Ich verstehe Sie.--Gehen
Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu
sprechen.--
Wirt.
Aber, gnädiger Herr--
Tellheim.
Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich dir in seinem Hause
sage, was du tun sollst.--
Wirt.
Ich gehe ja schon, gnädiger Herr!--Mein ganzes Haus ist zu Ihren
Diensten.
4. Szene
(v. Tellheim. Just.)
Just.
(der mit dem Fuße stampft und dem Wirte nachspuckt). Pfui!
Tellheim.
Was gibt's?
Just.
Ich ersticke vor Bosheit.
Tellheim.
Das wäre soviel als an Vollblütigkeit.
Just.
Und Sie--Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr. Ich sterbe vor Ihren
Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen
Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad hätte ich ihn--hätte
ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen
wollen.--
Tellheim.
Bestie!
Just.
Lieber Bestie als so ein Mensch!
Tellheim.
Was willst du aber?
Just.
Ich will, daß Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidiget.
Tellheim.
Und dann?
Just.
Daß Sie sich rächten.--Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering.--
Tellheim.
Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu rächen? Das war von Anfang
mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit Augen sehen und seine
Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen. Ich weiß, daß du eine
Handvoll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene einem hinwerfen
kannst.--
Just.
So? eine vortreffliche Rache!--
Tellheim.
Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keinen Heller bares
Geld mehr; ich weiß auch keines aufzutreiben.
Just.
Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel mit fünfhundert
Taler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibpulte gefunden?
Tellheim.
Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden.
Just.
Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor
vier oder fünf Wochen brachte?
Tellheim.
Die nämlichen, von Paul Wernern. Warum nicht?
Just.
Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können
Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verantwortung--
Tellheim.
Wahrhaftig?
Just.
Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die
Generalkriegskasse aufzieht. Er hörte--
Tellheim.
Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon
wäre.--Ich bin dir sehr verbunden, Just.--Und diese Nachricht
vermochte Wernern, sein bißchen Armut mit mir zu teilen.--Es ist mir
doch lieb, daß ich es erraten habe.--Höre, Just, mache mir zugleich
auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.--
Just.
Wie? was?
Tellheim.
Kein Wort mehr; es kömmt jemand.--
5. Szene
(Eine Dame in Trauer. v. Tellheim. Just.)
Dame.
Ich bitte um Verzeihung, mein Herr!--
Tellheim.
Wen suchen Sie, Madame?--
Dame.
Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen.
Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Witwe Ihres ehemaligen
Stabsrittmeisters--
Tellheim.
Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung!--
Dame.
Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich der Schmerz über den
Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen früh beschwerlich fallen,
Herr Major. Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben
auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten.--
Tellheim.
(zu Just). Geh, laß uns allein.--
6. Szene
(Die Dame. v. Tellheim.)
Tellheim.
Reden Sie frei, gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks
nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?
Dame.
Mein Herr Major--
Tellheim.
Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich Ihnen dienen? Sie
wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; mein Freund, sage ich; ich war
immer karg mit diesem Titel.
Dame.
Wer weiß es besser als ich, wie wert Sie seiner Freundschaft waren,
wie wert er der Ihrigen war? Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr
Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesen sein, hätte nicht
die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen
Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert--
Tellheim.
Hören Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit Ihnen gern; aber ich
habe heute keine Tränen. Verschonen Sie mich! Sie finden mich in
einer Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu
murren.--O mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was
haben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen imstande bin, wenn
ich es bin--
Dame.
Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten Willen zu vollziehen. Er
erinnerte sich kurz vor seinem Ende, daß er als Ihr Schuldner sterbe,
und beschwor mich, diese Schuld mit der ersten Barschaft zu tilgen.
Ich habe seine Equipage verkauft und komme, seine Handschrift
einzulösen.--
Tellheim.
Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie?
Dame.
Darum. Erlauben Sie, daß ich das Geld aufzähle.
Tellheim.
Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig? das kann schwerlich sein.
Lassen Sie doch sehen. (Er ziehet sein Taschenbuch heraus und sucht.)
Ich finde nichts.
Dame.
Sie werden seine Handschrift verlegt haben, und die Handschrift tut
nichts zur Sache.--Erlauben Sie--
Tellheim.
Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich sie
nicht habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt habe, oder
daß sie getilgt und von mir schon zurückgegeben worden.
Dame.
Herr Major!--
Tellheim.
Ganz gewiß, gnädige Frau. Nein, Marloff ist mir nichts schuldig
gebleiben. Ich wüßte mich auch nicht zu erinnern, daß er mir jemals
etwas schuldig gewesen wäre.
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