Ich will erkenntlich für eure Freundschaft seyn: Nun, gehabt euch wol. Zwischen eilf und zwölf Uhr, auf der Terrasse, will ich euch besuchen.
Alle.
Eure demüthige Knechte, Gnädiger Herr—
(Sie gehen ab.)
Hamlet.
Meine Freunde, wie ich der eurige: Lebet wohl.
(Allein.)
Meines Vaters Geist in Waffen! Es ist nicht alles wie es seyn
soll! Ich besorge irgend eine verdekte Übelthat: Wenn nur die
Nacht schon da wäre! Bis dahin, size still, meine Seele:
Schändliche Thaten müssen ans Licht kommen, und wenn der ganze
Erdboden über sie hergewälzt wäre.
Fünfte Scene.
(Verwandelt sich in ein Zimmer in Polonius Hause.)
(Laertes und Ophelia treten auf.)
Laertes.
Mein Geräthe ist eingepakt, lebet wohl Schwester, und wenn die
Winde meiner Reise günstig sind, so verschlaft mein Andenken nicht,
sondern laßt mich Nachrichten von euch haben.
Ophelia.
Wie könnt ihr daran zweifeln?
Laertes. Was den Hamlet und die Tändeley seiner Liebe betrift, haltet sie für einen flüchtigen Geschmak, und ein Spiel des jugendlichen Blutes; ein Veilchen in den ersten Frühlings-Tagen der Natur, frühzeitig aber nicht dauerhaft; angenehm, aber hinfällig; ein lieblicher Geruch für eine Minute; nicht mehr—
Ophelia.
Nicht mehr als das?
Laertes. Glaubt mir, nicht mehr, liebe Schwester. Wir nehmen in unsrer Jugend nicht nur an Grösse und Stärke zu; die Seele wächßt mit, und ihre innerliche Verrichtungen und Pflichten dehnen sich mit ihrem Tempel aus. Vielleicht liebt er euch izt aufrichtig, mit der reinen Zuneigung eines noch unverdorbnen Herzens: Aber ihr müßt bedenken, daß, sobald er seine Grösse in Erwägung ziehen wird, seine Neigung nicht mehr in seiner Gewalt ist: Denn er selbst hangt von seiner Geburt ab; er darf nicht für sich selbst wählen, wie gemeine Leute: Die Sicherheit und das Wohl des Staats hängt an seiner Wahl, und daher muß sich seine Wahl nach der Stimme und den Wünschen des Körpers, wovon er das Haupt ist, bestimmen. Wenn er also sagt, er liebe euch, so kömmt es eurer Klugheit zu, ihm in so weit zu glauben, als er nach seiner Geburt und künftigen Würde, seinen Worten Kraft geben kan; und das ist nicht mehr, als wozu er die Einwilligung des Königs erhalten kan. Überleget also wol, was für einen grossen Verlust eure Ehre leiden kan, wenn ihr seinem lokenden Gesang ein zu leichtgläubiges Ohr verleihet; entweder ihr verliehrt euer Herz, oder sein Ungestüm, den zulezt nichts mehr zurükhalten wird, sieget gar über eure Keuschheit. Fürchtet es, Ophelia, fürchtet es, meine theure Schwester; steuret einer noch unschuldigen Neigung, die so gefährlich ist, und überlaßt euch nicht dem Strom schmeichelnder Wünsche. Das gefälligste Mädchen ist verschwenderisch genug, wenn sie ihre keusche Schönheit dem Mond entschleyert: Die Tugend selbst ist vor den Bissen der Verläumdung nicht sicher; nur allzu oft frißt ein verborgner Wurm die Kinder des Frühlings, bevor ihre Knospen sich entwikelt haben; und mengender Meel-Thau ist nie mehr zu besorgen als im Thauvollen Morgen der Jugend. Seyd also vorsichtig; hier giebt Furcht die beste Sicherheit; die Jugend hat einen Feind in sich selbst, wenn sie auch keinen von aussen hat.
Ophelia. Ich werde diese guten Erinnerungen zu immer wachsamen Hütern meines Herzens machen. Aber, mein lieber Bruder, macht es ja nicht, wie manche ungeheiligte Seelen-Hirten, die euch den engen und dornichten Pfad zum Himmel weisen, indessen daß sie selbst, ihrer eignen Lehren uneingedenk, in ruchloser Freyheit auf dem breiten Frühlings-Wege der Üppigkeit dahertraben.
