EBERKOPF ebenso.

Das heiß' ich Gynt sein – und mit Ehren!

PEER GYNT.

Ich bitte Sie –

MONSIEUR BALLON.

Verstehn Sie nicht?

PEER GYNT.

Ich lass' mich hängen, wenn ich's tue!

MONSIEUR BALLON.

Je nun, mein Bester, gehn Sie nicht

Nach Griechenland mit Schiff und Truhe?

PEER GYNT prustet spöttisch.

Ach, nein! Ich stütze den, der stärker,

Und leih' dem Türken meine Märker.

MONSIEUR BALLON.

Unmöglich!

V. EBERKOPF.

Witzig, – doch gescherzt!

PEER GYNT schweigt ein Weilchen, stützt sich auf einen Stuhl und nimmt eine vornehme Miene an.

Ich glaub', Ihr Herrn, wir stehn vom Fest

Nun auf, eh' daß der letzte Rest

Von Freundschaft sich verhimmelwärtst.

Wer arm ist, dem ist viel verstattet.

Wenn man vom weiten Rund knapp hat

Das Streiflein Staub, das man beschattet,

Ist man Kanonenfutter, glatt.

Doch hat sein Schäflein man geschoren,

Wie ich, so wäre mehr verloren.

Gehn Sie nach Griechenland! Ich sende

Sie gratis und bewaffnet hin.

Gut! Schüren Sie den Aufruhrsinn –

Und wirken so mir in die Hände!

Drauf los, für Freiheit und für Recht!

Gestürmt! In Türkenblut gezecht!

Und dann zuletzt ein Tod in Ehren

Auf schlanken Janitscharenspeeren. –

Doch ohne mich.

 

Schlägt sich auf die Tasche.

 

Ich bin nicht frei –

Und bin ich selbst, Sir Gynt. – Good by!

 

Er spannt seinen Sonnenschirm auf und geht in den Palmenhain, den Hängematten zu.

 

TRUMPETERSTRÅLE.

Der Schweinekerl!

MONSIEUR BALLON.

Kein Sinn für Ehre!

MASTER COTTON.

Ach, Ehre! Wenn es das nur wäre!

Doch denkt Euch: Unser Riesenschnitt,

Wenn nun der Grieche frei sich stritt –!

MONSIEUR BALLON.

Ich sah mich schon auf Türkenleibern

Bekränzt von Hellas' schönsten Weibern!

TRUMPETERSTRÅLE.

Ich sah in meiner Hand schon prangen

Die heldengroßen Sporenspangen!

V. EBERKOPF.

Ich meines großen Vaterlands

Kultur ausbreiten ihren Glanz –!

MASTER COTTON.

Das Schlimmst' ist doch der bare Schade.

Goddam! Welch Pech im höchsten Grade!

Schon sah ich den Olymp mir dienen.

Wenn seinem Ruf man darf vertraun,

Enthält der Berg noch Kupferminen,

Die man von neuem könnte baun.

Und dazu dieser Fluß Kastale,

Davon die Red' an dutzend Male,

Mit Fäll'n, berechnet ungefähr

Auf tausend Pferdekraft und mehr –!

TRUMPETERSTRÅLE.

Ich gehe doch. Mein schwedisch Schwert

Ist mehr als Yankeedollars wert!

MASTER COTTON.

Mag sein; nur daß wir, erst im Haufen,

In ihm elendiglich ersaufen

Und der Profit in Rauch verpufft!

MONSIEUR BALLON.

Verdammt! So nah dem Glück zu gasten,

Um so zu stehn an seiner Gruft!

MASTER COTTON mit geballter Faust nach dem Fahrzeug hin.

Dort liegt, in diesem schwarzen Kasten,

Des Nabobs güldner Niggerschweiß –!

V. EBERKOPF.

Ein königlicher Einfall! Sei's

Gewagt! Das wird sein Todespfeil sein!

Kommt! Kommt!

MONSIEUR BALLON.

Sie woll'n –?

V. EBERKOPF.

Ich will die Macht!

Die Mannschaft wird um wenig feil sein.

An Bord! Ich annektier' die Jacht!

MASTER COTTON.

Sie – was –?

V. EBERKOPF.

Ich mause, was ich find'.

 

Ab nach der Jolle hinunter.

 

MASTER COTTON.

Da heißt mein Vorteil mich geschwind

Mitmausen.

 

Folgt ihm.

 

TRUMPETERSTRÅLE.

Eines Schurken Schluß!

MONSIEUR BALLON.

Ein Diebsstück –! Mais – enfin! Man muß –!

 

Folgt den andern.

 

TRUMPETERSTRÅLE.

Dann muß auch ich – der Eintracht wegen –,

Doch protestier' ich laut dagegen.

 

Ihm nach und ab.

Eine andere Stelle der Küste.

Mondschein und treibende Wolken. Die Jacht sticht unter vollem Dampf in See.

Peer Gynt läuft den Strand entlang. Bald zwickt er sich in den Arm, bald starrt er hinaus übers Meer.

 

PEER GYNT.

Alpdruck! – Hirnspuk! – Wach' ich bald auf?

