Komm Fenchelkraut,

Komm würze den schnöden Wein.

Dies Weib hat Gott mir anvertraut,

Dich der mein Freund allein!«

 

Habt ihr die Rosse wiehern gehört

Beim ersten Lerchenflug?

Zur Gruft nach Sankt Katharinenwörth

Fuhr still ein Leichenzug.

Kein Sang und Klang. Im Zwielicht saß

Ein Mann dort, betete leis.

Man rief ihn an – über Grab und Gras

Verschwunden war der Greis.

 

Mithridates

 

Im goldgeschmückten Marmelsaal,

Zu seiner Pontusstadt,

Auf Rosen lag beim prächtigen Mahl

Der König Mithridat.

 

Und rings um ihn der Freunde Kreis,

Die Feldherrn seines Heers;

Sie tafelten – so strahlt um Zeus

Die Götterschaft Homers.

 

Die Harfe blitzt in schöner Hand,

Gesang und Tanz voll Reiz!

Den Mann im purpurnen Gewand

Nicht kümmert und erfreuts.

 

Es sprudelte des Weines Schaum

Im Kelch, krystallen schwer,

Er schmauste nicht, er nippte kaum,

Und schaute still aufs Meer.

 

Ihr Römeradler seid zur Hand!

Sind eure Schwingen matt?

Euch zürnt der Herr über Meer und Land

Der König Mithridat.

 

Wohl unterm freien Säulendach

Trinkt Kühlung jeder Gast,

Die Abendlüfte werden wach,

Der Wind ein Segel faßt.

 

Ein kleiner Nachen treibt ans Land,

Das säuselnde Gebüsch

Verhüllt den blühnden Gartenstrand

Den Fröhlichen am Tisch.

 

Da klinget auf das ehrne Thor

Am riesigen Portal,

Es tritt ein Krieger rasch hervor

Mit frech entblößtem Stahl.

 

Und steigt hinan zum hohen Thron

Der römische Legat,

Und spricht mit stolzem Herrscherton

Zum König Mithridat:

 

»Das Römervolk und sein Senat

Bringt Frieden unbedingt,

Wenn ihm der König Mithridat

Des Reiches Hälfte bringt.

 

Doch wenn der König solchen Brauch

Hält seiner Weisheit fern,

Verschlingen die Legionen auch

Die andre Hälfte gern!«

 

Da ruft der König Mithridat:

»Geh, sage dem Senat,

Gern löscht den Durst nach seinem Staat

Der König Mithridat.

 

Auf! sendet euern Consul nur!

Die Hälfte, die ihr wollt –

Poseidon höret meinen Schwur –

Seis, die ihr schlingen sollt!

 

Den Consul schick ich selbst und sein

Lechzend Legionenheer

In diese Hälfte des Reichs hinein,

– Diese Hälfte ist das Meer.«

 

Der König winkt. Da brechen all

Die Schwelger auf vom Schmaus,

Und herrlicher Posaunenschall

Tönt weit ins Meer hinaus.

 

Der Westwind wich, der Ostwind streicht

Vom Felsgebirg herab;

Des Herrn smaragden Scepter däucht

Dem Volk ein Zauberstab.

 

Nun taucht die Sonne in die Flut,

Nun wieder dreht sich der Wind,

Und ferner aus der Wogenglut

Posaunenschall beginnt.

 

Ihr Römeradler seid zur Hand,

Wenn Sturm von Osten naht!

Euch zürnt der Herr über Meer und Land,

Der König Mithridat.

 

Deutsches Wort

 

Zu Seckenheim im Neckargrund

Fuhr auseinander der Fürstenbund,

Fuhr in die Feinde wie der Blitz

Der »sieghaft« Held, der Pfälzer Fritz.

 

Der Markgraf Karl, der Bischof von Metz

Vollstrecken wollten des Kaisers Gesetz,

Graf Ulerich auch von Würtemberg

War lustig bei dem Kriegshandwerk.

 

Sie sämmtlich schleppt »der böse Fritz«

Nach Heidelberg zu festem Sitz,

Dort ruhen sie aus vom Waffensturm

– Truz-Kaiser hieß der dickste Thurm.

 

Und saßen die Herrn dort Jahr und Tag,

Bis ihre Geduld in Brüchen lag;

Der Markgraf Karl schwur einen Eid,

Und gab dahin viel Land und Leut.

 

Manch gutes Jahr, manch schlechtes Jahr

Seit dem nun wieder vorüberwar,

Der Pfalzgraf ruht nach altem Brauch

Im Sarg von Stein, der Markgraf auch.

 

Und auf dem Schloß zu Baden saß

Der weise Christoph, heil von Haß;

Fürst Philipp thronte auf der Pfalz,

Dem kam das Wetter über den Hals.

 

Von allen Seiten wie Gießbachschwall

Zerreißt ein armes schönes Thal,

So nahm der Feinde Fluth überhand,

So fielen sie her über pfälzisch Land.

 

Das heilige halbe römische Reich

War auf den Beinen, es galt den Streich

Zu führen mit aller gebissenen Kraft,

Drum ging auch Ruf an die Markgrafschaft.

 

Der Rach und Wiedervergeltung galts,

Schon blutet das Antlitz der fröhlichen Pfalz,

War ausgewüstet und umgezerrt

Zur heulenden Fratze durch Feur und Schwert.

 

Auf, auf, Herr Markgraf, seid mit uns!

So sprachen die Boten des Fürstenbunds,

Jetzt ist der rechte Augenblick,

Auf! holt Euch Land und Leut zurück!

 

Der Markgraf Christoph aber sprach:

»Nun sind meine Sachen nicht darnach,

Mein Vater schwur dem Sieger den Eid

Der Treu, mich bindt was ihn befreit.

 

Und diese Treu soll unverletzt

Erhalten sein auch gegen den jetzt

Besiegten Pfalzgraf – Ehr und Eid

Geht allweg über Land und Leut.«

 

Der Jäger

 

Es stürzt der Bach, es starrt der Fels,

Am hohen Zweige schwankt der Rab –

In schweren, weißen Flocken

Sinkt still der Himmel herab.

 

So feenhaft, so heimlich fremd,

So sonderbar ists rings umher,

Ich komme von den Bergen,

Die Kugel im Gewehr.

 

Dort drüben, wo das Mühlrad ging,

Der Müller ist verdorben bald,

Hat sie gewohnt, der Engel,

Im dunklen tiefen Wald.

 

Ich weiß nicht wie zu Muth mir wird,

So kindlich und so feierlich,

So festlich stehn die Tannen,

Kein Lüftchen reget sich.

 

Ich frage, wird es schöner sein,

Wenn laut im Wald der Lenz erwacht,

Wenn duftge Kräuter sprießen,

Und blau der Himmel lacht,

 

Wenn Wanderlust das Thal durchrauscht,

Die Axt erklingt, das Tagwerk schallt,

Und dieser weiße Frieden

Verschwunden aus dem Wald?

 

König Arfest

 

Von Westen flog Gewölk herauf,

Der Rheinstrom rauschte mächtig,

Was will der eilige Männerhauf

Im Mondschein mitternächtig?

Die Rosse wiehern mit Ungeduld,

Gar weithin schimmern aus dem Tumult

Zwei weiße Zelter prächtig.

 

Und der Fährmann schreitet zur Hütt heraus,

Zu festen das Boot am Gestade,

Daß Sturm und reißender Wogenbraus

Der ärmlichen Habe nicht schade.

Der einzige Nachen weit und breit!

Fahr über, du Lump! Dein König gebeut.

Heut widerfährt dir Gnade.

 

Mein König? Ich habe keinen Herrn,

Ich folge fürwahr keinem Rufe,

Ein freier Wangione so sitz ich gern

Auf meiner einsamen Hufe.

Ich will nicht fahren. Ich will kein Gold.

Ihr habt die Gewalt, macht was ihr wollt,

Die ihr steht auf des Thrones Stufe!

 

Und nimmer der Antwort würdigend

Den stolzen Landsmann, heben

Die Königsleut vom Sattel behend

Die Weiber, welche beben.

Zwei Königinnen, der Schmuck des Lands,

Die Eine zum Prunk und Fürstenglanz,

Die Andre zu Liebe und Leben.

 

Und wieder erhallet der Uferwald

Vom dröhnenden Roßgestampfe;

Das ist Arfest, die edle Gestalt

Umhüllt von des Renners Dampfe.

Und ermattet vom Ritt und der Rüstung Gewicht,

Erschien er im trutzigen Angesicht

Als käm er frisch aus dem Kampfe.

 

Mit dem wehenden Fell, der Schultern Zier,

Vermengt sich das Gold seiner Haare,

Jetzt schwingt sich der Kecke vom schnaubenden Thier,

Damit er den Strom überfahre.

Doch ist keine Fähre mehr weit und breit –

Die Königinnen in Sicherheit,

Der König so fern dem Paare!

 

Wohl schneidet der starkgefügete Kahn

Scharf durch die tückischen Wogen,

Da kommen, sie kündeten Unglück an,

Die Wettervögel geflogen.

Und plötzlich heulet der Sturmwind auf,

Dann Finsterniß – bange Stille drauf,

Und der Nachen dem Blick entzogen.

 

Doch es siegt der Mond, es weicht die Wolk,

Da sieht man Thränen quellen,

Und der König, mit ihm sein ganz Gefolg,

Sie stürzen beherzt in die Wellen.

Das sind die Genossen in jeder Noth,

Der Rest der Treuen bis in den Tod,

Die edeln Bluttrankgesellen!

 

Glück zu, du herrlicher Schwimmertroß!

Glück zu in allen Gefahren!

Es gibt keine Furcht. Heil Mann und Roß!

Euch müssen die Götter bewahren.

Doch weh! sie strafen den Uebermuth –

Es kämpfen umsonst mit des Wassers Wuth

Die den König Arfest umschaaren.

 

Arfest allein mit kühnem Griff

Hat sich ans Ufer geschwungen,

Dort wo der Kahn zerschellt am Riff,

Wo der Rhein die Frauen verschlungen.

Arfest allein mit seinem Schmerz,

Steht auf dem Strand, sein Heldenherz

Vom großen Schicksal bezwungen.

 

Und er ruft in die weite Nacht hinaus,

Daß selbst der Sturm, erschrocken,

Daß selbst der reißende Wogenbraus

Mit ihrem Wuthsang stocken.

Verloren, verloren Reich und Ruhm!

Die Krone, das Völkerheiligthum,

Verloren aus den Locken!

 

Zertrümmert das Glück, versiegt der Born

Des Siegs, umsonst gefochten

Die zwanzig Schlachten, weil gegen den Zorn

Der Götter wir Nichts vermochten!

So schickten sie über uns List und Verrath,

Vereitelnd männliche Waffenthat,

Auf die wir, Verlorene, pochten!

 

Nehmt Reich und Ruhm, nehmt Weib und Kind!

Ihr habt nun Alles, versüßen

Soll nichts mein Leid – – Arfest zerrinnt

In Thränen nicht durch Büßen!

Und der König wischt sich die Thränen ab,

Nimmt das treue Schwert zum Wanderstab,

Die heimischen Gauen zu grüßen.

 

Der stille Zecher

 

Die Abendstunden rascher fliehn,

Und Dunkel bricht herein,

Die Sonne sinkt, was kümmerts ihn

Bei seinem hellen Wein?

 

Die Kelche leuchten in der Nacht,

Sie klingen süß und leis,

Sie duften gleich der Blüthenpracht

Am jungen Frühlingsreis.

 

Er schaut ins tiefe Glas, da dringt

Ein Wohlgeruch empor,

Aus dessen Fülle schafft und ringt

Sich Geisterwalten vor.

 

Die Geister bunt gemischt, gemengt,

Er saugt sie gierig ein,

Bis ihn der Rausch zum Liede drängt,

Zum hohen Lied vom Wein.

 

Und jede goldne Melodie

Verwebt sich seiner Lust,

Es strömt die volle Poesie

Aus seiner trunknen Brust.

 

Nur manches Mal beschleicht den Mann

Ein wehmuthsvoller Klang,

Von frühbegrabner Liebe, dann

Hält inne der Gesang.

 

Dann küßt er einen Ring von Gold,

Dann füllt er hoch zum Rand

Das Glas, und eine Perle rollt

Zum blitzenden Demant.

 

Schlacht am Morgarten

 

Zwielicht füllt die Nebelforste,

Schimmert an der Felsenwand,

Wo sich Falken hoch am Horste

Weithin schwingen übers Land,

Langsam hellen

Sich die Wellen,

Und der See blitzt auf am Rand.

 

Gott zum Gruß! die Eidgenossen

Rücken an im hellen Hauf.

Heut mit tückischen Geschossen

Stellen sie sich lauernd auf,

Zu erneuern

Ihrer theuern

Freiheit blutigen Erkauf.

 

Hört ihr schon das dumpfe Tosen?

Ferner Waffen Widerhall!

Wie sich in der Bergschlucht Schooßen

Fängt der Schlachtenhörner Schall;

Immer jäher

Wälzt sich näher

Ihrer stolzen Feinde Fall.

 

Gleichend einem Feuermeere,

Wenn es durch die Saaten quillt,

Glühet weit im Adelsheere

Schwert und Speer und Helm und Schild.

Solchen Schimmer

Sah man nimmer,

Solch ein prunkend Schreckenbild!

 

Schon verwirret sich die Masse

Vorn im unvorsichtgen Trab,

Ist ihr doch die hohle Gasse

Vorbestimmt zum sichern Grab!

Das Gedränge

In der Enge

Woget lärmend auf und ab.

 

Gräßlich in dem Augenblicke

Donnerts in den Rittertroß,

Ungeheure Felsenstücke

Schmettern nieder Mann und Roß;

In den scheuen

Reiterreihen

Wüthet schrecklich das Geschoß.

 

Abgewaldet stehn die Kämme

Des Gebirgs, o tolle Schlacht!

Wuchtiger Tannen Riesenstämme

Sausen nieder in den Schacht.

Staubumqualmet

Liegt zermalmet

Ryburg in der Todesnacht.

 

Seht sie jetzt heruntereilen

Unter jubelndem Geschrei,

Wie sie schlagen mit den Keulen

Aller Richtung Trotz entzwei!

Ja, da sanken

Auf den Flanken

Viele Herren stolz und frei.

 

Diese Bauern zu zertreten

Mit dem siegesharten Fuß,

War den prahlenden Trompeten

Hohngetränkter Schlachtengruß,

War in schnöden

Ingrimms Reden

Eures Uebermuths Erguß!

 

Jetzt vergeblich möcht ich schauen,

Jetzt bewundern jenen Zug,

Den so stattlich durch die Gauen

Einst der Schwarm der Rosse trug.

Weh, die Wunden

Nie gesunden,

Welche Männerrache schlug!

 

Leopold, du bester Ritter,

Held und Feldherr ruhmgekrönt,

An dergleichen Ungewitter

War dein Schlachtruhm nicht gewöhnt!

Du gerichtet,

Du zernichtet,

Dem ein standhaft Glück gefröhnt?

 

Ha, ich fühle deine Leiden,

Wie du wild im Zorne glühst,

Wenn du so auf allen Seiten

Die Getreuen fallen siehst!

Wie in Bächen,

Dich zu rächen,

Nur umsonst das Herzblut fließt.

 

Sieh! die Sonne ist gesunken,

Oede Stille herrschet nur,

Wieder dämmerts – Sternlein prunken

In die schweigende Natur;

Doch die Leichen

Dorten zeigen

Lauten Tobens tiefe Spur.

