Laura heißt sie,

Wie die schöne Provenzalin,

Die der große Dichter liebte.

 

Laura heißt sie! Nun da bin ich

Just so weit wie einst Petrarca,

Der das schöne Weib gefeiert

In Kanzonen und Sonetten.

 

Laura heißt sie! Wie Petrarca

Kann ich jetzt platonisch schwelgen

In dem Wohllaut dieses Namens –

Weiter hat er's nie gebracht.

 

 

17.

Wechsel

Mit Brünetten hat's eine Ende!

Ich gerate dieses Jahr

Wieder in die blauen Augen,

Wieder in das blonde Haar.

 

Die Blondine, die ich liebe,

Ist so fromm, so sanft, so mild!

In der Hand den Lilienstengel,

Wäre sie ein Heil'genbild.

 

Schlanke, schwärmerische Glieder,

Wenig Fleisch, sehr viel Gemüt;

Und für Liebe, Hoffnung, Glaube

Ihre ganze Seele glüht.

 

Sie behauptet, sie verstünde

Gar kein Deutsch – ich glaub es nicht.

Niemals hättest du gelesen

Klopstocks himmlisches Gedicht?

 

 

18.

Fortuna

Frau Fortuna, ganz umsunst

Tust du spröde! deine Gunst

Weiß ich mir, durch Kampf und Ringen,

Zu erbeuten, zu erzwingen.

 

Überwältigt wirst du doch,

Und ich spanne dich ins Joch,

Und du streckst am End' die Waffen –

Aber meine Wunden klaffen.

 

Es verströmt mein rotes Blut,

Und der schöne Lebensmut

Will erlöschen; ich erliege

Und ich sterbe nach dem Siege.

 

 

19.

Klagelied eines altdevtschen Jünglings

Wohl dem, dem noch die Tugend lacht,

Weh dem, der sie verlieret!

Es haben mich armen Jüngling

Die bösen Gesellen verführet.

 

Sie haben mich um mein Geld gebracht,

Mit Karten und mit Knöcheln;

Es trösteten mich die Mädchen,

Mit ihrem holden Lächeln.

 

Und als sie mich ganz besoffen gemacht

Und meine Kleider zerrissen,

Da ward ich armer Jüngling

Zur Tür hinausgeschmissen.

 

Und als ich des Morgens früh erwacht,

Wie wundr' ich mich über die Sache!

Da saß ich armer Jüngling

Zu Kassel auf der Wache. –

 

 

20.

Laß ab!

Der Tag ist in die Nacht verliebt,

Der Frühling in den Winter,

Das Leben verliebt in den Tod –

Und du, du liebest mich!

 

Du liebst mich – schon erfassen dich

Die grauenhaften Schatten,

All deine Blüte welkt,

Und deine Seele verblutet.

 

Laß ab von mir, und liebe nur

Die heiteren Schmetterlinge,

Die da gaukeln im Sonnenlicht –

Laß ab von mir und dem Unglück.

 

 

21.

Frau Mette

Nach dem Dänischen

 

Herr Peter und Bender saßen beim Wein,

Herr Bender sprach: »Ich wette,

Bezwänge dein Singen die ganze Welt,

Doch nimmer bezwingt es Frau Mette.«

 

Herr Peter sprach: »Ich wette mein Roß,

Wohl gegen deine Hunde,

Frau Mette sing ich nach meinem Hof,

Noch heut, in der Mitternachtstunde.«

 

Und als die Mitternachtstunde kam,

Herr Peter hub an zu singen;

Wohl über den Fluß, wohl über den Wald

Die süßen Töne dringen.

 

Die Tannenbäume horchen so still,

Die Flut hört auf zu rauschen,

Am Himmel zittert der blasse Mond,

Die klugen Sterne lauschen.

 

Frau Mette erwacht aus ihrem Schlaf:

»Wer singt vor meiner Kammer?«

Sie achselt ihr Kleid, sie schreitet hinaus; –

Das ward zu großem Jammer.

 

Wohl durch den Wald, wohl durch den Fluß

Sie schreitet unaufhaltsam;

Herr Peter zog sie nach seinem Hof

Mit seinem Liede gewaltsam.

 

Und als sie morgens nach Hause kam,

Vor der Türe stand Herr Bender:

»Frau Mette, wo bist du gewesen zur Nacht,

Es triefen deine Gewänder?«

 

»Ich war heut nacht am Nixenfluß,

Dort hört ich prophezeien,

Es plätscherten und bespritzten mich

Die neckenden Wasserfeien.«

 

»Am Nixenfluß ist feiner Sand,

Dort bist du nicht gegangen,

Zerrissen und blutig sind deine Füß',

Auch bluten deine Wangen.«

 

»Ich war heut nacht im Elfenwald,

Zu schauen den Elfenreigen,

Ich hab mir verwundet Fuß und Gesicht,

An Dornen und Tannenzweigen.«

 

»Die Elfen tanzen im Monat Mai,

Auf weichen Blumenfeldern,

Jetzt aber herrscht der kalte Herbst

Und heult der Wind in den Wäldern.«

 

»Bei Peter Nielsen war ich heut nacht,

Er sang, und zaubergewaltsam,

Wohl durch den Wald, wohl durch den Fluß,

Es zog mich unaufhaltsam.

 

Sein Lied ist stark als wie der Tod,

Es lockt in Nacht und Verderben.

Noch brennt mir im Herzen die tönende Glut;

Ich weiß, jetzt muß ich sterben.« –

 

Die Kirchentür ist schwarz behängt,

Die Trauerglocken läuten;

Das soll den jämmerlichen Tod

Der armen Frau Mette bedeuten.

 

Herr Bender steht vor der Leichenbahr',

Und seufzt aus Herzensgrunde:

»Nun hab ich verloren mein schönes Weib

Und meine treuen Hunde.«

 

 

22.

Begegnung

Wohl unter der Linde erklingt die Musik,

Da tanzen die Burschen und Mädel,

Da tanzen zwei, die niemand kennt,

Sie schaun so schlank und edel.

 

Sie schweben auf, sie schweben ab,

In seltsam fremder Weise;

Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt,

Das Fräulein flüstert leise:

 

»Mein schöner Junker, auf Eurem Hut

Schwankt eine Neckenlilie,

Die wächst nur tief in Meeresgrund –

Ihr stammt nicht aus Adams Familie.

 

Ihr seid der Wassermann, Ihr wollt

Verlocken des Dorfes Schönen.

Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick,

An Euren fischgrätigen Zähnen.«

 

Sie schweben auf, sie schweben ab,

In seltsam fremder Weise,

Sie lachen sich an, sie schütteln das Haupt,

Der Junker flüstert leise:

 

»Mein schönes Fräulein, sagt mir, warum

So eiskalt Eure Hand ist?

Sagt mir, warum so naß der Saum

An Eurem weißen Gewand ist?

 

Ich hab Euch erkannt, beim ersten Blick,

An Eurem spöttischen Knickse –

Du bist kein irdisches Menschenkind,

Du bist mein Mühmchen, die Nixe.«

 

Die Geigen verstummen, der Tanz ist aus,

Es trennen sich höflich die beiden.

Sie kennen sich leider viel zu gut,

Suchen sich jetzt zu vermeiden.

 

 

23.

König Harald Harfagar

Der König Harald Harfagar

Sitzt unten in Meeresgründen

Bei seiner schönen Wasserfee;

Die Jahre kommen und schwinden.

 

Von Nixenzauber gebannt und gefeit,

Er kann nicht leben, nicht sterben;

Zweihundert Jahre dauert schon

Sein seliges Verderben.

 

Des Königs Haupt liegt auf dem Schoß

Der holden Frau, und mit Schmachten

Schaut er nach ihren Augen empor;

Kann nicht genug sie betrachten.

 

Sein goldnes Haar ward silbergrau,

Es treten die Backenknochen

Gespenstisch hervor aus dem gelben Gesicht,

Der Leib ist welk und gebrochen.

 

Manchmal aus seinem Liebestraum

Wird er plötzlich aufgeschüttert,

Denn droben stürmt so wild die Flut,

Und das gläserne Schloß erzittert.

 

Manchmal ist ihm, als hört' er im Wind

Normannenruf erschallen;

Er hebt die Arme mit freudiger Hast,

Läßt traurig sie wieder fallen.

 

Manchmal ist ihm, als hört' er gar,

Wie die Schiffer singen hier oben

Und den König Harald Harfagar

Im Heldenliede loben.

 

Der König stöhnt und schluchzt und weint

Alsdann aus Herzensgrunde.

Schnell beugt sich hinab die Wasserfee

Und küßt ihn mit lachendem Munde.

 

 

Unterwelt

1.

»Blieb' ich doch ein Junggeselle!« –

Seufzet Pluto tausendmal –

»Jetzt, in meiner Eh'standsqual,

Merk ich, früher ohne Weib

War die Hölle keine Hölle.

 

Blieb' ich doch ein Junggeselle!

Seit ich Proserpinen hab,

Wünsch ich täglich mich ins Grab!

Wenn sie keift, so hör ich kaum

Meines Zerberus Gebelle.

 

Stets vergeblich, stets nach Frieden

Ring ich. Hier im Schattenreich

Kein Verdammter ist mir gleich!

Ich beneide Sisyphus

Und die edlen Danaiden.«

 

 

2.

Auf goldenem Stuhl, im Reiche der Schatten,

Zur Seite des königlichen Gatten,

Sitzt Proserpine

Mit finstrer Miene.

Und im Herzen seufzet sie traurig:

 

»Ich lechze nach Rosen, nach Sangesergüssen

Der Nachtigall, nach Sonnenküssen –

Und hier unter bleichen

Lemuren und Leichen

Mein junges Leben vertraur' ich!

 

Bin festgeschmiedet am Ehejoche,

In diesem verwünschten Rattenloche!

Und des Nachts die Gespenster,

Sie schaun mir ins Fenster,

Und der Styx, er murmelt so schaurig!

 

Heut hab ich den Charon zu Tische geladen –

Glatzköpfig ist er und ohne Waden –

Auch die Totenrichter,

Langweil'ge Gesichter –

In solcher Gesellschaft versaur' ich.«

 

3.

Während solcherlei Beschwerde

In der Unterwelt sich häuft,

Jammert Ceres auf der Erde.

Die verrückte Göttin läuft,

Ohne Haube, ohne Kragen,

Schlotterbusig durch das Land,

Deklamierend jene Klagen,

Die euch allen wohlbekannt:

 

»Ist der holde Lenz erschienen?

Hat die Erde sich verjüngt?

Die besonnten Hügel grünen,

Und des Eises Rinde springt.

Aus der Ströme blauem Spiegel

Lacht der unbewölkte Zeus,

Milder wehen Zephirs Flügel,

Augen treibt das junge Reis.

In dem Hain erwachen Lieder,

Und die Oreade spricht:

›Deine Blumen kehren wieder,

Deine Tochter kehret nicht.‹

 

Ach wie lang ist's, daß ich walle

Suchend durch der Erde Flur!

Titan, deine Strahlen alle

Sandt ich nach der teuren Spur!

Keiner hat mir noch verkündet

Von dem lieben Angesicht,

Und der Tag, der alles findet,

Die Verlorne fand er nicht.

Hast du, Zeus, sie mir entrissen?

Hat, von ihrem Reiz gerührt,

Zu des Orkus schwarzen Flüssen

Pluto sie hinabgeführt?

 

Wer wird nach dem düstern Strande

Meines Grames Bote sein?

Ewig stößt der Kahn vom Lande,

Doch nur Schatten nimmt er ein.

Jedem sel'gen Aug' verschlossen

Bleibt das nächtliche Gefild',

Und solang der Styx geflossen,

Trug er kein lebendig Bild.

Nieder führen tausend Steige,

Keiner führt zum Tag zurück;

Ihre Träne bringt kein Zeuge

Vor der bangen Mutter Blick.«

 

 

4.

»Meine Schwiegermutter Ceres!

Laß die Klagen, laß die Bitten!

Dein Verlangen, ich gewähr es –

Habe selbst soviel gelitten!

 

Tröste dich, wir wollen ehrlich

Den Besitz der Tochter teilen,

Und sechs Monden soll sie jährlich

Auf der Oberwelt verweilen.

 

Hilft dir dort an Sommertagen

Bei den Ackerbaugeschäften;

Einen Strohhut wird sie tragen,

Wird auch Blumen daran heften.

 

Schwärmen wird sie, wenn den Himmel

Überzieht die Abendröte,

Und am Bach ein Bauerlümmel

Zärtlich bläst die Hirtenflöte.

 

Wird sich freun mit Gret' und Hänschen

Bei des Erntefestes Reigen;

Unter Schöpsen, unter Gänschen,

Wird sie sich als Löwin zeigen.

