Ein dunkles Gefühl zwang ihn, denselben mit seinem Schicksale in Zusammenhang zu bringen.
Mehr von Angst als von Neugierde getrieben, öffnete er leise einen tiefen Schrank, aus welchem er – wenn es gesagt werden muß – durch eine Wandspalte den König schon einmal – nur einmal – belauscht hatte, um ihn ungestört und nach Herzenslust zu betrachten. Daß sein Auge und abwechselnd sein Ohr jetzt die Spalte nicht mehr verließ, dafür sorgte der seltsame Inhalt des belauschten Gespräches.
Die sich gegenüber Sitzenden schwiegen eine Weile, sich betrachtend, ohne sich zu fixieren. Sie wußten, daß, nachdem die das Schicksal Deutschlands bestimmende Schachpartie mit vieldeutigen Zügen und verdeckten Plänen begonnen und sich auf allen Feldern verwickelt hatte, vor der entscheidenden, eine neue Lage der Dinge schaffenden Schlacht das unterhandelnde Wort nicht am Platze und ein Obereinkommen unmöglich sei. Diesem Gefühle gab der Friedländer Ausdruck. »Majestät«, sagte er, »ich komme in einer persönlichen Angelegenheit.« Gustav lächelte kühl und verbindlich. Der Friedländer aber begann:
»Ich pflege im Bette zu lesen, wann mich der Schlaf meidet. Gestern oder heute früh fand ich in einem französischen Memoirenwerke eine unterhaltende Geschichte. Eine wahrhaftige Geschichte mit wörtlicher Angabe der gerichtlichen Deposition des Admirals – ich meine den Admiral Coligny, den ich als Feldherrn zu schätzen weiß. Ich erzähle sie mit der Erlaubnis der Majestät. Bei dem Admiral trat eines Tages ein Partisan ein, Poltrot oder wie der Mensch hieß. Wie ein halb Wahnsinniger warf er sich auf einen Stuhl und begann ein Selbstgespräch, worin er sich über den politischen und militärischen Gegner des Admirals, Franz Guise, leidenschaftlich äußerte und davon redete, den Lothringer aus der Welt zu schaffen. Es war, wie gesagt, das Selbstgespräch eines Geistesabwesenden und es stand bei dem Admiral, welchen Wert er darauf legen wollte – ich möchte die Szene einem Dramatiker empfehlen, sie wäre wirksam. Der Admiral schwieg, da er das Gerede des Menschen für eine leere Prahlerei hielt, und Franz Guise fiel, von einer Kugel –«
»Hat Coligny so gehandelt«, unterbrach der König, »so tadle ich ihn. Er tat unmenschlich und unchristlich.«
»Und unritterlich«, höhnte der Friedländer kalt.
»Zur Sache, Hoheit«, bat der König.
»Majestät, etwas Ähnliches ist mir heute begegnet, nur hat der zum Mord sich Erbietende eine noch künstlichere Szene ins Werk gesetzt. Einer der Eurigen wurde gemeldet, und da ich eben beschäftigt war, ließ ich ihn in das Nebenzimmer führen. Als ich eintrat, war er in der schwülen Mittagsstunde entschlummert und sprach heftig im Traume. Nur wenige gestammelte Worte, aber ein Zusammenhang ließ sich erraten. Wenn ich daraus klug geworden bin, hätte ihn Eure Majestät, ich weiß nicht womit, tödlich beleidigt, und er wäre entschlossen, ja genötigt, den König von Schweden umzubringen um jeden Preis, oder wenigstens um einen anständigen Preis, was ihm leicht sein werde, da er in der Nähe der Majestät und in deren täglichem Umgang lebe. Ich weckte dann den Träumenden, ohne ein Wort mit ihm zu verlieren, wenn nicht daß ich nach seinem Begehr fragte. Es handelte sich um Auskunft über einen schon vor Jahren in kaiserlichem Dienste verschollenen Rheinländer, ob er noch lebe oder nicht. Eine Erbsache. Ich gab Bescheid und entließ den Listigen. Nach seinem Namen fragte ich ihn nicht; er hätte mir einen falschen angegeben. Ihn aber auf das Zeugnis abgerissener Worte einer gestammelten Traumrede zu verhaften, wäre untunlich und eine schreiende Ungerechtigkeit gewesen.«
»Freilich«, stimmte der König bei.
»Majestät«, sprach der Friedländer jede Silbe schwer betonend, »du bist gewarnt!«
Gustav sann. »Ich will meine Zeit nicht damit verlieren und mein Gemüt nicht damit vergiften«, sagte er, »so zweifelhaften und verwischten Spuren nachzugehen. Ich stehe in Gottes Hand. Hat die Hoheit keine weiteren Zeugen oder Indizien?«
Der Friedländer zog den Handschuh hervor. »Mein Ohr und diesen Lappen da! Ich vergaß der Majestät zu sagen, daß der Träumer schlank war und ein ganz charakterloses, nichtssagendes Gesicht, offenbar eine jener eng anschließenden Larven trug, wie sie in Venedig mit der größten Kunst verfertigt werden. Aber seine Stimme war angenehm markig, ein Bariton oder tiefer Alt, nicht unähnlich der Stimme Eures Pagen, und der Handschuh, der ihm entfiel und bei mir liegen blieb, sitzt selbigem Herrn wie angegossen.«
»Der König lachte herzlich.« »Ich will mein schlummerndes Haupt in den Schoß meines Leubelfings legen«, beteuerte er.
»Auch ich«, erwiderte der Friedländer, »kann den jungen Menschen nicht beargwöhnen. Er hat ein gutes ehrliches Gesicht, dasselbe kecke Bubengesicht, womit meine barfüßigen böhmischen Bauermädchen herumlaufen.
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