 

Der Reiter und sein Schatz

 

Trompeten blasen, Fahnen wehn,

Ade mein Schatz, leb wohl!

Ich bin ein armer Reitersmann

Mit Säbel und Pistol;

Mein Roß, mein Rock, mein blank Gewehr,

Mein Leben ist nicht mein,

Doch habe nur Vertraun zu mir,

Mein Herz, o Schatz, ist dein!

 

Vertrauen dir in Ewigkeit,

Du lieber trotzger Mann,

Seit ich dich nur mit Augen schaut,

Das hab ich ja gethan;

Doch ach! Vertraun, was hilft das uns,

Das Schicksal ist so karg,

Und mein Vertraun, ach, ist am End

Der Nagel an deinem Sarg.

 

O Lieb, es ist kein leeres Wort,

Die Treue bis zum Tod;

Das macht mich unerschütterlich

Für Alles, was uns droht.

Um dich, du Engel, o wie gern

Ertrag ich jede Pein,

Laß uns der liebeleeren Welt

Ein großes Beispiel sein!

 

Hochmüthig ist die Welt und kalt,

Lacht vornehm unsrer Qual,

Zu lieben hat sie ganz verlernt,

Und ahnt es nicht einmal;

Sie rechnet treue Lieb sogar

Zum bittern Schimpf uns an,

Und nimmer traut sie ihr und ihm

Was Gutes zu fortan.

 

O weine nicht, mein theures Kind,

Was hat man dir geraubt?

Am Ende kriegt die Welt Respekt

Vor dem, was sie nicht glaubt.

Die Welt, sie traut sich selber nicht,

Ist selber ohne Halt,

Wenn Einer nur was Tüchtigs will,

Wird sie gar feig alsbald.

 

So zieh hinaus! ich bleib dir treu!

Sei wacker im Gefecht!

Dein Mädchen hast du glücklich gemacht,

Und bist ihr immer recht.

Sie zaget nicht, sie klaget nicht,

Sie greint nicht ohne Noth,

Und nur wenn du nicht wieder kommst,

Dann weint sie sich zu Tod.

 

Trompeten blasen, Fahnen wehn,

Jetzt hab ich gute Ruh,

Und alle Kugeln treffen nicht,

Du lieber Engel du!

Und trifft es mich und wirft es mich

Für immer auf den Platz,

So bettle dich zu meinem Grab

Und stirb bei deinem Schatz!

 

Manfred

 

Als ich ein Gebet noch hatte,

Wenn ich Abends schlafen ging,

Und der Sinn, der schlummermatte,

Noch Gewissensgrillen fing,

Als bei jedem Schritt und Tritte

Ich mein Herz belauscht und frug,

Heißen Dank und heißre Bitte.

In die Sternenwelten trug,

 

Glaubet nicht, daß mir das Leben

Damals sanfter, leichter floß,

Weil ich still und gottergeben

Jedem Stolz die Brust verschloß,

Weil ich nie sich frei entfalten

Ließ Gefühl und Sinnes Kraft,

Sich gestalten, siegreich walten

Nimmermehr die Leidenschaft.

 

Heiter streu ich in die Stürme

Heute des Verstandes Licht,

Daß mich eine Kette schirme,

Trüg ich heute wahrlich nicht!

Heiter in der Lebenswellen

Wilden Aufruhr gieß ich heut

Oel der Weisheit, sanftes Quellen

Ewiger Vernünftigkeit!

 

Uring

 

Feurig ist wie seine Rebe

Allemanniens rascher Sohn,

Machtvoll schallt des Edeln Stimme

Wie des Rheinfalls Donnerton.

Ritter Uring ist der Edle,

Ritter Uring ohne Graun,

Dem die Hohen niedrig schmeicheln,

Dem die Niedrigen vertraun.

 

Seht um seine Lippen zucken

Wilden Hohn, doch Majestät

Von der frohen Stirne leuchten,

Wenn er durch die Menge geht!

Dunkel wallen ihm die Locken

Auf den Nacken, nie gebogen,

Einstmals waren sie von Golde,

Eh der Sturm sie überzogen.

 

Das Geschlecht ist heimgegangen

Längst in die Vergessenheit,

Und vergebens sucht der Wandrer

Seiner Stammburg Herrlichkeit,

Kaum daß noch die Sage flüstert

Wo gehaust der stolze Held,

Dessen Thaten nur der Sturmwind

Kühnen Felsen dort erzählt.

 

Und er meldet hohen Festruhm

Vom verwegensten Turnier,

Welches gab der reiche Guntram,

Aller Mannen Heldenzier;

Rauher, riesiger Gestalten

Manche bei dem Fest erschien,

Doch die Starken aller Stämme

Warf des Uring Lanze hin.

 

Mit dem Schwerte, mit der Mordaxt

Ueberwand die Recken all

Uring, der gepriesne Streiter,

Unter der Fanfaren Schall;

Stolze Sachsen, wilde Baiern,

Kühne Schwaben, schlanke Franken,

Ungestüme Allemannen

Sah man da zu Boden schwanken.

 

Prächtig saß im Siegerschmucke

Uring auf dem falben Roß,

Golden schimmerte die Richtung,

Lichte Glut vom Antlitz floß.

Welch ein sonnenhaftes Glänzen,

Heldenruhmes fröhlche Pracht!

Das ist Pracht der Abendsonne,

Welche sinket in die Nacht.

 

Untergehen will die Sonne;

Ha, wie hell der gelbe Neid

Gegenüber ihrem Glühen

Steht in Aufgeblasenheit!

Schon ist Fehde hingeworfen –

Der Besiegten schnödem Grolle

Gnügt ein Vorwand – Bundeszeichen

Ist der Mond, der gelbe, volle.

 

Doch zurück auf seine Veste

Eilet Uring, ohne Graun,

Seinem Sitze, kühn gehorstet,

Darf der kühne Adler traun!

Wie gegossen in den Felsen

Hängt die Burg am schroffen Rand,

Jäh und senkrecht klafft es abwärts

In das offne Schweizerland.

 

Außen fügen schwere Blöcke

Sich zu einem runden Thurm,

Ohne Zierrath, ohne Zinnen

Trutzt er aller Wetter Sturm.

Aber innen gleißt und strahlt es,

Herrlich funkelte der Schein,

Sieben goldne Schlachtenpanzer,

Hundert andre stehn in Reihn.

 

Ringsum wimmeln schon die Feinde

Um das hohe Felsenhaus,

Doch der Unerschrockne blicket

Bittern Hohn ins Feld hinaus:

»Schrecklich will ich jetzt mich zeigen,

Denn des Uring Heldenstamme,

Ahn ich, soll das Mark verdorren

Eine heiße Himmelsflamme.«

 

»Asche werden soll die Eiche

Meines rühmlichen Geschlechts,

Doch am ewgen Richterstuhle

Wieder Wurzel schlagen rechts!

Trauern will ich nur ein Weilchen,

Dann soll reichlich Blutfest sein,

Stattlich über Leichenhaufen

Will ich betten mein Gebein!«

 

Eine schwarze Trauerfahne

Läßt er wallen von dem Schloß,

Unheil rauschte sie im Winde

Nieder auf der Feinde Troß,

Der in endlos neuen Schaaren

Her sich wälzt vom nahen Wald,

Stolze Fahne, Unheilfahne,

Nimmer flattern wirst du bald!

 

Zürnende Gewitterwolken

Lagerten sich auf den Höhn,

Winkt sie wohl die dunkle Fahne

Mit dem fürchterlichen Wehn?

Alle sind es dunkle Fahnen,

Rauschend unter Sturmes Flug,

Dort Vernichtung hinzutragen,

Wo der Feind die Zelte schlug!

 

Sie entladen sich – ist Donner,

Ist der Strahl es, der da fiel?

In das Leuchten ists erschollen,

Und gefunden ist das Ziel.

Banner kannst du Blitze locken

Und des Donners Melodein,

Warum kannst du sie nicht bannen,

Wenn sie selber dich bedräun!

 

Menschenhand vermochte nimmer

Dich zu stürzen, Menschenhand,

Aber andere Hände nahen,

Die dich reißen in den Sand!

Blutig steigt das Feuer nieder,

Dumpfer Knall – das Schloß zerstiebt,

Uring, dir zum Tod und Ruhme

Wird ein solches Spiel geübt!

 

Schrecklich ja willst du dich zeigen,

Schrecklich, Uring, zeigst du dich –

Wie der Thurm sich graß geberdet,

Als er aus den Fugen wich!

Flammen, blaue, rothe Flammen

Zischen aus dem Riesenspalt,

Ha, was ist das? Mitten drinnen

Raget eine Nachtgestalt!

 

Uring auf dem falben Rosse!

Eisern, wie in Nacht gehüllt,

Sitzet er im goldnen Sattel –

Ein entsetzenathmend Bild.

Uring! In die Flammenrunde

Blickt er, furchtlos, unversehrt,

Krampfig mit den Eisenhänden

Hebt er himmelan sein Schwert.

 

Von dem Himmel hergesendet

Schien des Helden Feuerroß,

Hat der Blitz sich umgestaltet

In ein goldnes Feuerroß?

Zucket nicht das Wetterleuchten

Noch im Auge, wuthentbrannt?

Kann ich fragen, Sohn der Wolken,

Hat der Himmel dich gesandt?

 

Glühen Rauches Purpurwogen

Ueberqualmen Mann und Roß,

Nah umraget hoch zu beiden

Seiten ihn sein brennend Schloß;

Adler schwirren aus der Lohe,

In die Lüfte setzt der Ritter,

Prasselnd stürzt die heiße Felsschicht,

Drüber rollen die Gewitter.

 

Kühner Sprung, des Uring würdig!

Ha, wie bäumte sich der Hengst!

Staunend starrt der Feind im Lager

– Doch verschwunden sind sie längst.

Höret ihr den hellen Windstoß?

Glut und Asche führt er fort,

Wüst und leer wars – über Trümmern

Führt der Sturm das große Wort.

 

Urings Name ist verklungen.

Aber oft, um Mitternacht,

Brausen durch die Felsenklüfte.

Lieder, die der Sturm erdacht;

Heldensänge, Waffenklänge

Schlagen an des Wandrers Ohr,

Und am dunkeln Himmelsbogen

Schweift – erlischt ein Meteor.

 

Der Blinde

 

Ihr, ihr mit offenen Augen

Ihr kennet nicht meine Nacht!

Da ist Alles so finster so dunkel,

Kein freundliches Sternlein wacht.

 

Die schöne, die liebliche Erde

Ich habe sie lang nicht erschaut,

Ich höre vom Leben der Menschen

Nur süßen, bitteren Laut.

 

Ich athme den Frühling im Winde,

Ich spür ihn im Blumenduft –

Mir ist wie dem Bräutigame

Vor seiner Geliebten Gruft.

 

Die tröstlichen Lichter am Himmel,

Der silbernen Wellen Blick,

Ich sehe sie nimmer, ich höre

Nur ihre Tanzmusik.

 

Mir will kein Antlitz scheinen,

O weh mir schrecklichem Mann!

Weiß nicht, ob auch eine Seele

Mich lieben und leiden kann.

 

Ich schaue nur blasse Gedanken,

Ich greife Gefühl ohne Leib,

Nur Ahnen und Wiedervergessen

Das ist mein Zeitvertreib.

 

Apricari

 

Ein Jüngling lag am Hügelrand,

Und träumte von besseren Tagen,

Er träumte von dem Vaterland,

Vom letzten Schlachtenschlagen;

Die Wimper zuckt, das Herz pocht laut,

Er hat auf menschlicher Erd erschaut

Kein Weinen mehr und Klagen.

 

Die Föhren säuselten in dem Wind,

Hoch kreiste der Weih in den Lüften,

Der Morgenathem kam so lind

Herüber die grünen Triften;

Und in der jungen träumenden Brust

Eine Friedenswelt ward sich bewußt,

Berauscht von Freiheitsdüften.

 

Es war der Liebe goldenes Reich

In alle Thäler gezogen,

Da machte die Schönheit die Menschen gleich,

Da ward keiner Treue gelogen,

Da war keine Sünde, da war keine Schuld,

Da schwelgete Alles in Liebeshuld

Was unter dem Himmelsbogen.

 

So wacht er auf in grüner Flur,

Gen Süden glänzte die Sonne,

Kein Menschenlaut! er hörte nur

Der Vögel Liederwonne.

Zur Seite rieselt ihm leis ein Quell,

So silberfrisch, so dunkel hell,

Er trank vom klaren Bronne.

 

Daß er geträumt, er wußt es nicht,

War von der Welt genesen,

Er glaubte wie im Traumgesicht

So sei es immer gewesen.

Dann that er wieder die Augen zu,

Und lag in schweigender Schlafesruh,

Genesen.

 

»Guido«

 

Mir ist wie in heißem Sommer

Auf stiller glühender Haid

Wo die stummen Mittagsgespenster

Schlafen im grünen Kleid.

T.

 

Aus argen Träumen aufgewacht

Dalieg ich ruhlos in der Nacht;

Mein Auge flimmert und mein Blut

Rollt um in regelloser Glut.

 

Mich dünkt, ich litte wilde Pein

In schwüler Mittagsonne Schein,

Die freundliche, die traute Nacht

Für mich ist sie umsonst gemacht.

 

Warum, o Friede, fliehst du mich?

Von mir, o Ruh, was scheuchet dich?

Wer übt auf mich den Seelenzwang?

Mir ist so gar unheimlich bang.

 

Ermattet schlummer ich endlich ein,

Und neuer Traum und alte Pein!

Da ruft mich eine Stimme wach,

Und in den Ohren klingt mirs nach:

 

Und süßen Frieden, milde Ruh

Nicht ehr und anders findest du,

Bis du der Treue Schwur erfüllst,

Und deines Liebchens Thränen stillst!

 

In Spanien

 

Es krachet der Wald,

Die Aeste brechen,

Es brauset und schallt

In gießenden Bächen.

Und hoch über mir

Grollet langsam,

Und wiederum plötzlich

In rasenden Wirbeln

Geller Donner

Der Sturm peitschet die große Fichte,

Daß sie morsch auseinanderstürzt,

Und hundert Keime knickt.

Es brüllen, es lärmen

Die jagenden Wolken,

In scheuen Schwärmen

Suchet Schutz das vergeisterte Wild.

Und wiederum nachher

Ein sanftes volles Rauschen

Geht durch die Wipfel

Und Stille folgt ihm.

Aber nicht lange so ziehet herauf

Ein zweites Wetter,

Voll Blitz und Regenguß

Und schrecklichem Donnern.

Was rennt dort ein Weib,

Ein schönes, verzweifelndes?

Im Arm ein Neugeborenes

Krampfig haltend

Und schauernd.

Ich frage, sie flieht mich,

Ich rufe, sie eilet,

Ich folge, sie jammert:

O du bist auch ein Menschengesicht,

Und schlecht sind die Menschen!

Wer jagt dich in die Wildniß,

Unglückselige?

Wer mich jagt in die Wildniß,

Das ist Vater und Mutter.

Ich hülflos herzlos Verlassene

Von Vater und Mutter

Und vom stolzen Geliebten!

So komme mit mir.

Ich will dich schützen,

Ich will dich führen

Unter wirthliches Obdach.

