Und da nun der Kobold so von dem in Anspruch genommen war, was er vorhatte, dass er weder sah noch hörte, so dachte der Junge, es würde ein Spaß sein, ihm einen Streich zu spielen, ihn in die Kiste hinunterzustoßen und den Deckel zuzuschlagen oder etwas Ähnliches.

 

Aber der Junge war doch nicht so mutig, dass er den Kobold mit den Händen zu berühren wagte, und er sah sich deswegen in der Stube nach etwas um, womit er ihn hinunterstoßen könne. Seine Augen wanderten von der Bettbank nach dem Klapptisch und von dem Klapptisch nach dem Feuerherd. Er sah nach den Kochtöpfen und dem Kaffeekessel, die auf einem Gesims neben dem Feuerherd standen, nach dem Wassereimer an der Tür hinüber und nach den Kellen und Messern und Gabeln und Schüsseln und Tellern, die er durch die halbgeöffnete Schranktür sehen konnte. Er guckte zu des Vaters Flinte hinauf, die an der Wand neben den Bildern der dänischen Königsfamilie hing, und zu den Pelargonien und Fuchsien hinüber, die im Fenster blühten. Schließlich fiel sein Blick auf einen alten Fliegenfänger, der im Fensterrahmen hing.

 

Kaum hatte er den Fliegenfänger erblickt, als er ihn ergriff und hinlief und ihn am Rande der Truhe entlangschwenkte. Und er war selbst erstaunt über sein Glück. Er begriff kaum, wie es zugegangen war, aber er hatte den Kobold wirklich gefangen. Der Ärmste lag auf dem Grunde des tiefen Fliegenfängers, den Kopf nach unten und konnte nicht in die Höhe kommen.

 

Im ersten Augenblick wusste der Junge gar nicht, was er mit seinem Fang machen sollte. Er sorgte nur dafür, den Fliegenfänger hin und her zu schwingen, damit der Kobold keine Gelegenheit fand, hinaufzuklettern.

 

Der Kobold begann zu sprechen und bat so flehentlich, in Freiheit gesetzt zu werden. Er sagte, er habe ihnen seit vielen Jahren Gutes getan und verdiene eine bessere Behandlung. Wenn der Junge ihn nun freiließ, wollte er ihm einen alten Speziestaler, einen silbernen Löffel und ein Geldstück schenken, das so groß sei wie der Deckel von seines Vaters silberner Uhr.

 

Der Junge fand ja gerade nicht, dass dies ein großes Anerbieten war, aber seit er den Kobold in seiner Macht hatte, war er bange vor ihm geworden. Er merkte, dass er sich auf etwas eingelassen hatte, was fremd und unheimlich war und daher nicht zu seiner Welt gehörte, und er freute sich nur, ihn loszuwerden.

 

Deswegen schlug er sofort ein und hielt den Fliegenfänger still, damit der Kobold herauskommen konnte. Aber als der Kobold beinahe oben war, fiel dem Jungen ein, dass er sich größere Reichtümer und alle möglichen Herrlichkeiten hätte ausbedingen sollen. Zum mindesten hätte er die Bedingung stellen sollen, dass ihm der Kobold die Predigt in den Kopf hineingehext hätte. »Wie dumm war ich, dass ich ihn losließ,« dachte er und fing an, den Fliegenfänger zu schütteln, damit der Kobold wieder hinunterfallen sollte.

 

Aber im selben Augenblick, als der Junge das tat, bekam er eine so gewaltige Ohrfeige, dass er glaubte, sein Kopf müsste zerspringen. Er flog erst nach der einen Wand hinüber und dann nach der anderen, schließlich fiel er auf dem Fußboden um, und dort blieb er besinnungslos liegen.

 

Als er wieder erwachte, war er allein in der Stube. Von dem Kobold war keine Spur zu sehen. Der Deckel der Truhe war geschlossen, und der Fliegenfänger hing an seinem gewohnten Platz am Fenster. Hätte er nicht gefühlt, wie seine rechte Wange infolge der Ohrfeige brannte, so hätte er versucht sein können zu glauben, dass das Ganze ein Traum gewesen. »Aber Vater und Mutter werden doch behaupten, dass es nichts weiter gewesen ist,« dachte er. »Die ziehen aus Rücksicht auf den Kobold gewiss nichts ab. Es wird wohl am besten sein, wenn ich mich wieder hinsetze und lese.«

 

Aber als er an den Tisch herantrat, entdeckte er etwas Wunderliches. Es war doch unmöglich, dass die Stube größer geworden war. Woher konnte es denn aber nur kommen, dass er viel mehr Schritte machen musste als sonst, um an den Tisch zu gelangen? Und was war denn in den Stuhl gefahren? Er sah nicht aus, als wenn er größer wäre als früher, aber er musste erst auf die Sprosse zwischen den Stuhlbeinen steigen und dann klettern, um auf den Sitz zu gelangen. Und ebenso war es mit dem Tisch. Er konnte nicht über die Tischplatte sehen, ohne auf die Stuhllehne zu klettern.

 

»Was in aller Welt ist das nur?« sagte der Junge. »Der Kobold wird doch nicht den Lehnstuhl und den Tisch und auch das ganze Haus verhext haben!«

 

Die Postille lag auf dem Tisch, und sie sah so aus wie früher, aber auch damit musste etwas nicht in der Ordnung sein, denn er konnte nicht dazu kommen, ein Wort zu lesen, ohne dass er geradezu mitten auf dem Buch stand.

 

Er las einige Zeilen, aber dann sah er zufällig auf. Dabei fiel sein Auge in den Spiegel, und da rief er plötzlich ganz laut: »Aber da ist ja noch einer!«

 

Denn im Spiegel sah er ganz deutlich einen winzig kleinen Burschen in Zipfelmütze und Lederhose.

 

»Der ist ja genau so gekleidet wie ich,« sagte der Junge und schlug die Hände vor Erstaunen zusammen. Aber da sah er, dass der kleine Bursche im Spiegel dasselbe tat.

 

Da zupfte er sich selber im Haar und kniff sich in den Arm und drehte sich rund herum, und augenblicklich machte der im Spiegel es ihm nach.

 

Der Junge lief ein paar Mal rund um den Spiegel herum, um zu sehen, ob sich ein Männlein dahinter versteckt hielt. Aber da war keins, und da begann er vor Angst zu zittern.