Sie singen Soldatenlieder mit zirpendem Sopran. Der B lacht laut. Jetzt erblicken sie unser Zeltlager und halten. Die Führerin spricht auf die Mädchen ein und geht dann allein auf uns zu. Zirka zweihundert Meter. Ich geh ihr entgegen.
Wir werden bekannt, sie ist Lehrerin in einer größeren Provinzstadt, und die Mädchen gehen in ihre Klasse. Jetzt wohnen sie in einem Schloß, es sind also dieselben, vor denen mich der Herr Pfarrer warnte.
Ich begleite meine Kollegin zurück, die Mädchen starren mich an wie Kühe auf der Weide. Nein, der Herr Pfarrer braucht sich keine Sorgen zu machen, denn, alles was recht ist, einladend sehen diese Geschöpfe nicht aus!
Verschwitzt, verschmutzt und ungepflegt, bieten sie dem Betrachter keinen erfreulichen Anblick.
Die Lehrerin scheint meine Gedanken zu erraten, sie ist also wenigstens noch in puncto Gedankenlesen ein Weib und setzt mir folgendes auseinander: »Wir berücksichtigen weder Flitter noch Tand, wir legen mehr Wert auf das Leistungsprinzip als auf das Darbietungsprinzip.«
Ich will mich mit ihr nicht über den Unwert der verschiedenen Prinzipien auseinandersetzen, sage nur: »Aha!« und denke mir, neben diesen armen Tieren ist ja selbst der N noch ein Mensch.
»Wir sind eben Amazonen«, fährt die Lehrerin fort. Aber die Amazonen sind nur eine Sage, doch ihr seid leider Realität. Lauter mißleitete Töchter der Eva!
Julius Caesar fällt mir ein.
Er kann sich für keine rucksacktragende Venus begeistern. Ich auch nicht. –
Bevor sie weitermarschieren, erzählt mir die Lehrerin noch, die Mädchen würden heut vormittag den verschollenen Flieger suchen. Wieso, ist einer abgestürzt? Nein, das »Verschollenen-Flieger-Suchen« sei nur ein neues wehrsportliches Spiel für die weibliche Jugend. Ein großer weißer Karton wird irgendwo im Unterholz versteckt, die Mädchen schwärmen in Schwarmlinie durch das Unterholz und suchen den versteckten Karton. »Es ist für den Fall eines Krieges gedacht«, fügt sie noch erläuternd hinzu, »damit wir gleich eingesetzt werden können, wenn einer abgestürzt ist. Im Hinterland natürlich, denn Weiber kommen ja leider nicht an die Front.«
Leider!
Dann ziehen sie weiter in militärischer Ordnung. Ich seh ihnen nach: vom vielen Marschieren wurden die kurzen Beine immer kürzer. Und dicker.
Marschiert nur zu, Mütter der Zukunft!
Der Himmel ist zart, die Erde blaß. Die Welt ist ein Aquarell mit dem Titel: »April«.
Ich geh um das Lager herum und folge dann einem Feldweg. Was liegt dort hinter dem Hügel?
Der Weg macht eine große Krümmung, er weicht dem Unterholz aus. Die Luft ist still wie die ewige Ruh. Nichts brummt, nichts summt. Die meisten Käfer schlafen noch.
Hinter dem Hügel liegt in einer Mulde ein einsamer Bauernhof. Kein Mensch ist zu sehen. Auch der Hund scheint fortgegangen zu sein. Ich will schon hinabsteigen, da halte ich unwillkürlich, denn plötzlich erblicke ich hinter der Hecke an der schmalen Straße, die am Hof vorbeiführt, drei Gestalten. Es sind Kinder, die sich verstecken, zwei Buben und ein Mädchen. Die Buben dürften dreizehn Jahre alt sein, das Mädchen vielleicht zwei Jahre älter. Sie sind barfuß. Was treiben sie dort, warum verstecken sie sich? Ich warte.
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