauen wird die Nachwelt mit Verehrung,
Wie er sein Heer geführt in Meisterzügen.
Ihm ward auch Gram zu seinem Teil gegeben,
Und Bitterkeit geträufelt in das Leben;
Doch un verkümmert blieb der edle Mann,
Denn seine Seele hielt die Welt umschlossen,
Die bösen Tropfen schwanden und zerflossen,
Wie man das Weltmeer nicht vergiften kann;
Und Freude muß die Seele ihm bewegen,
Erblickt er seines Hauses reichen Segen,
Und wie das Volk ihn hoch im Herzen hielt,
Noch eh sein Sterbliches dahingegangen;
Wir sind beglückt, daß wir sein Heldenbild
Nicht aus der Hand des Todes erst empfangen.
Der Vogel auf dem Kreuz
Dort auf dem Kirchhofkrcuzo sang
Ein Vogel einsam; aber bald
Erhob er sich und schwang
Zurück sich in den grünen Wald.
Wie früher aus dem Frühlingschor
Schallt nun sein Lied so frei und wild;
Kein Vöglein noch verlor
Die Stimm am lieben Kreuzesbild.
Gewitter
Der Seele klarer Himmel hängt
Voll zürnender Gedanken,
Und mancher laute Seufzer drängt
Sich aus der Brust, der kranken.
Unheimlich blitzt des Auges Stern
Und sucht umsonst nach Zielen.
Laß ab! ich weiß, du möchtest gern
Dich an der Träne kühlen.
Sie blinkt nicht mehr im Auge hohl,
An dem die Gluten zehren! –
Doch jetzt, wie wirds der Brust so wohl!
Darf sie vom Schmerz sich leeren?
Im Auge glüht das Abendrot,
Die Wolken sind zerrissen.
Verspricht dies Leben oder Tod?
Die bange Brust möchts wissen.
Verklärten sich die Wolken nur,
Den Tod mir anzusagen?
Ach! oder ists die erste Spur
Von schönern Erdentagen?
Von neuem Glück! Die Glut erlischt,
Sie soll nichts mehr verheeren;
Denn in die junge Freude mischt
Sich mild der Tau der Zähren!
Der Rekrut
Wehe, wehe dem Rekruten!
Jämmerliche Weltstatuten!
Wenig Schlaf auf hartem Kissen,
Wasser nur auf karge Bissen;
In so schönen Frühlingstagen
Mörderliche Waffen tragen;
Ohne Lust und Liebe springen,
Wie des Drillmanns Worte klingen,
Über Hecken, Bach und Graben;
Schreiten, trippeln, schwenken, traben,
Stillstehn plötzlich ohne Ruck,
Und an mir vorbei mit allem Guten
Rauscht das Leben, wie des Stromes Fluten
Dort am Brückennepomuk.
Verlornes Glück
Die Bäume rauschen hier noch immer,
Doch sinds dieselben Blätter nimmer,
Wie einst in jener Sommernacht.
Wohin, du rauhes Erdenwetter,
Hast du die damals grünen Blätter,
Wohin hast du mein Glück gebracht?
Sie schritt mit mir durch diese Bäume,
Ihr gleicht kein Bild beglückter Träume,
So schön und doch so treu und klar;
Das Mondlicht ruht' auf ihren Wangen,
Und ihre süßen Worte klangen:
»Dich werd ich lieben immerdar!«
Je tiefer mit den Räuberkrallen
Der Tod ins Leben mir gefallen,
Je tiefer schloß ins Herz ich ein
Den Schatz der Lieb, dem Tode wehrend;
Doch bricht der Räuber, allbegehrend,
Zuletzt nicht auch den letzten Schrein?
Mit meinen Gedichten
Baden-Baden, im Sommer 1844
Mich ließ die Gunst des Augenblickes,
Ein flüchtig Lächeln des Geschickes,
Wie bis ins Herz du schön, erkennen;
Leb wohl! ich muß von dir mich trennen!
Doch milderts mir dein frühes Scheiden,
Wenn ich vom Glück, das mir entschwunden –
So schnell wie du! –, die heitern Kunden
Und wenn ich darf den Ruf der Leiden,
Die singend mir das Herz zerrissen,
In deinen lieben Händen wissen.
Als Hiller mir spielte
Wenn seine Sonne hat das Licht,
Aus der ein Meer von Strahlen bricht,
Wo ist die Sonne für den Klang,
Dies Meer ausströmend von Gesang?
Eitel nichts!
's ist eitel nichts, wohin mein Aug ich hefte!
Das Leben ist ein vielbesagtes Wandern,
Ein wüstes Jagen ists von dem zum andern,
Und unterwegs verlieren wir die Kräfte.
Ja, könnte man zum letzten Erdenziele
Noch als derselbe frische Bursche kommen,
Wie man den ersten Anlauf hat genommen,
So möchte man noch lachen zu dem Spiele.
Doch trägt uns eine Macht von Stund zu Stund,
Wie's Krüglein, das am Brunnenstein zersprang,
Und dessen Inhalt sickert auf den Grund,
So weit es ging, den ganzen Weg entlang.
Nun ist es leer; wer mag daraus noch trinken?
Und zu den andern Scherben muß es sinken.
Blick in den Strom
Sahst du ein Glück vorübergehn,
Das nie sich wiederfindet,
Ists gut in einen Strom zu sehn,
Wo alles wogt und schwindet.
O! starre nur hinein, hinein,
Du wirst es leichter missen,
Was dir, und solls dein Liebstes sein,
Vom Herzen ward gerissen.
Blick unverwandt hinab zum Fluß,
Bis deine Tränen fallen,
Und sieh durch ihren warmen Guß
Die Flut hinunterwallen.
Hinträumend wird Vergessenheit
Des Herzens Wunde schließen;
Die Seele sieht mit ihrem Leid
Sich selbst vorüberfließen.
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