 

Süße Ruh'! Ich kann verschnaufen

Hier im Orkus unterdessen!

Punsch mit Lethe will ich saufen,

Um die Gattin zu vergessen.«

 

 

5.

»Zuweilen dünkt es mich, als trübe

Geheime Sehnsucht deinen Blick –

Ich kenn es wohl, dein Mißgeschick:

Verfehltes Leben, verfehlte Liebel

 

Du nickst so traurig! Wiedergeben

Kann ich dir nicht die Jugendzeit –

Unheilbar ist dein Herzeleid:

Verfehlte Liebe, verfehltes Leben!«

 

 

Zur Ollea

 

1.

Maultiertum

Dein Vater, wie ein jeder weiß,

Ein Esel leider war der Gute;

Doch deine Mutter, hochgesinnt,

War eine edle Vollblutstute.

 

Tatsache ist dein Maultiertum,

Wie sehr du dessen dich erwehrest;

Doch sagen darfst du guten Fugs,

Daß du den Pferden angehörest –

 

Daß du abstammst vom Bucephal,

Dem stolzen Gaul, daß deine Ahnen

Geharnischt nach dem Heil'gen Grab

Gefolgt den frommen Kreuzzugfahnen –

 

Daß du zu deiner Sippschaft zählst

Den hohen Schimmel, den geritten

Herr Gottfried von Bouillon, am Tag,

Wo er die Gottesstatt erstritten; –

 

Kannst sagen auch, daß Roß-Bayard

Dein Vetter war, daß deine Tante

Den Ritter Don Quixote trug,

Die heldenmüt'ge Rosinante.

 

Freilich, daß Sanchos Grauchen auch

Mit dir verwandt, mußt du nicht sagen;

Verleugne gar das Eselein,

Das unsern Heiland einst getragen.

 

Auch ist nicht nötig, daß du just

Ein Langohr in dein Wappen setzest.

Sei deines eignen Werts Wardein –

Du giltst so hoch, wie du dich schätzest.

 

 

2.

Symbolik des Unsinns

Wir heben nun zu singen an

Das Lied von einer Nummer,

Die ist geheißen Nummer Drei;

Nach Freuden kommt der Kummer.

 

Arabischen Ursprungs war sie zwar,

Doch christentümlich frummer

In ganz Europa niemand war

Wie jene brave Nummer.

 

Sie war ein Muster der Sittlichkeit

Und wurde rot wie ein Hummer,

Fand sie den Knecht im Bette der Magd;

Gab beiden einen Brummer.

 

Des Morgens trank sie den Kaffee

Um sieben Uhr im Summer,

Im Winter um neun, und in der Nacht

Genoß sie den besten Schlummer.

 

Jetzt aber ändert sich der Reim,

Und ändern sich die Tage;

Es muß die arme Nummer Drei

Erdulden Pein und Plage.

 

Da kam ein Schuster und sagte: der Kopf

Der Nummer Drei, der sähe

Wie eine kleine Sieben aus,

Die auf einem Halbmond stehe.

 

Die Sieben sei aber die mystische Zahl

Der alten Pythagoreer,

Der Halbmond bedeute Dianendienst,

Er mahne auch an Sabäer.

 

Sie selber, die Drei, sei Schibboleth

Des Oberbonzen von Babel;

Durch dessen Buhlschaft sie einst gebar

Die heil'ge Dreieinigkeitsfabel.

 

Ein Kürschner bemerkte dagegen: die Drei

Sie eine fromme Trulle,

Verehrt von unsern Vätern, die einst

Geglaubt an jede Schrulle.

 

Da war ein Schneider, der lächelnd sprach,

Daß gar nicht existiere

Die Nummer Drei, daß sie sich nur

Befinde auf dem Papiere.

 

Als solches hörte die arme Drei,

Wie eine verzweifelte Ente,

Sie wackelte hin, sie wackelte her,

Sie jammerte und flennte:

 

»Ich bin so alt wie das Meer und der Wald,

Wie die Stern', die am Himmel blinken;

Sah Reiche entstehn, sah Reiche vergehn

Und Völker aufsteigen und sinken.

 

Ich stand am schnurrenden Webstuhl der Zeit

Wohl manches lange Jahrtausend;

Ich sah der Natur in den schaffenden Bauch,

Das wogte brausend und sausend.

 

Und dennoch widerstand ich dem Sturm

Der sinnlich dunkeln Gewalten –

Ich habe meine Jungferschaft

In all dem Spektakel behalten.

 

Was hilft mir meine Tugend jetzt?

Mich höhnen Weise und Toren;

Die Welt ist schlecht und ungerecht,

Läßt niemand ungeschoren.

 

Doch tröste dich, mein Herz, dir blieb

Dein Lieben, Hoffen, Glauben,

Auch guter Kaffee und ein Schlückchen Rum,

Das kann keine Skepsis mir rauben.«

 

 

3.

Hoffart

O Gräfin Gudel von Gudelfeld,

Dir huldigt die Menschheit, denn du hast Geld!

Du wirst mit vieren kutschieren,

Man wird dich bei Hof präsentieren.

Es trägt dich die goldne Karosse

Zum kerzenschimmernden Schlosse;

Es rauschet deine Schleppe

Hinauf die Marmortreppe;

Dort oben, in bunten Reihen,

Da stehen die Diener und schreien:

»Madame la comtesse de Gudelfeld.«

 

Stolz, in der Hand den Fächer,

Wandelst du durch die Gemächer.

Belastet mit Diamanten

Und Perlen und Brüsseler Kanten,

Dein weißer Busen schwellet

Und freudig überquellet.

Das ist ein Lächeln und Nicken

Und Knicksen und tiefes Bücken!

Die Herzogin von Pavia,

Die nennt dich: »Cara mia.«

Die Junker und die Schranzen,

Die wollen mit dir tanzen;

Und der Krone witziger Erbe

Ruft laut im Saal: »Süperbe

Schwingt sie den Steiß, die Gudelfeld!«

 

Doch, Ärmste, hast du einst kein Geld,

Dreht dir den Rücken die ganze Welt.

Es werden die Lakaien

Auf deine Schleppe speien.

Statt Bückling und Scherwenzen

Gibt's nur Impertinenzen.

Die cara mia bekreuzt sich,

Und der Kronprinz ruft und schneuzt sich:

»Nach Knoblauch riecht die Gudelfeld.«

 

 

4.

