Er pflegte das Pferd blank, er fütterte die Kühe rund, und wenn die Dreschflegel gingen: »Ubags, ubags, ubags«, – sein Schlag war immer herauszuhören.

Lohn forderte er nicht, und er hätte auch keinen bekommen, denn der Wirt vertrank jeden Groschen. Dafür sah keiner hin, wenn Miks sich ab und zu in der Morgen- oder der Abenddämmerung hinter der Scheune zu schaffen machte und vorläufig nicht mehr wiederkam.

Den drei Rangen hatte er neue Anzüge geschenkt, so daß sie nun ebenso fein aussahen wie Anikke, und sogar einen Lausekamm brachte er mit, dem einer nach dem anderen standhalten mußte. Kibelka meinte zwar, es sei sündhaft, es den Herrenkindern gleichtun zu wollen, aber schließlich lieh auch er sich den Kamm aus.

Die kleine Anikke ging umher wie im Traum. Die warme Schule – und das reichliche Essen – und fast gar keine Schläge mehr! Wohl bekam sie hie und da noch einen Stirnicksel, aber der tat kaum weh, denn sie fühlte in seliger Geborgenheit, daß einer da war, der sie vor Schlimmerem beschützte.

Hinter dem Miks lief sie her wie ein Hündchen, aber ihm ganz nahe zu kommen wagte sie nicht, denn er ermunterte sie nie.

Bei den Mahlzeiten hing ihr Blick immer an seinem Gesicht, und als sie die Geschichte vom lieben Herrn Jesus lernte, wußte sie sogleich, daß der ebenso ausgesehen hatte wie er.

Eines Abends, als der Kienspan brannte, war er besonders vergnügt und sagte zum Ältesten, dem Jons: »Willst du reiten?« Der wollte natürlich gern, und er nahm ihn auf sein Knie und sang dazu: »Apappa, upappa.« Dann kam die Katrike an die Reihe und dann der Jendrys. Und sie stand im Winkelchen und dachte, die Tränen verbeißend: »Ich bin ja nur das Ziehkind, und darum will er mich nicht.«

Aber da sagte er auch schon: »Die Anikke muß auch.«

Da kam sie ganz langsam auf ihn zu, denn sie traute sich nicht. Dann, als er sie hochhob, war es ihr, als flöge sie geradeswegs in die Wolken. So gründlich durfte sie nun reiten, daß ihr ganz schwindlig wurde, bis der Jons, abgünstig geworden, einmal über das andere schrie: »Ich will auch solange!«

Diese Augenblicke waren das Schönste, was sie je erlebt hatte, denn daß schon einmal einer dagewesen war, der sie auf dem Schoß gehalten hatte, das war ihr inzwischen aus dem Sinne verschwunden. Nur eines langen weißen Bartes erinnerte sie sich noch, aber sie glaubte, das sei der Weihnachtsmann gewesen, von dem der Lehrer erzählte.

Es war nun inzwischen sehr kalt geworden, und wenn man gegen den Schneesturm laufend, bis zu der weitabgelegenen Schule mußte, kostete das manche Träne. Aber der gute Miks hatte Fausthandschuhe gekauft und eine wollengefütterte Mütze mit Ohrenklappen, die unter dem Kinn festzubinden sind. Die drei Hauskinder bekamen die gleichen, so daß ein Neid nicht entstehen konnte.

Nur die scharfblickende Frau ließ sich kein X für ein U machen und sagte mit süßsaurem Lächeln: »Meine Kinder haben es ja sehr gut bei dir, aber der liebe Gott wird schon wissen, was du damit verhehlen willst.«

Miks sagte darauf: »Wenn einer Kinder liebhat, was braucht er da zu verhehlen?« und wandte sich ab.

Anikke schlief nicht mit den dreien zusammen in der Kleinen Stube, die gut geheizt wurde, sondern auf der anderen Seite des Hausflurs, wo es jetzt fürchterlich kalt war. Das hatte sich aus den Zeiten ihrer Zurücksetzung so erhalten, und sie wünschte es sich gar nicht anders, denn in der Kammer nebenbei schlief der Miks.

Aber nun der Winterfrost gekommen war, konnte sie gar nicht recht einschlafen und lag in ihren Kleidern unter der harten Pferdedecke frostbebend und halbwach zuweilen bis gegen Morgen.

Eines Nachts, wie sie so dalag, hörte sie von der Knechtskammer her ein leises Knirschen und Stöhnen. Es war, als wenn einer furchtbare Schmerzen hat und nicht weiß, wie er sich wenden soll.

