Aber fürs erste habe ich soeben die Damen, welche, wenn sie noch so gelehrt, doch keine Gelehrte von Profession sind, anzuführen die Ehre gehabt; sodann berufe ich mich auf jene Söhne des Lagers, die unter Gefahren groß geworden, unter Strapazen ergraut, keine Zeit hatten, Humaniora zu studieren, und dennoch so glänzende Memoiren schreiben; ich behaupte drittens, daß das Vorurteil, ich sei ein unstudierter Teufel, ganz falsch ist, denn ich bin in optima forma Doktor der Philosophie geworden, wie aus meinen Memoiren zu ersehen, und kann das Diplom schwarz auf weiß aufweisen.

Der Erzengel Gabriel, als ich ihn mit dem Plan meine Memoiren auszuarbeiten bekannt machte, warnte mich mit bedenklicher Miene vor den sogenannten Rezensenten. Er gab mir zu verstehen, daß ich übel wegkommen könnte, indem solche niemand schonen, ja sogar neuerdings selbst Doktoren der Theologie in Berlin, Halle und Leipzig hart mitgenommen haben. Ich erwiderte ihm nicht ohne Gelehrsamkeit, daß das Sprichwort »clericus clericum non decimat« füglich auch auf mein Verhältnis zu den Rezensenten angewandt werden könne; werde ich ja doch schon im Alten Testament satán adversarius, das ist Widersacher genannt, was ganz auch auf jene passe; den schlagendsten Beweis nehme ich aber aus dem Neuen Testament; dort werde ich diabolos oder Verleumder genannt, da nun diaballein soviel sei als acerbe recensere, so müsse er, wenn er nur ein wenig Logik habe, den Schluß von selbst ziehen können.

Der Erzengel bekam, wie natürlich, nicht wenig Respekt vor meiner Gelehrsamkeit in Sprachen, und meinte selbst, daß es mir auf diese Art nicht fehlen könne.

Man wird bei Durchlesung dieser Mitteilungen aus meinen Memoiren vielleicht nicht jenes systematische, ruhige Fortschreiten der Rede finden, das den Werken tiefdenkender Geister so eigen zu sein pflegt. Man wird kürzere und längere Bruchstücke aus meinem Walten und Treiben auf der Erde finden, und den innern Zusammenhang vermissen.

Man tadle mich nicht deswegen; es war ja meine Absicht nicht, ein Gemälde dieser Zeit zu entwerfen, man trifft deren genug in allen soliden Buchhandlungen Deutschlands.

Der Memoirenschreiber hat seinen Zweck erreicht, wenn er sich und seine Stellung zu der Zeit, welcher er angehört, darstellt und darüber reflektiert, wenn er Begebenheiten entwickelt, die entweder auf ihn oder die Mitwelt nähere oder entferntere Beziehungen haben, wenn er berühmte Zeitgenossen und seine Verhältnisse zu ihnen dem Auge vorführt. Und diese Forderungen glaube ich in meinen Memoiren erfüllt zu haben, sie sind es wenigstens, die mich bei meiner Arbeit leiteten, die meine Kühnheit vor mir rechtfertigen, vor einem gelehrten Publikum als Schriftsteller aufzutreten.1

Über Persönlichkeit, über berühmte Abstammung oder glänzende Verhältnisse hat der Teufel nichts zu sagen. Was etwa darüber zu sagen sein könnte, habe ich in dem Abschnitt »Besuch bei Goethe« ausgesprochen, und verweise daher den Leser dahin.

Fleißige Leser, d.i. solche, die Bogen für Bogen in einer Viertelstunde durchfliegen, mögen daher doch diesen Abschnitt nicht überschlagen, da er sehr zu besserem Verständnis der übrigen eingerichtet ist; sittsamen und ordentlichen Lesern habe ich hierüber nichts zu sagen, als sie sollen das Buch weglegen, wenn sie sich langweilen.