Wandere!

Wenn dich ein Weib verraten hat,

So liebe flink eine andre;

Noch besser wär es, du ließest die Stadt –

Schnüre den Ranzen und wandre!

 

Du findest bald einen blauen See,

Umringt von Trauerweiden;

Hier weinst du aus dein kleines Weh

Und deine engen Leiden.

 

Wenn du den steilen Berg ersteigst,

Wirst du beträchtlich ächzen;

Doch wenn du den felsigen Gipfel erreichst,

Hörst du die Adler krächzen.

 

Dort wirst du selbst ein Adler fast,

Du bist wie neugeboren,

Du fühlst dich frei, du fühlst: du hast

Dort unten nicht viel verloren.

 

 

5.

Winter

Die Kälte kann wahrlich brennen

Wie Feuer. Die Menschenkinder

Im Schneegestöber rennen

Und laufen immer geschwinder.

 

Oh, bittre Winterhärte!

Die Nasen sind erfroren,

Und die Klavierkonzerte

Zerreißen uns die Ohren.

 

Weit besser ist es im Summer,

Da kann ich im Walde spazieren,

Allein mit meinem Kummer,

Und Liebeslieder skandieren.

 

 

6.

Altes Kaminstück

Draußen ziehen weiße Flocken

Durch die Nacht, der Sturm ist laut;

Hier im Stübchen ist es trocken,

Warm und einsam, stillvertraut.

 

Sinnend sitz ich auf dem Sessel,

An dem knisternden Kamin,

Kochend summt der Wasserkessel

Längst verklungne Melodien.

 

Und ein Kätzchen sitzt daneben,

Wärmt die Pfötchen an der Glut;

Und die Flammen schweben, weben,

Wundersam wird mir zumut'.

 

Dämmernd kommt heraufgestiegen

Manche längst vergeßne Zeit,

Wie mit bunten Maskenzügen

Und verblichner Herrlichkeit.

 

Schöne Fraun, mit kluger Miene,

Winken süßgeheimnisvoll,

Und dazwischen Harlekine

Springen, lachen, lustigtoll.

 

Ferne grüßen Marmorgötter,

Traumhaft neben ihnen stehn

Märchenblumen, deren Blätter

In dem Mondenlichte wehn.

 

Wackelnd kommt herbeigeschwommen

Manches alte Zauberschloß;

Hintendrein geritten kommen

Blanke Ritter, Knappentroß.

 

Und das alles zieht vorüber,

Schattenhastig übereilt –

Ach! da kocht der Kessel über,

Und das nasse Kätzchen heult.

 

 

7.

Sehnsüchtelei

In dem Traum siehst du die stillen

Fabelhaften Blumen prangen;

Und mit Sehnsucht und Verlangen

Ihre Düfte dich erfüllen.

 

Doch von diesen Blumen scheidet

Dich ein Abgrund tief und schaurig,

Und dein Herz wird endlich traurig,

Und es blutet und es leidet.

 

Wie sie locken, wie sie schimmern!

Ach, wie komm ich da hinüber?

Meister Hämmerling, mein Lieber,

Kannst du mir die Brücke zimmern?

 

 

8.

Helena

Du hast mich beschworen aus dem Grab

Durch deinen Zauberwillen,

Belebtest mich mit Wollustglut –

Jetzt kannst du die Glut nicht stillen.

 

Preß deinen Mund an meinen Mund,

Der Menschen Odem ist göttlich!

Ich trinke deine Seele aus,

Die Toten sind unersättlich.

 

 

9.

Kluge Sterne

Die Blumen erreicht der Fuß so leicht,

Auch werden zertreten die meisten;

Man geht vorbei und tritt entzwei

Die blöden wie die dreisten.

 

Die Perlen ruhn in Meerestruhn,

Doch weiß man sie aufzuspüren;

Man bohrt ein Loch und spannt sie ins Joch,

Ins Joch von seidenen Schnüren.

 

Die Sterne sind klug, sie halten mit Fug

Von unserer Erde sich ferne;

Am Himmelszelt, als Lichter der Welt,

Stehn ewig sicher die Sterne.

 

 

10.

Die Engel

Freilich, ein ungläub'ger Thomas,

Glaub ich an den Himmel nicht,

Den die Kirchenlehre Romas

Und Jerusalems verspricht.

 

Doch die Existenz der Engel,

Die bezweifelte ich nie;

Lichtgeschöpfe sonder Mängel,

Hier auf Erden wandeln sie.

 

Nur, genäd'ge Frau, die Flügel

Sprech ich jenen Wesen ab;

Engel gibt es ohne Flügel,

Wie ich selbst gesehen hab.

 

Lieblich mit den weißen Händen,

Lieblich mit dem schönen Blick

Schützen sie den Menschen, wenden

Von ihm ab das Mißgeschick.

 

Ihre Huld und ihre Gnaden

Trösten jeden, doch zumeist

Ihn, der doppelt qualbeladen,

Ihn, den man den Dichter heißt.

 

 

Zeitgedichte

 

1.

Doktrin

Schlage die Trommel und fürchte dich nicht,

Und küsse die Marketenderin!

Das ist die ganze Wissenschaft,

Das ist der Bücher tiefster Sinn.

 

Trommle die Leute aus dem Schlaf,

Trommle Reveille mit Jugendkraft,

Marschiere trommelnd immer voran,

Das ist die ganze Wissenschaft.

 

Das ist die Hegelsche Philosophie,

Das ist der Bücher tiefster Sinn!

Ich hab sie begriffen, weil ich gescheit,

Und weil ich ein guter Tambour bin.

 

 

2.

Adam der Erste

Du schicktest mit dem Flammenschwert

Den himmlischen Gendarmen,

Und jagtest mich aus dem Paradies,

Ganz ohne Recht und Erbarmen!

 

Ich ziehe fort mit meiner Frau

Nach andren Erdenländern;

Doch daß ich genossen des Wissens Frucht,

Das kannst du nicht mehr ändern.

 

Du kannst nicht ändern, daß ich weiß,

Wie sehr du klein und nichtig,

Und machst du dich auch noch so sehr

Durch Tod und Donnern wichtig.

 

O Gott! wie erbärmlich ist doch dies

Consilium abeundi!

Das nenne ich einen Magnifikus

Der Welt, ein lumen mundi!

 

Vermissen werde ich nimmermehr

Die paradiesischen Räume;

Das war kein wahres Paradies –

Es gab dort verbotene Bäume.

