Er schlich sich also während daß die beydenGesandten schliefen, in ihre Cajute, fingerte ihr Pakett weg, zogsich damit in sein eigenes Zimmer zurük, erbrach das königlicheSigel und fand einen gemeßnen Befehl an den Englischen König,vermöge dessen dem Hamlet sobald er angelangt seyn würde, der Kopfabgeschlagen werden sollte—Er stekte dieses Papier zu sich, undsezte sich hin, eine andre Commission zu schreiben, worinn derKönig aufs ernstlichste beschwohren wurde, so lieb ihm dieFreundschaft Dännemarks (von welchem England damals abhängig war)sey, die Überbringer dieses Schreibens unverzüglich aus dem Wegeräumen zu lassen. Zu gutem Glüke hatte er seines Vater Signet inder Tasche; und zu noch grösserm Glük war es dem grossen dähnischenSigel vollkommen gleich; er faltete also dieses Schreiben eben sowie das erste, unterschrieb und sigelte es, und legte es sogeschikt an die Stelle des andern, daß Rosenkranz und Güldensterndie Verwechslung nicht gewahr wurden, und also bey ihrer Ankunft inEngland wie Bellerophon, ihr eigenes Todesurtheil überlieferten.Horatio findet hiebey bedenklich, daß dieser mißlungene Ausgang desKöniglichen Bubenstüks nicht lange verborgen bleiben könne. Hamletberuhigst sich hierüber daß doch die Zwischen- Zeit sein sey, undnicht mehr als ein Augenblik erfordert werde, dem Leben einesMenschen ein Ende zu machen. Indessen bedaurt er, daß er sichdurch den Affect habe hinreissen lassen, den Laertes zu beleidigen,und nimmt sich vor, daß er sich bemühen wolle, seine Freundschaftwieder zu erlangen.)*

{ed.-* Man kan hieraus schliessen, daß HamletAbsichten gegen den König gehabt habe; es war aber doch nichtsbestimmtes, kein Entwurf, wobey er sich seiner eignen Sicherheitund eines glüklichen Ausgangs hätte versichert halten können—Hamlet soll und will seinen Vater rächen—Dieser Wille beherrschtihn vom ersten Actus des Stüks bis zum Ende, ohne daß er jemalsselbst weiß, oder nur daran denkt wie er dabey zu Werke gehen wolle—Allein wir haben längst gesehen, daß die Anlegung der Fabel, dieVerwiklung und die Entwiklung derselben gerade die Stüke sind,worinn unser Poet schwerlich jemand unter sich hat. Indessengefällt doch dem Englischen Parterre kein Stük ihres Shakespearsmehr als dieses. Man sollte sagen, es simpathisiere mit ihnen.Der Humor des Hamlet (Denn das was ihn in dem ganzen Lauf des Stüksbeherrscht, ist viel weniger Leidenschaft als Laune,) diese kalte,raisonnirende oder richtiger zu reden, phantasirende Melancholie,die nur dann und wann in plözliche und eben so schnell wiedersinkende Wind-Stösse von Leidenschaft ausbricht, dieseGleichgültigkeit gegen sein eigens Leben, welche das grosseVorhaben der Rache, wovon seine Seele geschwellt ist, demungefehren Zufall überlaßt, und es nicht der Mühe werth hält einenPlan anzulegen oder Präcautionen zu nehmen, um nicht selbst in denFall seines Feindes verwikelt zu werden—Alles dieses sind Züge, worinn Engländer ihr eignes Bild zu sehr erkennen, um nicht weitstärker davon interessiert zu werden, als durch die idealischenCharakters und die starken soutenierten Leidenschaften der Heldendes Corneille. Shakespears Helden, zumal seine Lieblings- Helden,sind alle (Humoristen), und vermuthlich ist dieses eine Haupt-Ursache, warum ungeachtet Sprache, Sitten und Geschmak sich seitseiner Zeit so sehr verändert haben, dieser Autor doch für seineLandsleute immer neu bleibt, und etwas weit anzügelichers für siehat, als alle die neuern, welche nach französischen Modellengearbeitet haben.}

