Und denen, die eure lustigen Bauren machen sollen, schärfet ein, daß sie nicht mehr sagen sollen, als in ihrer Rolle steht; denn es giebt einige unter ihnen, die sich selbst einen Spaß damit machen wollen, daß sie eine Anzahl alberner Zuschauer zum Lachen bringen können, wenn gleich in dem nemlichen Augenblik die Aufmerksamkeit auf eine wichtige Stelle des Stüks geheftet seyn sollte: Das ist was infames, und zeigt eine erbärmliche Art von Ambition an dem Narren, der es so macht. Geht, macht euch fertig.
(Die Schauspieler gehen ab.)
Vierte Scene.
(Polonius, Rosenkranz und Güldenstern treten auf.)
Hamlet.
Wie ists, mein Herr? Will der König dieses Stük hören?
Polonius.
Und die Königin dazu, und das sogleich.
Hamlet.
So seht, daß die Schauspieler hurtig machen.
(Polonius geht ab.)
Wollt ihr beyde nicht auch gehen, und ihnen helfen, daß sie fertig werden?
Beyde.
Wir wollen, Gnädiger Herr.
(Sie gehen ab.)
Hamlet.
He, holla, Horatio—(Horatio zu Hamlet.)
Horatio.
Hier, liebster Prinz, was habt ihr zu befehlen?
Hamlet. Horatio, du bist durchaus so ein ehrlicher Mann, als ich jemals in meinem Leben einen gefunden habe.
Horatio.
O, mein Gnädigster Herr—
Hamlet. Nein, bilde dir nicht ein, ich schmeichle; denn was für Interesse könnt' ich von dir hoffen, dessen ganzer Reichthum darinn besteht, daß du Verstand genug hast, dir Nahrung und Kleider zu verschaffen? Die Zunge der Schmeicheley lekt nur um die Füsse der Grossen, und beugt ihre kupplerische Kniee nur, wo sie Belohnung hofft. Hörst du? Seitdem meine Seele fähig ist zu wählen, und Menschen von Menschen zu unterscheiden, hat sie dich aus allen für sich selbst auserkohren. Denn ich habe dich als einen Mann kennen gelernt, der gutes und böses Glük mit gleicher Mässigung annahm, und wenn alle Widerwärtigkeiten sich gegen ihn vereinigten, so gutes Muthes war, als ob er nichts zu leiden hätte. Und glüklich sind diejenigen, deren Blut und Gemüths-Art so wol gemischt ist, daß sie keine Pfeiffe für Fortunens Finger sind, und tönen müssen, wie sie greift. Zeigt mir den Mann, der kein Sclave der Leidenschaft ist, ich will ihn im Kern meines Herzens tragen; ja, in meines Herzens Herzen, wie ich dich trage—Genug, und ein wenig mehr als genug hievon!—Es soll diese Nacht ein Schauspiel vor dem König aufgeführt werden, worinn eine Scene demjenigen sehr nahe kommt, was ich dir von den besondern Umständen von meines Vaters Tod erzählt habe. Ich bitte dich, wenn diese Scene kommt, so beobachte meinen Oheim mit dem äussersten Grade der Aufmerksamkeit, der deiner Seele möglich ist. Wenn bey einer gewissen Rede seine geheime Schuld sich nicht selbst verräth, so ist der Geist den wir gesehen haben, aus der Hölle, und meine Einbildungen auf des Teufels Ambose geschmiedet. Verwende kein Auge von ihm, ich will es auch so machen, und hernach wollen wir unsre Beobachtungen zusammentragen, und ein Urtheil über sein Bezeugen festsezen.
Horatio. Gut, Gnädiger Herr. Wenn er was stiehlt, während daß die Comödie gespielt wird, und der Entdekung entgeht, will ich den Diebstahl bezahlen.
Fünfte Scene.
(Der König, die Königin, Polonius, Ophelia, Rosenkranz,
Güldenstern, und andere Herren von Hofe, mit Bedienten, welche
Fakeln vortragen. Ein dänischer Marsch, mit Trompeten.)
Hamlet.
Da kommen sie zur Comödie—ich muß hier den Geken machen—
(zu Horatio.)
Sieh dich um einen Plaz um.
König.
Wie steht's um unsern Neffen Hamlet?
Hamlet. Unvergleichlich, in der That, nach Cameleons Art; ich esse Luft, mit Versprechungen gefüllt; eure Capunen werden nicht fett dabey werden.
König.
Ich weiß nichts mit dieser Antwort zu machen, Hamlet—
Hamlet.
Ich auch nicht—
(Zu Polonius.)
Nun, mein Herr; ihr spieltet ja ehmals auch Comödien auf der
Universität, sagtet ihr?
Polonius.
Das that ich, Gnädiger Herr, und man hielt mich für einen guten
Schauspieler.
Hamlet.
Und was machtet ihr für Rollen?
Polonius.
Ich machte den Julius Cäsar, ich wurde im Capitol umgebracht;
Brutus brachte mich um.
Hamlet. Das war brutal von ihm gehandelt, ein solches Capital-Kalb da umzubringen—Sind die Comödianten fertig?
Rosenkranz.
Ja, Gnädiger Herr, sie warten auf euern Befehl.
Königin.
Komm hieher, mein liebster Hamlet; seze dich zu mir.
Hamlet.
Um Vergebung, Frau Mutter, hier ist ein Magnet der stärker zieht.
Polonius (zur Königin.)
O, ho, habt ihr das bemerkt?
Hamlet.
Fräulein, wollt ihr mich in euerm Schooß ligen lassen?