Denn Du bist eine Heilige,

Wenn Vater und Mutter

Und ein Geliebter,

Bei solchem Sturm dich jagen in die Wildniß

Also sprach der Zigeuner.

Bist du der Heiland?

Frägt sie mit großen

Strahlenden Augen.

Ein Fremder bist du

Und bürdest dir Last auf,

Unerquicklichste.

Ja ich bin der Heiland,

Denn ewig lebt er

Ewig ein Solcher.

Und wo du ihn suchest,

Da ist er.

Niemals stirbt das Geschlecht aus

Der Hülfreichen.

Und weh, wenn wir lebten

Ohne diese Gewißheit!

Entrüstet hast du,

Schmerzreiche Mutter,

Gläubige Christen durch menschliche That.

Jetzt wo zürnet der Himmel

Und ihnen Angst ins Herz frißt,

Entschuldgen sich diese

Mit des Gebetes Wollust –

Aber draußen im Sturmwind

Irret ein Menschenkind,

Dem sie fluchen ob menschlicher That.

Ihnen war der Heiland

Ein Gott,

Ein Unbegreiflicher,

Unnahbarer, wundersüchtiger,

Unverstandener,

Und unwürdig

Tragen sie seinen Namen.

Ich, der niemals

Sich also bekannte,

Trage im Busen

Unerlerntes Mitleid.

Komm du, ich will dich beschützen!

Und wieder rauscht es

Sanft und voll durch die Wipfel,

Nimmer wüthet der Regen;

Und von den grünen

Aufathmenden Blättern

Tröpfelt es nieder.

Vöglein hüpfen hervor,

Und ein süßer Strahl

Lächelt vom blauen

Fröhlichen Himmel.

 

Der Maler

 

1.

Oft mein ich, wenn ich in Träumen liege,

Es trete zu mir eine hehre Gestalt,

Und wenn ich mich freudvoll an sie schmiege,

So küsse sie mich mit Liebesgewalt;

So spräche sie laut, ich suchte dich lange,

Und da ich dich endlich gefunden hab,

So laß mich entsagen dem finstern Zwange,

So liebe du mich, du lieber Knab!

 

Und immer die gleiche, immer die holde

Erscheinet die liebliche Traumgestalt,

Hochgrüßenden Augs, mit Locken von Golde

Die anmuthselige Schulter umwallt!

Wollüstig wühl ich im Golde der Locken,

Ich presse mein Vollglück an die Brust,

Und, süß vor unendlichen Reizen erschrocken,

Erschüttert mich plötzlich der nahe Verlust.

 

Ich frage mich oft, ich frage mich immer,

Woher die Stimme so thränensüß?

Woher der weihrauchwonnige Schimmer,

Wenn sie mich staunend einsam ließ?

Woher der Augen leuchtende Lohe,

Woher die zaubrische Liebesgewalt?

Woher die reine, woher die hohe

Woher die wunderbare Gestalt?

 

Doch – darf die nüchterne Seele fragen

Nach dem geheimnißreichsten Wie?

Von Wahngebilden ein Kluges sagen,

Vom Spiel der müßigen Phantasie?

Nein, um mich ewig beglückt zu lassen,

Verläumdet mir nicht das zagende Glück,

Die Unaussprechliche würde mich hassen,

Und, nimmer ach, kehrte sie mir zurück!

 

Es ist kein Scheinen, kein Wahngebilde,

Kein Spiel der müßigen Phantasie.

Sie schwebt aus göttlichem Gefilde,

Das ihr so milden Reiz verlieh!

Es sind die heiligen, glücklichen Inseln!

Drauf wandelt im vollen Lebensdrang,

Was aus parrhasischen Meisterpinseln,

Was aus dem Haupt der Dichter sprang!

 

Und sieh, und sieh! schon naht sie wieder,

Mein Glaube wird, meine Treue belohnt,

Musik durchströmt die blühenden Glieder,

Darin der Geist des Wohlklangs wohnt.

Sie lächelt Dank, sie sinket nieder

Wie herrliches Licht vom Maimond fließt,

Und mich berauschen unsterbliche Lieder,

Wie sie Apollo, der Gott, genießt!

2.

 

Zufällig in der weiten Stadt,

Sind wir einander begegnet,

Oft wenn die Sonne geschienen hat,

Ein andermal wenns geregnet.

 

Ich habe dich erst nur angestaunt,

Von deiner Schönheit betroffen,

Allmälig ward ich so gut gelaunt,

Auf Gegengruß zu hoffen.

 

Ein Lächeln flog um deinen Mund

Als wir uns ferner sahen,

Und in dem Innersten ward mirs kund,

Dir, Schönste, dürf ich nahen.

 

O rührender Wuchs, o Prachtgestalt,

Der Melosgöttin vergleichbar,

Antlitz voll Nibelungengehalt,

Dein Schwung ist nimmer erreichbar!

 

Der liebliche Mund, ach wenn er lacht,

Ach! deine strahlenden Züge,

Sie reißen zu dir mit Wahnsinnsmacht

All meine Gedankenflüge!

 

Von Sehnsucht aber umhergejagt

Werd ich seit jener Stunde,

Da ich den flüchtigen Kuß gewagt,

Da du mir hingst am Munde.

 

Kein Feuer, keine Kohle kann glühn so heiß

Als heimliche Liebe, so mögen

Wirs halten, ein traut Geheimniß seis,

Wir wollen es würdig pflegen!

 

Wir wollen ach! einen schönen Traum

Zusammen träumen, wir wollen

Ausschlürfen mit seinem süßesten Schaum

Den Lebenskelch, den vollen!

 

Dies Werktagsleben es ist so schal,

Trübgrau wie Regenwetter,

Nur heiße Liebe ist Sonnenstrahl,

Weckt Blüthen auf und Blätter.

 

O könnt ich volle Stunden einmal

Dir ruhig am Busen säumen,

Vergessen die Erde, das Jammerthal,

Vergessen und selig träumen!

 

Beherrscherin meiner Phantasie,

Auf! nenne mir Ort und Stunde!

Gib meinem Dasein Poesie –

Dann geh ich ja gern zu Grunde!

 

Noch sind wir stark, noch sind wir jung,

Drum habe du Muth und wache,

Daß selige Lenzerinnerung

Uns spät noch glücklich mache!

 

Neuer Orpheus

 

Blätter fallen, bunte welke,

jeder Schmuck zergeht,

Wo der blaue Himmel lachte,

grauer Nebel steht;

Nimmer glüht im Abend reiner

Purpurlohe Brand,

Wärmelose Strahlen fliehen

über ödes Land.

 

Und auch dieser schöne Sommer

mußte untergehn?

Dieser Reize Pracht und Fülle

muß ich welken sehn?

Diese Sonne, glutenmächtig,

hat der Herbst entthront,

Die am hohen First des Himmels

gnadenreich gewohnt!

 

Ein erloschnes Feuerauge

schaut sie drein die Welt;

Eine Bühne ists, in welche

falber Morgen fällt.

Wie nach einer prächtigen Tafel

wenn die Gäste fort,

Oder wie die Prunkgemächer

nach dem Königsmord –!

 

Wüst und widrig diese Erde

schaurig mir und kalt.

Ach, wie schön ist sie gewesen

wonnig von Gestalt!

Dieser Reize Pracht und Fülle

mußte untergehn,

Und auch diesen schönen Sommer

soll ich welken sehn!

 

»Wie? du trauerst, weich empfindsam,

daß der Sommer stirbt,

Während dir in dunkler Erde

bessrer Reiz verdirbt?

Willst du klagen, o so klage,

jammere, weil du mußt

Aber greife nach dem Kummer

deiner tiefsten Brust!«

 

Ha! was rüttelst du der Schmerzen

wüthendsten mir auf,

Der ich sanft poetscher Trauer

ließ den holden Lauf!

Freilich, närrisch ist die Klage

um den Schmuck der Erd,

Der in wenig Monden schöner,

sicher wieberkehrt.

 

Läppisch nur im Mannesauge

solche Thräne scheint,

Die ich einem blüthevollen

Sommer nachgeweint.

O beschwöre andre Thränen,

andre Klagen nicht!

Die da rythmisch fließen, halten

mich im Gleichgewicht.

 

Jene Klage laß mich meiden,

die den Schmerz beschreibt,

Der, wenn ich ihn nicht betäube,

selber mich betäubt.

Fort! mich kann der Wahnsinn fassen

jeden Augenblick –

Eine todte theure Gattin

kehrt nicht mehr zurück!

 

Alte Geschichte

 

»Lieben, wies nicht Andre können,

Will ich dich, mein Kind,

Wenns die Götter nur vergönnen,

Und nicht neidisch sind.«

 

Sprach zu Hero einst Leander,

Als er sie gesehn,

»Lieben wollen wir einander,

Bis wir untergehn!«

 

Zwischen hohem Felsenufer

Rauscht das wilde Meer,

Worte tauschen helle Rufer

Nimmer hin und her.

 

Doch hinüber schwamm Leander,

Wenn die Sonne sank,

Und die Heißgeliebte fand er

Drüben liebekrank.

 

Und das Mädchen flog vom Thurme,

Wo sie lauschend stand,

Niedersah zum Wellensturme,

Nieder auf den Strand.

 

War genesen von dem Harme,

Als er kam gesund,

Preßt den Jüngling in die Arme,

Küßte wild den Mund.

 

Wie so graus die Wasser toben!

Mein Leander da?

Sei gepriesen, laß dich loben,

Amathusia!

 

»Dir am Busen, dir am treuen,

Heißen laß mich ruhn,

Seine Schlummerkörner streuen

Lasse Morpheus nun!« –

 

Wieder wachen auf die Sorgen,

Denn es bleicht der Mond;

Und es zittert schon der Morgen

Ueberm Hellespont.

 

Lebe wohl, du mußt hinüber –

Doch die andre Nacht

Kommst du wieder o mein Lieber?

Deine Hero wacht!

 

»Komme wieder, meine Süße,

Sollst mich morgen sehn!

Mich behüten deine Küsse

Vor dem Untergehn.«

 

Und die Meereswogen schlagen

Zischend um ihn her –

Das Lebendige zu tragen

Weigert sich das Meer.

 

Drunten auf dem Felsenbette

Lacht der falsche Gott,

Seine Weiber um die Wette

Ueben sich im Spott.

 

In der Jünglingsbrust zusammen

Bricht der kecke Sinn;

Die erstarrten Glieder schwammen

Willenlos dahin.

 

Stille wars – die Winde ruhten;

Ungerührt und groß,

Ueber spiegelglatten Fluthen

Glänzte Helios.

 

Habt ihr, jammert eine Mutter,

Hero nicht gesehn?

Jammernd sah man eine Mutter

An dem Meere stehn.

 

Romanze

 

Es war die Schlacht geschlagen,

Die letzte Schlacht im Krieg,

Es trugen unsre Fahnen

In Feindesland den Sieg.

 

Ich war der erste beste

Freiwillige vor der Schanz,

Die erste beste Kugel

Zerriß den Arm mir ganz.

 

Ich lag so schwer darnieder,

So fern von Liebchens Thür,

Und eines schönen Abends

Wär ich gestorben schier.

 

Und als davon die Kunde

Gedrungen in ihr Haus,

Da brach mein Schatz vor Schmerzen

In Blut und Thränen aus.

 

Ihr ward im tiefsten Herzen

So bang, so wild und weh:

Ob ich ihn habe verloren,

Ob ich ihn wiederseh?

 

So sank sie hin aufs Lager,

So sang sie leise für sich,

So schrie die schöne Jungfrau

In ihrem Jammer um mich.

 

O Gott, er ist gestorben!

O Himmel, er ist todt!

Ich sah sein Herz zerrissen

Im Traum, war blutigroth!

 

Da ward es in ihrer Seele

Gar feierlich, gar still,

Da ward der Guten zu Muthe

Wie Einer, die sterben will.

 

Sie glaubte zu zerfließen

Ins weite herrliche All,

Aus lichten Fernen vernahm sie

Unendlich süßen Schall.

 

Sie faltete die Hände

Auf ihrer Brust, sie sang

Mit ihrer Engelsstimme

Unendlich süßen Klang.

 

»Wie wird mir, ach, auf einmal?

So wohl, so leicht, so frei!

Als ob zu seliger Wonne

Ich ganz genesen sei!

 

Ich fühle mich so glücklich,

Wie nie ich glücklich war,

Mich fasset ein Entzücken,

Entzücken wunderbar.

 

Ich fühle mich, ich fühle

Mit ihm, ach ihm vereint,

Ich hab ihn wiedergewonnen,

Um den ich heiß geweint!«

 

Du lagst in Fieberträumen

So krank und fern von mir,

Und eines schönen Abends

Wärst du gestorben schier.

 

Und kaum war dunkle Kunde

Gedrungen in mein Haus,

Da hielt es mich nicht länger,

Da trieb es mich hinaus!

 

In deine lieben Arme,

An deinen lieben Mund –

Der starke Geist, der Wille

Sie machten mich gesund.

 

O Liebchen, theures Leben,

Die Freudenthränen stehn

In meinen Augen, denk ich

An jenes – Wiedersehn!

 

Geisterschlösser

 

Droben auf dem Rodensteine

Thut sich auf ein Felsenspalt,

Sturm erwacht – im Sternenscheine

Liegt der bleiche Odenwald.

 

Schatten, seltsam, unbeständig,

Gaukeln um den Schnellertsberg,

Auf der Burg wird es lebendig,

Laut im alten Mauerwerk.

 

Waffen blitzen durch die Fenster,

Rosse tummeln auf dem Wall,

In den Wirrwarr der Gespenster

Brauset jetzt Drommetenschall.

 

Schlachtruf tönet, Hunde kläffen,

Und herab vom Geisterschloß,

Wuchtig auf den Feind zu treffen,

Wälzt sich ein verwegner Troß.

 

Hört das echotolle Lachen!

Hei, die Gegner brechen los!

Wie vom Donner Wälder krachen

Fesselt sie der Lanzenstoß.

 

Und sie springen von den Thieren,

Es entbrennt der Schwerterstreit;

Wie sie grimme Fehde führen,

Daß es toset meilenweit!

 

Und so tost es – bis die Sterne

Bleichen, bis verblaßt der Troß,

Bis in stille Nebelferne

Schwindet Reitersmann und Roß.

 

Eleonore

 

Grausamer Tod!

In deine glühenden Arme

Stürz ich ein verlorenes Weib.

Aber noch heißer,

Aber noch brennender

Ist der Schmerz um den entseelten Gatten,

Als du,

Der aus Flammen lodert.

 

So sprach des Hindu lieberfüllte

Gattin.

Ich sage: sie kannte Liebe.

Sie fühlte,

Und ihr Gefühl

War keine Sünde.

 

Don Juan

 

Es wirft der Mensch groß und geringe

Versprechen in die Zukunft hin,

Er gibt sein heilig Wort für Dinge,

Die seine Macht am Ende fliehn.

 

Hält man nicht Alle denn für Thoren

Die sich verkaufen ohne Noth –?

Und Tausend haben sich verschworen

Und waren frisch und lebensroth!

 

Du sollst die Gegenwart erfassen,

Genießen deinen Augenblick,

Das Künftige den Göttern lassen!

Denn diese würfeln um dein Glück.

 

Wer ist unglücklicher auf Erden

Als welchen Reu und Zweifel plagt?

Wie soll man einzig glücklich werden,

So man nicht ewig spielt und wagt?