 

Ich will mein volles Freiheitsrecht!

Find ich die g'ringste Beschränknis,

Verwandelt sich mir das Paradies

In Hölle und Gefängnis.

 

 

3.

Warnung

Solche Bücher läßt du drucken!

Teurer Freund, du bist verloren!

Willst du Geld und Ehre haben,

Mußt du dich gehörig ducken.

 

Nimmer hätt ich dir geraten,

So zu sprechen vor dem Volke,

So zu sprechen von den Pfaffen

Und von hohen Potentaten!

 

Teurer Freund, du bist verloren!

Fürsten haben lange Arme,

Pfaffen haben lange Zungen,

Und das Volk hat lange Ohren!

 

 

4.

An einen ehemaligen Goetheaner

1832

 

Hast du wirklich dich erhoben

Aus dem müßig kalten Dunstkreis,

Womit einst der kluge Kunstgreis

Dich von Weimar aus umwoben?

 

G'nügt dir nicht mehr die Bekanntschaft

Seiner Klärchen, seiner Gretchen?

Fliehst du Serlos keusche Mädchen

Und Ottiliens Wahlverwandtschaft?

 

Nur Germanien willst du dienen,

Und mit Mignon ist's vorbei heut,

Und du strebst nach größrer Freiheit,

Als du fandest bei Philinen?

 

Für des Volkes Oberhoheit

Lünebürgertümlich kämpfst du,

Und mit kühnen Worten dämpfst du

Der Despoten Bundesroheit!

 

In der Fern' hör ich mit Freude,

Wie man voll von deinem Lob ist,

Und wie du der Mirabeau bist

Von der Lüneburger Heide!

 

 

5.

Geheimnis

Wir seufzen nicht, das Aug' ist trocken,

Wir lächeln oft, wir lachen gar!

In keinem Blick, in keiner Miene,

Wird das Geheimnis offenbar.

 

Mit seinen stummen Qualen liegt es

In unsrer Seele blut'gem Grund;

Wird es auch laut im wilden Herzen,

Krampfhaft verschlossen bleibt der Mund.

 

Frag du den Säugling in der Wiege,

Frag du die Toten in dem Grab,

Vielleicht daß diese dir entdecken,

Was ich dir stets verschwiegen hab.

 

 

6.

Bei des Nachtwächters Ankunft zu Paris

»Nachtwächter mit langen Fortschrittsbeinen,

Du kommst so verstört einhergerannt!

Wie geht es daheim den lieben Meinen,

Ist schon befreit das Vaterland?«

 

»Vortrefflich geht es, der stille Segen,

Er wuchert im sittlich gehüteten Haus,

Und ruhig und sicher, auf friedlichen Wegen,

Entwickelt sich Deutschland von innen heraus.

 

Nicht oberflächlich wie Frankreich blüht es,

Wo Freiheit das äußere Leben bewegt;

Nur in der Tiefe des Gemütes

Ein deutscher Mann die Freiheit trägt.

 

Der Dom zu Köllen wird vollendet,

Den Hohenzollern verdanken wir das;

Habsburg hat auch dazu gespendet,

Ein Wittelsbach schickt Fensterglas.

 

Die Konstitution, die Freiheitsgesetze,

Sie sind uns versprochen, wir haben das Wort,

Und Königsworte, das sind Schätze,

Wie tief im Rhein der Niblungshort.

 

Der freie Rhein, der Brutus der Flüsse,

Er wird uns nimmermehr geraubt!

Die Holländer binden ihm die Füße,

Die Schwyzer halten fest sein Haupt.

 

Auch eine Flotte will Gott uns bescheren,

Die patriotische Überkraft

Wird lustig rudern auf deutschen Galeeren;

Die Festungsstrafe wird abgeschafft.

 

Es blüht der Lenz, es platzen die Schoten,

Wir atmen frei in der freien Natur!

Und wird uns der ganze Verlag verboten,

So schwindet am Ende von selbst die Zensur.«

 

 

7.

Der Tambourmajor

Das ist der alte Tambourmajor,

Wie ist er jetzt herunter!

Zur Kaiserzeit stand er in Flor,

Da war er glücklich und munter.

 

Er balancierte den großen Stock,

Mit lachendem Gesichte;

Die silbernen Tressen auf seinem Rock,

Die glänzten im Sonnenlichte.

 

Wenn er mit Trommelwirbelschall

Einzog in Städten und Städtchen,

Da schlug das Herz im Widerhall

Den Weibern und den Mädchen.

 

Er kam und sah und siegte leicht

Wohl über alle Schönen;

Sein schwarzer Schnurrbart wurde feucht

Von deutschen Frauentränen.

 

Wir mußten es dulden! In jedem Land,

Wo die fremden Eroberer kamen,

Der Kaiser die Herren überwand,

Der Tambourmajor die Damen.

 

Wir haben lange getragen das Leid,

Geduldig wie deutsche Eichen,

Bis endlich die hohe Obrigkeit

Uns gab das Befreiungszeichen.

 

Wie in der Kampfbahn der Auerochs

Erhuben wir unsere Hörner,

Entledigten uns des fränkischen Jochs

Und sangen die Lieder von Körner.

 

Entsetzliche Verse! sie klangen ins Ohr

Gar schauderhaft den Tyrannen!

Der Kaiser und der Tambourmajor,

Sie flohen erschrocken von dannen.

 

Sie ernteten beide den Sündenlohn

Und nahmen ein schlechtes Ende.

Es fiel der Kaiser Napoleon

Den Briten in die Hände.

 

Wohl auf der Insel Sankt Helena,

Sie marterten ihn gar schändlich;

Am Magenkrebse starb er da

Nach langen Leiden endlich.

 

Der Tambourmajor, er ward entsetzt

Gleichfalls von seiner Stelle.

Um nicht zu verhungern, dient er jetzt

Als Hausknecht in unserm Hotele.

 

Er heizt den Ofen, er fegt den Topf,

Muß Holz und Wasser schleppen.

Mit seinem wackelnd greisen Kopf

Keucht er herauf die Treppen.

 

Wenn mich der Fritz besucht, so kann

Er nicht den Spaß sich versagen,

Den drollig schlotternd langen Mann

Zu nergeln und zu plagen.

 

»Laß ab mit Spöttelei'n, o Fritz!

Es ziemt Germanias Söhnen

Wohl nimmermehr, mit schlechtem Witz

Gefallene Größe zu höhnen.

