Jetzt sind wir es, denen es nicht paßt.“

„Später fahre ich Euch nicht!“

„So läßt du es bleiben!“

„Ihr habt mir ein Bakschisch für das Warten bezahlt!“

„Sehr gern! Wieviel verlangst du?“

„Fünf Piaster. Ich denke, daß Ihr das sehr billig findet werdet!“

„Es ist billig; ich hätte mehr verlangt. Gib also die fünf Piaster her!“

„Ich?“ fragte er erstaunt.

„Ja.“

„Euch?“

„Natürlich!“

„Du sprichst ja ganz verkehrt! Wer ist es denn, der zu bezahlen, und wer, der zu bekommen hat?“

„Zu bezahlen hast du. Wer sonst?“

„Doch Ihr!“

„Wenn du das behauptest, bist du es, der verkehrt redet. Du bist eine einzelne Person und hast auf uns gewartet. Dafür verlangst du von uns eine Entschädigung von fünf Piastern?“

„Ja.“

„Schön! Wir sind zwei Personen, die du hinüberfahren solltest; wir haben auf dich gewartet; das macht zehn Piaster; folglich hast du uns fünf her auszuzahlen.“

„Allah 'l Allah!“ rief er erstaunt. „Sollte man so etwas für möglich halten? Ich höre, daß du mich um mein wohlverdientes Geld betrügen willst!“

Ich kam nicht dazu, ihm auf diese Worte eine Antwort zu geben, denn Halef tat dies an meiner Stelle. Seine Unterredung mit dem Wirt war zu Ende. Er war hinter dem Fährmann hergekommen, stand nun mit seinem Rücken an der Tür und hatte seine Forderung und meine Antwort gehört. Jetzt schob er ihn schnell zur Seite, trat vor und sprach ihn zornig an:

„Betrügen? Mensch, wie darfst du es wagen, diesen weltberühmten und mächtigen Emir einen Betrüger zu nennen! Er ist so gnädig gewesen, mit deinen armseligen fünf Piastern einverstanden zu sein; er hat dir deutlich und bis zur vollsten Überzeugung bewiesen, daß du dieses Geld für deine Faulheit herauszugeben hast, und nun du uns darum betrügen willst, bist du so frech, den Betrug ihm in das Gesicht zu werfen. Ich frage dich, ob du sie sofort bezahlen willst oder nicht?“

Er griff mit der Hand nach seiner im Gürtel steckenden Peitsche.

„Ich habe nicht zu bezahlen, sondern zu bekommen“, behauptete der Mann, der die Schnellfertigkeit Halefs nicht kannte und also gar nicht ahnte, was für ein Gewitter drohend über ihm stand.

„Zu bekommen? Schön! Du sollst erhalten, was du verdienst, und zwar sogleich! Hier hast du es, hier – hier – da – da und da!“

Die Peitsche flog heraus und knallte dem Mann so kräftig auf den Rücken, daß er sich mit einem Schrei des Schmerzes zur Flucht wandte. Halef eilte hinter ihm drein und versetzte ihm Hieb auf Hieb, bis er ihn zur vorderen Tür hinausgetrieben hatte; dann kehrte er zu uns zurück und sagte, vor Vergnügen strahlend:

„Das ist die einzig richtige Sprache, in welcher man mit solchen Menschen zu reden hat! Fünf Piaster für seinen Schlaf und unser Warten verlangen und auch noch von Betrug sprechen! Sihdi, deine Berechnung war sehr schlau; aber meine Bezahlung war noch besser!“

„Wie aber, wenn er sich bei der Behörde über dich beschwert?“ warf Lindsay ein.

„Bei der Behörde? Wie würde ich mich freuen, wenn sie käme! Sie würde die Fortsetzung des Anfangs bekommen, den ich ihm zu schmecken gegeben habe. Sihdi, bist du mit mir einverstanden?“

„In diesem Fall, ja. Die Hiebe waren ganz gut angebracht.“

„Hamdullillah! Endlich gibst du dich einmal als wahren Freund meiner Nilpferdhaut zu erkennen. Das bringt dir den Glanz meiner Achtung und die Fülle meiner Ehrerbietung ein. Deine Zufriedenheit ist mir eine wahre Wonne!“

„Hoffentlich brauche ich sie dir auch in Beziehung auf dein Gespräch mit dem Wirt nicht vorzuenthalten?“ fragte ich mit gedämpfter Stimme.