 

Haidefürst

 

Es saß im Gothenlager

An einen Fels geschweißt,

Ein Held, ein Goldhaarfager,

Der nimmer Ketten reißt.

 

Sie hatten ihn gefangen

Nach heißem Schlachtentag,

Als mit erblaßten Wangen

Er wund zu Boden lag.

 

Am kahlen Felsenblocke

Ihn angeschmiedet dann;

Nun saust im Wind die Locke

Dem freundverlassnen Mann.

 

Im wilden Gottesfreien

Weilt er bei Tag und Nacht,

Der Tod muß ihn befreien –

Der Mitleid hat und Macht.

 

Da brechen auf die Sieger

Und lassen ihn zurück;

Lebwohl, du stolzer Krieger!

Sie lachen ihm: gut Glück!

 

Der Stolze blickt Verachtung,

Kein Fluch entweiht den Mund,

Und seines Geists Umnachtung

Wird keinem Spötter kund.

 

Am kahlen Felsenblocke

Einsam trauert der Held,

Im Sturmwind bleicht die Locke,

Die Hünenkraft zerfällt.

 

Der Sonnenschein und Regen

Geht seiner Qual vorbei,

Nur unter Donnerschlägen

Träumt er sich heil und frei.

 

Er träumt von Sieg und Rossen.

Pfeilschnell der Sturmgott ritt,

Kam ihm vorbeigeschossen,

Nahm seine Seele mit.

 

Wenn um das Morgengrauen

Die Winde sind befreit,

Könnt ihr den Fürsten schauen –

Um ihn die stille Haid.

 

Der Troubadour

 

Wunderschöne viele Frauen

Haben mir den Kopf verrückt,

Haben, reizend anzuschauen,

Meine Phantasie entzückt.

Süße schlanke selige Gestalten

Haben mit den lieblichsten Gewalten

Mich in Zauberbanden festgehalten.

 

Liebenswürdig waren diese,

Geist- und witzvoll jene sehr,

Wenn ich jede Tugend priese,

Fänd ich keinen Athem mehr;

Für die Herrlichen, die göttergleichen,

Denen selbst die Stern am Himmel weichen,

Fänd ich Ende nicht mit Bild und Wort und Zeichen!

 

Aber allen Frauenbildern

Gehet Eine nur voran,

Eine, die ich dir nicht schildern,

Würdig nicht besingen kann.

Sie nur macht die Seele mir beklommen,

Sie nur macht, daß mir die Thränen kommen;

Eine – hat das Herz mir fortgenommen.

 

Der Neuner

 

Wohlan, wohlauf du Schütze,

Komm mit uns auf den Wall,

Laß leuchten deine Blitze,

Laß klingen Büchsenknall!

Verschmähe nicht die Stütze,

Denn sichrer trifft der Ball.

 

Neun Jahre nun gesessen,

Bist du im Thorthurm hier;

Wie du dich hast vermessen,

Erschieße Freiheit dir!

Die Frevelthat vergessen,

Verzeihen wollen wir.

 

Wir wollen dich erproben,

Verwegner, blick empor!

Die Wetterfahne droben

Auf deinem finstern Thor,

Sie sei zum Ziel erhoben

Für dein geprüftes Rohr!

 

Verewigen sollst du drinnen

Die Jahrzahl deiner Haft;

Doch magst du dich besinnen,

Versaget dir die Kraft,

Wird dieses dein Beginnen

Mit Handabhaun bestraft!

 

Zehn Schüsse hast du, Einer

Nur darf ins Blaue gehn,

Wir wollen einen Neuner

Und auch neun Löcher sehn.

Nimm dich in Acht, Zigeuner,

Leicht kann der Wind sich drehn!

 

Lang konnt er nicht erblicken

Der Büchse trauten Glanz,

Drum ist er von Entzücken

Und Freud durchdrungen ganz.

»Ihr Herrn, soll es mißglücken,

Mein Leben in die Schanz!«

 

Mit unbeholfnem Knixe

Verhehlt er seine Wuth,

Dann murmelt er: die Füchse

Sind stets auf ihrer Hut.

Nimmt seine Doppelbüchse,

Und zielet fest und gut.

 

Wie jauchzt der Menge Schreien!

Wer hätte das gedacht!

Der neunte Schuß des treuen

Gewehres hats vollbracht.

Man drückt die Hand dem Freien,

Der steigt herab und lacht.

 

»Ihr Herrn, Hochehrenwerthe,

Was kam euch in den Sinn?

Wie wußtet Ihr, Verehrte,

Daß ich so ehrlich bin?

Daß sich mein Glück bewährte,

Fürwahr, ist euch Gewinn!

 

Seht, noch ein Schuß ist drinnen!

Nein, werdet mir nicht blaß!

Wie sollt ich mich besinnen?

– Ich rede jetzt im Spaß –

Seht, dort auch, zum Entrinnen,

Die Klepper auf der Gaß!

 

Auf Euern Schinderrossen –

Was meint Ihr zu dem Spaß –

War ich bereits entschlossen,

– Ich rede jetzt im Spaß,

Sobald ich fehlgeschossen,

Ihr rathet schon zu was!«

 

Zu Frankfurt auf dem Thore

Noch heut das Blech sich steift,

Neunfach im schrillen Chore

Der Wind ein Liedchen pfeift,

Das manchem zarten Ohre

Das Trommelfell angreift.

 

Romanze

 

Darf ich einmal dein genießen

Ohne Trennungsschmerz?

Werd ich dich, Geliebte, schließen

Endlich an dies Herz?

Kaum daß ein gestohlner Kuß

Noch uns Glücklichen vergönnet,

Da nach ewigem Genuß

Unsre Seele brennet.

 

Aber du, Geprüfte, Theure,

Bleibest treu gesellt,

Wenn ich durch die Klippen steure

Und der Kahn zerschellt –

Stehst du rettend auf dem Stein,

Händereichend, denn ich zähle

Auf dein kühnes Herz allein,

Deine große Seele.

 

Stille, Mädchen, deine Zähren,

Große Lieb ist kühn!

Hero und Leander wären

Bloße Phantasien?

Hero und Leander war!

Und gewiß, auch heutgen Tages

Gibt es Liebe und Gefahr,

Herzen ihres Schlages.

 

Wer ist gegen uns verschworen?

Kleinmuth fahre hin!

Wer nicht wagte war verloren

Stets von Anbeginn.

An der Liebe nur, getrost,

Halte fest mit deinem Herzen,

Und sein Frühlicht haucht der Ost

In die Nacht der Schmerzen!

 

Roga

 

Schweigend unter den Genossen,

Wie ers nie gewohnt,

Wandelt Roga, gramverschlossen,

Bleich wie dort der Mond.

Stolzer Roga, Sänger, Räuber,

Soll dein Ruhm verwehn,

Kühner Roga, Stern der Weiber,

Willst du untergehn?

 

»Euch zu fliehen, war mein Wille,

Aber ich bezwang

Mein Gemüth«, so bricht die Stille

Roga mit Gesang;

Nimmt die Laute, die vertraute,

Die ihm Gott beschied,

Und die Männerzähre thaute

Seinem letzten Lied:

 

»Unterm Schatten der Olive,

Auf dem weichen Moos,

Lag ein Held, als ob er schliefe,

Magdalan im Schoos –

Aber diese schönen Wangen,

Abendstrahlbegrüßt,

Ruhend an der Brust der Bangen,

Hat der Tod geküßt.«

 

»Und die Hand des Todten führte

Sie zum heißen Mund –

Wie mich die Bewegung rührte,

Thut euch Niemand kund –

Wiegt in träumenden Gedanken

Seine Arme, die

Wieder ihrer Hand entsanken,

Und dann weinte sie,«

 

»Von dem Hügel stieg ich nieder,

Trat mit Scheu heran,

Wandte weg die Augenlieder,

Weil die Thräne rann;

Aber schauen mußt ich wieder,

Nur nach ihr, ich stand

Von der Züge, von der Glieder

Anmuth festgebannt.«

 

»Meinem Bruder, sprach die Reine

Brach das Augenlicht;

Mitleid, Fremdling, haben Steine,

Menschen Mitleid nicht.

Räuber haben ihn erschlagen,

Welcher der Gefahr

In des Lebens Maientagen

Nicht gewachsen war.«

 

»Als er heimwärts seine Schritte

Lenkte von der Jagd,

Hat er, ritterlicher Sitte,

Tollen Kampf gewagt.

Räuber haben ihn erschlagen –

Ach, wo ist ein Freund,

Der den Jüngling ohne Zagen

Rächet, wenn beweint!«

 

»Als ich dieser Trauerzüge

Hohe Schönheit sah,

Glaubt ich nimmer, daß ichs trüge,

Was ich fühlte da.

Blicke, die aus Thränen flammen,

Und der heilge Schmerz,

Schnürten mir die Brust zusammen,

Schnitten mir ins Herz.«

 

»Ihrer schmerzbeklommnen Rede

Nie vernommner Ton

Trieb mir aus der Brust die Fehde,

Meinen Haß und Hohn;

Ungekannter Regung Gluten

Fühlt ich, wie sie sprach,

Mich durchfluthen, mich durchbluten,

Bis mein Trotz erlag.«

 

»Und ich rief, in Lieb entglommen:

Hast du keinen Freund,

Hat doch Roga dich vernommen,

Hab doch ich geweint

Dieser Mord – war meiner Brüder

Grauser Zeitvertreib,

Du gibst mich den Menschen wieder,

– Mädchen, sei mein Weib!«

 

»Laß mich deiner seelenvollen,

Strahlenden Gestalt

Feurige Bewundrung zollen,

Bis mein Wort verhallt;

Bis der Athem aus dem Busen

Nimmer kehrend geht,

Bis verlassen von den Musen

Dieser Geist verweht!«

 

»Aber sie, wie eine Rose,

Wenn die Knospe bricht,

Hob sich leuchtend aus dem Moose,

Glut im Angesicht –

Und mit Augen, wundersamen,

Stolz und sternenkalt,

Daß mich Schauer überkamen,

Schreitet sie zum Wald.«

 

»Und sie ließ mich bei dem Todten,

Wo ich, wie gebannt,

Wie gewurzelt in den Boden,

Lange starrend stand;

Bis mich Nacht und Donner schreckten,

Und der Eulen Schrei,

Bis mich wilde Blitze weckten

Aus der Träumerei.«

 

»Alle Wälder, alle Fluren,

Stadt und Burg und Land

Forscht ich aus nach ihren Spuren,

Die ich nirgends fand.

Und der Abend sah mich wieder

Am Olivenbaum,

In der Brust der Qualen Hyder

Und das Haupt voll Traum.«

 

»Doch wo ist der Jüngling heute?

Wo die Schwester, wo?

Wieder schaut ich starr ins Weite,

Hin, wo sie entfloh.

Lange bin ich so gestanden,

Habe so gestarrt,

Bis die Sterne wieder schwanden

Und es Morgen ward.«

 

»Ach! und von der Wunderbaren,

Der mein Lied erklang,

Hab ich nimmer was erfahren,

Tage, Monden lang –

Magdala, der theure Name,

Süß in jedem Mund,

Ward mir einzig von der Dame

Meines Herzens kund.«

 

»Nun versandet ohne Gnade

Liegt des Friedens Born;

Meines Lebens sichre Pfade

Haben sich verworrn.

Dem Vollkommensten der Wesen,

Das ich schauen sollt,

Blutge Trübsal auserlesen

Hab ich nicht gewollt.«

 

»Wilde Brüder, Waldgenossen,

Meiden muß ich euch,

Denn ihr habt ein Blut vergossen

Außer meinem Reich –

Roga wankt, der heldenkühne,

Ihr macht Roga bleich,

Aber eine große Sühne

Biet ich mir und euch!«

 

»Wilde Brüder, Waldgenossen,

Horcht, gehorchet mir!

Meinen Tod hab ich beschlossen,

Sterben will ich hier.

Kann, o kann das Herz noch pochen,

Hat das Leben Sinn,

Wenn der Seele Schwert zerbrochen,

Wenn der Muth dahin?«

 

»Lasset eure Dolche blitzen

In des Mondes Schein!

Taucht die so geweihten Spitzen

Tief ins Herz mir ein!

Bis der Athem aus dem Busen

Nimmer kehrend geht,

Bis verlassen von den Musen

Dieser Geist verweht!«

 

Falkonier

 

Frühe Morgens in die Schenke

Trat ein junger Wandrer ein,

Grüßte sittig und verlangte

Einen klaren Becher Wein.

 

Doch es sprach vom Haus die Tochter,

Werther Gast, kein Wein ist oben,

Gestern Abend bei dem Feste

Ist er ganz durchaus zerstoben.

 

Müßt euch eben was gedulden,

Bis ich aus dem Keller komm,

Um die Ecke, aus dem Keller

Unterm St. Georgendom.

 

Nun so gehe nicht zum Keller,

Drunten ist es kühl und feucht,

In dem nächtlichen Gedämmer

Da verderben Blumen leicht.

 

Silberfrische Labung bringe

Draußen von dem guten Bronnen,

Mild und freundlich lacht der Morgen

In der warmen Frühlingssonnen.

 

Und der Silberquell wird munden

Besser mir, denn goldner Wein,

Soll er mir von deinen lieben

Händen hold kredenzet sein!

 

Auf dem Tische steht der Becher,

Vor dem Jüngling steht die Maid,

Und er spricht im Schaun versunken,

Recht in Seelenseligkeit:

 

Goldes Werth hat nicht das Wasser,

Weißt du, was ich zahlen muß?

Diesen Becher, liebstes Mädchen,

Zahl ich nur mit einem Kuß!

 

Der Gelehrte

 

Tausend Schmerzen in junger Brust

Schon so tief so fest gegraben!

War das ein Leben voll Lebenslust,

Wies glückliche Menschen haben?

Die Sorgen um Zukunft, klein und gemein,

Ewiges Sehen auf mein und dein –

Das sollt mein Frühlingsleben sein?

 

O Fluch dir, höhnische Wissenschaft,

Was hab ich mich dir ergeben!

Du Gespenst ohne Blüth, ohne Saft und Kraft,

Elendes Gelehrtenleben!

Mir kommt entgegen kein Menschenkind,

Wenn ich nicht such und schau mich blind,

Ob ich lebendige Wesen find.

 

Was Alles ich hatte Freud und Glück,

Mußt ich mir selber erringen,

Erjagt ich den frohen Augenblick,

Mußt ich ihn bannen und zwingen.

Nie harmlos gab ich mich hin der Lust,

Wann kehrte mir Heiterkeit ein zur Brust,

Da ichs nicht wollt und nicht gewußt?

 

Ich fühl es erst, o ewig zu spät,

Wie bitter der Kelch der Reue,

Und hätte ich noch ein einzig Gebet,

Es wäre um Liebe und Treue!

Wohl kannt ich einmal eine schöne Frau,

In ihren Augen stund oft der Thau;

Ich – trug meinen Wissenseifer zur Schau.

 

Jetzt grau vor Weisheit und Verdruß

Hinschwank ich einsam zur Grube,

Die Wehmuth ist mein Lebensgenuß,

»Bedauern« darf mich ein Bube.

Statt blühender Kinder liebende Schaar

Zähl ich meine Werke Jahr für Jahr,

Und seh, daß ich Andern nützlich war.

 

O schafft eine schöne, menschliche Zeit,

Ohne Heuchelei der Tugend,

Eine Gegenwart der Gerechtigkeit,

Einen Frühling unserer Jugend!

