Das ganze Rathaus ist überhaupt ein ostindisches Haus, wo nicht bloß Dekrete oder Vokationen, sondern auch Schuhe und Tücher feilgehalten werden. Eigentlich führet der Rat seine Ämterhandels Freiheit aus dem Grundsatze des römischen Rechtes her: cui jus est donandi, eidem et vendendi jus est, d.h. wer das Recht hat, eine Sache zu verschenken, der darf sie auch käuflich erlassen, wenn er mag. Da nun den Ratsgliedern offenbar das Recht zusteht, Ämter gratis zu erteilen: so muß sich wohl das, sie zu verkaufen, von selber verstehen.
Nur ein Extrawort über die Volationen-Agioteurs überhaupt
Ich sorge im ganzen, die Akademien-Produkten-Verschleiß Kommission28 des Staats betreibe den Ämterhandel schlaff. Wer aber anders als das gemeine Wesen muß am Ende leiden, wenn wichtige Posten nicht nach dem Kaufschilling, der für sie erleget wird, sondern nach Konnexionen, Verwandtschaften, parteiischen Empfehlungen und Bücklingen weggegeben werden? Ists nicht ein Widerspruch, Titularämter teuerer abzustehen als wirkliche? Sollte man nicht eher hoffen, daß der wirkliche Hofrat ums alterum tantum im Verhältnis des Titularhofrats versteigert werde? – Das Geld ist nun bei den europäischen Nationen das Äquivalent und der Repräsentant des Wertes aller Dinge und folglich des Verstandes, um so mehr, da ein Kopf darauf steht; die Kaufsumme des Amtes aufzählen, ist also nichts als ein examen rigorosum aushalten, das nach einem guten Schema examinandi gehalten wird. Es umkehren und seine Geschicklichkeit statt deren Surrogate und Assignate und Münzen de confiance zeigen wollen, heißet nichts als den närrischen Philosophen in Gullivers Reisen gleich werden, die statt der Namen der Dinge die Dinge selber in Säcken getragen brachten zum gesellschaftlichen Verkehr; und das heißet doch klar in die Zeiten des Tauschhandels zurückfallen wollen, wo die Römer, anstatt des abgebildeten Ochsen auf ihren Ledermünzen, das Rindvieh selber vorführten.
Ich bin von allen solchen unrichtigen Maßregeln so weit entfernt, daß ich oft, wenn ich las, daß der König in Frankreich neue Ämter ersinne, um mit ihnen unter der Bude seines Baldachins feilzustehen, auf etwas Ähnliches dachte. Ich will es ruhig wenigstens vorschlagen und mich nicht darüber abhärmen, ob es die Staaten annehmen oder nicht. Da der Landesherr uns nicht vergönnt, die Ämter bloß zum Verkaufe zu vervielfältigen, weil er vielmehr Tag und Nacht (wie Regisseurs der wandernden Truppen) einem Staats-Akteur mehrere Rollen zudenkt, um zu den drei theatralischen Einheiten die vierte der Spieler zu setzen; da also das obige nicht geht: könnten wir nicht wenigstens einige Tugenden, die mit den Ämtern harmonieren, als Titel zugleich mit diesen verkaufen? – Könnte man nicht z.B. mit dem Amte eines Referendärs zugleich Titular-Unbestechlichkeit verkäuflich losschlagen, so aber, daß diese Tugend, als nicht zum Amte gehörig, besonders vom Kandidaten bezahlet würde? – Ein solcher Kauftitel und Briefadel könnte keinen Referendarius verunzieren. Man bedenkt nicht, daß ähnliche schöne Titel sonst alle Posten schmückten: der scholastische Professor schrieb sich damals (noch außer seinem Amtstitel) »der seraphische – der unwiderlegliche der scharfsinnige«- der König schrieb sich »der große – der kahle – der kühne – der einfältige« – und so auch der Rabbiner. Würd' es den Männern in den höhern Justizstellen unangenehm sein, wenn ihnen die Titel der Unparteilichkeit, der Schnelligkeit etc. so gut käuflich erlassen würden als die Posten selber? So könnte mit einer Kammerratsstelle die Tugend der Untertanenliebe schön als Titel verknüpfet werden; und ich glaube, wenige Advokaten würden sich bedenken, sich den Titel der Rechtschaffenheit- so gut wie den gewöhnlichen der Regierungsadvokatie – anzuschaffen, wär' er anders zu haben. Wollt' indes ein Kandidat seinen Posten ohne die Tugenden haben: so ständ' es bei ihm, und der Staat dürft' ihn zu dieser Vexier-Moralität nicht zwingen.