„Du brauchst nicht zu flüstern, sondern kannst so laut sprechen, wie es dir beliebt, Sihdi.“

„Wo ist er jetzt?“

„Er ruht in den Armen des heißen Zuckerwassers und hat den hineingegossenen Raki als Kissen unter den Kopf genommen.“

„Und sein Gehilfe, der Somali?“

„Bei dem ist's umgekehrt: Er liegt im Raki und hat das Zuckerwasser als Ruhekissen. Ihre Seelen lustwandeln in dem Land der Träume, und aus ihren Kehlen erschallt die Musik aller Himmel Mohammeds. Horch!“

Als wir still waren, hörten wir ein kräftiges, sägeartiges Schnarchen.

„Das ist der Somali“, erklärte Halef. „Er liegt mit dem Kopf in der Holzkohlenasche und schneidet mit dem Minschar (Säge) seines Gaumens Baumstämme auseinander.“

„Und der Kawedschi?“

„Der ruht am Ufer des Flusses und war um keinen Preis dazu zu bewegen, herunter in das Wasser zu steigen; dann schlief er ein.“

„Am Fluß? Er hat das Haus verlassen?“

„Nein. Er stieg mit mir, um mir dort etwas zu geben, die unter das Dach führende Leiter hinan. Bei der Rückkehr sank er in Frieden neben der Leiter hin und sagte, wenn ich ertrinken wolle, möge ich allein hinunterspringen, er aber werde vorsichtig auf dem Trockenen bleiben. Wenn du ihn sehen willst, will ich dir ihn zeigen.“

„Was hat er dir gegeben?“

„Einen Brief.“

„An wen?“

„Das weiß ich nicht.“

„Wer hat ihn geschrieben?“

„Auch das ist mir unbekannt.“

„Ist er nicht mit einer Adresse versehen?“

„Es stehen die Zeichen des Ringes darauf. Hier ist er.“

Er zog ein viereckig zusammengefaltetes und mehrfach versiegeltes Papier aus der Tasche und gab es mir. Man hatte sich eines gewöhnlichen Geldstücks als Petschaft bedient. Auf der Adreßseite sah ich ein mit Tinte geschriebenes Sâ, welches mit einem Lâm verbunden war; darüber stand das Verdoppelungszeichen.

„Er muß dir aber doch gesagt haben, für wen dieser Brief bestimmt ist“, sagte ich.

„Das hat er auch getan.“

„Nun?“

„Der Mann, der ihn bekommen soll, heißt Ghulam.“

„Was ist er?“

„Das weiß ich nicht.“

„Wo wohnt er?“

„Auch das weiß ich nicht.“

„Höre, lieber Halef, du scheinst in dieser Angelegenheit nichts weniger als allwissend zu sein!“

„Dafür kann ich nichts, Sihdi, sondern das heiße Zuckerwasser mit Raki ist schuld. Der Kawedschi wollte mir so sehr viel sagen, konnte sich aber auf nichts besinnen, weil sein ganzes Gedächtnis in dieser süßen Flüssigkeit ertrunken war und alle meine Wiederbelebungsversuche nichts mehr fruchteten.“

„So hast du dich ganz vergeblich bemüht; dieser Brief, der uns vielleicht von großem Vorteil sein könnte, wird uns keinen Nutzen bringen. Oder hast du es daran mangeln lassen, den Kawedschi in der richtigen Weise auszufragen?“

„Nein, gewiß nicht, ganz gewiß nicht, Sihdi. Du kennst mich da nur zu wohl und weißt, daß ich den Mund auf der Stelle habe, wo er sitzen muß, wenn man jemandem ein Geheimnis abzulocken hat; aber die Geheimnisse dieses Mannes waren infolge seiner Betrunkenheit so außerordentlich geheim, daß er sie selbst nicht mehr kannte. Da war alle meine Mühe umsonst. Wenigstens glaube ich nicht, daß du, wenn du an meiner Stelle gewesen wärst, mehr als ich erfahren hättest.“

„Möglich! Erzähle mir richtig der Reihe nach, was du mit ihm gesprochen hast! Wir sind in Bagdad übereingekommen, daß du einen Ring der Sillan stets bei dir haben sollst.