Wo die Zeit, darin sie knospen mag?

Ihr werft das Kind mit Einem Schlag

In den arbeitsschwülen Sommertag.

 

Die Erfüllung

 

Die festlichen Fahnen flattern –

Den König auf hohem Thron

Erfreueten hundert Siege

So sehr nicht, als in der Wiege

Sein neugeborner Sohn.

Und heller Hörner Schallen

Erklinget ins Morgenroth,

Ihr Ruf stets neue Vasallen

Aufs Königsschloß gebot.

 

Das Zechen nahm kein Ende

Drei Monden flossen hin,

Und sieben Tage drüber,

Am letzten schlief hinüber

Die kranke Königin.

Da schrack der König zusammen,

Da ließ er löschen zur Zeit

Die Kerzen und Freudenflammen,

Da ward ihm prophezeit:

 

»Es wird ein Jüngling kommen,

Der Todten an Schönheit gleich,

Den Jüngling wirst du erschlagen,

Er hat dir in sieben Tagen

Zertrümmert Thron und Reich!«

Da schrack der König zusammen,

Da trauert sein Herz aufs Neu,

In seinen Augen schwammen

Der Kummer und bittre Reu.

 

Und zwanzig Jahre verflossen,

Vergessen war längst das Wort –

Jetzt aber flog von Munde

Zu Munde schmerzliche Kunde,

Sie meldete Brand und Mord.

Gefallen war unvermuthet

Ein schweifend Volk ins Land,

So unaufhaltsam fluthet

Das Meer nicht über den Strand!

 

Da sprach zum Sohn der König,

Und legt aufs schöne Haupt

Ihm freundlichen Blickes die Rechte,

»Geh hin, mein Sohn, und fechte,

Sei glücklich« ... ha, was raubt

Den väterlichen Wangen

So plötzlich alles Blut,

Was reißt ihm wie mit Zangen

Aus seiner Brust den Muth?

 

»Weh mir! das ist der Jüngling

Der Todten an Schönheit gleich!

Sein Anblick ist Erneuung

Verschollener Prophezeiung –

Wo ist mein Thron, mein Reich?«

Und einen bösen Gedanken

Gibt ihm der Schrecken ein,

Den schönen Jüngling, den schlanken,

Will er dem Tode weihn.

 

»Auf! eile mein Sohn, beweise,

Daß du von Helden entstammt,

Nimm dreißig erlesene Ritter,

Sei wie ein Morgengewitter,

Das schmettert wenn es flammt!

Die Kraft mußt du erproben,

Mußt suchen die Gefahr,

Die Welt verschmäht zu loben,

Wo großer Haufe war.«

 

Dem König flüchtig dankend,

Entfernt sich scheu der Sohn,

Nicht war dem Klugen entgangen

Die plötzliche Blässe der Wangen,

Des Vaters seltsamer Ton.

Und mit dem Argwohn flüchten

Mocht er zur Amme alt,

Er frägt nach alten Geschichten,

Da blutet sein Herz gar bald.

 

Doch Ehre gebeut und rufet

Den stolzen hinaus ins Feld,

Das Schwert klirrt in der Scheide,

So zogen auf nächtlicher Haide

Die dreißig, voran der Held.

Kaum funkelt der Tag, umschwärmen

Zahllose Feinde den Troß,

Beginnet die Schlacht zu lärmen,

Stürzt Reitersmann und Roß.

 

Weh euch, ihr treuen Kämpen,

Euch hält umarmt der Tod!

Durch eine Herrschergrille

Stehn eure Herzen stille –

Schlaft still – im Morgenroth!

Nur Einer will nicht schwanken,

Wo schon das Kämpfen ruht,

Die Frühlingskräuter tranken

Nur seiner Gegner Blut.

 

Der Jüngling wars, der jetzo

Der fremde Herzog berennt,

Der Herzog hoch zu Pferde,

Er wirft den Jüngling zur Erde

– Der springet auf behend.

Da greifen sie zu den Schwerten,

Da splittert des Jünglings Stahl

An bessern Stahles Härten,

Da rollt sein Helm zu Thal.

 

Doch schnell am prallen Haarschmuck

Des Hiebes Wucht erlag,

Wie golden wallten die Locken!

Der Herzog, freudig erschrocken,

Hält inne mit neuem Schlag.

Und schon hat Jener erhoben

Die Keule, zu rächen die Schmach,

Er schnellt sie mit rasendem Toben

Dem Hiebe des Fremdlings nach.

 

Sie sehn ihn wanken, schwanken,

Und sinken mit ihm ihr Glück;

Die fremden Krieger erbleichen,

In Furcht und Ehrfurcht weichen

Sie vor dem Starken zurück.

Der stehet einsam, trauend

Dem Schutze der Götter nur,

Es staunet der Feind, erschauend

Die leuchtende Heldenspur.

 

Und, die der Tod geschichtet,

Man hat sie jetzt nicht gezählt,

Wohl war der Führer darunter,

Doch wenn das Heer frisch munter,

Was hilfts, wenn der Führer fehlt?

Der Tapferste wars von Allen –

Er mußte es wieder sein –

Wars keiner seiner Vasallen?

Der Jüngling wars allein.

 

Sie jauchzen und küren den Helden,

Und heben ihn auf den Schild,

Der Jüngling wars zufrieden:

»Die Götter haben entschieden,

Mein Schicksal sei erfüllt!«

Wohl muß er die Heimkehr meiden

Zum Haus voll Trug und List,

Zum Vater, der beim Scheiden

Den Kuß des Verräthers geküßt!

 

Wie mit tosendem Gekrache,

Von des Wetters Macht zerschellt,

Die zertrümmerte Felsenmasse

Sich bahnt eine bebende Gasse!

Wenn sie fürchterlich winkt, und fällt,

– Und donnernd rollt sie die jache

Die Wand des Berges herab,

Und knickt, als nähme sie Rache,

Die Hoffnung des Menschen ab;

 

Ja Rache, weil sie gestürzet

Vom herrlichen Wolkenthron;

Zerschmettert Wälder und Hütten,

Sie begleitet im grausen Verschütten

Der Lebendigen Klageton –

So läßt sich die Kraft des Rächers

Nicht brechen, die Wuth nicht staun,

Die blinde, des schrecklichen Zechers

In Blut und Menschengraun.

 

Der König in seinem Schlosse

War traurig und war froh,

Er glaubte den Sohn erschlagen,

Er hörte des Volkes Klagen,

Sein stolzer Gleichmuth floh.

Und heller Hörner Schallen

Erklinget ins Morgenroth,

Ihr Ruf die schnellen Vasallen

Aufs Königsschloß gebot.

 

Sie ritten am siebenten Tage,

Zu großer Macht vereint,

Der König mit allen Recken,

Er wollte strafen den kecken

Den übermüthigen Feind.

Doch was seine Brust erfülle

Das sagt sein klopfend Herz,

Sein trotziger Herrscherwille

Erschmilzt in tiefen Schmerz.

 

Bald deckte die Schlacht den Anger

Mit sterbender Menschheit zu;

Es ermatten die feurigen Renner,

Vergeblich spornt sie der Männer

Gewaltiger Eisenschuh.

Noch immer herüber, hinüber

Schwanket das Schlachtenglück,

Doch immer umflort sich trüber

Des Königs düstrer Blick.

 

Da wirbelt ein heißer Südwind

Herauf vom nahen Meer,

Wild schmerzt die staubge Schwüle,

Da flieht in dichtem Gewühle

Das müde Königsheer.

Der König nur steht mannhaft,

Verstummt in sich hinein,

Mit letzter Athemspannkraft

Mäht er des Feindes Reihn.

 

Und auf einander treffen

Jetzund der Vater und Sohn,

Der Sohn dem Vater unkenntlich,

Der Vater dem Sohn unendlich

Verhaßt wie der Hölle Schlund.

Doch – soll der Sohn bestürmen

Den Vater mit scharfem Tod?

Ziemt Flucht? Sich selber schirmen

Heißt ihn die grimmige Noth.

 

Wie da der Mann, der starke,

Den Jüngling hart bestritt!

Dem stund in solchem Streite

Kein Jugendfeuer zur Seite,

Das reife Kraft vertritt.

Den Vater galts zu schonen,

Und doch zu retten den Schein

Der Tapferkeit. Wie lohnen

Die Götter so herber Pein?

 

Und sieh, da rollet wieder

Des Jünglings Helm zu Thal;

Des Königs Hiebe flammen –

Der König schrickt zusammen,

Der Sohn erbleicht zumal.

Und auf den schönen Todten

Starrt hin des Vaters Schmerz;

Der König rasselt zu Boden

– Gebrochen war sein Herz.

 

Es staunen die fremden Horden

Am unheilvollen Ort.

So redete wahr die Stimme,

So war erfüllt das schlimme,

Das alte, verschollene Wort.

Vom Könige selbst erschlagen

Der Jüngling, an Schönheit gleich

Der Mutter – in sieben Tagen

Zertrümmert Thron und Reich.

 

Warlied gegen Varus

 

Wuodan, du hör uns Tod – Tod geschworen!

Tod und Wunden dem Feind geschworen!

Wuodan, du hör uns!

Wir hören rauschen

Gottes Zorn im murmelnden Wald,

Schauen die Wolen am Hügel lauschen –

Grolle, grolle im Sturm, Wuodan!

 

Goldene Schaaren, wie sie sitzen

Stolz im Panzer, wie sie sitzen

Trutzige Zwerglein

Auf ihren Südlandsrossen!

Schmettre sie nieder, gewaltiger Thor!

Schlagt zusammen die Schild, Schlachtgenossen,

Männer Wuodans, daß sie hallen hell!

 

Klirret an das Schwert am hallenden Schild!

Jauchzet ins Thal laut wild, wild!

Voran Schwertführer! hei, haut den Tod!

Im Blutdampf schreitet durchs Waldfeld roth!

Im schimmernden Walhall, den wolkengetragenen,

Schlagen bald mit neuer Lust die Erschlagenen.

 

Sickingens Vermächtniß

 

Einst lag die Welt in Nacht befangen,

Kein hell Gestirn war aufgegangen,

Nur eine matte Sternenpracht

Hinflimmerte durch tiefe Nacht.

 

Jetzt ist die Leuchte angezündet,

Der Tag erstritten und verkündet,

Und nur ein Uebel wolkendicht

Verdämmert uns das Sonnenlicht.

 

Jedweder sieht die Nacht gelichtet,

Zur Sonn ist jeder Blick gerichtet,

Wir harren, ob der Nebel sinkt,

Der Strahl erwärmend zu uns dringt.

 

Wir spähen, tappen, rathen, suchen,

Es geht ein Beten und ein Fluchen

Umsonst besteigen wir den Thurm,

Eins thut uns noth – es ist der Sturm.

 

Die Braut

 

»Verweinte Augen seh ich hier,

Dein Köpfchen senket sich,

Was geht in deiner Seele für

Mein Schwesterlein, o sprich!«

 

»Ein Brief ist kommen auf der Post;

Er spricht von – allerlei.

O Bruder, Bruder gib mir Trost,

Mein Schatz bricht mir die Treu!«

 

So schluchzet Caroline laut,

Die Jungfrau süß und schlank,

Die opferfrohe, fromme Braut

Herrn Ferdinands vom Trank.

 

»Laß ab vom Weinen, mich entmannt

Dein jammervolles Weh!

An deinem Stolze brich die Schand

Du tief Beleidigte!«

 

»Vermöcht ich das, o das, ich wollts

Ja gerne thun um Dich,

Ach selbst gebrochen ist mein Stolz,

Auch darum weine ich.«

 

»Gib her den Brief! Was er enthüllt,

Verwundet mein Geschlecht.

Eh dort der Mond sich wieder füllt,

Bist, Mädchen, du gerächt!«

 

»Gott! Rache, nein, für meine Noth

Ist Rache kein Begehr,

Mein Herz ist wie erfaßt vom Tod,

Mein Herz verlangt nichts mehr.«

 

»Zurück sei dieser Pfeil geschnellt,

Der Pfeil – verrathne Treu!

Mein Eins und Alles auf der Welt,

Gerächet, lebst du neu!«

 

Und Bernhard drückt die Schwester heiß

Ans Herz und stürmet fort;

Er reitet manches Roß in Schweiß

Bis er am rechten Ort.

 

Lothringer Land ist gut bestellt,

Dort rast der Fürstenzank,

Dort gegen Frankreich liegt im Feld

Herr Ferdinand vom Trank.

 

»Der Satan segne Euch den Wein,

Drein Ihr verdrossen schaut!

Dieß, Herr, zum Gruß! Herr, überm Rhein

Verzweifelt eine Braut.«

 

»Und schriebst du das? Gib Rechenschaft,

Verbuhlter, meinem Schmerz!

Die Wuth ist meine Fechterkraft,

Ist Schärfe meines Schwerts!«

 

»Doch sieh! den Zierrath an der Wand!

Pistolen, herrlicher

Als je zu schaun – nimm sie zur Hand!

Denn du sollst sterben, Herr!«

 

»Mein Freund – ich danke deiner Wuth,

Ich ehre deinen Schmerz,

Es fließe Blut, doch schieße gut,

Die Kugel mir ins Herz!

 

Komm mit in jene Tannennacht!

Glaub nicht an Furcht und Flucht!

Den Tod hab ich in mancher Schlacht

Vergebens aufgesucht.«

 

»Du, Tod? Ha, deiner Gleißnerei

Winkt volle Strafe dort!

Von deinen Freunden wähle zwei,

Daß Niemand spricht von Mord!«

 

Die Wolken ziehn, es rauscht der Tann

In seiner finstern Pracht,

Am Auge haftet Mann dem Mann,

Und Schuß auf Schuß erkracht.

 

Da wälzet sich in seinem Blut

Herr Ferdinand vom Trank,

Da bebt in Frost, da flammt in Glut

Sein Gegner der nicht sank;

 

Nicht sank, der Nimmerweichende,

Weil nicht auf seine Brust

Weil der zuvor Erbleichende

Ins Blaue schoß mit Lust.

 

»Hab Dank, du Glücklicher, hab Dank!

Sei, was ich nicht war, sei

Was du, sei Ferdinand vom Trank,

Mit mir ist es vorbei!«

 

»Was thatest du? Mit deinem Blut

Verraucht mein heißer Zorn.

Was sprichst du irr? Mich läßt der Muth,

Ich werde selbst verworrnf«

 

»Die Wahrheit sagt ein Sterbender.

Vernimm, o Freund, was ein

Durch Liebe ganz Verderbender

Gesteht in seiner Pein!

 

Vernimm, was Bosheit ausersann –

Ein Greis vertraute mir

Das schreckliche Geheimniß an,

Verschied und ließ mich hier.

 

Es war mein Oheim, ach er war

Einst meines Vaters Feind;

Wir Beide, ein Milchbrüderpaar,

Wir waren früh vereint!

 

Da brachte listiger Verrath

Verwechslung bald zu Stand,

Die Amme wußte um die That,

Die Amme bald verschwand.

 

Wir Beide werden schnell getrennt

– Die Mutter ging zur Ruh –

Und Schadenfreudezähren flennt

Der Heuchler keck dazu.

 

Der Vater starb. Vor Monden erst

Erfuhr ich, was du jetzt

Zu deinem süßen Heil erfährst,

Was mich zu Tod entsetzt!

 

Gerungen hab ich wie ein Mann

Ein edler ringen mag,

Was sterbend ich entdecken kann,

Verhehlt ich Tag für Tag.

