Wenn es Euch recht ist, wollen wir uns unserer Muttersprache bedienen?«
»Wie? Auch Ihr habt die gleiche Heimath?«
»Vater ist ein Deutscher, geboren bin ich am Quicourt. Meine Mutter war eine Indianerin vom Stamme der Assineboins. Eine Amerikanerin wäre Euch wohl in anderer Weise begegnet.«
Jetzt war mir der eigenthümliche Schnitt ihres Gesichtes und der tiefere Schatten des Teints erklärlich. Ihre Mutter war also todt, und der Vater lebte noch. Hier stieß ich jedenfalls auf außergewöhnliche Verhältnisse, und es war mehr als bloße Neugierde, welche ich jetzt für dieselben empfand.
»Seht da hinüber!« belehrte sie mich mit erhobenem Arme. »Seht Ihr den Rauch wie aus dem Boden aufsteigen?«
»Ah, das ist der Bluff, welchen ich schon längst suchte, und in dessen Senkung New-Venango liegt. Kennt Ihr Emery Forster, den Oelprinzen?«
»Ein Wenig. Er ist der Vater von meines Bruders Frau, welche mit ihrem Manne in Omaha lebt. Ich komme von daher, um den Vater zu sehen und habe hier Absteigequartier genommen. Habt Ihr mit Forster zu thun, Sir?«
»Nein, ich habe im Store (Laden) zu thun, um mich mit Einigem zu versorgen und fragte nur, weil er als einer der bedeutendsten Oelprinzen bekannt ist.«
»Könnte Euch auch nicht viel an ihm empfehlen. Ihr wißt ja, wie diese Leute sind. Doch, laßt uns aus greifen, es wird Abend.«
Nach kurzer Zeit hielten wir am Rande der Schlucht und blickten auf die kleine Niederlassung, deren Häuserzahl wenigstens ich mir höher vorgestellt hatte. Das vor uns liegende Thal bildete eine schmale Pfanne, welche, rings von steil ansteigenden Felsen umschlossen, in ihrer Mitte von einem ansehnlichen Flusse durchströmt wurde, der sich zwischen nahe zusammentretendem Gestein unten einen Ausweg suchte. Das ganze unter uns liegende Terrain war mit Anlagen, wie sie die Petroleumerzeugung erfordert, bedeckt; oben, ganz nahe am Wasser, sah ich einen Erdbohrer in voller Thätigkeit; am mittleren Laufe stand etwas vor den eigentlichen Fabrikräumlichkeiten ein trotz des Interims doch ganz stattliches Wohngebäude, und wo das Auge nur hinblickte, waren Dauben, Böden und fertige Fässer, theils leer, meist aber mit dem vielbegehrten Brennstoff gefüllt, zu sehen.
»Da drüben seht Ihr den Store, Sir, zugleich Restauration und alles sonst noch Mögliche, und hier führt der Weg hinab, ein Wenig steil, so daß wir absteigen müssen, aber doch immer noch ohne Lebensgefahr zu passiren. Wollt Ihr mitkommen?«
Rasch schnellte ich mich aus dem Sattel, um ihr beim Absteigen behülflich zu sein. Aber ich kam zu spät; denn schon stand sie mit aufgenommenem Kleide vor mir und rief mit goldenem Lachen:
»Danke! Man gewöhnt sich hier, dergleichen Aufmerksamkeiten nicht zu beanspruchen. Nehmt Euer Thier an die Hand.«
»Swallow kommt von selbst nach, Miß; erlaubt mir das Eurige.«
Ich ergriff die Zügel der Stute, und während mein Mustang ohne besondere Aufforderung nachfolgte, hatte ich Gelegenheit, an der Vorangehenden die Gewandheit und Sicherheit des Schrittes zu bewundern. Diese Uebung hatte sie sich ganz bestimmt nicht im Institute aneignen können, und mein Interesse an dem wundervollen Wesen wuchs von Minute zu Minute.
Auf der Sohle des Thales angekommen, bestiegen wir die Pferde wieder und hielten in raschem Tempo auf den Store zu.