 

Ehe sein Diener mit dem zweiten Bogen aus der Messe zurückkommt, hat der Unterzeichnete noch Zeit, einige Bemerkungen einzuflicken. Es scheint ihm nämlich, der Satan besitze eine ziemliche Dosis Eitelkeit; man bemerke nur, wie wichtig er von jenem Abschnitt spricht, worin er über sich einige Bemerkungen macht; es wäre genug gewesen, wenn er nur angedeutet hätte, daß dies oder jenes darin zu finden sei, aber dem Leser zu empfehlen, er möchte doch den Abschnitt, in welchem jene enthalten sind, nicht überschlagen, ist sehr anmaßend.

Sodann die Unordnung, in welcher er alles vorbringt! Ein anderer, wie z.B. der Herausgeber hätte doch, wenn auch nicht mit dem Taufschein, was nun freilich beim Teufel nicht wohl möglich ist, doch wenigstens mit der Begebenheit angefangen, die der Chronologie nach die erste ist. Ich habe das Manuskript flüchtig durchblättert (zu lesen, ehe jeder Bogen hinlänglich geweiht, nehme ich mich wohl in acht), und fand, daß er mit Ereignissen anfängt, die der ganz neuen Zeit angehören, und nachher in buntem Gemische Menschen und ihre Taten von zehn, zwanzig Jahren her auftreten läßt; man sieht wohl, daß er keine gute Schule gehabt haben muß.

Zu größerer Deutlichkeit, und daß der geneigte Leser trotz dem Teufel wählen kann was er will, habe ich den Inhalt jedem einzelnen Kapitel vorangesetzt.

Der Herausgeber

 

Sechstes Kapitel

 

Wie der Satan die Universität bezieht, und welche Bekanntschaften er dort machte

 

Deutschland hat mir von jeher besonders wohl gefallen, und ich gestehe es, es liegt diesem Geständnis ein kleiner Egoismus zugrunde; man glaubt nämlich dort an mich wie an das Evangelium; jenen kühnen philosophischen Waghälsen, die auf die Gefahr hin, daß ich sie zu mir nehme, meine Existenz geleugnet und mich zu einem lächerlichen Phantom gemacht haben, ist es noch nicht gelungen, den glücklichen Kindersinn dieses Volkes zu zerstören, in dessen ungetrübter Phantasie ich noch immer schwarz wie ein Mohr, mit Hörnern und Klauen, mit Bocksfüßen und Schweif fortlebe, wie ihre Ahnen mich gekannt haben.

Wenn andere Nationen durch die sogenannte Aufklärung so weit hinaufgeschraubt sind, daß sie, ich schweige von einem Gott, sogar an keinen Teufel mehr glauben, so sorgen hier unter diesem Volke sogar meine Erbfeinde, die Theologen, dafür, daß ich im Ansehen bleibe. Hand in Hand mit dem Glauben an die Gottheit schreitet bei ihnen der Glaube an mich, und wie oft habe ich das mir so süße Wort aus ihrem Munde gehört: »Anathema sit, er glaubt an keinen Teufel.«

Ich kann mich daher recht ärgern; daß ich nicht schon früher auf den vernünftigen Gedanken gekommen bin, meine freie Zeit auf einer Universität zu verleben, um dort zu sehen, wie man mich von Semester zu Semester systematisch traktiert.

Ich konnte nebenbei noch manches profitieren. Alle Welt ist jetzt zivilisiert, fein, gesittet, belesen, gelehrt. Schon oft, wenn ich einen guten Schnitt zu machen gedachte, fand es sich, daß mir ein guter Schulsack, etwas Philosophie, alte Literatur, ja sogar etwas Medizin fehle; zwar, als das Magnetisieren aufkam, habe ich auch einen Kursus bei Meßmer genommen, und nachher manche glückliche Kur gemacht. Aber damit ist es heutzutage nicht getan; daher die elenden Sprichwörter, die in Deutschland kursieren: ein dummer Teufel, ein armer Teufel, ein unwissender Teufel, was offenbar auf meine vernachlässigte wissenschaftliche Bildung hindeuten soll.

Es ist noch kein Gelehrter vom Himmel gefallen, und ich bin vom Himmel gefallen, aber nicht als gelehrt; darum entschloß ich mich, zu studieren, und womöglich es in der Philosophie so weit zu bringen, daß ich ein ganz neues System erfände, wovon ich mir keinen geringen Erfolg versprach. Ich wählte ....en, und zog im Herbst des Jahres 1819 daselbst auf.