 

O Schwester! Braut! Geliebtes Herz!

Von uns wer hätte still

Ertragen diesen einen Schmerz –

Den Gott mir nehmen will!

 

Weh! mich verblendete der Gram.

Zerrüttet herzenstief

Von Leidenschaft und Schmerz und Scham

Schrieb ich den bösen Brief.

 

Mein Wahn war gut – ich dachte dich

Zumal an ihrer Seit;

Verachten, rief ich, soll sie mich,

Dann ist ihr Herz befreit!

 

Ich stürze mich ins Schlachtgewühl,

Ich suche die Gefahr,

Ich lebte ja, aus Pflichtgefühl,

Weil ich ein Kriegsmann war.

 

O Lügenweisheit, Gott erbarm!

Ich armer Klügler jug

Sie der Verzweiflung in den Arm

– Ich war im Wahnsinn klug!

 

Nur fort, nur fort! du richte sie

Aus Thränen auf am Stab

Der Wahrheit, Wahrheit tödtet nie,

Doch Untreu wirft ins Grab.«

 

»Gott hats gewollt! Ach stirbst du schon?

Verzeihung mir und dir!

Leb wohl, du Held, du Schmerzensohn!

Laß diese Locke mir!«

 

Und Bernhard drückt »den Bruder« heiß

Ans Herz und stürmet fort;

Er reitet manches Roß in Schweiß

Bis er am rechten Ort.

 

»Getreu ist Ferdinand vom Trank!

Wach auf in deiner Noth!

Ein Bruderherz ist ohne Wank,

Getreu bis in den Tod.«

 

»Was thatest du? Was sprichst du irr?

Du blickst so siegeswild,

So fremd, ich fürchte mich vor dir

Steh Rede – Geisterbild!«

 

»Mein Eins und Alles auf der Welt!

Ich bins. Bin bei Verstand.

Vergiß, vergiß, was dich gequält!

Hier Bernhard, Ferdinand!«

 

»Was ist Vergessen! Welch Gebot

Dem Herzen öd und leer!

Mein letztes Hoffen ist der Tod,

Und sterben ist nicht schwer.«

 

»Du sollst nicht sterben! Lasse dir

Erzählen, was ich fand,

Was ich gethan, dann weinen wir,

Versöhnt um Ferdinand!«

 

Sie weinten um den Todten bald,

Der ferne fern genest;

Sie fühlen jene Allgewalt,

Die Herzen, Schmerzen löst.

 

Sie haben lange stumm gekost,

Sie hängen Mund an Mund,

Und sanfter Liebe süßer Trost

Schließt ihren ewgen Bund.

 

Der Schneider von Pensa

 

Wer ihn so dastehn sah,

Den Schneider von Pensa,

Dem wird es warm ums Herz,

Ihm rollen die Thränen in das Aug.

 

Der Kaiser Napoleon

War nach Paris entflohn,

Die Armee, in Eis und Wind,

War gefangen oder todt.

 

Viele deutschen Brüder ach!

Kamen auch in Noth und Schmach.

Gefangen transportirt

Wurden sie nach Pensa hin.

 

Sind keine Deutschen da?

Rief der Schneider von Pensa.

Die Worte klangen so süß

In der weiten Fremde draus.

 

Ihrer dreizehn er auch fand

Aus dem theuren Heimathsland,

Da ward es ihm warm ums Herz

Und er weinte vor Freuden laut.

 

Und Jeglichem seines Stamms

Macht er schnell ein warmes Wamms,

Gibt er reichlich Trank und Speis

Und ein weiches Bett zum Ruhn.

 

Wie da Mancher getröstet schlief

Drin im Feindesland so tief!

Wollte Keinen mehr lassen ziehn

Der brave herrliche Mann.

 

Und so rief er Tag für Tag,

Weil das Elend ihm ging nah;

Als sie scheiden mußten von ihm

Küßten sie ihm Händ und Füß!

 

Und gerührt war Jedermann

Von dem was der Schneider gethan!

Und sie dachten, im rauhen Krieg,

Wie schön ist die Lieb und die Treu!

 

Stromberg

 

(ein Nachtstück.)

 

Noch raget Stromberg aus den finstern Fichten

Die Felsenburg, es wölbt sich klar und kühn

Der sternenvolle Himmel drüber hin,

Er weiß sie nicht die weinenden Geschichten.

O stille Nacht! Du ewig sanftes Licht

Des Mondes du erlischest nicht,

Wenn Lieb, Verzweiflung, Tod und heiße Trauer

Als Geister stiegen aus geborstner Mauer,

Dich anzuwimmern schmerzlich laut

– Du strahlest weiter, ohne daß dir graut.

Ist Frevel selbst so nichtig hohl so todt

Schon durch Vollbringen, daß doch lieblich Roth

Des Ostens Wange mag verklärend schmücken?

Als lauerten allwegs nicht bleiche Tücken,

Als wäre Friede nie gebrochen worden,

Als wäre Blutschuld nur das blutge Morden!

 

War Dagoberts Vertrauen werthlos so,

Daß Kunos Busen nicht die Freude floh?

Unbändig Jauchzen, freche Lust und Toben

Ist das bei Schmerz und Wahnsinn nicht zerstoben?

Wo Freunde stumm, erbleichten Angesichts,

Hinwandeln, fühlt, empfindet Kuno Nichts,

Wo ihre Schönheit edle Fraun vergessen

Wo Kinder denken, Knechte sittsam werden,

Blödsinnige Greise feurig sich geberden,

Wo Thoren scheu entsagen ihren Spässen

Ist Kuno prahlend beim Gelag gesessen!

 

Zwei Brüder waren, also ungefähr

Hub oft schon an manch schlimme dunkle Mähr,

Zwei Brüder waren, ihres Stamms die letzten;

Herangeblüht bei ritterlicher Lust,

Der Jugend froh, des kühnen Arms bewußt,

Beschirmer der Gekränkten und Gehetzten.

Gefürchtet und geliebt, weil stark und gut,

Weil unverzagt, bereit, und wohlgemuth.

Und anders nicht erschienen sie der Welt,

Eh Leidenschaft getrennt, was treugesellt,

Eh Neid die gute Art in Kunos Brust getrübt,

Eh Dagobert gelitten und geliebt.

 

Des Jünglings Seele ist ein edler Wein,

Ein kühler Hauch – und er wird Essig sein,

Des Jünglings Herz ist eine keusche Frucht,

Sie fault, hat sie der Wurm besucht.

 

Auf Salecks Söller stand im Wind

Gunild die schöne, Bodos Kind,

Auf ihrem süßen Antlitz lag

Die Schönheit wie ein Maientag ...

Der Schleier und die Locke wallt

Um ihre festliche Gestalt,

Sie schauet ernst und bang hinaus

Ins offne Land vom steilen Haus,

Sie winkt und weint, sie jubelt auf,

Als durch die staubge Wolke fern

Gewaffnet blitzt ein Männerhauf –

Wie durch den Nebel Stern an Stern.

 

Die Brüder sinds, es fliegt voran

Sieghaftes Banner, da sie nahn,

Das Freudenlied erschallt wild laut,

Held Dagobert holt seine Braut!

Draus auf der Haide stirbt im Blut

Graf Gregor, deß gestrenger Hut,

Aus Einsamkeit und Kümmernissen

Die holde Mündel jetzt entrissen.

Das Bild ergriff der Männerherz,

Gunild im Arme Dagoberts!

Weß Auge flammte da nicht kühn,

Wenn ihm solch edel Bild erschien?

Das Herz, in schönem Traum verloren,

Hat Lieb und Treue neu beschworen.

 

Nun durch verwaister Erbin Hand

Gebieter über Burg und Land,

Wünscht Dagobert den süßen Bund

Geweiht durch priesterlichen Mund,

Begehrt, von Minnedurst entflammt,

Des Bischof Burkhard heilig Amt.

Der spricht: Mein Sohn, die Kirche flucht,

Wenn frecher Frevel Segen sucht.

Dem Räuber wehrt sie den Altar,

Sie zürnt so lange Gott gekränkt,

Sie heischet Sühne durch Gefahr,

Bevor sie Schutz und Friede schenkt.

Zieh aus mit der bekreuzten Schaar,

Die früher nicht an Rückkehr denkt,

Als Gottes Grab der Feinde baar;

Zieh hin! und so im dritten Jahr

Der Himmel deine Schritte lenkt

Zur Heimath wieder wunderbar,

Sei neue Buße dir geschenkt,

Dann bring Gunilden zum Altar!

 

Der Bischof Burkhard rächte seinen Neffen ...

Der Bischof weiß zu tödten und zu treffen.

Des Neffen Hoffnung losch mit Gregor aus,

Der Bischof Burkhard rächt sein edles Haus –

Rächt hoffnungslos, denn Jener auch ist todt,

Ihn schlug der Zorn nach wilder Herzensnoth,

Da man ihm redet von der Brüder Sieg,

Fraß Fieber ihn, bis all sein Leiden schwieg.

Des Bischofs Harm gebiert des Hasses Witz;

Des Hasses Opfer trifft der Rache Blitz;

Es wirkt der Bann. Gunild, die schöne Braut

Dem Bruder Kuno wird sie anvertraut,

Behüten soll er sie bis Dagobert

Vom Bann entsühnt, geläutert wiederkehrt.

Doch wie wird Schönheit er bewachen?

Wird während also banger Hut

Ihr hoher Liebreiz nicht entfachen

In Kunos Busen böse Gluth?

Wird Kunos Herz der Lockung widerstehn,

Wird Dagobert die Braut einst wiedersehn?

Wird Mißgunst, Zwietracht nicht entbrennen,

Den Bruder von dem Bruder trennen?

Hat Bischof Burkhards Haß auch dies bedacht,

Als er sie hingab in des Jünglings Macht?

 

O hinterlistig, feig und schnöd Geschick!

Zertreten durch den Sieg, verarmt durch Glück!

Am Ziel vernichtet stehn, mit rauhen Worten

Hinabgedonnert sein an Himmelspforten;

Von Angst gejagt, im Ohr des Fluches Schall,

Zurück dem lautlos leeren, tauben All

Zu fallen in den nebelweiten Schoos!

O welch ein bitter, welch ein starres Loos!

 

Und seine Braut sah Dagobert nicht mehr.

Der strenge Spruch raubt ihm ein letzt Gehör,

Weigert Umarmung, Kuß, und heißer Treu

Gelübd in liebe Hand zu legen,

Versagt, daß Lieb den heilgen Bund erneu,

Versaget Abschied auf der Trennung Wegen.

In stille Zelle schwankt der Ritter fort,

Des schlichten Klausners mildes Wort

Zu suchen, das ihn oft erbaut,

Weil mit Natur und Menschenherz vertraut.

Dort in der Wälder Gottesfrieden

Wohnt Weisheit, von der Welt geschieden,

Dort ist die Würde nicht, die straft und flucht,

Dort lebt die Liebe, die nach Herzen sucht.

Er tritt hinein – der Vater doch, der Freund

Liegt heut entseelt – nur karge Lampe scheint

Aufs Antlitz ihm – wein und verweil!

Hier starb der Trost, verwest das Heil.

 

Rings öde Nacht – ein Todesschweigen.

Da flackert vor dem müden Aug

Ein Endchen Docht und will sich neigen,

Es glimmt nur noch und kämpft mit Rauch.

 

Umsonst, daß ich es mir verhehle,

Wie rings um mich es werden will –

O müder Geist, o müde Seele –

Verdüstert, nächtig, grabesstill.

 

Die Freuden dieses Lebens starben!

Dem Schmerze hingeopfert sein!

Ich kann nicht darben lernen, darben!

Ein Fünkchen Hoffnung ist nur mein.

Ihr Stürme fanget an zu rasen

Draus in der mondenlosen Nacht!

O hört ich eure Pfeifen blasen –

Musik, die jetzt mich munter macht!

 

Dem Bruder nur, dem theuren, er vertraut;

Er rettete, er schirmet nun die Braut!

Auf! wappne dich mit Stahl und frohem Muth,

Der Bruder ist kein Schelm, stets war er gut.

Ist er geprüft –? wozu, er ist wie ich;

Mit ihm wie oft verwechselten sie mich!

O Dagobert, du selbst so rein und klar,

Wie brächte Argwohn deinem Muth Gefahr?

Ein edler Sinn – ob unklug – hat doch Recht,

Auch Kuno fühlte so, und sein Gefühl war ächt.

Wer ahnt nach heitrer Tage Schein

Die Athmosphäre nimmer rein,

So lange doch kein Wölkchen steigt,

Die Ferne sich nur klarer zeigt,

Und tiefer nur des Himmels treues Blau,

Allmälig wandelt sichs in Grau.

Ein Windhauch, unbekannt woher,

Kaum fühlbar traf der Dünste Meer,

Das noch zuvor, durchsichtig ganz,

Der Sonne lieh nur reichern Glanz.

Jetzt wogt in Nebelwolken schwer

Der weite Himmel ringsumher.

Wie schwand der schöne Tag dahin?

Das treue Blau, das ewig schien?

Vorbei das Alles – über Berg und Thurm

Gesammelt schwebt der Wettersturm.

 

Zwei Sommer schon begrub Gunildens Gram,

Gunildens Hoffnung in Vergessenheit;

Der dritte Lenz bringt ihr den Bräutigam,

Das ist ja Trost in allem Leid.

Wie schön, in allem Leid, sie blieb!

Welch Feuer süßer Sehnsucht Trieb

Stets über Blick und Miene groß,

Dann ihren edeln Geist erschloß,

Und wie Gesang die Rede floß;

Wenn sie dahinschritt hehr und leicht,

Und lächelte, die Wimper feucht,

Wenn das holdselge Schwesterpaar

Schwermuth und Anmuth den Altar

Auf ihrer Stirne weihte, war

Kunos berauschte Phanthasie

Der Zügel und Beherrschung baar,

Und der Gefühle Aufruhr lieh

Ihr neue Flügel Jahr um Jahr;

Der Sturm in seines Busens Höhle,

Der das Gewissen überschrie,

Treibt an den Abgrund seine Seele.

Maßlose Mißgunst taucht empor –

Verfallen der Dämonen Chor

Ist, wer sein bessres Selbst verlor.

Scham, Würde, Schonung, Ritterpflicht

Kennt Kuno, der Bestrickte, nicht:

»Sei mein, auf Monden nur sei mein,«

Stöhnt, bittet, droht, rast seine Pein.

Standhaftigkeit erschüttert ihn,

Macht wilder ihn, erbittert ihn,

Zorn, Haß, Verachtung, Abscheu jetzt

Strömt Kälte in die Brust zuletzt,

Die ehmals leicht bewegte Welt

Der Seele ist erstorben schnell,

Ein Stoß, sie starrt, sie wird zu Eis,

Spröd, hart und fühllos – Niemand weiß

Wie plötzlich das – so unbewußt

Reift Rauheit in des Jünglings Brust,

Verdruß besiegt den siechen Mann,

Er ahnt es kaum, und ist – Tyrann.

 

In Syriens Wüste irrt das Christenheer,

Der Mönch von Clairvaux eiferte nicht mehr.

Vom herrlichen Damaskus weggeschreckt,

Wird neue Streitglut nimmer ihm geweckt,

Geschlagen und zerstreut, von Gott verlassen,

Verwildern die bestürmten Völkermassen;

Nur Kaiser Konrad wankt nicht in der Noth,

Des Heeres Helden sammelt sein Gebot,

Zur Heimfahrt rüstet sich sein großes Herz,

Ein hoher Geist verwaiset nicht durch Schmerz.

