Aus des Palastes Hallen

Kam dumpf Geräusch; der Herr der Welt war tot;

Er aber schaute kühn ins Morgenrot

Und sah's wie einer Zukunft Vorhang wallen.

Der Bildhauer des Hadrian

 

So steht nun schlank emporgehoben

Der Tempelhalle Säulenrund;

Getäfelt prangt die Kuppel droben,

Von buntem Steinwerk glänzt der Grund.

Und hoch aus Marmor hebt sich dorten

Das Bild des Donnrers, das ich schuf;

Du rühmst es, Herr, und deinen Worten

Folgt tausendstimm'ger Beifallsruf.

 

Und doch, wie hier vor meinen Blicken

Das eigne Werk sich neu enthüllt,

Mich selber will es nicht erquicken,

Und fast wie Scham ist, was mich füllt.

Ob nichts am hohen Gleichmaß fehle,

Ob jedem Sinn genug getan:

Kein Schauer quillt in meine Seele,

Kein Unnennbares rührt mich an.

 

O Fluch, dem diese Zeit verfallen,

Daß sie kein großer Puls durchbebt,

Kein Sehnen, das, geteilt von allen,

Im Künstler nach Gestaltung strebt,

Das ihm nicht Rast gönnt, bis er's endlich

Bewältigt in den Marmor flößt

Und so in Schönheit allverständlich

Das Rätsel seiner Tage löst!

 

Wohl bänd'gen wir den Stein und küren,

Bewußt berechnend, jede Zier,

Doch, wie wir glatt den Meißel führen,

Nur vom Vergangnen zehren wir.

O trostlos kluges Auserlesen,

Dabei kein Blitz die Brust durchzückt!

Was schön wird, ist schon dagewesen,

Und nachgeahmt ist, was uns glückt.

 

Der Kreis der Formen liegt beschlossen,

Die einst der Griechen Geist beseelt;

Umsonst durchtasten wir verdrossen

Ein Leben, dem der Inhalt fehlt.

Wo lodert noch ein Opferfunken?

Wo blüht ein Fest noch, das nicht hohl?

Der Glaub' ist, ach, dahingesunken,

Und toter Schmuck ward sein Symbol.

 

Sieh her, noch braun sind diese Haare,

Und nicht das Alter schuf mich blaß;

Doch gäb' ich alle meine Jahre

Für einen Tag des Phidias;

Nicht weil des Volks verstummend Gaffen,

Der Welt Bewundrung ihm gelohnt;

Nein, weil der Zeus, den er geschaffen,

Ihm selbst, ein Gott, im Sinn gethront.

 

Das war sein Stern, das war sein Segen,

Daß ihn mit ungebrochnem Flug

Der höchsten Urgestalt entgegen

Der Andacht heil'ger Fittich trug.

Er durft' im Reigen der Erkornen

Voll Glanz noch den Olympos sehn,

Indes wir armen Nachgebornen

In götterloser Wüste stehn.

 

Da uns der Himmel ward entrissen,

Schwand auch des Schaffens himmlisch Glück;

Wohl wissen wir's, doch alles Wissen

Bringt das Verlorne nie zurück.

Und keine neue Kunst mag werden,

Bis über dieser Zeiten Gruft

Ein neuer Gott erscheint auf Erden

Und seine Priesterin beruft.

Sonett des Dante

 

Sobald die Nacht mit dunklem Flügelpaar

Die Erd' umfängt, daß jeder Strahl verblaßt:

In Luft und Meer, im Wald von Ast zu Ast

Und unterm Dach wird still, was rege war.

 

Denn Schlaf, der durch die Glieder wunderbar

Sich ausgießt, gönnet dem Gedanken Rast,

Bis daß aufs neu den Tag mit seiner Last

Aurora weckt im blonden Lockenhaar.

 

Ich Unglücksel'ger nur bleib' unerquickt;

Denn Seufzen, feindlich aller Ruhe, schafft

Mein Auge schlaflos und mein Herz voll Bangen.

 

Und, gleich dem Vögelchen im Garn verstrickt,

Je mehr ich suche zu entfliehn der Haft,

So mehr im Wirrsal find' ich mich gefangen.

Palmsonntagmorgen

 

Es fiel ein Tau vom Himmel himmlisch mild,

Der alle Pflanzen bis zur Wurzel stillt;

Laß dein Sehnen,

Laß die Tränen!

Es fiel ein Tau, der alles Dürsten stillt.

 

Ein sanftes Sausen kommt aus hoher Luft,

Still grünt das Tal und steht in Veilchenduft;

Göttlich Leben

Fühl' ich weben,

Ein sanftes Sausen kommt aus hoher Luft.

 

Wie Engelsflügel blitzt es über Land;

Nun schmück' dich, Herz, tu an ein rein Gewand!

Sieh, die Sonne

Steigt in Wonne,

Wie Engelsflügel blitzt es über Land.

 

Macht weit das Tor! Der König ziehet ein,

Die Welt soll jung und lauter Friede sein;

Streuet Palmen!