 

Du solltest mit Pietät, mich deucht,

Behandeln solche Leute;

Der Alte ist dein Vater vielleicht

Von mütterlicher Seite.«

 

 

8.

Entartung

Hat die Natur sich auch verschlechtert,

Und nimmt sie Menschenfehler an?

Mich dünkt, die Pflanzen und die Tiere,

Sie lügen jetzt wie jedermann.

 

Ich glaub nicht an der Lilie Keuschheit,

Es buhlt mit ihr der bunte Geck,

Der Schmetterling; er küßt und flattert

Am End' mit ihrer Unschuld weg.

 

Von der Bescheidenheit der Veilchen

Halt ich nicht viel. Die kleine Blum',

Mit den koketten Düften lockt sie,

Und heimlich dürstet sie nach Ruhm.

 

Ich zweifle auch, ob sie empfindet,

Die Nachtigall, das, was sie singt;

Sie übertreibt und schluchzt und trillert

Nur aus Routine, wie mich dünkt.

 

Die Wahrheit schwindet von der Erde,

Auch mit der Treu' ist es vorbei.

Die Hunde wedeln noch und stinken

Wie sonst, doch sind sie nicht mehr treu.

 

 

9.

Heinrich

Auf dem Schloßhof zu Canossa

Steht der deutsche Kaiser Heinrich,

Barfuß und im Büßerhemde,

Und die Nacht ist kalt und regnicht.

 

Droben aus dem Fenster lugen

Zwo Gestalten, und der Mondschein

Überflimmert Gregors Kahlkopf

Und die Brüste der Mathildis.

 

Heinrich, mit den blassen Lippen,

Murmelt fromme Paternoster;

Doch im tiefen Kaiserherzen

Heimlich knirscht er, heimlich spricht er:

 

»Fern in meinen deutschen Landen

Heben sich die starken Berge,

Und im stillen Bergesschachte

Wächst das Eisen für die Streitaxt.

 

Fern in meinen deutschen Landen

Heben sich die Eichenwälder,

Und im Stamm der höchsten Eiche

Wächst der Holzstiel für die Streitaxt.

 

Du, mein liebes treues Deutschland,

Du wirst auch den Mann gebären,

Der die Schlange meiner Qualen

Niederschmettert mit der Streitaxt.«

 

 

10.

Lebensfahrt

Ein Lachen und Singen! Es blitzen und gaukeln

Die Sonnenlichter. Die Wellen schaukeln

Den lustigen Kahn. Ich saß darin

Mit lieben Freunden und leichtem Sinn.

 

Der Kahn zerbrach in eitel Trümmer,

Die Freunde waren schlechte Schwimmer,

Sie gingen unter, im Vaterland;

Mich warf der Sturm an den Seinestrand.

 

Ich hab ein neues Schiff bestiegen,

Mit neuen Genossen; es wogen und wiegen

Die fremden Fluten mich hin und her –

Wie fern die Heimat! mein Herz wie schwer!

 

Und das ist wieder ein Singen und Lachen –

Es pfeift der Wind, die Planken krachen –

Am Himmel erlischt der letzte Stern –

Wie schwer mein Herz! die Heimat wie fern!

 

 

11.

Das neue israelitische Hospital zu Hamburg

Ein Hospital für arme, kranke Juden,

Für Menschenkinder, welche dreifach elend,

Behaftet mit den bösen drei Gebresten,

Mit Armut, Körperschmerz und Judentume!

 

Das schlimmste von den dreien ist das letzte,

Das tausendjährige Familienübel,

Die aus dem Niltal mitgeschleppte Plage,

Der altägyptisch ungesunde Glauben.

 

Unheilbar tiefes Leid! Dagegen helfen

Nicht Dampfbad, Dusche, nicht die Apparate

Der Chirurgie, noch all die Arzeneien,

Die dieses Haus den siechen Gästen bietet.

 

Wird einst die Zeit, die ew'ge Göttin, tilgen

Das dunkle Weh, das sich vererbt vom Vater

Herunter auf den Sohn – wird einst der Enkel

Genesen und vernünftig sein und glücklich?

 

Ich weiß es nicht! Doch mittlerweile wollen

Wir preisen jenes Herz, das klug und liebreich

Zu lindern suchte, was der Lindrung fähig,

Zeitlichen Balsam träufelnd in die Wunden.

 

Der teure Mann! Er baute hier ein Obdach

Für Leiden, welche heilbar durch die Künste

Des Arztes (oder auch des Todes!), sorgte

Für Polster, Labetrank, Wartung und Pflege –

 

Ein Mann der Tat, tat er, was eben tunlich;

Für gute Werke gab er hin den Taglohn

Am Abend seines Lebens, menschenfreundlich,

Durch Wohltun sich erholend von der Arbeit.

 

Er gab mit reicher Hand – doch reichre Spende

Entrollte manchmal seinem Aug', die Träne,

Die kostbar schöne Träne, die er weinte

Ob der unheilbar großen Brüderkrankheit.

 

 

12.

Georg Herwegh

Mein Deutschland trank sich einen Zopf,

Und du, du glaubtest den Toasten!

Du glaubtest jedem Pfeifenkopf

Und seinen schwarzrotgoldnen Quasten.

 

Doch als der holde Rausch entwich,

Mein teurer Freund, du warst betroffen –

Das Volk wie katzenjämmerlich,

Das eben noch so schön besoffen!

 

Ein schimpfender Bedientenschwarm,

Und faule Äpfel statt der Kränze –

An jeder Seite ein Gendarm,

Erreichtest endlich du die Grenze.

 

Dort bleibst du stehn. Wehmut ergreift

Dich bei dem Anblick jener Pfähle,

Die wie das Zebra sind gestreift,

Und Seufzer dringen aus der Seele:

 

»Aranjuez, in deinem Sand,

Wie schnell die schönen Tage schwanden,

Wo ich vor König Philipp stand

Und seinen uckermärk'schen Granden.

 

Er hat mir Beifall zugenickt,

Als ich gespielt den Marquis Posa;

In Versen hab ich ihn entzückt,

Doch ihm gefiel nicht meine Prosa.«

 

 

13.

Die Tendenz

Deutscher Sänger! sing und preise

Deutsche Freiheit, daß dein Lied

Unsrer Seelen sich bemeistre

Und zu Taten uns begeistre,

In Marseillerhymnenweise.

 

Girre nicht mehr wie ein Werther,

Welcher nur für Lotten glüht –

Was die Glocke hat geschlagen,

Sollst du deinem Volke sagen,

Rede Dolche, rede Schwerter!