Ich hatte, wie man sich denken kann, nicht versäumt, mich meinem neuen Stande gemäß zu kostumieren. Mein Name war von Barbe, meine Verhältnisse glänzend, das heißt, ich brachte einen großen Wechsel mit, hatte viel bar Geld, gute Garderobe, und hütete mich wohl, als Neuling, oder wie man sagt, als Fuchs aufzutreten; sondern ich hatte schon allenthalben studiert, mich in der Welt umgesehen.

Kein Wunder, daß ich schon den ersten Abend höfliche Gesellschafter, den nächsten Morgen vertraute Freunde, und am zweiten Abend Brüder auf Leben und Tod am Arm hatte. Man denkt vielleicht, ich übertreibe? wäre ich Kavalier, so würde ich auf Ehre versichern und Holmichderteufel als Verstärkungspartikel dazusetzen (denn auf Ehre und Holmichderteufel verhalten sich zueinander wie der Spiritus lenis zum Spiritus asper), in meiner Lage kann ich bloß meine Parole als Satan geben.

Es waren gute Jungen, die ich da fand. Es begab sich dies aber folgendermaßen: man kann sich denken, daß ich nicht unvorbereitet kam; wer die deutschen Universitäten nur entfernt kennt, weiß, daß ein an Sprache, Sitte, Kleidung und Denkungsart von der übrigen Welt ganz verschiedenes Volk dort wohnt. Ich las des unsterblichen Herrn von Schmalz Werke über die Universitäten, Sands Aktenstücke, Haupt über Burschenschaften und Landsmannschaften etc., ward aber noch nicht recht klug daraus, und merkte, daß mir noch manches abging. Der Zufall half mir aus der Not. Ich nahm in F. einen Platz in einer Retourchaise; mein Gesellschafter war ein alter Student, der seit acht Jahren sich auf die Medizin legte. Er hatte das savoir vivre eines alten Burschen, und ich befliß mich in den sechs Stunden, die ich mit ihm der Musenstadt zufuhr, an ihm meine Rolle zu studieren.

Er war ein großer wohlgewachsener Mann von 24 – 25 Jahren, sein Haar war dunkel und mochte früher nach heutiger Mode zugeschnitten sein, hing aber, weil der Studiosus die Kosten scheute, es scheren zu lassen, unordentlich um den Kopf, doch bemühte er sich, solches oft mit fünf Fingern aus der Stirne zu frisieren. Sein Gesicht war schön, besonders Nase und Mund edel und fein geformt, das Auge hatte viel Ausdruck, aber welch sonderbaren Eindruck machte es; das Gesicht war von der Sonne rotbraun angelaufen; ein großer Bart wucherte von den Schläfen bis zum Kinn herab, und um die feinen Lippen hing ein vom Bier geröteter Henri quatre.

Sein Mienenspiel war schrecklich und lächerlich zugleich, die Augbrauen waren zusammengezogen und bildeten düstere Falten; das Auge blickte streng und stolz um sich her, und maß jeden Gegenstand mit einer Hoheit, einer Würde, die eines Königsohnes würdig gewesen wäre.

Über die unteren Partien des Gesichtes, namentlich über das Kinn konnte ich nicht recht klug werden, denn sie staken tief in der Krawatte. Diesem Kleidungsstück schien der junge Mann bei weitem mehr Sorgfalt gewidmet zu haben, als dem übrigen Anzug; diese beiläufig einen halben Schuh Höhe messende Binde von schwarzer Seide zog sich, ohne ein Fältchen zu werfen, von dem Kinn inklusive bis auf das Brustbein exklusive, und bildete auf diese Art ein feines Mauerwerk, auf welchem der Kopf ruhte; seine Kleidung bestand in einem weißgelben Rock, den er »Flaus«, in zärtlichen Augenblicken wohl auch »Gottfried« nannte, und welchem er von Speisen und Getränken mitteilte; dieser Gottfried Flaus reichte bis eine Spanne über das Knie und schloß sich eng um den ganzen Leib; auf der Brust war er offen und zeigte, soviel die Krawatte sehen ließ, daß der Herr Studiosus mit Wäsche nicht gut versehen sein müsse.

