Und wenn ich sage: ›Mutter, so und so‹, dann ist es auch so. Der kommt wieder.«
»Ja. Kind, warum soll er wiederkommen?«
»Weil er bequem ist, weil er keinen Muck hat, weil er ein Schlappier ist.«
»Ach, Thilde, sage doch nur nicht immer so was. Du hast so viele Wörter, die du nicht in den Mund nehmen solltest.«
»Ja, Mutter, warum nicht?«
»Weil es dir den Ruf verdirbt.«
»Ach, was Ruf. Mein Ruf ist ganz gut und muß auch; ich weiß, wo Bartel Most holt, und weil ich's weiß, paß ich auf. Ich passe ganz schmählich auf. Mir soll keiner kommen. Und was die paar Redensarten sind, na, Mutter, die laß man ruhig. Da halt ich mich dran fest, die tuen mir wohl, und wenn ich so höre, daß einer immer so fromm und faul drum rumgeht, da wird mir ganz schlimm.«
»Ganz schlimm. Das ist nun auch wieder so. Na, rede, wie du willst, ändern kann ich dich doch nicht, du hast immer deinen Willen gehabt von klein an, und Vater hat immer gesagt: ›Laß man; die wird gut, die frißt sich durch.‹ Ja, das hat er gesagt, aber wenn es man wahr ist. Und warum hat er denn keinen Muck? Ich meine den Herrn, von dem du sagst, er wird schon wiederkommen. Und warum wird er denn wiederkommen?«
»Du siehst auch gar nichts, Mutter. Hast du denn nicht seine Augen gesehn? Und den schwarzen Vollbart und or'ntlich ein bißchen kraus. Soviel mußt du doch wissen, mit solchen ist nie was los. Ich will dir was sagen, so ganz hat es ihm nicht gefallen, aber es hat ihm auch nicht mißfallen, und weil Wohnungsuchen und Treppensteigen langweilig ist und einem Mühe macht, so denkt er bei sich: Gott, eine Wohnung ist wie die andre. Und ruhig ist es und kein Klavier da und die bunte Steppdecke ... warum soll ich da nicht mieten. Und ich will dir auch sagen, wie er nun seine Zeit hinbringt, von Suchen und Sichumtun ist keine Rede, dazu ist er viel zu bequem. Er ist nu hier rübergegangen nach dem Bahnhof, da ißt er ein deutsches Beefsteak oder vielleicht auch bloß eine Jauersche und trinkt ein Kulmbacher. Und dann geht er noch in Café Bauer, und wenn ihm das schon zu unbequem ist, denn er geniert sich nicht gern und sitzt nicht gerne grade, was man da doch muß, dann geht er nach den Zelten und trinkt seinen Kaffee und sieht zu, wie sie Skat spielen oder Schach, und lacht so ganz still vor sich hin, wenn ein reicher Budiker mit seinem Wagen vorfährt und seinem Pferd ein Seidel geben läßt. Und wenn er damit fertig ist, dann schlendert er so durch den Tiergarten hin bis an den Schiffbauerdamm ran, und dann kommt er über die Brücke und steigt die drei Treppen rauf und mietet. Ich will keinen Zeisig mehr im Bauer haben, wenn es nicht so kommt, wie ich sage.«
Mathilde behielt recht. Ob der Mann mit dem Vollbart in den Zelten gewesen war, entzieht sich der Feststellung, aber soviel steht fest, daß er zwischen fünf und sechs wieder oben bei Möhrings war und mietete.
»Meine Sachen stehen noch auf dem Bahnhof hier drüben.
Hier ist meine Karte. Sie können vielleicht jemand rüberschicken und sagen lassen, daß ein Kofferträger oder ein Dienstmann sie rüberbringt. Ich will noch einen Freund besuchen, und wenn ich wiederkomme, hoff ich alles vorzufinden.«
Frau Möhring versprach alles. Als er fort [war], sagte Mathilde: »Siehst du, Mutter. Wer hat recht? Du wirst auch noch hören, daß er in den Zelten war.«
Drittes Kapitel
Die Sachen kamen, ein Koffer und eine große Kiste, und als Mutter und Tochter die Kiste bis dicht ans Fenster geschoben, den Koffer aber auf einen Kofferständer gestellt hatten, zogen sie sich in ihr an der linken Seite des Entrees gelegenes Wohnzimmer zurück. Es sah sehr ordentlich darin aus und auch nicht ärmlich. Vor dem hochlehnigen Kissensofa lag ein Teppich, Rosenmuster, und neben dem Stehspiegel mit dem Riß in der Mitte standen zwei Ständer, in die Blumentöpfe, ein roter und ein weißer Geranium, gesetzt waren.
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