Singet Psalmen!

Hosanna singt, der König ziehet ein.

Zwei Psalmen

 

1.

Aus diesem Tal des Kummers

Vernimm, o Herr, mein Flehen!

Voll Angst, beraubt des Schlummers

Lieg' ich die Nacht hindurch in heißen Wehen;

Durch mein Gebein rinnt irr ein fiebernd Grausen,

Die wilden Wasser gehen

Hoch über meine Seele hin mit Brausen.

 

Nicht weiß ich, wo ich bleibe,

Von Tränen strömt mein Bette;

Es ist an meinem Leibe

Gesundes nichts und nichts, was Frieden hätte.

Von Stöhnen heiser denk' ich meiner Fehle;

O rette, rette, rette

Aus dieses Jammers Abgrund meine Seele!

 

Wohl fühl' ich, ich bin schuldig,

Ich selbst an meinem Schaden:

Doch du bist, Herr, geduldig,

Ein Heiland und ein Arzt von großen Gnaden.

Und wäre Sünde, rot wie Blut, die meine,

Du kannst mich lauter baden,

Daß ich wie frischgefallner Schnee erscheine.

 

Du kannst auch lösen wieder

Dies Leid, das mir geschehen,

Kannst die zerschlagnen Glieder

Aufrichten, daß sie fest wie Säulen stehen.

O birg dein Antlitz nicht zu dieser Stunde!

Für Recht laß Gnad' ergehen,

Daß ich am Geist, daß ich am Leib gesunde!

 

Sieh an mein qualvoll Schwanken

Gleich der verdorrten Blume;

Wie soll mein Staub dir danken,

So du der Gruft mich gibst zum Eigentume?

Die Toten schweigen deiner Herrlichkeiten;

Doch hell zu deinem Ruhme

Will ich mein klingend Harfenspiel besaiten.

 

O hilf, daß ich den Zagen

Dein gnädig Walten deute,

Und wie du Not und Klagen

In Reigen kehrst und nimmst dem Tod die Beute.

Denn sanft im Säuseln kommst du nach dem Wetter;

O komm, o hilf auch heute,

Mein Fels und meine Burg, mein Hort und Retter!

2.

 

Nach schwerer Irrfahrt langen, bangen Stunden,

Nun endlich hat die Schwalb' ihr Nest gefunden.

 

Sie baut im Vorhof an des Herrn Altären,

Das ist die Statt, da trocknen alle Zähren.

 

Da säuseln in den Palmen Heimatlüfte,

Da blühn die Lilien, Frieden ihr Gedüfte.

 

Da springt wie Silber klar der Born der Gnaden,

Die Seele trinkt, und sie genest vom Schaden.

 

Die blutrot war von Sinnenlust und Grolle,

Wird rein wie Schnee und junger Lämmer Wolle.

 

Wo ist ihr Leid nun? Wie ein Traum zerronnen.

Wo bleibt ihr Seufzer? Er verging in Wonnen.

 

Ein Tag der Rast in diesen Säulenhallen

Ist mehr, denn draußen tausend Jahre wallen.

 

Und besser ist's, hier an den Schwellen wohnen,

Als in der Welt ob allen Reichen thronen.

Gesang des Priesters

 

Der du einst in freier Liebe

Dich in unsern Staub gebannt,

Unsrer Brust verworrne Triebe,

Ach, und all ihr Leid erkannt;

Der du selbst in jenen Tagen

Schmecktest der Versuchung Pein,

Denen, die im Kampf erlagen,

Reiner, kannst du gnädig sein.

 

Ach, du weißt, in Sehnsucht schweifen

Tausend Geister weit und breit;

Doch, vom Schein betört, ergreifen

Für das Wesen sie das Kleid.

Was nur geistlich mag gelingen,

Was nur göttlich kann erstehn,

Wollen sie im Fleisch vollbringen –

Sollen sie verloren gehn?

 

Die da suchen ohne Steuer

Heimwehbang ein Ruhgestad',

Die ein irres Liebesfeuer

Hintreibt auf der Sinne Pfad,

Die im Dämmer tauber Schachten

Graben nach der Wahrheit Licht,

Alle, die nach Freiheit schmachten,

Meinen dich und wissen's nicht.

 

O, beim Worte, das die Rächer

Von der Sünderin verwies,

Bei der Milde, die dem Schächer

Noch am Kreuz das Heil verhieß,

Bei dem Glanz, der himmlisch blendend

Um Damaskus' Weg geflammt

Und, den Sinn des Eifrers wendend,

Ihn gesalbt zum Botenamt:

 

Zeuch, o Herr, die durst'gen Seelen,

Die in dunkler Trostbegier

Im Vergänglichen sich quälen,

Zeuch sie liebend all zu dir!

Statt der Schale, dran sie kleben,

Laß sie schaun der Dinge Kern,

Steig in ihrem dunkeln Leben,

Steig empor als Morgenstern!

 

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