Gerade weil die Wohnung, weiche Sie mir empfehlen, eine so feine ist, paßt sie nicht für mich und - - für meinen Beutel.«
»O, sie paßt ganz gut, denn Sie haben nicht einen Piaster zu bezahlen.«
»Pah! Wer vermietet drei Zimmer, ohne Bezahlung zu verlangen?«
»Wer? Ich, Effendi, ich!«
»Sie selbst? Besitzen Sie denn ein Haus in Kairo?«
»Nein; aber ich habe mir eins gemietet. Aus Geschäftsrücksichten und wegen der Vorbereitungen zur Reise war ich gezwungen, wenigstens drei Wochen in Kairo zu bleiben. Und weil ich den Harem meiner Schwester bei mir habe, konnte ich weder in einem Hotel noch in einem Privathause sein, welches noch von andern Leuten bewohnt wird; ich mußte mir also ein ganzes Haus mieten, was eine sehr schwere Aufgabe war. Endlich fand ich ein passendes Gebäude, zwei Straßen von hier. Der Besitzer ist ein sehr reicher Mann gewesen und hat seine ganze, prächtige Einrichtung zurückgelassen.«
»Und da haben Sie drei Zimmer übrig?«
»Noch mehr, wenn Sie wollen. Das Haus ist groß und weit, und ich bewohne es ganz allein; da giebt es Stuben, welche wir nie betreten. Es ist ein eigentümliches Gefühl, ein so weitläufiges Gebäude allein zu bewohnen; darum würden Sie mir einen wahren Gefallen erweisen, wenn Sie zu mir ziehen und auch an meinen einsamen Mahlzeiten teilnehmen wollten.«
»Hm! Dieser Vorschlag kommt mir nicht unannehmbar vor. Darf ich mir die betreffenden Zimmer einmal ansehen?«
»Ganz gern! Wenn es Ihnen recht ist, werden wir sofort aufbrechen. Junge, ich will bezahlen!«
Er rief diese letzten Worte nach hinten. Der Negerknabe steckte den Kopf zu der dort befindlichen Thüre herein und zog ihn wieder zurück. Er befürchtete eine nochmalige Wiederholung der Züchtigung und kam nicht, sondern schickte den Wirt. Der Dicke hatte für die Flasche Bier sieben Piaster, also über zwölf Groschen zu bezahlen; er murrte aber nicht über diesen Preis, sondern ließ dem Knaben noch einen Piaster Bakschisch einhändigen. Er schien ein Liebhaber des deutschen Gerstensaftes zu sein und meinte, daß wir dann, wenn ich die Wohnung angesehen hätte, wieder nach hier zurückkehren könnten.
Unterwegs erfuhr ich, daß er seine ganze freie Zeit in diesem Bierhause zuzubringen pflege, weil das Getränk ein ausgezeichnetes und der Verkehr vor dem Hause ein sehr unterhaltender sei. Die Straße verbreiterte sich nämlich dort auf eine kurze Strecke, was zur Folge hatte, daß der echt orientalisch laute Handel und Wandel sich besser entwickeln konnte. Man hatte von dem Bierhause aus einen sehr interessanten Blick auf das Treiben der bunten Masse; das mochte Murad Nassyr angezogen haben.
Wir kamen in die Gasse, in welcher er wohnte. Es war eine Sackgasse, wie es deren viele in Kairo giebt. Die Häuser derselben sahen gar nicht sehr einladend aus, was aber keineswegs auf das Innere schließen ließ. Es giebt Gebäude, welche auf der Straßenseite fast Ruinen gleichen und im Innern wahre Paläste sind. Der Orientale verheimlicht, ganz im Gegensatze zu dem Abendländer, alles, was sich auf seine Häuslichkeit und sein Familienleben bezieht. Das mag seine guten Seiten haben, läßt aber keine soziale Entwicklung, keinen bürgerlichen Zusammenhalt, kein gesellschaftliches Vorwärtsstreben aufkommen.
Viele Häuser waren ganz fensterlos. Wo es aber Fenster gab, da waren sie ganz unregelmäßig und scheinbar gedankenlos angebracht und dazu mit dicken Holzgittern versehen. Lange Fensterreihen mit blinkenden Glasscheiben, welche dem Außenlichte freien Zutritt gewähren, darf man im Oriente nicht suchen. Eine solche Fülle des Lichtes würde höchst störend wirken.
Das Gebäude, welches die Gasse abschloß, also querüber stand, war dasjenige, in welchem der Türke sich eingemietet hatte. Die Thüre war zwar sehr hoch, aber schmal. Ein Reiter konnte hindurch, mußte aber die Füße eng an den Leib des Pferdes legen, um nicht rechts und links anzustreifen. Sie war verschlossen; neben derselben hing an einer Schnur ein hölzerner Hammer, mit welchem Nassyr klopfte.
Erst nach längerer Zeit wurde geöffnet, und zwar von einem Menschen, über dessen Gestalt ich beinahe in Schreck geraten wäre. Indem er so vor mir unter der Thüre stand und mich mit neugierigen Augen musterte, war er um mehr als einen Kopf länger als ich; aber um so schmaler war sein Körper. Seine Brust war nur anderthalb Spannen breit; aber aus jedem Arme hätte ich, die Länge derselben gerechnet, zwei für mich machen können. In diesem Verhältnisse war sein Leib, war jedes Glied und auch das Gesicht gestaltet, lang, ewig lang, aber erschreckend schmal. Seine Nase war wenigstens sechs Zoll lang und dabei so scharf, daß man sie als Schnitzmesser hätte gebrauchen können.
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