Doch plötzlich erfaßt ihn die Laune, oder eine Stimmung zur Poesie, und er spricht und singt die wunderbarsten Sachen und Gedichte. Er ist es manchmal allein, der lange Zeit hindurch unsre Gesellschaft belustigt.

Ganz recht, fügte der Dechant hinzu, es ist derselbe alte Tor, den sie oft den einfältigen, den blödsinnigen oder dummen Abt nennen, weil man nicht weiß, ob er sich albern stellt, oder es wirklich ist. Ich habe nie begriffen, wie Menschen noch als Greise den Lustigmacher spielen mögen.

Ihr seid viel zu hart, ehrwürdiger Herr, sagte Catharina sehr freundlich; soll alles auf eine und dieselbe Art sein? Ich versichere Euch, der gute Alte macht sich niemals verächtlich, so seltsam auch manchmal seine Reden ausfallen mögen. Sein Sinn ist ernst, ich habe ihn selbst schwermütig gesehen, und wenn ein solcher, der ohne Weib und Kind, ohne Bruder und Schwester, nicht im Überfluß lebend, sich über die dunkle Bestimmung des Daseins durch Scherz und Laune, Spaß und Witz, die manchmal an die Tollheit grenzen, zu trösten sucht, und andere erheitert und ergötzt, indem er seine Lebensgeister in der Gesellschaft erhöht, so darf man solchen nicht mit jenen gemeinen Narren vergleichen, die das Edle verschmähen und in den Staub treten. Er ist ein guter, lieber alter Mann, einfältig wie ein Kind, leichtgläubig und harmlos. Deshalb wird sein besserer Sinn auch oft von Listigen gemißbraucht, die ihn lächerlich machen. Wenn es geschieht, und er einsieht, wie boshaft man mit ihm umgegangen ist, so ist er der erste, welcher alles vergibt. Ist dies nicht eine christliche Tugend?

Ohne Zweifel, antwortete der Dechant, doch wäre es noch christlicher, wenn er zu allen diesen Anstößen keine Gelegenheit gäbe.

Friedrich nahm das Wort und sagte: Nicht so, ehrwürdiger Herr; sollen wir dem Scherz und Gelächter gar keine Stelle einräumen, so dürften wir jungen Gesellen nur lieber Maulkörbe tragen, die die Lippen zu Ernst und Ehrbarkeit fest zusammenschnüren. Man muß die Torheit erleben, um später Unglück ertragen und Weisheit begreifen zu können. Glaubt Ihr nicht, daß in solchen Späßen, die oft zweideutig aussehn und dem Tadel unterliegen dürfen, sich nicht auch Liebe, Gefühl und eine Art Frömmigkeit zu Zeiten erziehn lassen?

Verschont mich mit dergleichen Fragen, sagte der Dechant, in übler Laune, denn da ich sie nicht verstehe, weiß ich keine Antwort darauf zu geben.

Der Vater sah den Sohn mit einem strengen Blick an, worauf Friedrich mit Laune und Freundlichkeit erwiderte: Ich will niemand ärgern, sondern jene Vorrede sollte nur die Einleitung zu einer kleinen unbedeutenden Geschichte abgeben. Unser guter Labitte war schon im vorigen Jahre, als er noch draußen in Douay wohnte, eine Zeitlang hier bei uns. Wir suchten ihn auf, da wir schon längst seine schönen Lieder gesungen hatten, und er gab sich uns so freundlich hin, als wenn er der jüngste und unerfahrendste von uns allen wäre. So verlor sich bald die fromme Scheu vor dem Manne, der auch den Lobgesang auf die Maria gedichtet hat, der bei uns zur Erbauung dient, wenn feierliche Umgänge gehalten werden, oder wenn man das große Erntefest feiert. Er nahm uns in seine Wohnung, und ließ uns zugegen bleiben, wenn er an seinem Bilde malte, das, wenn es auch nicht die vorzüglichsten erreicht, doch anmutig wurde und uns mit seinen klaren Farben ergötzte.

Der Mann hat einen weißen Pudel, den er schon seit manchem Jahre mit der größten Zärtlichkeit liebt. Dieses Tier mit seinen langen Ohren und aufgelocktem Fell ist zu Hause sein beständiger Gesellschafter. Er spielt mit ihm, er spricht zu ihm, erzählt ihm, als wenn der Hund ihn verstehen könnte. Da wir zuweilen den halben Tag bei dem alten Maler zubrachten, so wurde der Hund, der schon gesellig war, auch bald mit uns allen vertraut und zutunlich. Er machte auch uns seine Künste, die der Maler ihn gelehrt hatte, und freute sich in Sprüngen, wenn er einem von der jungen Bande auf der Straße begegnete. Wir wunderten uns oft über die Leichtgläubigkeit unseres Labitte, dem man, weil er sich um weltliche Händel und Staatssachen so gar nicht kümmerte, alles mögliche einbilden konnte, wenn auch jedes Kind die Fabel begriffen hätte.

So geschah es denn, daß wir ihm erzählten, sein Hund sei um vieles klüger, als er es selber wisse. Wir hatten des Pudels Geburtsstunde von unserm Freunde erfahren, und so hatte uns ein leichtfertiger Astrolog das Horoskop des Künstlers gestellt, aus welchem hervorging, daß ein Wesen, in dieser Stunde, unter diesen Aspekten geboren, die auffallendsten Geistesfähigkeiten in sich vereinige. Es schmeichelte dem Alten, daß das Tier, welches er liebte, außer seiner Treue noch so viele Vorzüge besitze. Wir wußten, daß er an einem Morgen schnell zum Statthalter gerufen werden würde, um dessen Bildnis zu malen; er war auf dem Spaziergange, und mußte auf einen Augenblick in sein Haus gehen, um seinen bessern Mantel umzulegen und seine Farben zu holen. Einer der Genossen, der in demselben Hause wohnte, hatte auf unsern Wink den gelehrigen, freundlichen Pudel genommen, ihn aufrecht sitzend in einem Sessel festgebunden, und vor ihm eine Chronik, die auf einem Pulte lehnte, aufgeschlagen. Wir schlichen uns in den Saal, um den Alten, wenn er eintreten würde, zu beobachten. Hinter einem großen Gemälde versteckt, sahen wir vor uns die possierliche Gestalt des Hundes, der aufrecht sitzend, die Pfoten auf den Tisch gestützt, in der kostbaren pergamentnen Handschrift zu lesen schien, indem ihm die lange rote Zunge aus dem Maule hing, und er, von den Bändern gehemmt, keuchend Atem holte, wie einer, der tief von dem, was er lieset, ergriffen ist. Der Maler tritt hastig ein, fährt zerstreut und fahrig, nach seiner Weise, in die Kammer, kommt gleich in seinem neuen Mantel zurück, nimmt vom Tisch die Pinsel, und sieht plötzlich seinen weißen, zottigen Freund im Studium des Froissard begriffen. Die Miene des Erstaunens, der aufgerissene Mund, die großen Augen, seine Stellung, alles dies ist nicht zu beschreiben. Er hört die mahnende Glocke schlagen, und stürzt in größter Eile wieder aus dem Hause. Der Hund wird gleich losgebunden, und wir zerstreuten uns.

Am andern Tage sind wir in der Weinschenke heiter versammelt, und der Alte kommt auch wohlgemut zu uns. Man sah ihm an, daß er ein Geheimnis auf dem Herzen habe, welches ihn drücke, und daß er den Mut und günstigen Augenblick nicht finden könne, es uns mitzuteilen.