Dem Rechtsanwalt kam ein Gedanke.
»Hören Sie, Mr. Elmer, wie ist es, wenn Sam nicht heiraten will? Er ist in letzter Zeit ziemlich elegant geworden und hat mehr Geld als mir recht erscheint.«
Mr. Elmer trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen.
»Sam ist Geschäftsmann«, sagte er, »er hat mit Immobilien viel verdient -«
»Wo denn?« fragte der andere barsch. »Ich weiß über die Immobilien dieser Gegend sehr genau Bescheid und kann mich nicht erinnern, bei irgendwelchen Verhandlungen Sams Namen gehört zu haben.«
Mr. Elmer ging einen Schritt näher zur Tür.
»Meiner Meinung nach wird der Regen gerade so lange auf sich warten lassen, bis der Mais drinnen ist«, behauptete er. »Vielleicht komme ich mit dem neuen Pachtvertrag zu Ihnen, den ich mit Olson Clark geschlossen habe.«
Mit diesem vielversprechenden Satz vollzog er seinen Abgang.
Mr. Pfiefer sah, wie er langsam in den Einspänner stieg und die Zügel losband. Der Anwalt hatte eine empfindliche Stelle berührt, und Mr. Elmer hatte es mit der Angst bekommen. Dazu war auch wirklich Grund vorhanden.
Diejenigen, die Oktober Jones ihren eigenartigen Namen geschenkt hatten, weilten schon längst nicht mehr unter den Lebenden, obwohl einer von ihnen lange genug unter ihnen geweilt hatte, um seine Kühnheit zu bereuen.
Oktober hatte unter der Last ihres Namens oft gelitten und sich zu verschiedenen Zeiten und zu bestimmten Gelegenheiten Doris Mabel oder Mary Victoria oder Gloria Wendy genannt. Im McCube College, wo sie studiert hatte, hieß sie Virginia Guinevere. Diesen Namen hatte sie sich ausgesucht, bevor sie von Hause abreiste; die Initialen, ›V.G.J‹ ließ sie sich kühn auf ihr Gepäck malen.
»Das Jones kann ich wohl nicht loswerden«, sagte sie nachdenklich für sich, als sie das ›J‹ unwillig betrachtete. »Das bleibt kleben.«
»Ich fürchte, ja«, hatte ihr Vater mißmutig erwidert.
Er war ein großer, imposanter Mann gewesen, mit eingefallenen Wangen und langem Bart. Kinder interessierten ihn nicht. Oktober langweilte ihn. Sie hatte die Angewohnheit, wertvolle Bücher aus seiner Bibliothek zu entwenden und sie auf der Gartenbank liegen zu lassen oder mitten auf einer Wiese oder wo sonst sie sich gerade befand, wenn es anfing zu regnen.
»Jones ist ein schrecklich gewöhnlicher Name«, sagte sie. »Kannst du ihn nicht ändern, Papa?«
Mr. Jones seufzte und spielte ungeduldig mit einem Brieföffner aus Schildpatt.
»Der Name war gut genug für meinen Vater, meinen Großvater, meinen Urgroßvater und zahllose Ahnen vor ihnen -«
Sie runzelte die Stirn.
»Wer war wohl der erste Jones?« fragte sie. »Das werde ich wohl in einem biologischen Werk nachschlagen müssen; er wird wohl gleichzeitig mit seinem Namen aus dem Protoplasma gekriecht sein.«
»Gekrochen!« sagte Mr. Jones leise. »Wenn du bloß die Gewohnheit loswerden könntest, Oktober -«
Oktober stöhnte.
»Was ist denn gegen Victoria einzuwenden?« fragte sie. »Das wäre doch ein netter Name für mich gewesen.«
Nichts an ihrer Erscheinung erinnerte an Oktober, denn Oktober ist ein roter, brauner Monat, und sie war hell, rosa und weiß, sie hatte Augen wie April, ihre Haare erinnerten an reifes Korn, und sie hatte einen eigenartig durchdringenden Blick, der die Menschen etwas aus der Fassung brachte. Menschen, die sie nicht kannten, hielten diesen Blick für das Anzeichen einer verwerflichen Skepsis, während er in Wirklichkeit nichts anderes war als Wißbegierde.
Was ihren Charakter anbetraf, so hatte Miss Flemming, Vorsteherin der Flemmingschen ›Schule für junge Damen‹ ihrem Vater folgendes geschrieben:
… ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf eine Eigenschaft Oktobers lenken, die Sie vielleicht noch nicht bemerkt haben: nämlich auf ihre übertriebene romantische Veranlagung, die sie im Zusammenhang mit ihrem etwas überspannten Geist auf Wege führen könnte, die wir alle bedauern würden. Es ist traurig, daß dem lieben Kinde die unschätzbare Gnade der Mutterliebe entzogen war. Vielleicht ist sie heute selbstbeherrschter als zur Zeit, da sie in unsere Obhut kam …
»Wie lange geht denn das noch weiter?« knurrte Stedman Jones, als er die Seite wendete - es waren noch drei Seiten und ein Postskriptum von weiteren zwei Seiten. Er ließ den Brief zu Boden fallen.
In Wirklichkeit war es ihm ganz gleichgültig, wie überspannt, überempfindlich oder romantisch veranlagt Oktober sein mochte. Er zahlte doch ihr Schuldgeld, und es war ihm lästig, wenn Leute ihm Briefe über sie - oder über sonstwas - schrieben. Er hatte es, Gott sei Dank, nicht nötig, auch noch ihre Kleider zu bezahlen, denn ein Legat vom Nachlaß seiner Frau, das von einem unausstehlichen Schwager verwaltet wurde, dem er nur zweimal im Leben begegnet war und mit dem er sich folglich nur zweimal gestritten hatte, deckte diese Unkosten.
Stedman war Bibliophile, Autor eines imposanten Werkes über die Geschichte Frankreichs im Mittelalter. Die einzige Zeit, wo er sich mit Oktober gut verstand, war jeweils die letzte Woche ihrer kurzen Ferien.
Kein Mensch nannte sie Virginia oder Gloria Wendy oder Guinevere. Man nannte sie nie anders als Oktober - nicht einmal ein annehmbarer Kosename war ihr beschieden.
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