 

Sei nicht mehr die weiche Flöte,

Das idyllische Gemüt –

Sei des Vaterlands Posaune,

Sei Kanone, sei Kartaune,

Blase, schmettre, donnre, töte!

 

Blase, schmettre, donnre täglich,

Bis der letzte Dränger flieht –

Singe nur in dieser Richtung,

Aber halte deine Dichtung

Nur so allgemein als möglich.

14.

Das Kind

 

Den Frommen schenkt's der Herr im Traum,

Weißt nicht, wie dir geschah!

Du kriegst ein Kind und merkst es kaum,

Jungfrau Germania.

 

Es windet sich ein Bübelein

Von deiner Nabelschnur,

Es wird ein hübscher Schütze sein,

Als wie der Gott Amour.

 

Trifft einst in höchster Luft den Aar,

Und flög er noch so stolz,

Den doppelköpfigen sogar

Erreicht sein guter Bolz.

 

Doch nicht wie jener blinde Heid',

Nicht wie der Liebesgott,

Soll er sich ohne Hos' und Kleid

Zeigen als Sansculott'.

 

Bei uns zu Land die Witterung,

Moral und Polizei

Gebieten streng, daß alt und jung

Leiblich bekleidet sei.

 

 

15.

Verheißung

Nicht mehr barfuß sollst du traben,

Deutsche Freiheit, durch die Sümpfe,

Endlich kommst du auf die Strümpfe,

Und auch Stiefeln sollst du haben!

 

Auf dem Haupte sollst du tragen

Eine warme Pudelmütze,

Daß sie dir die Ohren schütze

In den kalten Wintertagen.

 

Du bekommst sogar zu essen –

Eine große Zukunft naht dir! –

Laß dich nur vom welschen Satyr

Nicht verlocken zu Exzessen!

 

Werde nur nicht dreist und dreister!

Setz nicht den Respekt beiseiten

Vor den hohen Obrigkeiten

Und dem Herren Bürgermeister!

 

 

16.

Der Wechselbalg

Ein Kind mit großem Kürbiskopf,

Hellblondem Schnurrbart, greisem Zopf,

Mit spinnig langen, doch starken Ärmchen,

Mit Riesenmagen, doch kurzen Gedärmchen –

Ein Wechselbalg, den ein Korporal,

Anstatt des Säuglings, den er stahl,

Heimlich gelegt in unsre Wiege –

Die Mißgeburt, die mit der Lüge,

Mit seinem geliebten Windspiel vielleicht,

Der alte Sodomiter gezeugt –

Nicht brauch ich das Ungetüm zu nennen –

Ihr sollt es ersäufen oder verbrennen!

 

 

17.

Der Kaiser von China

Mein Vater war ein trockner Taps,

Ein nüchterner Duckmäuser,

Ich aber trinke meinen Schnaps

Und bin ein großer Kaiser.

 

Das ist ein Zaubertrank! Ich hab's

Entdeckt in meinem Gemüte:

Sobald ich getrunken meinen Schnaps,

Steht China ganz in Blüte.

 

Das Reich der Mitte verwandelt sich dann

In einen Blumenanger,

Ich selber werde fast ein Mann,

Und meine Frau wird schwanger.

 

Allüberall ist Überfluß,

Und es gesunden die Kranken;

Mein Hofweltweiser Confusius

Bekömmt die klarsten Gedanken.

 

Der Pumpernickel des Soldats

Wird Mandelkuchen – O Freude!

Und alle Lumpen meines Staats

Spazieren in Samt und Seide.

 

Die Mandarinenritterschaft,

Die invaliden Köpfe,

Gewinnen wieder Jugendkraft

Und schütteln ihre Zöpfe.

 

Die große Pagode, Symbol und Hort

Des Glaubens, ist fertig geworden;

Die letzten Juden taufen sich dort

Und kriegen den Drachenorden.

 

Es schwindet der Geist der Revolution,

Und es rufen die edelsten Mandschu:

»Wir wollen keine Konstitution,

Wir wollen den Stock, den Kantschu!«

 

Wohl haben die Schüler Äskulaps

Das Trinken mir widerraten,

Ich aber trinke meinen Schnaps

Zum Besten meiner Staaten.

 

Und noch einen Schnaps, und noch einen Schnaps!

Das schmeckt wie lauter Manna!

Mein Volk ist glücklich, hat's auch den Raps,

Und jubelt: »Hosianna!«

 

18.

Kirchenrat Prometheus

Ritter Paulus, edler Räuber,

Mit gerunzelt düstren Stirnen

Schaun die Götter auf dich nieder,

Dich bedroht das höchste Zürnen,

 

Ob dem Raube, ob dem Diebstahl,

Den du im Olymp begangen –

Fürchte des Prometheus Schicksal,

Wenn dich Jovis Häscher fangen!

 

Freilich, jener stahl noch Schlimmres,

Stahl das Licht, die Flammenkräfte,

Um die Menschheit zu erleuchten –

Du, du stahlest Schellings Hefte,

 

Just das Gegenteil des Lichtes,

Finsternis, die man betastet,

Die man greifen kann wie jene,

Die Ägypten einst belastet.

 

 

19.

An den Nachtwächter

Bei späterer Gelegenheit

 

Verschlechtert sich nicht dein Herz und dein Stil,

So magst du treiben jedwedes Spiel;

Mein Freund, ich werde dich nie verkennen,

Und sollt ich dich auch Herr Hofrat nennen.

 

Sie machen jetzt ein großes Geschrei,

Von wegen deiner Verhofräterei,

Vom Seinestrand bis an der Elbe

Hört ich seit Monden immer dasselbe:

 

Die Fortschrittsbeine hätten sich

In Rückschrittsbeine verwandelt – Oh, sprich,

Reitest du wirklich auf schwäbischen Krebsen?

Äugelst du wirklich mit fürstlichen Kebsen?

 

Vielleicht bist du müde und sehnst dich nach Schlaf.

Du hast die Nacht hindurch so brav

Geblasen, jetzt hängst du das Horn an den Nagel,

Mag tuten, wer will, für den deutschen Janhagel!

 

Du legst dich zu Bette und schließest zu

Die Augen, doch läßt man dich nicht in Ruh'.