Laertes.
O, davor seyd unbekümmert.
Sechste Scene.
(Polonius zu den Vorigen.)
Laertes. Ich halte mich zulang auf—Aber hier kommt mein Vater: Desto besser; ich werde seinen Abschieds-Segen gedoppelt erhalten.
Polonius.
Du bist noch hier, Laertes! Zu Schiffe, zu Schiffe, mein Sohn; der
Wind schwellt eure Segel schon, und man wartet auf euch. Hier,
empfange meinen Segen,
(Er legt seine Hand auf Laertes Haupt)
und diese wenigen Lebens-Regeln, womit ich ihn begleite, schreib in dein Gedächtniß ein. Gieb deinen Gedanken keine Zunge, und wenn du je von unregelmässigen überrascht wirst, so hüte dich wenigstens, sie zu Handlungen zu machen: Sey gegen jedermann leutselig, ohne dich mit jemand gemein zu machen: Hast du bewährte Freunde gefunden, so hefte sie unzertrennlich an deine Seele; aber gieb deine Freundschaft nicht jeder neuausgebruteten, unbefiederten Bekanntschaft preiß. Hüte dich vor den Gelegenheiten zu Händeln; bist du aber einmal darinn, so führe dich so auf, daß dein Gegner nicht hoffen könne, dich ungestraft zu beleidigen. Leih' dein Ohr einem jeden, aber wenigen deinen Mund; nimm jedermanns Tadel an, aber dein Urtheil halte zurük. Kleide dich so kostbar als es dein Beutel bezahlen kan, aber nicht phantastisch; reich, nicht comödiantisch: Denn der Anzug verräth oft den Mann, und in Frankreich pflegen Leute von Stand und Ansehen sich gleich dadurch anzukündigen, daß sie sich mit Geschmak und Anstand kleiden. Sey weder ein Leiher noch ein Borger; denn durch Leihen richtet man oft sich selbst und seinen Freund zu Grunde; und borgen untergräbt das Fundament einer guten Haushaltung. Vor allem, sey redlich gegen dich selbst, denn daraus folget so nothwendig als das Licht dem Tage, daß du es auch gegen jedermann seyn wirst. Lebe wohl, mein Sohn; mein Segen befruchte diese Erinnerungen in deinem Gemüthe!
Laertes.
Ich beurlaube mich demüthigst von euch, Gnädiger Herr Vater.
Polonius.
Du hast hohe Zeit; geh, deine Bediente warten—
Laertes.
Lebet wohl, Ophelia, und erinnert euch dessen was ich gesagt habe.
Ophelia. Es ist in mein Gedächtniß verschlossen, und ihr sollt den Schlüssel dazu mit euch nehmen.
Laertes.
Lebet wohl.
(Er geht ab.)
Polonius.
Was sagte er denn zu euch, Ophelia?
Ophelia.
Mit Eu. Gnaden Erlaubniß, etwas, das den Prinzen Hamlet angieng.
Polonius. Wahrhaftig, ein guter Gedanke! Ich habe mir sagen lassen, daß er euch seit einiger Zeit ziemlich oft allein gesprochen habe, und daß ihr ihm einen sehr freyen Zutritt verstattet, und geneigtes Gehör gegeben habt. Wenn es so ist, (wie es mir dann von sichrer Hand zukommt) so muß ich euch sagen, daß ihr euch selbst nicht so gut versteht, als es meiner Tochter und eurer Ehre geziemt. Was ist denn zwischen euch? Sagt mir die reine Wahrheit.
Ophelia. Gnädiger Herr Vater, er hat mir zeither verschiedene Erklärungen von seiner Zuneigung gemacht.
Polonius.
Von seiner Zuneigung? He! Ihr sprecht wie ein junges Ding, das
noch keine Erfahrung von dergleichen gefährlichen Dingen hat.
Glaubt ihr denn seine Erklärungen, wie ihr es nennt?
Ophelia.
Ich weiß nicht was ich denken soll, Herr Vater.
Polonius. Potz hundert! Das will ich dich lehren; denk du seyst ein Kindskopf, daß du seine Erklärungen für baar Geld genommen hast, da sie doch falsche Münze sind. Du must bessere Sorge zu dir selbst haben, oder ich werde wenig Freude an dir erleben—
Ophelia.
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