Weite, wellenschlagende Beinkleider von schwarzem Samt schlossen sich an das Oberkleid an; die Stiefel waren zierlich geformt und dienten ungeheuern Sporen von poliertem Eisen zur Folie.

Auf dem Kopfe hatte der Studiosus ein Stückchen rotes Tuch in Form eines umgekehrten Blumenscherben gehängt, das er mit vieler Kunst gegen den Wind zu balancieren wußte; es sah komisch aus, fast wie wenn man mit einem kleinen Trinkglas ein großes Kohlhaupt bedecken wollte.

Ich hatte Zachariäs unsterblichen Renommisten zu gut studiert, um nicht zu wissen, daß, sobald ich mir eine Blöße gegen den Herrn Bruder gebe, sein Respekt vor mir auf ewig verloren sei; ich merkte ihm daher seine Augenbrauenfalten, sein ernstes, abmessendes Auge, soviel es ging, ab, und hatte die Freude, daß er mich gleich nach der ersten Stunde auffallend vor dem »Philister und dem Florbesen«, auf deutsch einem alten Professor und seiner Tochter, welche unsere übrige Reisegesellschaft ausmachten, auszeichnete. In der zweiten Stunde hatte ich ihm schon gestanden, daß ich in Kiel studiert und mich schon einigemal mit Glück geschlagen habe, und ehe wir nach .....gen einfuhren, hatte er mir versprochen, eine »fixe Kneipe« das heißt eine anständige Wohnung auszumitteln, wie auch mich unter die Leute zu bringen.

Der Herr Studiosus Würger, so hieß mein Gesellschafter, ließ an einem Wirtshaus vor der Stadt anhalten, und lud mich ein, seinem Beispiele zu folgen, und hier auf die Beschwerden der Reise ein Glas zu trinken. Die ganze Fensterreihe des Wirtshauses war mit roten und schwarzen Mützen bedeckt, es war nämlich eine gute Anzahl der Herren Studiosi hier versammelt, um die neuen Ankömmlinge, die gewöhnlich am Anfang des Semesters einzutreffen pflegen, nach gewohnter Weise zu empfangen. Würger, der alte »längst bemooste« Bursche, hatte sich schon unterwegs mit dem Gedanken gekitzelt, daß seine Kameraden uns für »Füchse« halten werden, und wirklich traf seine Vermutung ein.

Ein Chorus von wenigstens 30 Bässen scholl von den Fenstern herab, sie sangen ein berühmtes Lied, das anfängt:

 

»Was kommt dort von der Höh!«

 

Während des Gesanges entstieg mein Gefährte majestätisch der Chaise, und kaum hatte er den Boden berührt, so erhob er sein furchtbares Haupt, und schrie zu den Fenstern empor:

»Was schlagt ihr für einen Randal auf, Kamele! Seht ihr nicht, daß zwei alte Häuser aus diesem Philisterkarren gestiegen kommen?« (auf deutsch: lärmt doch nicht so sehr, meine Herren, Sie sehen ja, daß zwei alte Studenten aus dem Wagen steigen.)

Der allgemeine Jubel unterbrach den erhitzten Redner: »Würger! du altes fideles Haus!« schrien die Musensöhne, und stürzten die Treppen herab in seine Arme; die Raucher vergaßen, ihre langen Pfeifen wegzulegen, die Billardspieler hielten noch ihre Queues in der Hand. Sie bildeten eine Leibwache von sonderbarer Bewaffnung um den Angekommenen.

Doch der Edelmütige vergaß in seiner Glorie auch meiner nicht, der ich bescheiden auf der Seite stand, er stellte mich den ältesten und angesehensten Männern der Gesellschaft vor, und ich wurde mit herzlichem Handschlag von ihnen begrüßt. Man führte uns in wildem Tumult die Treppe hinan, man setzte mich zwischen zwei bemooste Häuser an den Ehrenplatz, gab mir ein großes Paßglas voll Bier und ein Fuchs mußte dem neuen Ankömmling seine Pfeife abtreten.

So war ich denn in .....en als Student eingeführt, und ich gestehe, es gefiel mir so übel nicht unter diesem Völkchen.