Und ich brauche sie nicht mehr.« – »Der Schlaf hat dich sehr gestärkt und den Schleier von deiner Seele genommen, der sie solang verdunkelt. Heil dir, Theoderich, Theodemers Sohn, du wirst sterben wie ein Heldenkönig.«
»Ich weiß,« lächelte dieser, »die Priester waren dir nicht genehm an diesem Lager. Du hast recht. Sie konnten mir nicht helfen.« – »Nun aber, wer hat dir geholfen?«
»Gott und ich selbst. Höre. Und diese Worte sollen unser Abschied sein! Mein Dank für deine Treue von fünfzig Jahren sei es, daß ich dir allein, nicht meiner Tochter, nicht Cassiodor es vertraue, was mich gequält hat. Sprich: was sagt man im Volk, was glaubst du, daß jene Schwermut war, die mich plötzlich befallen und in dieses Siechtum gestürzt hat?« – »Die Welschen sagen: Reue über den Tod des Boëthius und Symmachus.« – »Hast du das geglaubt?« – »Nein, ich mochte nicht glauben, daß dich das Blut der Verräter bekümmern kann.« – »Du hast wohlgetan. Sie waren vielleicht nicht des Todes schuldig nach dem Gesetz, nach ihren Taten. Und Boëthius habe ich sehr geliebt. Aber sie waren tausendfach Verräter! Verräter in ihren Gedanken. Verräter an meinem Vertrauen, an meinem Herzen. Ich habe sie, die Römer, höher gehalten als die Besten meines Volkes. Und sie haben, zum Dank, meine Krone dem Kaiser gewünscht, dem Byzantiner Schmeichelbriefe geschrieben: sie haben einen Justin und einen Justinian der Freundschaft des Theoderich vorgezogen: mich reut der Undankbaren nicht. Ich verachte sie. Rate weiter! Du, was hast du geglaubt?« – »König: dein Erbe ist ein Kind und du hast ringsum Feinde.« Der Kranke zog die kühnen Brauen zusammen: »Du triffst näher ans Ziel. Ich habe stets gewußt, was meines Reiches Schwäche. In bangen Nächten hab' ich geseufzt um seine innere Krankheit, wann ich am Abend beim Gastgelag den fremden Gesandten den Stolz höchster Zuversicht gezeigt hatte. Alter, du hast, ich weiß, mich für allzu sicher gehalten. Aber mich durfte niemand beben sehen. Nicht Freund noch Feind. Sonst bebte mein Thron. Ich habe geseufzt, wann ich einsam war und meine Sorge allein getragen.« – »Du bist die Weisheit, mein König, und ich war ein Tor!« rief der Alte. »Sieh,« fuhr der König fort, – mit der Hand über die des Alten streichend –, »ich weiß alles, was dir nicht recht an mir gewesen. Auch deinen blinden Haß gegen diese Welschen kenne ich. Glaube mir, er ist blind. Wie vielleicht meine Liebe zu ihnen war.« Hier seufzte er und hielt inne. »Was quälst du dich.« – »Nein, laß mich vollenden. Ich weiß es, mein Reich, das Werk meines ruhmvollen, mühevollen Lebens kann fallen, leicht fallen. Und vielleicht durch Schuld meiner Großmut gegen diese Römer. Sei es darum! Kein Menschenbau ist ewig und die Schuld zu edler Güte – ich will sie tragen.«
»Mein großer König!« – »Aber, Hildebrand, in einer Nacht, da ich so wachte, sorgte und seufzte über den Gefahren meines Reiches, – da stieg mir vor der Seele auf das Bild einer andern Schuld! Nicht der Güte, nein, der Ruhmsucht, der blutigen Gewalt.
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