Es schmachtet fern das Reich nach seiner Kraft,

Die bald Verrath und Abfall niederrafft,

Die nun als Leuchte leitet in der Nacht,

Und tapfern Mann zum übermüthgen macht.

So reiten sie durchs unwirthbare Land

Auf müden Rossen, Schwerter in der Hand.

Auch Dagobert weiß seinen Muth beseelt,

Den tiefre Wund als die durch Schwerter quält;

Sein wildes Elend blutet in der Stille,

Doch hält im Sattel ihn der trotzge Wille!

Gerüttelt ist ihm der Entbehrung Maß,

Daß traun vor Leid er Mangel längst vergaß.

 

Ihn jagt geheime Angst des Herzens, ihn

Spornt über Land und Meer ein Stachel hin,

Der üppig wächst und wühlt, genährt vom Born

Der Sehnsucht – ach, der Liebe Rosendorn!

Voraus dem Schwarm der Besten und Getreun,

Mag weder Reiz ihn noch Gefahr zerstreun.

Lockt nicht Achajas blaue Wasserflur,

Des wälschen Himmels seelentief Azur?

Ihn drückt, beklemmt der schöne Himmel nur.

Normännisch Ritterspiel es fesselt nicht?

Die Ehre nicht, der Männer Schmuck und Pflicht?

Verdorret auch sein thränenreicher Harm

Nicht an Siziliens glühenden Frauenblicken,

Und Romas Wunder will ihn nicht berücken,

Ist denn die Welt an Zaubermacht so arm?

Am Rheine dort, daß er nicht rasten mag!

Kein Kirchenfest, kein hoher Fürstentag,

Kein Hader der Parteien, kein brüderlich Gelag

Hält ihn zurück, der unaufhaltsam eilt,

Dahin, wo die Geliebte weilt,

Dahin, wo Hast und Harm des Herzens heilt.

 

Nach heißer Wandrung steht am Ziel,

In seiner Heimath Dagobert,

Noch lebt im Wald das alte Spiel

Der muntern Sänger, einst so werth,

Noch grünt so frisch der Wiesengrund,

Noch lacht die Flur, der Anger bunt,

Der Tannen Ernst, der Felsen Majestät

Faßt die gerührte Seele, weht

Friedreiche Stimmung ins Gemüth,

Bis ihm die Zähr im Auge glüht.

Werd ich die Braut auch wiedersehn?

Dich Stern in Wirrfal, klar und schön?

Dem ich wie der Pilot im Meer

Vertraute, voll der Wiederkehr,

Dich einzgen Trost dem wunden Mann,

Dich Führerin durch Nacht und Bann;

Geliebte Braut, werd ich dich schaun,

Huldreicher Ruhm und Preis der Fraun!

Soll, Stern, verkümmert dir dein Licht,

Sollst du erloschen sein, ich trüg es nicht.

Soll all der Kampf, die Gluth, die Pein

Umsonst, ziellos gewesen sein?

Ich trüg es nicht. Jetzt fern der Noth,

Erloschen du – dies nur mein Tod!

 

Als über des Gebirges Kamm

Der Sonne Feuerball nun schwamm,

Und abentheuerliche Züge

Um flüchtge Wolken wundersam

Der Abend schrieb mit goldner Schrift

– Ein Sinnbild gleißnerischer Lüge –

Als tiefe Schatten auf die Trift

Sich senkten, schritt zum Schloß hinan

Der Held, ein Pilger angethan.

Lauttosend und geräuschvoll schallen

Die Tritte durch die weiten Hallen,

Graunhafte Stille birgt der Ort,

Kein Gruß, kein gastlich Menschenwort,

Wohl rostet in den Gängen hin

Gewaltger Waffen manche dort,

Manch gute Rüstung, dran Gespenster

Um Mitternacht vorüberziehn,

Sprüht durch die farbgen Bogenfenster

Unheimlich Feur in Mondenhelle,

Sich scheu bewegend von der Stelle.

 

Horch! hastge Männerschritte nahn,

Klirrt Kettenklang nicht leis heran?

Umringt von Knechten sieht der Herr

Sich plötzlich, in der Väter Hallen,

Gefesselt, ein Gefangener,

Von stummen Häschern überfallen.

Hinweggeschleppt in Kerkernacht

Durch welche Tücke, welche Macht?

Herrscht Kuno hier, der Bruder, wie?

Nein, frevle nicht, bestürzte Phantasie!

 

Wenn Ingrimm über Arglist schäumt,

Wird schlaflos wohl die Nacht durchträumt.

Die Nacht, die Schlummer einst gebracht,

In Qual und Brüten jetzt durchwacht,

Die Nacht war um, doch Frühlicht schien

Nur spärlich auf das Gitter hin,

Wie Rosen nicht, die Freuden künden,

So quälend düster war die Gluth,

Und leuchtet doch – tagscheu Empfinden

Weckt sie wie frischvergossen Blut!

Vergebens dann winkt auch der Tag mit Licht,

In seine Seele trägt er Klarheit nicht;

Der sonst Geduld und Sanftmuth leihen mag,

Ihm gibt Verzweiflung nur der junge Tag:

Das Mißtraun wuchert, Unruh reift

Zur Wuth, bis Hohn das Herz ergreift,

Und bittres Lachen wild erschallt,

Vom hämschen Echo nachgelallt;

Die Wände knirscht er an, es schleicht

Entsetzen her, bis dies auch weicht,

Bis Schmerz und Trübsal ihn läßt stumm –

In ihm Verödung und ringsum.

 

Wohl ausgeklügelt war der Plan,

Und sein Gelingen nun kein Wahn.

Verbrecherischen Anschlags voll

Die schnöde Seele Kunos schwoll,

Seit jener Stunde, da Gunild

Sich wehrte mit des Spottes Schild,

Ohnmächtig doch, zu fliehn die Schmach,

Sich fern im einsamen Gemach

Des Hüters Aug verborgen hielt,

Der auf Gewaltthat schon im Stillen

Gesonnen, die entschlossne Maid

Zu unterwerfen seinem Willen,

Zu rächen sich an Weibergrillen

Für diese Zeit und alle Zeit.

Da wars, daß aus der Wächter Troß,

Die täglich spürten um das Schloß,

Ihm unerwartet Kunde schallt,

Es irre Dagobert im Wald,

Als rauher Pilger angethan –

Doch Häscher kennen ihren Mann.

Wie? lähmt der Schreck des Schlauen Hirn,

Ist Etwas, ihn auch zu verwirrn?

Der Vorbereitete erblaßt,

Dem, ohne Ruhm, Gefahr verhaßt,

Der einst ein ritterlicher Held

Muthlos in eigner Schlinge fällt;

Ein finster Thun, voll Schadenlust,

Sät still in sorgenschwere Brust

Der Furcht geheimen Samen aus,

Deß wird sich Kuno heut bewußt,

Und dies Gefühl ist Seelengraus.

 

Der Bruder hier? das Wort betäubt

Den Teufel – der doch Teufel bleibt.

Es war ein Donner in den Ohren,

Gleichviel, er hat die Kraft verloren.

Die Rachgier siegt, Besinnung sucht

Sein Stolz vor des Momentes Wucht,

Der bald, von bangem Wahn geheilt,

Sich jähe Bahn zu brechen eilt.

»In meine Hand sind sie gegeben,

Für den Geliebten soll sie beben!

Der Lohn ist ausgesucht, er trifft

Den Starrsinn, er ist Schmerzengift.

Die Hölle schenkt mir den Gedanken,

An keiner Reue soll er kranken!«

 

Das Alles hat nun kommen müssen –

Doch der Verrathne solls nicht wissen.

War noch ein Funke der Natur

Im Bruderherzen, war es nur

Mehr Grausamkeit, mehr Hohn den Beiden?

Ich will es nimmermehr entscheiden.

 

So Viel hat Kuno schon gewagt,

Gelitten und blieb unverzagt.

Der klug und fest bis heute war,

Soll er zurück in der Gefahr?

Er gibt Befehl, für Nacht und Tag,

Für Alles, wie es kommen mag –

So schmiedete, der sich entehrt,

Dein Loos in Ketten, Dagobert!

 

Und vor die hehre Dulderin

Tritt ohn Erröthen Kuno hin;

Vergeudet der Verführung Ton,

Wo er schon wagte Schmach zu drohn.

Auf seiner finstern Braue sitzt

Verrath und Wollust, roh verschmitzt,

Die Geister, voll verruchter Launen,

Die, was er spricht, ins Ohr ihm raunen:

»Gunilde, Wittwe tugendsam,

Braut ohne Freud und Bräutigam,

Bangst unter der Entbehrung Joch,

Und harrst und hoffst, Gunilde, noch!

Wohl Sünde ist, sein Pfund vergraben;

Dein Pfund ist Schönheit, du verscharrst

Der süßen Reize Gottesgaben,

Da du in Thorheit hoffst und harrst.

Schon ist der dritte Lenz entflohn,

Und doppelt ward die Kunde schon

Vom Untergang der Glaubenshelden.

Wer soll die frohe Botschaft melden?

Und, lebt er auch, der nie war scheu,

Wer ist die Bürge seiner Treu?

Des Schattens Schatten jagst du nach,

Spinnst kranke Träume, werde frei,

In meinen Armen werde wach!

Auch ich bin Dagobert, sein Blut

Ist meines und ich bin dir gut.

Wer sagt, daß ich dem Bruder wich?

Dein Retter war, dein Freier ich;

Ich zürnte dir im blinden Wahn –

Vergiß daß ich dir weh gethan!«

Sie hörte nimmer. Abscheu brach

Der Seele Spannkraft, doch sie sprach:

Gib mir den Tod! dann sank sie nieder.

Und schwieg, niemals zu reden wieder.

»Ha, Falsche, du betrügst mich nicht!

Nun schmettre Wahrheit ihr Gewicht

In meine Schale, dein Gesicht

Wird schaudernd sehn, was dich wird stimmen

Nach Kunos Sinn, dem heut erst schlimmen!

Auf, folge mir! und dieses Tuch

Für deine Zunge, schwer von Fluch!«

Der Arge winkt, die Schergen stehn

Bereit zu knebeln und zu binden

Die Jungfrau, deren stummes Flehn

Dem Himmel gilt, den Trost zu finden.

Sie zittert, doch kein Klagelaut

Kein bittend Wort entweiht die Braut,

Des Todes Braut, denn was nun komme,

Das Herz wird brechen, weiß die Fromme;

Sie fühlt es tief, vor höchster Noth

Vertheidigt sie ein Freund, der Tod.

Man führt sie durch des Hauses Flur,

Sie wehrt nicht ab, sie betet nur;

Man hält, ein eisern Fenster knarrt

Und fällt zurück – Gunilde starrt,

Es taucht ihr Blick in nächtgen Raum,

Er schwindelt, unterscheidet kaum,

Doch langsam dämmert Stein an Stein

Des Kerkers auf zu mattem Schein,

Und aus dem Düster zeichnet bald

Sich eine lebende Gestalt

Graunhaft hervor, weh! brichst du Herz?

Das sind die Züge Dagoberts!

Der Freude Schrei, des Schreckens Schrei

Ist ihr versagt – o Himmel steh ihr bei.

Freu dich des Wiedersehns, mein Kind!

Grinst Kuno, der Verderben sinnt,

Sich an dem Schmerz des Weibes weidet,

Und doch die bittre Wonne neidet.

Wie? das zermalmende Gefühl

Wirft sie nicht hin, sie steht und schaut

Hinunter auf den harten Pfühl,

Drauf der Geliebte hingegossen

Den Sinn der Außenwelt verschlossen –

So nah, so fern der theuern Braut!

Grausame Lust, das Glück mit Martern geben,

In Einem geben und auch nehmen Leben.

War Tyrannei vom grauen Ninus her

Erfinderischer, boshaft, schamlos mehr?

Verbissner Aerger schlürft in gierigen Zügen

Solch schnöden Kelch, solch schmähliches Vergnügen.

Scheußlichen Scharfsinns feige Ausgeburt

Ist diese That – nein, That der Ehrenname

Ziert Treiben nicht, wo selbst der Schurke murrt,

Und nimmer faßt, der ganz empfindungslahme.

Das ist nicht Haß mehr, wildes Spottgelüst,

Das ist ein Streich, der ohne Namen ist.

Empört dich nicht dein Athem, o Tyrann,

Nicht deine Hand, dein Hirn, das Solches sann,

Dein Auge ärgert es dich nicht,

Daß es verdammet, anzuschaun,

Was du begehst im reinen Himmelslicht,

Bist du so elend, daß dir nicht wird graun?

 

O er ist kein Tyrann – denn Zorn und Rachgefühl

Und Leidenschaft und Hohn ist doch Gefühl,

Ist Regung in der Menschenbrust und Leben,

Zeigt Menschensinn und wird von Gott vergeben.

Jedoch ruchlose Oede der Natur

Noch mehr denn Stein, o, Schlacke nur,

Verachtet wird sie sein, verflucht, verspeit,

Verworfen wird sie sein in Ewigkeit.

 

Kuno ist nicht empört, und sieht Gunilde weinen,

Gunilde weint, ein Engel weint aus ihr!

O Thau des Himmels, diese Thränen scheinen

Im eignen Licht, das ist nicht irdsche Zier.

So milder Glanz, so rührend blickt dies Funkeln,

Gib Schächer Acht, es leuchtet fern im Dunkeln!

Dies Leuchten spricht, beredtren Jammer nie

Sog Menschenohr, sann Liebesphantasie.

Ha! Dagobert merkt auf, zum Innern dringt

Es ihm wie Blick und Ton, der ganz ihn zwingt,

Wehmüthger Schmerz durchschüttert, schauert

Das Mark des Seins und jede Fiber

In willenlosem Eifer lauert,

Wies im Gemüth ihm trüber wird und trüber,

– So tief hat seine Seele nie getrauert.

Als wie vom Blitz gerührt zerschmolz

Die ehrne Säule – Mannesstolz;

Die Fassung dämmert ein, es überzieht

Des Geistes holde Freiheit sich mit Schleiern,

Des Leibes Luft, der Lebensmuth, entflieht,

Und selbst die Sinne feiern.

Dann schwärzre Nacht und Hoffnungslosigkeit

Dünkt ihm zu nahn, noch bittrer Leid

Unsäglich bittrer Leid, und nur für das

Bleibt Kraft des Grübelns ihm, Traumlüsternheit:

Ihm ist, im Grab zu sein, es wächst das Gras

So langsam leise über all sein Leid,

Er lauschet dem, fühlt über sich die Nähe

Der Freunde, der Geliebten und ihr Wehe.

So klar, so einzeln jeglich neue Welle

Des Grames spült durch seines Blutes Quelle,

Sein todmüd Herz.

Und unerbittlich reifen die Gedanken

Dem Ziele zu in seinem Geist dem kranken.

Er weiß, daß er noch ist, daß ewge Nacht

Liegt hinter ihm und vor ihm Tag nicht wacht,

Das ist so deutlich, ohne daß es frommt,

Er staunt, daß so der Wahnsinn kommt.

 

»Genug! herrscht der Barbar, schleppt sie zurück!

Kein Trotz mehr blitzt aus ihrem – sanften Blick.

Nun höre dies, mein Täubchen, und sei klug,

Willst du nicht sein, die ihren Freund erschlug.