Es kann sein, daß, wie nach Tristram Shandy Kleider, nach Walther Shandy und Lavater nomina propria auf den Menschen zurückwirken, appellativa es noch mehr tun, da ohnehin an uns, wie an den Schaltieren, sich der Schaum so oft zur Schale versteinert; aber diese Moralität ists nicht, worauf ein Staat sehen kann: wie bei den schönen Künsten ist nicht sie, sondern Darstellung sein wahrer Zweck.
Es wurde mir oben ordentlich sauer, für die verschiedenen Ämter mir verschiedene Verbaltugenden zu erdenken; aber ich sollte glauben, es wären noch viele dergleichen Abteilungen der Tugend (jetzt fällt mir selber noch der Freiheitsgeist, die Aufrichtigkeit und der gerade Sinn ein) auszukundschaften, wollte nur ein moralischer Staatsminister eine ordentliche Tugenddivisions-Kammer oder ein moralisches Adreß-Departement mit einigen Kanzelisten anstellen, die gegen geringen Gehalt die verschiedenen Tugenden für die verschiedenen Ämter ersännen. Ich würde an ihrem Platze ein gutes Prisma vor den weißen Strahl der Tugend halten, das ihn gehörig zersetzte. Zu wünschen wär' es, es beträfe Verbrechen – deren Subsubdivision nämlich –: so könnten Gerichtshalter dazu genommen werden. Denn in den Gerichtsstellen, wo nur niedere Gerichtsbarkeit und keine Strafe über 5 fl. fränkischer Währung stattfindet, haben sie ein tägliches Exerzitium, wie sie aus jedem Unfug mehrere kleinere machen wollen, wovon sie jeden niemals über 5 fl. bestrafen. Es ist dieses ein gutes moralisches Rolfinken, das die Juristen glücklich dem Sünden-Prosektor, dem heiligen Augustin, und seiner Sorbonne absahen, die beide in Adams Sündenapfel mehr Sünden einschnitten, als jener in einen Kirschkern Gesichter. Wie verschieden ist der Gerichtshalter vom päpstlichen Kasuisten, der die beste Todsünde durch Seitenschnitte in eine läßliche zu verdünnen weiß! –
Schulämter (um auf diese zu kommen) sind zwar ein kleiner Handelsartikel; sie sind aber doch allemal Monarchien – Schulmonarchien nämlich –, die der polnischen Krone gleichen, die nach Popes Verse zweimal in einem Jahrhundert feilsteht, welches arithmetisch falsch ist, weil Newton die Regiments-Jahre im Durchschnitt auf zweiundzwanzig Jahre ansetzt. Ob übrigens der innere Rat die Stadtjugend einem Hamelschen Ratten- und Kinderfänger oder einem Weißeschen Kinderfreunde zuführe – das kann für den Rat keinen Unterschied machen, da der Schulmann kein Gaul ist, für dessen unsichtbare Mängel der Roßtäuscher zu haften hat. Es ist genug, wenn Stadtsyndikus et Compagnie sich nicht vorwerfen können, daß sie ein Genie ausgeklaubet haben; denn ein Genie würde, da es nur zur Zierde und Belustigung des Staates zu verbrauchen ist, allerdings den schlechtern, kältern Kopf verdrängen, der eigentlich der wahre Nutzen und Kuxe des Staates ist, so wie gute Lot – und Zahlperlen bloß zum Putze, schlechte Samenperlen aber zum Medizinieren dienen. Wenn überhaupt ein Schullehrer vermögend ist, seinen Scholaren auszuwichsen: so kann er im ganzen genug; und ich tadle es, daß die Oberexaminationskommission keinen Schulmann vor ihren Augen einige oder mehrere junge Leute aus seiner Klasse zur Probe prügeln lässet, um zu sehen, was an ihm ist.