(Er sezt sich zu ihren Füssen auf den Boden hin.)
Ophelia.
Nein, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Ich meyne, meinen Kopf auf euerm Schooß?
Ophelia.
Ja, Gnädiger Herr.
Hamlet.
Denkt ihr, ich habe was anders gemeynt?
Ophelia.
Ich denke nichts, Gnädiger Herr.
Hamlet (etwas leise.) Das ist ein hübscher Gedanke, zwischen eines Mädchens Beinen zu ligen—
Ophelia.
Was ist's, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Nichts.
Ophelia.
Ihr seyd aufgeräumt, Gnädiger Herr?
Hamlet.
Wer, ich?
Ophelia.
Ja.
Hamlet.
O Gott! ein Spaßmacher, wie ihr keinen mehr sehen werdet. Was
sollte einer thun, als aufgeräumt seyn? Denn, seht ihr, was meine
Mutter für ein vergnügtes Gesicht macht, und es ist doch kaum zwo
Stunden, daß mein Vater todt ist.
Ophelia.
Um Vergebung, es sind zweymal zween Monate, Gnädiger Herr.
Hamlet. Schon so lange? O, wenn das ist, so mag der Teufel schwarz gehen, ich will meinen Hermelin-Pelz wieder umwerfen. O Himmel! schon zween Monat todt, und noch nicht vergessen! So kan man doch hoffen, daß eines grossen Mannes Andenken sein Leben ein halbes Jahr überleben werde: Aber, bey unsrer Frauen! in diesem Fall muß einer wenigstens eine Kirche gebaut haben; sonst mag er leiden, daß man nicht mehr an ihn denkt, wie das Steken-Pferd; dessen Grabschrift ist:
Au weh! das ist beklagens werth,
Man denkt nicht mehr ans Steken-Pferd.*
{ed.-* Ein satyrischer Stich auf die damaligen Puritaner, welche man in den Gassen-Liedern, die über sie gemacht und gesungen wurden, ihren bekannten scheinheiligen Eifer gegen alle Spiele bis gegen das Steken-Pferd treiben ließ, auf welchem doch sie, und ihres gleichen, bis auf den heutigen Tag, so weydlich herumtraben.}
Sechste Scene.
(Musik von Hautbois. Die Pantomime tritt auf.)
(Ein Herzog und eine Herzogin mit Cronen auf den Häuptern, treten
sehr liebreich mit einander auf; die Herzogin umarmt ihn, und er
sie; sie kniet nieder, er hebt sie auf und neigt seinen Kopf auf
ihren Hals; er legt sich auf einen Blumenbank hin; sie sieht daß er
eingeschlafen ist, und verläßt ihn. Darauf kommt ein Kerl hervor,
nimmt seine Crone weg, küßt sie, schüttet dem Herzog Gift ins Ohr,
und geht ab. Die Herzogin kommt zurük, und da sie den Herzog todt
findet, gebehrdet sie sich gar kläglich. Der Vergifter kommt mit
zween oder drey Stummen wieder, und stellt sich, als ob er mit ihr
jammere. Der Leichnam wird weggetragen. Der Vergifter buhlt
hierauf um die Herzogin, und bietet ihr Geschenke an; sie scheint
eine Zeit lang unwillig, und unschlüssig; doch zulezt nimmt sie
seine Liebe an.)
(Die Pantomime geht ab.)
Ophelia.
Was soll das bedeuten?
Hamlet.
Poz Stern, Fräulein, es bedeutet Unheil.
Ophelia.
Vermuthlich wird es den Inhalt des Stüks vorstellen sollen? (Der
Vorredner tritt auf.)
Hamlet. Das werden wir von diesem Burschen hören: Die Comödianten können nichts Geheimes bey sich behalten; sie werden alles sagen.
Ophelia.
Wird er uns sagen, was das stumme Schauspiel bedeutet?
Hamlet. Ja, oder irgend ein Schauspiel das ihr ihm zu schauen gebt. Schämt euch nicht, es ihn sehen zu lassen, so wird er sich nicht schämen, euch zu sagen was es bedeutet.
Ophelia.
Ihr seyd unartig, sehr unartig; ich will auf die Comödie Acht geben.
Vorredner.
Der Prologus tritt hier hervor
Und bittet eure Huld
Um ein nicht allzu-critisch Ohr
Und ziemlich viel Geduld.
(Sie gehen ab.)
Hamlet.
Ist das ein Prologus, oder Poesie auf einen Ring?
Ophelia.
Es war ziemlich kurz.
Hamlet.
Wie Weiber-Treue.
(Der Herzog und die Herzogin des Schauspiels treten auf.)
Herzog.*
Dreissig male schon hat Phöbus seinen glänzenden Lauf durch den
Himmel vollbracht, und zwölfmal dreissigmal der Mond seinen Silber-
Wagen um den Erdkreis getrieben, seit Amor unsre Herzen und Hymen
unsre Hände durch das Band geheiligter Liebe vereinigt hat.
{ed.-* Dieses ganze kleine Schauspiel ist im Original in Reimen von unübersezlicher Schlechtigkeit abgefaßt.}
Herzogin. Und eben so viele Reisen möge Sonne und Mond uns noch zählen lassen, eh das unerbittliche Geschik dieses theure Band zertrennen dürfe. Aber ach! weh mir! ihr befindet euch Zeit her so übel, und eure Gesundheit hat einen so starken Abfall erlidten, daß ich nicht anders als zittern kan: Doch lasset euch meine zärtliche Besorgnisse nicht erschreken, liebster Gemahl: Weiber fürchten allezeit wie sie lieben, in beydem mit Übermaaß.
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