Vor deinem Fenster spotten die Schreier:

»Brutus, du schläfst? Wach auf, Befreier!«

 

Ach! so ein Schreier weiß nicht, warum

Der beste Nachtwächter wird endlich stumm,

Es ahndet nicht so ein junger Maulheld,

Warum der Mensch am End' das Maul hält.

 

Du fragst mich, wie es uns hier ergeht?

Hier ist es still, kein Windchen weht,

Die Wetterfahnen sind sehr verlegen,

Sie wissen nicht, wohin sich bewegen...

 

 

20.

Zur Beruhigung

Wir schlafen ganz, wie Brutus schlief –

Doch jener erwachte und bohrte tief

In Cäsars Brust das kalte Messer!

Die Römer waren Tyrannenfresser.

 

Wir sind keine Römer, wir rauchen Tabak.

Ein jedes Volk hat seinen Geschmack,

Ein jedes Volk hat seine Größe;

In Schwaben kocht man die besten Klöße.

 

Wir sind Germanen, gemütlich und brav,

Wir schlafen gesunden Pflanzenschlaf,

Und wenn wir erwachen, pflegt uns zu dürsten,

Doch nicht nach dem Blute unserer Fürsten.

 

Wir sind so treu wie Eichenholz,

Auch Lindenholz, drauf sind wir stolz;

Im Land der Eichen und der Linden

Wird niemals sich ein Brutus finden.

 

Und wenn auch ein Brutus unter uns wär,

Den Cäsar fänd er nimmermehr,

Vergeblich würd er den Cäsar suchen;

Wir haben gute Pfefferkuchen.

 

Wir haben sechsunddreißig Herrn

(Ist nicht zuviel!), und einen Stern

Trägt jeder schützend auf seinem Herzen,

Und er braucht nicht zu fürchten die Iden des Märzen.

 

Wir nennen sie Väter, und Vaterland

Benennen wir dasjenige Land,

Das erbeigentümlich gehört den Fürsten;

Wir lieben auch Sauerkraut mit Würsten.

 

Wenn unser Vater spazierengeht,

Ziehn wir den Hut mit Pietät;

Deutschland, die fromme Kinderstube,

Ist keine römische Mördergrube.

 

 

21.

Verkehrte Welt

Das ist ja die verkehrte Welt,

Wir gehen auf den Köpfen!

Die Jäger werden dutzendweis'

Erschossen von den Schnepfen.

 

Die Kälber braten jetzt den Koch,

Auf Menschen reiten die Gäule;

Für Lehrfreiheit und Rechte des Lichts

Kämpft die katholische Eule.

 

Der Häring wird ein Sansculott',

Die Wahrheit sagt uns Bettine,

Und ein gestiefelter Kater bringt

Den Sophokles auf die Bühne.

 

Ein Affe läßt ein Pantheon

Erbauen für deutsche Helden.

Der Maßmann hat sich jüngst gekämmt,

Wie deutsche Blätter melden.

 

Germanische Bären glauben nicht mehr

Und werden Atheisten;

Jedoch die französischen Papagei'n,

Die werden gute Christen.

 

Im uckermärk'schen Moniteur,

Da hat man's am tollsten getrieben:

Ein Toter hat dem Lebenden dort

Die schnödeste Grabschrift geschrieben.

 

Laßt uns nicht schwimmen gegen den Strom,

Ihr Brüder! Es hilft uns wenig!

Laßt uns besteigen den Templower Berg

Und rufen: »Es lebe der König!«

 

 

22.

Erleuchtung

Michel! fallen dir die Schuppen

Von den Augen? Merkst du itzt,

Daß man dir die besten Suppen

Vor dem Maule wegstibitzt?

 

Als Ersatz ward dir versprochen

Reinverklärte Himmelsfreud'

Droben, wo die Engel kochen

Ohne Fleisch die Seligkeit!

 

Michel! wird dein Glaube schwächer

Oder stärker dein App'tit?

Du ergreifst den Lebensbecher,

Und du singst ein Heidenlied!

 

Michel! fürchte nichts und labe

Schon hienieden deinen Wanst,

Später liegen wir im Grabe,

Wo du still verdauen kannst.

 

 

23.

Wartet nur

Weil ich so ganz vorzüglich blitze,

Glaubt ihr, daß ich nicht donnern könnt!

Ihr irrt euch sehr, denn ich besitze

Gleichfalls fürs Donnern ein Talent.

 

Es wird sich grausenhaft bewähren,

Wenn einst erscheint der rechte Tag;

Dann sollt ihr meine Stimme hören,

Das Donnerwort, den Wetterschlag.

 

Gar manche Eiche wird zersplittern

An jenem Tag der wilde Sturm,

Gar mancher Palast wird erzittern

Und stürzen mancher Kirchenturm!

 

 

24.

Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland in der Nacht,

Dann bin ich um den Schlaf gebracht,

Ich kann nicht mehr die Augen schließen.

Und meine heißen Tränen fließen.

 

Die Jahre kommen und vergehn!

Seit ich die Mutter nicht gesehn,

Zwölf Jahre sind schon hingegangen;

Es wächst mein Sehnen und Verlangen.

 

Mein Sehnen und Verlangen wächst.

Die alte Frau hat mich behext,

Ich denke immer an die alte,

Die alte Frau, die Gott erhalte!

 

Die alte Frau hat mich so lieb,

Und in den Briefen, die sie schrieb,

Seh ich, wie ihre Hand gezittert,

Wie tief das Mutterherz erschüttert.

 

Die Mutter liegt mir stets im Sinn.

Zwölf lange Jahre flossen hin,

Zwölf lange Jahre sind verflossen,

Seit ich sie nicht ans Herz geschlossen.

 

Deutschland hat ewigen Bestand,

Es ist ein kerngesundes Land;

Mit seinen Eichen, seinen Linden,

Werd ich es immer wiederfinden.

 

Nach Deutschland lechzt' ich nicht so sehr,

Wenn nicht die Mutter dorten wär;

Das Vaterland wird nie verderben,

Jedoch die alte Frau kann sterben.

 

Seit ich das Land verlassen hab,

So viele sanken dort ins Grab,

Die ich geliebt – wenn ich sie zähle,

So will verbluten meine Seele.

 

Und zählen muß ich – Mit der Zahl

Schwillt immer höher meine Qual,

Mir ist, als wälzten sich die Leichen

Auf meine Brust – Gottlob! sie weichen!

 

Gottlob! durch meine Fenster bricht

Französisch heitres Tageslicht;

Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,

Und lächelt fort die deutschen Sorgen.

 

 

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