Vierte Scene.
(Oßrik des Königs Hofnarr, kommt dem Hamlet zu melden, der König
 habe eine Wette mit Laertes angestellt, daß ihm Hamlet im Fechten
 überlegen sey. Diese Scene ist mit der unübersezlichen Art von Wiz,
 Wortspielen und Fopperey angefüllt, worinn unser Autor seine
 damaligen Rivalen eben so weit als an Genie und an wahren
 Schönheiten hinter sich ließ. Nach einem langen Ball-Spiel mit Wiz,
 unter welchen einige Satyrische Züge gegen die gezwungene und)
 precieuse(Hof-Sprache der damaligen Zeit mit einlauffen, fertigt
 Hamlet den Narren mit der Antwort an den König ab, daß er auf der
 Stelle bereit sey, den Wett-Kampf mit Laertes zu unternehmen. Bald
 darauf tritt ein Herr vom Hofe auf, und kündigt an, daß der König,
 die Königin, und der ganze Hof im Begriff seyen zu kommen und dem
 Wett-Kampf beyzuwohnen. Er sezt hinzu: Die Königin ersuche den
 Prinzen, vor Anfang des Gefechts sich eine Weile mit Laertes auf
 einen freundschaftlichen Fuß zu unterhalten. Hamlet verspricht es
 zu thun, und der Höfling geht ab.)

Horatio.
Ich besorge ihr verliehret die Wette Gnädiger Herr.

Hamlet. Ich glaub es nicht; ich bin, seit dem er nach Frankreich gieng, in beständiger Übung gewesen, ich halte mich des Siegs gewiß. Aber du kanst dir nicht vorstellen, wie übel mir allenthalben hier ums Herz ist—Allein das hat nichts zu bedeuten.

Horatio.
Ich denke nicht so, mein liebster Prinz.

Hamlet. Es ist nichts, blosse Kinderey; und doch wär es vielleicht genug, um ein Weibsbild unruhig zu machen.

Horatio. Wenn euch euer Herz eine geheime Warnung giebt, so folgt ihm. Ich will ihnen entgegen gehen, und sagen, ihr seyd izo nicht disponiert.

Hamlet. Nein, nein, ich halte nichts auf Ahnungen; die Vorsehung erstrekt sich bis über den Fall eines Sperlings. Ist es izt, so ist es nicht ein andermal; ist es nicht ein andermal, so ist es izt; und ist es nicht izt, so wird es ein andermal seyn—Alles kommt darauf an, daß man bereit sey.

Fünfte Scene.
(Der König, die Königin, Laertes und eine Anzahl Herren vom Hofe,
 Oßrik und einige Bedienten mit Rappieren und Fecht-Handschuhen.
 Ein Tisch und Flaschen mit Wein darauf.)

König.
Kommt, Hamlet, kommt, und nemmt diese Hand von mir.

(Er giebt ihm des Laertes Hand.)

Hamlet. Ich bitte um eure Vergebung, mein Herr, ich habe euch bleidiget; aber vergebet mirs und versichert mich dessen als ein Edelmann. Alle Gegenwärtigen wissen, und ihr müßt es gehört haben, mit was für einer unglüklichen Gemüths-Krankheit ich gestraft bin. Was ich gethan habe, das in euch Natur, Ehre und Rache gegen mich aufreizen möchte, hat, ich erklär' es hier öffentlich, meine Raserey gethan; Es war nicht Hamlet der euch beleidigte—Hamlet war nicht er selbst, da er es that, er verabscheut die That seiner Raserey; sie ist der Beleidiger, er auf der Seite der Beleidigten; seine Raserey ist des armen Hamlets Feind. Laßt also meine feyerliche Erklärung daß ich keinen Vorsaz hatte, übels zu thun, mich so fern in euern edelmüthigen Gedanken frey sprechen, als ob ich meinen Pfeil über ein Haus geschossen, und meinen Bruder verwundet hätte.

Laertes. Ich bin befriedigt, in so fern ich Sohn und Bruder bin, Namen, die in diesem Fall mich am meisten zur Rache auffordern; Aber als ein Edelmann, kan und will ich keine Versöhnung eingehen, bis ich von einigen ältern und bewährten Richtern dessen was die Ehre fodert, die Versicherung erhalten habe, daß ich es ohne meinen Namen zu entehren thun könne. Inzwischen nehme ich, bis dahin, eure angebotene Freundschaft als Freundschaft an, und will sie nicht mißbrauchen.

Hamlet. Ich bin zufrieden, und auf diesen Fuß bin ich bereit, diesen freundschaftlichen Wett-Kampf zuversichtlich zu bestehen. Gebt uns die Rappiere.

Laertes.
Kommt, eins für mich.

Hamlet.
Ich werde eure Folie seyn, Laertes; eure Kunst wird aus meiner
Unwissenheit desto feuriger hervorstralen, wie ein Stern aus der
Finsterniß der Nacht; in der That.

Laertes.
Ihr scherzet, mein Herr.

Hamlet.
Nein, bey dieser Hand.

König. Gebt ihnen Rappiere, Oßrik. Hamlet, ihr wisset, worauf ich gewettet habe?

Hamlet. Ich weiß es, Gnädigster Herr; Eure Majestät hat sich in Gefahr gesezt, zu verliehren.

König.