Es ist Vernichtung über ihn verhängt,

Es ist kein Gott, der seinen Kerker sprengt,

Es ist beschlossen – und sein schönes Haupt

Dem Tod verfallen, doch dir ungeraubt;

So zur Vermählung dichs im Sterben drängt,

Das blutge sei zu küssen dir erlaubt!

Nur Eines fordr ich und begehr es kühn:

Noch soll für mich die Hochzeitsfackel glühn,

Eh neuer Morgenthau die Blumen tauft,

Warst du mein Weib, hast meine Huld erkauft:

Dann seis vergönnt, daß du ihn wiedersiehst,

Daß vor dem Sterbenden du niederkniest,

Dann sollst du freigegeben im Verscheiden

Am bleichen Antlitz deine Lippen weiden,

Den letzten Seufzer seines Mundes trinken

Und mit dem Freund in ewge Brautnacht sinken!

 

Nie anders auch vermeidest du Gewalt

Und Kränkung dir, statt wonnig Enden bald!

Ihm aber, wisse, reichest du ein Gift,

So schlimmen Tod, deß volle Schuld dich trifft,

Den Freund in stolzer Seelenruh

So schnöder Buhlschaft überlieferst du,

Des Hungers Furie, die nach Opfern girrt,

In deren Umgang er so häßlich wird,

Daß, wenn die Braut an solchen Gatten denkt,

Sie jede Lieb in Thränenfluth ertränkt,

Und öden Herzens, süßem Träumen fremd,

Des Lebens Flamme trostlos niederschwemmt.

Entscheide nun, ich ehre dich durch Wahl,

Die so ich gebe: sei mir heut Gemahl,

Kein äußrer Zwang, unzart Begegnen mehrt

Die Last des Unglücks dir, dem Niemand wehrt!

Verwirf mein Werben, und der Freund verdirbt,

Daß hundertfach er Tod durch dich erwirbt!«

Da hob den reinen Blick Gunild,

Und heftet ihn, durchdringend mild,

Doch so gebietend ins Gesicht

Der Schergen Einem, welcher spricht:

»O Herr, im Dienste grauser Pflicht

Und im Gehorsam ward ich grau,

So streng, so rasch verfahre nicht,

Gib kurze Frist der armen Frau,

Sie wird, laß nimmer dichs verdrießen,

Nach deinem Wunsche sich entschließen.

Er bietet Kuno scheu die Hand,

Doch war sein ganzer Sinn gewandt;

Ich rette sie, ruft laut sein Herz,

Des Sünders Gold winkt höllenwärts,

Der Unschuld stummer Schmerzensschrei

Schneidt mir die alte Seel entwei.«

 

Und Kuno gibt verblendet nach,

Verläßt, verschließet das Gemach,

Eilt dann, mit höllischem Behagen,

Den Rest des Tags im Forst zu jagen.

Indeß Gunild – doch wer beschriebe

Den Sturm, den Taumel des Gefühls

Beim Uebermaß so grausen Spiels

Mit einem Herzen voll der Liebe!

Die Unglückselge wirft sich hin

Am Bild der Himmelskönigin,

Umklammert es mit Armen heiß,

Und sieh – ist es der kalte Schweiß? –

Ein Diadem von Perlen drückt

Die Göttliche aufs Haupt der Dirne,

Mit heilger Martyrkrone schmückt

Sie der geliebten Tochter Stirne.

O Kuno, wähnt dein dumpfer Geist,

Gunilde sei so ganz verwaist,

Wähnst du, ihr bliebe keine Wahl

Als Dein entehrendes Gebot?

Du feiger Rechner, eine Zahl

Stürzt dein System – sie lautet Tod.

Die Liebe fände Weg und Licht

Durch Finsterniß und Schrecken nicht?

Sie träte so beweinenswerth,

Wie Du es willst vor Dagobert?

Die heldenmüthige Vernunft

Der keuschen Einfalt stumpft das Schwert

Der tölpischen Despotenzunft!

Im Staube staune der Tyrann

Zu solcher Klugheit Glanz hinan!

Verwirrt, geblendet stürz er fort,

Der Mörder bebe vor dem Mord,

Entgangen seinem Augenmerk

Was hier geschah, und doch sein Werk! –

Muß es denn sein, bringt kein Geschick

Ihr Rettung mehr und Liebesglück,

Und triumphirt der Dränger, so

Sei er des Werks doch nimmer froh!

Ihr blutger Leichnam wird ihn schrecken,

Sein schlafendes Gewissen wecken,

Hier wird das freche Laster zagen,

Den scheuen Schritt nicht weiter wagen;

Durch deren Schönheit all das kam,

Ist sie nicht mehr – entnervt ihn Scham.

Und wehrt die tiefe Schuld zu geben

Dem Bruder Freiheit, Gut und Leben,

Wehrt sie der Reue frischem Quell

Aus hartem Felsenherzen hell

Und reich zu strömen, wehrt sie auch

Freudger Versöhnung Lebenshauch –

So warf Gunildens Opfermuth

Die Schranke doch vor neue Wuth,

Der Rache glühende Dämonen,

Die jetzt in Kunos Busen wohnen,

Verscheucht Gunildens rauchend Blut;

Drohende Qualen wird es wenden,

Erlösung dem Geliebten senden,

Es heißt die Kainsthat – vollenden.

 

In hehrer Glut der Abendhimmel brennt,

Und silbern tritt der Mond ins Firmament.

Aus Felsenbuchten über weiten Wald

Der Hörner Widerhall herüberschallt,

Zum Schloß herauf dringt heller Waidmannsruf,

Um Einlaß scharrt schnaubender Rosse Huf,

Und aus den Bügeln springt der Edlen Troß,

Nach wildem Zechen lechzt der Jagdgenoß.

Auch Kunos Sinn steht nach des Mahles Freuden,

Bis Mitternacht die Stunden zu vergeuden,

Heut aus dem Weine, süßem Rebenblut

Die rechte Stimmung holen dünkt ihm gut;

Und mit dem Becher an dem Munde laut

Lallet er Hohn auf eine treue Braut,

Läßt er die Hochjagd leben, prahlet keck

Mit Edelwild, zu der Vertrauen Schreck,

Und mit dem Becher an dem Munde laut

Vom Liebchen spricht er, heut noch angetraut.

Ein sinnverwirrend klirrendes Getöse

Braust durch den Bau ehrwürdger Heldengröße.

Auch an des ächten Wahnsinns Kerkerthor

Gebrochner Ton des Jubels sich verlor,

In Dagoberts einsame Geistesnacht

Schweifet ein Stern, der lieblich niederlacht.

Ihm däucht es festliche Musik zu sein,

Und sanfter Schlummer wiegt den Aermsten ein.

O weh, da träumet sein zerstört Gemüth

Von süßer Feier, die ihm endlich blüht.

Die Stunde wars, da fern im Thurmgemach

Ein treues Herz, das Herz Gunildens brach.

 

Indeß in Jagd- und toller Zecherlust

Der Zwingherr schwelgte, war der greise Knecht,

Nur von Gunildens Rettung voll die Brust,

Hinausgeeilt, zu rufen Schutz und Recht.

In nachbarlich Gebiet, volkreichre Gegend

Tritt er, die That mit Kühnheit überlegend.

Erwägend, wem er bringe solche Kunden,

Hat er den rechten Mann schon ausgefunden.

An schattger Halde hält ein schmucker Troß

Von auserlesnen Rittern, hoch zu Roß,

Und von der Heerstraß naht ein andrer Zug

Ehrfurchtvoll grüßend unter Fahnenflug,

Mit Sang und Klang, wies weiten Weg versüßt,

Der Bischof ist es, der den Kaiser grüßt.

Und unversehens vor den Fürsten stand

Der greise Wandersmann im Knechtsgewand;

Er hebt die Hände hoch zum Himmel auf,

Es hemmt sein Ruf den Hin- und Wiederlauf

Und auf der Hörer staunendes Begehr

Erzählt er laut die schlimme dunkle Mähr,

Von Dagobert, von Kuno, von Gunild,

Daß Wuth und Schmerz aus jedem Auge quillt,

Daß selbst der Bischof, Bischof Burkhard wars,

Ein Zucken spürte seines Augenpaars,

Daß ihm ein Graun die Seele überschlich,

Und daß sein Blick des Kaisers Zornblick wich.

Wohl war der Kaiser in das Land gekommen,

Gericht zu halten zu der Unschuld Frommen,

Und das Verbrechen zitterte vor ihm

– Vor Sankt Georg scheut so das Ungethüm –

Doch unverhofft war Kaiser Konrad da,

Schnell, scharf mit Aug und Schwert und immer nah.

Kein Säumen gilt, der Bischof Burkhard meint,

Dem Schicksal schuld ich Rettung für den Freund;

So wills mein Stolz, daß der nicht untergeht,

Der meiner Rache voll Genügen brachte,

Der meine Rechnung nicht zu Schanden machte,

Der vor der Welt nicht, der vor mir besteht.

Drum einen zuverläßigen Mann

Nimmt Bischof Burkhard heimlich ins Gebet,

Wie Ränkesucht sich stets ihn wünschen kann.

Den sendet er auf Stromberg flugs voraus,

Zu führen Kuno aus des Fluches Haus,

Ohn alles Zaudern, Plaudern, Warnen, Drängen

Mit dem Betroffnen aus dem Schloß zu sprengen,

Und früher nicht den Rossen Ruh zu gönnen,

Bis sie im Kloster fern sich bergen können.

Mit diesem Ring, so flüstert der Mann Gottes,

Erstickst du die Entgegnung kecken Spottes,

Wird ihn der sorglos Schwelgende gewahr,

Glaubt er mit Zittern bald an die Gefahr;

Erschlossen ward mir heut des Ritters Sinn,

Wie ich ihn kenne, däucht ihm Flucht Gewinn,

In eines Klosters undurchforschten Mauern

Entrinnt er gern des nahen Todes Schauern,

In eines Büßers härenem Gewand

Birgt er getrost sich jetzt vor Henkershand,

Und beugen ihn nicht höhere Gewalten,

Mag wälsche Pfründe einst ihn schadlos halten!

 

Schon ruchbar in Palast und Hütte

War Kunos unerhörte That,

Als in der Zecher schwüle Mitte

Auf Stromberg Burkhards Bote trat;

Verlarvt, daß Keiner ihn erkenne

Der Zeugen hier und später nenne,

Erprobt er schlau des Ringes Macht,

Davon der Schlemmer jäh erwacht,

Und, wie der Priester sah voraus,

Verzweifelnd floh von Schmaus und Haus.

Dann, weil der Wirth nicht kehrt zum Feste,

Zerstiebt der scheue Schwarm der Gäste,

Und wie gescheucht von bösen Zeichen

Die bleichen Diener auch entweichen.

Vor Mitternacht mit den Getreun

Traf noch der rasche Kaiser ein:

Vergeltung hofft er reich zu üben,

Doch was er fand, es konnt allein,

Sein glühend Herz zu Tod betrüben.

Der Bischof auch, mit frommem Blick,

Bleibt hinter Konrad nicht zurück,

Geistlichen Fluch und Sakrament

Zu spenden, wie ers dienlich fänd –

Wo Alle zürnen, trauern, schauern,

Still zu frohlocken und zu lauern.

 

Vergeblich wird das Schloß durchsucht

Nach Kuno, dessen wilde Flucht

Ein Räthsel bleibt.

Im schnell erbrochnen Thurmgelaß

Lag dort Gunild, die Braut so blaß,

Dort lag sie todt – ermordet nicht –

Ein sanfterloschen Himmelslicht –

Zerronnen vor dem grauen Morgen,

Ein Stern, im Himmel tief geborgen.

Wer hebt so lautes Jammern an?

Wirft sich, ein aufgegebner Mann,

Zu der Entseelten Füßen hin,

Der Knecht vor die Gebieterin?

Zu früh für seine Schuld verblich

Die Dulderin, der Keine glich.

Er rafft sich mühsam auf, er führt

Nun Fürst und Ritter, tiefgerührt,

Bei schauerlichem Fackelschein

In Dagoberts Gefängniß ein.

Weh ihm, er schlummert kranken Schlaf,

Bald fährt er auf, wenn Schreck ihn traf,

Bald spielt ein Lächeln um den Mund,

Bald seufzet er von Herzensgrund –

Er wacht; er weicht, er rast, er reißt

Das Schwert dem Kaiser von der Seite,

Aus seinem Auge glüht ein Geist

Vernichtung brütend naher Beute.

Es ist kein Irrsinn, der so blickt,

Und, der ins Innerste erschrickt,

Der Bischof, weiß, was es bedeute.

Den Einen aus der Menge kennt

Der Wahnwitz auch, den Einen brennt

Er zu vertilgen, ist doch klar,

Daß der des Leids Urheber war.

Und blind, die Schwerter rings verachtend,

Auf den Gefährlichen gezückt,

Dringt auf den Bischof unberückt

Der Tolle die Vertheidger schlachtend.

Der Ritter Ehre, Burkhards Stolz

Heischt nun zu bleiben; schon verpfändet

Ist jene, hundert Haufen Golds

Böt dieser dem, ders rühmlich endet.

Dem Muthigsten wills nicht gelingen

Den wilden Helden zu hezwingen,

Zu greifen ihn, verhütend Tod,

Wie Kaiser Konrad es gebot.

– Doch Kaiser Konrad wurmt die Noth

Der besten Männer und ihr Tod.

Und ein Gedanke leuchtet hell

In seiner Seele auf: »so schafft

Die todte Jungfrau mir zur Stell!

Der Wahnsinn nur schürt ihm die Kraft.

Geht Bischof, bringt die Leiche schnell!

Reicht mir ein Schwert indeß – das Wort

Ist unnütz hier, er rast nun fort.«

 

Man bringt die Bahre, und es ruht das Kämpfen,

So schmerzreich Bild mag Wuth und Wildheit dämpfen.

O seht, o seht! sein schartenvolles Schwert

Wegschleudernd stürzt zu Boden Dagobert.

Der Augenblick entschied, denn schon zugleich

Schlug ihm der Kaiser tödtlich scharfen Streich.

Nothwehr gebots. Der löwengrimmigen Wuth

Die Spanne Zeit, es rönne fürstlich Blut.

Am kalten Munde dort hing Dagobert

Der Sterbende, dem ach, Besinnung kehrt;

Der Unglückselge, der von Kaisers Hand

Gelenkt den Weg in ewige Brautnacht fand.

Er blickt empor – o Gott, mein Kaiser hier?

Wo bin ich? O lebt wohl! Vergebet mir!

Gott sei mit euch! An liebem Munde läßt

Sich süß verbluten. Rittet ihr zum Fest?

Zu meinem Hochzeitsfest? – da starb der Laut

Auf seiner Lippe überm Mund der Braut.

Es ruht die Hand in Kaiser Konrads Rechten,

Der zitternden, der nicht vom Kampf geschwächten

– Der drückt sie stumm, zur letzten Pilgerfahrt,

Und Thränen rollen in des Kaisers Bart.

 

Da braust es fernher wie von wirren Stimmen

Empörung und Zerstörung gierigen, grimmen.

Kommt! Fackeln vor! schon drängt die Menge draus.

Gebrochen sei die Burg! Schutt dieses Haus!

 

Mit wenig Tapfern, die ihm ließ der Tod,

Trat Deutschlands Herr hinaus ans Morgenroth.

 

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