Da faßte sie sich ein Herz. Sie schob mitten in ihrem Frieren die Decke vom Leibe, ging in die Kammer und sagte zitternd vor Furcht noch mehr als vor Kälte: »Miks, tut dir was weh?«

Aus der Finsternis kam etwas wie ein Freudenschrei. Und dann griffen zwei Arme nach ihr. In denen lag sie nun still und glücklich und wärmte sich auf und schlief auch bald ein.

Von nun an kroch sie jede Nacht zu ihm und war da wie in Abrahams Schoß.

Des Morgens weckte er sie zeitig, so daß niemand etwas davon merken konnte. Auch beachtete er sie bei Tage nicht häufiger als früher. Aber nun grämte sie sich nicht mehr darüber, denn sie wußte ja zu allen Zeiten, wie gut er's mit ihr meinte.

Und niemals mehr hatte sie ihn stöhnen hören. Manchmal schlief er sogar noch früher ein als sie selber.

 

7

 

Es war eines Abends um die Weihnachtszeit, da wurde Miks Bumbullis auf einem seiner Wege zum Walde von einer Frauensperson angerufen, die bis zur Nase eingemummelt auf dem Grabenrande im Schnee saß.

Er schrak hoch auf. Er hatte die Stimme gleich erkannt.

»Es ist gut, daß du da bist, Alute Lampsatis,« sagte er. »Ich habe schon immer einmal zu dir kommen wollen.«

»Du hast dir drei Monate Zeit gelassen,« erwiderte sie, »und hätte ich dir nicht aufgelauert, so wären auch noch drei weitere verstrichen.«

»Das ist wohl möglich,« meinte er. »Was man nicht gern tut, verschiebt man immer wieder.«

»Sagst du mir das ins Gesicht?« knirschte sie, und ihre Augen blitzten ihn an.

»Ich sage, was wahr ist,« erwiderte er.

»Dann will ich dir auch sagen, was wahr ist!« schrie sie. »Daß du den Hegemeister erschossen hast – daß deine Flinte da, mit der du's getan hast, meine Flinte ist – und daß ich meine Seele dem ewigen Verderben verkauft habe – und Madlynens Seele dazu, die meine Schwestertochter ist und die mir zuliebe schwur, was ich wollte. Das ist die Wahrheit.«

»Und dann ist die Wahrheit,« fuhr er fort, »daß du mir die Flinte in die Hand gegeben hast und zu mir gesagt hast: ›Mein Seliger hat es schon tun wollen, da hat ihn die Krankheit gehindert. Nun tu du es, sonst hast du keine Ehre im Leibe.‹ Das ist die Wahrheit.«

»Und ferner ist die Wahrheit,« nahm sie ihm die Rede aus dem Munde, »daß ich einen Tag und eine Nacht lang nachgesonnen habe, wie ich dich am besten vor der Leibesstrafe bewahren konnte, denn wenn ich einfach ausgesagt hätte: ›Er ist zu der Zeit bei mir gewesen,‹ dann hätte mir keiner geglaubt. Darum hab' ich der Madlyne eingegeben, sie habe dich aus dem Stubenfenster steigen sehen, während ich alles bestritt. Darum habe ich dir zehnmal vorgesprochen – alles – auch was du zu sagen hast, wenn ich die Schwurfinger erhebe. Denn du bist ja so dumm wie ein Deutscher.«

»Und du bist so klug wie der Teufel,« erwiderte er.

»Es ist gut,« sagte sie, in die Runde schauend, »daß uns hier niemand hören kann außer den Krähen, sonst wäre es um uns alle dreie geschehen. Aber man weiß nie, was noch werden kann, wenn sich einer im Zorn vergißt. Darum frage ich dich zum ersten und zum letzten Male: Willst du dein Versprechen halten?«

»Ich weiß von keinem Versprechen,« stöhnte er.

»Natürlich weißt du von keinem Versprechen, aber ich weiß, daß seit zwei Jahren die Menschen mit Fingern nach mir zeigen und daß sich kein Freiwerber mehr bei mir sehen läßt – nicht für mich und auch nicht für die Madlyne, und seit Michaeli treffe ich keinen, der nicht speilzahnig fragt: ›Weißt du, wer in Wiszellen bei den Kibelkas den Knecht spielt?‹ Darum frage ich dich zum überletzten Mal: Wann wirst du einen schicken, der die Heirat zwischen uns in Ordnung bringt?«

Er wand sich wie ein Aal unter dem Messer.

»Laß mir Zeit bis nach Fastnacht,« bat er.

»Jawohl,« höhnte sie, »erst bis nach Fastnacht – und dann bis zum Palmsonntag – und dann immer so weiter. – Aber es soll gut sein.