Nachdem sie sich zwei Gläser Bier hatten geben lassen, konnten sie miteinander sprechen, ohne von jemandem belauscht und beobachtet zu werden.

Und nun begann Herold sein Geständnis: seine Armut, die Furcht, die entsetzliche Furcht vor der Erblindung, die Angst um die Zukunft, die Abhängigkeit von dem Juden, die Verlockung desselben und das endliche Geraten in die Falle. Am Schluß sagte er:

„So, jetzt wissen Sie alles! Nicht wahr, ich bin verloren; ich muß mich anzeigen?“

„Nein“, antwortete Zander, welcher die Erzählung mit ernster Teilnahme angehört hatte. „Niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuzeigen. Es genügt, daß Sie Ihr Vergehen bereuen und es möglichst ungeschehen machen.“

„Wie kann ich das? Wenn ich mich nicht selbst anzeige, so wird der Jude falsches Geld machen oder machen lassen!“

„Das wird er nicht; dafür lassen Sie mich sorgen.“

„Und wenn man einst die Platten bei ihm findet, so wird er gestehen müssen, von wem sie sind. Dann bin ich trotz alledem verloren.“

„Nein. Die Not und die Angst haben Sie dem Juden in die Hände getrieben; aber ich glaube nicht, daß Gott will, Sie sollen daran zugrunde gehen. Lassen Sie sich Ihre Platten wiedergeben.“

„Wann?“

„Jetzt, sofort, ehe Salomon Levi arretiert wird. Denn dann würde es zu spät sein.“

„Sie denken, er gibt sie mir zurück? O nein; das wird ihm gar nicht einfallen!“

„Mit Gewalt gelingt es Ihnen allerdings nicht; aber mit List werden Sie ihn so weit bringen. Wieviel Platten haben Sie gefertigt?“

„Nur eine vollständig; die andere ist noch in Arbeit. Beide sollten zur Fabrikation von Guldenscheinen verwendet werden.“

Die Platten zu den Fünfzigguldenscheinen, welche Scharfenberg an den Mann bringen sollte, waren nämlich nicht von Herold, sondern von einem anderen angefertigt worden.

„Gehen Sie jetzt zu ihm. Ich warte hier. Machen Sie ihm etwas weis, daß Sie die fertige Platte für einen Augenblick zurückbrauchen. Es wird sich doch eine glaubhafte Ausrede finden lassen.“

„Oh, diese finde ich schon!“

„Nun, so säumen Sie auch nicht. Wie gesagt, ich erwarte Sie hier. Aber verraten Sie ja nicht, daß Sie von der Lotterieangelegenheit etwas erfahren haben.“

Der Graveur entfernte sich. Er kam zu dem Juden, als eben Scharfenberg zum zweiten Mal von demselben fortgegangen war. Salomon Levi wunderte sich, Herold wieder bei sich zu sehen. Er wollte bereits einige Besorgnis hegen in Beziehung auf das Lotterielos; daher beruhigte es ihn, als Herold nach der Platte fragte.

„Sie ist nicht bei mir. Es hat sie ein anderer, um die Arbeit zu beurteilen.“

„Wie schade! Ich wollte, Sie hätten sie noch da!“

„Warum?“

„Mir ist soeben eingefallen, daß sich ein großer Fehler darin befindet, ein sehr großer Fehler.“

„Welcher Fehler?“

„Ich habe ein e stehen lassen anstatt einem e, und in der fertigen Platte ist es ebenso.“

„Das ist doch kaum möglich!“

„Oh, ich kannte den Fehler, habe aber vergessen, ihn zu entfernen. Erst vorhin fiel mir diese Vergeßlichkeit ein.“

„Geht es denn zu ändern?“

„Jetzt läßt es sich noch ätzen, später nicht.“

„Verdammt unangenehm! So ist es am Ende am besten, man nimmt die Änderung sogleich vor?“

„Das meine ich auch. Und jetzt habe ich Zeit.“

„Warten Sie hier. Ich gehe für zehn Minuten fort. Meine Frau wird Ihnen Gesellschaft leisten.“

Er eilte nach dem Neumarkte zu dem Rentier Wunderlich, dem er die Sache von dem Fehler mitteilte. Beide suchten nach demselben, fanden ihn aber nicht.

„Er wird es schon wissen, wo er steckt“, sagte Wunderlich.

„Er mag sich sputen, fertig zu werden.“

Als der Jude mit den beiden Platten nach Hause kam, gab er seiner Frau einen Wink, sich zu entfernen, gab dann dem Graveur die Platten und fragte:

„Wir haben vergebens nach dem Fehler gesucht. Wo ist er?“

Herold hatte die Platten schnell in seine Taschen gesteckt.

„Da ist er!“ antwortete er, auf den Juden deutend.

„Da? Bei mir?“ fragte dieser erstaunt.

„Ja. Der Fehler ist nicht ein e oder e, sondern der Fehler sind Sie selbst!“

„Sie wollen doch nicht etwa mit mir spaßen?“

„O nein, nein! Es ist mir ganz im Gegenteil sehr ernst zumute, Herr Levi!“

„Aber ich verstehe Sie ganz und gar nicht!“

„So muß ich mich Ihnen erklären. Sie selbst sind es, der den Fehler gemacht hat, die Platten sind gut.“

„Aber Sie sagten doch –“

„Was ich vorhin sagte, hatte einen bestimmten Zweck. Geltung hat nur das, was ich jetzt sage.“

„Welchen Fehler soll ich denn begangen haben?“

„Den, daß Sie mich nicht bezahlen!“

„Ich kann Sie nicht bezahlen; die Arbeit ist nicht für mich, sondern für einen anderen gemacht worden.“

„Das geht mich nichts an. Sie haben die Platten bestellt, und ich halte mich also an Sie. Sie wissen ganz genau, daß ich arm bin.