»Forster steht unter der Thür; er wird mich wohl nicht vorüberlassen.«
Der Bezeichnete war eine lange, hagere Gestalt mit ächter Yankeephysiognomie.
»Stop, Ellen; hier wird abgestiegen! In welche Gesellschaft bist Du denn da gerathen?«
Es lag in Ton und Wort nicht die mindeste Höflichkeit für mich, und ebenso bekümmerte er sich nicht im mindesten um das Mädchen, sondern trat sofort zu meinem Pferde.
»Hm – hm – hab's gleich von Weitem bemerkt – hm – hm – das Thier muß man kaufen – was meint Ihr, Fenders?«
Der Angeredete war ein Mann mit vertrunkenen Gesichtszügen und jedenfalls ein Irländer. Ich vermuthete den Wirth in ihm, schritt aber, ohne die Beiden weiter zu beachten, dem Mädchen nach, welches in den Boarraum gegangen war. Sie empfing mich mit den Worten:
»Wenn Ihr das Pferd ja verkauft, so laßt es mir; ich zahle Euch dasselbe wie Forster.«
»Welches Pferd?« riefen einige Leute, welche am Tische standen und traten, nachdem sie einen Blick durch das Fenster geworfen hatten, hinaus, worauf sich ein lebhafter Wortwechsel draußen erhob, am Schlusse dessen Forster Miene machte, das Thier zur Probe zu besteigen. Ich öffnete das Fenster.
»Swallow!«
Das folgsame Thier schüttelte den Zudringlichen mit einem jähen Seitensprunge ab und kam herbei. Ich band die Zügel an das Fensterkreuz.
»Glaubt Ihr, das ich Euch das Pferd stehlen will, Herr?« fuhr mich der Abgeworfene an. »Ich werde es kaufen und kann also wohl auch erst einmal aufsitzen. Gebt her!«
»Ich denke, es Euch noch nicht angeboten zu haben, Sir. Der Hengst ist müde; laßt ihn in Ruhe!«
»Oho! Ihr scheint ja ein ganz resoluter Junge zu sein. Man muß Euch wirklich einmal näher ansehen!«
Er wandte sich nach der Thür und trat an der Spitze der Uebrigen in das Zimmer. Nach einem kurzen Blick auf mich meinte er mit geringschätzendem Schütteln des Kopfes:
»Würde Euch auch besser stehen, hübsch artig zu sein! Scheint mir ganz, als ob Ihr ein gutes Handgeld gebrauchen könntet.«
»Ist nicht Eure Sache, Mann, sondern die meinige. Werde mit meinen Angelegenheiten schon selbst fertig!«
»Good lack, klingt das wichtig! Doch will ich verständig sein und Euch hundertfünfzig Dollars bieten.«
»Ist mir nicht feil, das Pferd.«
»Hundert fünfundsiebenzig!«
»Ist mir nicht feil!«
»Zwei Hundert, aber nicht fünf Cents mehr.«
»Ist mir nicht feil, zum dritten Male; und nun laßt mich in Ruhe!«
»Ihr seid ein Grobian, der froh sein sollte, wenn ein Gentlemen ihm zu einem ganzen Zeuge verhilft. Wißt Ihr das?«
»Pah!«
Ich begnügte mich, diesen einen Laut auszusprechen, trotzdem ein Anderer jedenfalls zur Waffe gegriffen hätte.
Meine Meinung über das Duell, über Beleidigung und Genugthuung waren eben nicht die landläufigen, und wer daheim ein Paar arme, alte Eltern hat, welche ihre ganze Hoffnung allein nur auf ihn gesetzt haben, der setzt sein Leben nur dann ein, wenn es sich um Würdigeres als die Fausthöflichkeit eines Hinterwäldlers handelt. Freilich mußte mich diese Selbstbeherrschung in den Verdacht eines Feiglings bringen; aber das Urtheil dieser Leute konnte mir ja sehr gleichgültig sein.
Ein Wesen gab es allerdings, dessen Meinung mich nicht empfindungslos lassen konnte, und das war Ellen, wie sie von Forster genannt worden war.
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