– Nun, Ophelia?
Ihr braucht uns nicht zu melden, was der Prinz
Gesagt: wir hörten alles. – Gnäd'ger Herr,
Tut nach Gefallen; aber dünkt's Euch gut,
So laßt doch seine königliche Mutter
lhn nach dem Schauspiel ganz allein ersuchen,
Sein Leid ihr kund zu tun; sie gehe rund
Mit ihm heraus: ich will, wenn's Euch beliebt,
Mich ins Gehör der Unterredung stellen.
Wenn sie es nicht herausbringt, schickt ihn dann
Nach England, oder schließt ihn irgendwo
Nach Eurer Weisheit ein!
KÖNIG.
Es soll geschehn:
Wahnsinn bei Großen darf nicht ohne Wache gehn.
Alle ab.
Zweite Szene.
Ein Saal im Schlosse.
Hamlet und einige Schauspieler treten auf.
HAMLET. Seid so gut und haltet die Rede, wie ich sie Euch vorsagte, leicht von der Zunge weg; aber wenn Ihr den Mund so voll nehmt, wie viele unsrer Schauspieler, so möchte ich meine Verse eben so gern von dem Ausrufer hören. Sägt auch nicht zu viel mit den Händen durch die Luft, so – sondern behandelt alles gelinde! Denn mitten in dem Strom, Sturm und, wie ich sagen mag, Wirbelwind Eurer Leidenschaft müßt Ihr Euch eine Mäßigung zu eigen machen, die ihr Geschmeidigkeit gibt. Oh, es ärgert mich in der Seele, wenn solch ein handfester haarbuschiger Geselle eine Leidenschaft in Fetzen, in rechte Lumpen zerreißt, um den Gründlingen im Parterre in die Ohren zu donnern, die meistens von nichts wissen, als verworrnen stummen Pantomimen und Lärm. Ich möchte solch einen Kerl für sein Bramarbasieren prügeln lassen; es übertyrannt den Tyrannen. Ich bitte Euch, vermeidet das!
ERSTER SCHAUSPIELER. Eure Hoheit kann sich darauf verlassen.
HAMLET. Seid auch nicht allzuzahm, sondern laßt Euer eignes Urteil Euren Meister sein: paßt die Gebärde dem Wort, das Wort der Gebärde an; wobei Ihr sonderlich darauf achten müßt, niemals die Bescheidenheit der Natur zu überschreiten. Denn alles, was so übertrieben wird, ist dem Vorhaben des Schauspieles entgegen, dessen Zweck sowohl anfangs als jetzt war und ist, der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten: der Tugend ihre eignen Züge, der Schmach ihr eignes Bild, und dem Jahrhundert und Körper der Zeit den Abdruck seiner Gestalt zu zeigen. Wird dies nun übertrieben oder zu schwach vorgestellt, so kann es zwar den Unwissenden zum Lachen bringen, aber den Einsichtsvollen muß es verdrießen; und der Tadel von einem solchen muß in Eurer Schätzung ein ganzes Schauspielhaus voll von andern überwiegen. Oh, es gibt Schauspieler, die ich habe spielen sehn und von andern preisen hören, und das höchlich, die, gelinde zu sprechen, weder den Ton noch den Gang von Christen, Heiden oder Menschen hatten, und so stolzierten und blökten, daß ich glaubte, irgendein Handlanger der Natur hätte Menschen gemacht, und sie wären ihm nicht geraten; so abscheulich ahmten sie die Menschheit nach.
ERSTER SCHAUSPIELER. Ich hoffe, wir haben das bei uns so ziemlich abgestellt.
HAMLET. Oh, stellt es ganz und gar ab! Und die bei euch den Narren spielen, laßt sie nicht mehr sagen, als in ihrer Rolle steht: denn es gibt ihrer, die selbst lachen, um einen Haufen alberne Zuschauer zum Lachen zu bringen, wenn auch zu derselben Zeit irgendein notwendiger Punkt des Stückes zu erwägen ist. Das ist schändlich, und beweist einen jämmerlichen Ehrgeiz an dem Narren, der es tut. Geht, macht Euch fertig!
Schauspieler ab. Polonius, Rosenkranz und Güldenstern kommen.
Nun, Herr, will der König dies Stück Arbeit anhören?
POLONIUS. Ja, die Königin auch, und das sogleich.
HAMLET.
Heißt die Schauspieler sich eilen!
Polonius ab.
Wollt ihr beide sie treiben helfen?
ROSENKRANZ UND GÜLDENSTERN.
Ja, gnädiger Herr.
Beide ab.
HAMLET.
He! Horatio!
Horatio kommt.
HORATIO.
Hier, lieber Prinz, zu Eurem Dienst.
HAMLET.
Du bist grad' ein so wackrer Mann, Horatio,
Als je mein Umgang einem mich verbrüdert.
HORATIO.
Mein bester Prinz –
HAMLET.
Nein, glaub' nicht, daß ich schmeichle:
Was für Beförd'rung hofft' ich wohl von dir,
Der keine Rent' als seinen muntern Geist
Um sich zu nähren und zu kleiden hat?
Weswegen doch dem Armen schmeicheln? Nein,
Die Honigzunge lecke dumme Pracht,
Es beuge sich des Knies gelenke Angel,
Wo Kriecherei Gewinn bringt. Hör' mich an:
Seit meine teure Seele Herrin war
Von ihrer Wahl, und Menschen unterschied,
Hat sie dich auserkoren. Denn du warst,
Als littst du nichts, indem du alles littest;
Ein Mann, der Stöß' und Gaben vom Geschick
Mit gleichem Dank genommen: und gesegnet,
Wes Blut und Urteil sich so gut vermischt,
Daß er zur Pfeife nicht Fortunen dient,
Den Ton zu spielen, den ihr Finger greift.
Gebt mir den Mann, den seine Leidenschaft
Nicht macht zum Sklaven, und ich will ihn hegen
Im Herzensgrund, ja in des Herzens Herzen,
Wie ich dich hege. – Schon zu viel hievon.
Es gibt zu Nacht ein Schauspiel vor dem König;
Ein Auftritt kommt darin dem Umstand nah,
Den ich von meines Vaters Tod dir sagte.
Ich bitt' dich, wenn du das im Gange siehst,
So achte mit der ganzen Kraft der Seele
Auf meinen Oheim: wenn die verborgne Schuld
Bei einer Rede nicht zum Vorschein kommt,
So ist's ein höll'scher Geist, den wir gesehn,
Und meine Einbildungen sind so schwarz
Wie Schmiedezeug Vulkans. Bemerk' ihn recht,
Ich will an sein Gesicht mein Auge klammern,
Und wir vereinen unser Urteil dann
Zur Prüfung seines Aussehns.
HORATIO.
Gut, mein Prinz;
Wenn er was stiehlt, indes das Stück gespielt wird,
Und schlüpfet durch, so zahl' ich für den Diebstahl.
HAMLET.
Man kommt zum Schauspiel; ich muß müßig sein.
Wählt einen Platz!
Ein dänischer Marsch. Trompetenstoß.
Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz, Güldenstern und andre.
KÖNIG. Wie lebt unser Vetter Hamlet?
HAMLET. Vortrefflich, mein' Treu': von dem Chamäleons-Gericht. Ich esse Luft, ich werde mit Versprechungen gestopft: man kann Kapaunen nicht besser mästen.
KÖNIG. Ich habe nichts mit dieser Antwort zu schaffen, Hamlet; dies sind meine Worte nicht.
HAMLET. Meine auch nicht mehr. Zu Polonius.
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