Das Wetter über den unklugen Schalk! Er goß mir einmal eine Flasche Rheinwein über den Kopf. Dieser Schädel da war Yoricks Schädel, des Königs Spaßmacher.
HAMLET. Dieser? Nimmt den Schädel.
ERSTER TOTENGRÄBER. Ja ja, eben der.
HAMLET. Ach, armer Yorick! – Ich kannte ihn, Horatio: ein Bursche von unendlichem Humor, voll von den herrlichsten Einfällen. Er hat mich tausendmal auf dem Rücken getragen, und jetzt, wie schaudert meiner Einbildungskraft davor! mir wird ganz übel. Hier hingen diese Lippen, die ich geküßt habe, ich weiß nicht wie oft. Wo sind nun deine Schwänke? deine Sprünge? deine Lieder, deine Blitze von Lustigkeit, wobei die ganze Tafel in Lachen ausbrach? Ist jetzt keiner da, der sich über dein eignes Grinsen aufhielte? Alles weggeschrumpft? Nun begib dich in die Kammer der gnädigen Frau, und sage ihr, wenn sie auch einen Finger dick auflegt: so 'n Gesicht muß sie endlich bekommen; mach' sie damit zu lachen! – Sei so gut, Horatio, sage mir dies eine!
HORATIO. Und was, mein Prinz?
HAMLET. Glaubst du, daß Alexander in der Erde solchergestalt aussah!
HORATIO. Gerade so.
HAMLET. Und so roch! pah! Wirft den Schädel hin.
HORATIO. Gerade so, mein Prinz.
HAMLET. Zu was für schnöden Bestimmungen wir kommen, Horatio! Warum sollte die Einbildungskraft nicht den edlen Staub Alexanders verfolgen können, bis sie ihn findet, wo er ein Spundloch verstopft?
HORATIO. Die Dinge so betrachten, hieße sie allzugenau betrachten.
HAMLET. Nein, wahrhaftig, im geringsten nicht. Man könnte ihm bescheiden genug dahin folgen, und sich immer von der Wahrscheinlichkeit führen lassen. Zum Beispiel so: Alexander starb, Alexander ward begraben, Alexander verwandelte sich in Staub; der Staub ist Erde; aus Erde machen wir Lehm: und warum sollte man nicht mit dem Lehm, worein er verwandelt ward, ein Bierfaß stopfen können?
Der große Cäsar, tot und Lehm geworden,
Verstopft ein Loch wohl vor dem rauhen Norden.
O daß die Erde, der die Welt gebebt,
Vor Wind und Wetter eine Wand verklebt!
Doch still! doch still! Beiseit! Hier kommt der König!
Priester u.s.w. kommen in Prozession; die Leiche der Ophelia; Laertes und Leidtragende folgen ihr; der König, die Königin, ihr Gefolge u.s.w.
Die Königin, der Hof: wem folgen sie?
Und mit so unvollständ'gen Fei'rlichkeiten?
Ein Zeichen, daß die Leiche, der sie folgen,
Verzweiflungsvolle Hand an sich gelegt.
Sie war von Stande: lauern wir ein Weilchen,
Und geben acht!
Zieht sich mit Horatio zurück.
LAERTES.
Was für Gebräuche sonst?
HAMLET.
Das ist Laertes,
Ein edler junger Mann. Gebt acht!
LAERTES.
Was für Gebräuche sonst?
ERSTER PRIESTER.
Wir dehnten ihr Begräbnis aus, so weit
Die Vollmacht reicht: ihr Tod war zweifelhaft,
Und wenn kein Machtgebot die Ordnung hemmte,
So hätte sie in ungeweihtem Grund
Bis zur Gerichtstrommete wohnen müssen.
Statt christlicher Gebete sollten Scherben
Und Kieselstein' auf sie geworfen werden.
Hier gönnt man ihr doch ihren Mädchenkranz
Und das Bestreun mit jungfräulichen Blumen,
Geläut' und Grabstätt'.
LAERTES.
So darf nichts mehr geschehn?
PRIESTER.
Nichts mehr geschehn.
Wir würden ja der Toten Dienst entweihn,
Wenn wir ein Requiem und Ruh' ihr sängen,
Wie fromm verschiednen Seelen.
LAERTES.
Legt sie in den Grund,
Und ihrer schönen, unbefleckten Hülle
Entsprießen Veilchen! – Ich sag' dir, harter Priester,
Ein Engel am Thron wird meine Schwester sein,
Derweil du heulend liegst.
HAMLET.
Was? die schöne Ophelia?
KÖNIGIN Blumen streuend.
Der Süßen Süßes: Lebe wohl! – Ich hoffte,
Du solltest meines Hamlets Gattin sein.
Dein Brautbett, dacht' ich, süßes Kind, zu schmücken,
Nicht zu bestreun dein Grab.
LAERTES.
Oh, dreifach Wehe
Treff' zehnmal dreifach das verfluchte Haupt,
Des Untat deiner sinnigen Vernunft
Dich hat beraubt! – Laßt noch die Erde weg,
Bis ich sie nochmals in die Arme fasse.
Springt in das Grab.
Nun häuft den Staub auf Lebende und Tote,
Bis ihr die Fläche habt zum Berg gemacht,
Hoch über Pelion und das blaue Haupt
Des wolkigen Olympus.
HAMLET hervortretend.
Wer ist der, des Gram
So voll Emphase tönt? Des Spruch des Wehes
Der Sterne Lauf beschwört und macht sie stillstehn
Wie schreckbefangne Hörer? – Dies bin ich,
Hamlet der Däne!
Springt in das Grab.
LAERTES.
Dem Teufel deine Seele!
Ringt mit ihm.
HAMLET.
Du betest schlecht.
Ich bitt' dich, laß die Hand von meiner Gurgel:
Denn ob ich schon nicht jäh und heftig bin,
So ist doch was Gefährliches in mir,
Das ich zu scheun dir rate. Weg die Hand!
KÖNIG.
Reißt sie doch von einander!
KÖNIGIN.
Hamlet! Hamlet!
ALLE.
Ihr Herren –
HORATIO.
Bester Herr, seid ruhig!
Einige vom Gefolge bringen sie aus einander, und sie kommen aus dem Grabe heraus.
HAMLET.
Ja, diese Sache fecht' ich aus mit ihm,
So lang' bis meine Augenlider sinken.
KÖNIGIN.
O mein Sohn! welche Sache?
HAMLET.
Ich liebt' Ophelien: vierzigtausend Brüder
Mit ihrem ganzen Maß von Liebe hätten
Nicht meine Summ' erreicht. – Was willst du für sie tun?
KÖNIG.
Er ist verrückt, Laertes.
KÖNIGIN.
Um Gottes willen, laßt ihn!
HAMLET.
Beim Element, sag, was du tun willst:
Willst weinen? fechten? fasten? dich zerreißen?
Willst Essig trinken? Krokodile essen?
Ich tu's. – Kommst du zu winseln her?
Springst, um mir Trotz zu bieten, in ihr Grab?
Laß dich mit ihr begraben, ich will's auch;
Und schwatzest du von Bergen, laß auf uns
Millionen Hufen werfen, bis der Boden,
Die Scheitel an der glüh'nden Zone sengend,
Den Ossa macht zur Warze. – Prahlst du groß,
Ich kann's so gut wie du.
KÖNIGIN.
Dies ist bloß Wahnsinn:
So tobt der Anfall eine Weil' in ihm,
Doch gleich, geduldig wie das Taubenweibchen,
Wann sie ihr goldnes Paar hat ausgebrütet,
Senkt seine Ruh' die Flügel.
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