Ende des Extrawortes über Vokationen-Agioteurs überhaupt
Nun wieder zur Geschichte! Die Rats-Bewindheber erkannten meinem Helden das Konrektorat nicht bloß des größern Lichte rund Bohnen-Absatzes wegen zu, sondern wegen einer ganz tollen Vermutung: sie glaubten nämlich, der Quintus verfahre bald Todes.
– Und hier steh' ich vor einem wichtigen Platze dieser Geschichte, in den ich bis jetzt niemand sehen lassen; jetzt aber kömmts nicht mehr auf meinen Willen an, die bisherige spanische Wand wegzuschieben oder nicht, sondern ich muß sogar Reverberierlaternen darüber aufhängen. Es ist nämlich in der medizinischen Geschichte etwas ganz Bekanntes, daß man in gewissen Familien gerade in einem Alter stirbt, wie man darin auch in einem Alter (nämlich von neun Monaten) geboren wird; ja aus Voltaire entsinn' ich mich einer Familie, worin die Verwandten sich immer in demselben Alter entleibten. In der Fixleinischen Verwandtschaft war nun die Gewohnheit, daß die männlichen Aszendenten immer im zweiunddreißigsten Jahre am Kantatesonntag sich hinlegten und starben: es muß sichs jeder in sein Exemplar vom dreißigjährigen Kriege, weils Schiller gänzlich weggelassen, nachtragen, daß darin ein Fixlein an der Pest, einer am Hunger und einer an einer Flintenkugel starb, alle im zweiunddreißigsten Jahre. Wahre Philosophie erklärt sich das Faktum so: »Die ersten paar Male traf sichs nur zufälligerweise so; und die übrigen Male verstarben die Leute an der bloßen Angst: widrigenfalls müßte man das ganze Faktum lieber in Zweifel ziehen.«
Was machte aber Fixlein aus der Sache? – Wenig oder nichts: das einzige, was er tat, war, daß er sich wenig oder nicht befliß, sich in Thiennette zu verlieben, damit kein anderer seinetwegen in Angst geriete. Er selber aber schor sich aus fünf Gründen so wenig darum, daß er älter als der Senior Astmann zu werden verhoffte: erstlich, weil drei Zigeunerinnen in verschiedenen Orts und Zeiträumen, und ohne etwas voneinander zu wissen, darin zusammengetroffen hatten, daß sie ihn dieselbe Hauptallee langer Jahre in ihren Zauberspiegeln erblicken ließen – zweitens, weil er kerngesund war – drittens, weil sein eigner Bruder eine Ausnahme gemacht hatte und vor den Dreißigern ersoffen war – viertens darum: als kleiner Knabe wurd' er gerade an dem Kantatesonntage, wo man seinen Vater aufs Leichenbrett band, vor Kummer krank und nur durch sein Spielzeug geheilt; mit diesem Kantate-Siechtum aber glaubte er den mörderischen Genius seines Stamms recht gut abgefunden zu haben. Fünftens konnt' er, weil die Kirchenbücher und mithin die Gewißheit seines Alters zusammengebrennt waren, niemals in eine bestimmte tödliche Angst geraten: »Ich kann heimlich.«, sagt' er, »schon über das Schelmjahr weggewischet sein, ohne daß es ein Henker gemerkt hat.« – Ich verhehl' es nicht, schon im vorigen Jahre dacht' er, er sei ein Zweiunddreißiger: »Sollt' ichs dennoch« (sagte er) »erst im künftigen (1792) g. G. werden: so kanns so gut ablaufen wie im vorigen, und der Herr kann mich ja überall finden.
1 comment