Sie sticht in See! Und in rasendem Lauf!

Bloßer Hirnspuk! Ich schlaf'! Ich bin trunken und toll!

 

Ringt die Hände.

 

Das geht doch nicht an, daß ich sterben soll!

 

Rauft sich das Haar.

 

Ein Traum! Ich will, daß ich träum' und schlaf'!

Entsetzlich! Zwecklos, daß ich mich sperre!

Diese Hunde von Freunden –! O, erhöre mich, Herre!

Du bist ja so weis' und gerecht –! O, straf' –!

 

Mit emporgestreckten Armen.

 

Ich bin's, Peter Gynt! Laß ein Wunder geschehn!

Nimm Dich meiner an, Vater; sonst muß ich vergehn!

Laß sie stoppen! Laß sie die Gig niederlassen!

Halt die Dieb' auf! Laß sie die Segel falsch brassen!

Hör' mich! Laß warten Kunz Tausendhändig!

Die Welt wird nicht schief gehn ob solcher Verwegenheit!

Ob er wohl hört! Er ist taub, wie beständig.

Das ist eine Wirtschaft! Ein Gott in Verlegenheit l

 

Winkt aufwärts.

 

Pst! Ich treib' längst nicht mehr Niggerhandel!

Ich hab' China bekehrt zu christlichem Wandel!

Eine Handreichung ist doch der anderen wert!

O, hilf mir –!

 

Ein Feuerstrahl schießt aus der Jacht empor, von einer dicken Rauchwolke begleitet; man hört einen hohlen Knall; Peer Gynt stößt einen Schrei aus und sinkt nieder auf den Sand; nach und nach verzieht sich der Rauch; das Schiff ist verschwunden.

 

PEER GYNT bleich und leise.

Das war der Strafe Schwert!

Versunken mit Mann und Maus, wie ein Stein!

O, ewiglich will ich mein Glück benedein – –

 

Gerührt.

 

Ein Glücksfall? Nein, hier ist mehr geschehn.

Ich sollte siegen und die vergehn.

O, Preis Dir, daß Du der Not mich entrissen,

Im Aug' mich behalten trotz meinem Gebrest – –

 

Atmet tief auf.

 

Wie macht es doch wundersam fröhlich und fest,

Sich so separat behütet zu wissen.

Doch werden auch Hunger und Durst mich in Ruh' lassen?

Ach, ich finde wohl was. Das ist sein Gewerb'.

Das ist nicht gefährlich; –

 

Laut und einschmeichelnd.

 

Er wird doch nicht zulassen,

Daß ich armer, kleinwinziger Sperling verderb'!

Nur hübsch demütig sein! Und vergönnen ihm Frist.

Den Herren laß walten; Verzagen wär' töricht –

 

Fährt erschrocken zusammen.

 

Knurrte dort nicht ein Löwe im Röhricht –?

 

Zähneklappernd.

 

Nein, 's war wohl kein Löwe.

 

Sich ermannend.

 

Und wenn's einer ist!

Die Biester, die halten sich doch wohl beiseite.

Mit dem, der sein Herr, da liegt keins gern im Streite.

Sie haben ja Instinkt; – da fühlen sie gewißlich:

Mit Elefanten zu spielen ist mißlich. – –

Doch trotz alledem, – ich such' mir 'nen Baum.

Dort wiegen im Wind sich Akazien und Palmen;

Erst droben, halt' ich den Kerl wohl im Zaum, –

Insonderheit, könnt' ich dazu ein paar Psalmen – –

 

Klettert hinauf.

 

Man soll nicht den Tag vor dem Abend loben;

Das Schriftwort hat mancher wohl schon bedacht.

 

Setzt sich zurecht.

 

Wie herrlich, so sitzen, den Geist erhoben!

Edel denken ist mehr, als Reichtum und Macht.

Bloß vertrauen auf Gott! Er kennt die Portion

Vom Kelch des Leidens, die wir vertragen.

Er ist väterlich gegen unsre Person; –

 

Wirft einen Blick aufs Meer und flüstert mit einem Seufzer.

 

Aber Ökonom, – nein; das kann man nicht sagen.

 

Nacht. Marokkanisches Lager am Rand der Wüste.

Wachtfeuer und rastende Krieger.

 

EIN SKLAVE kommt und rauft sich das Haar.

Des Kaisers weißes Roß ist verschwunden!

EIN ANDERER SKLAVE kommt und zerreißt sich die Kleider.

Des Kaisers heilige Tracht ward gestohlen!

AUFSEHER kommt.

Hundert jedem auf die Sohlen,

Der bis morgen nichts gefunden! –

 

Die Krieger steigen zu Pferde und galoppieren nach allen Richtungen fort.

Tagesgrauen. Die Baumgruppe von vorhin.

 

PEER GYNT auf dem Baume, einen abgebrochenen Zweig in Händen, hält sich einen schwarzen Affen vom Leibe.

Vertrackt! So unbequem schlief ich noch nie.

 

Haut um sich.

 

Bist Du wieder da? Mein Maß voll zu machen!

Jetzt werfen sie Früchte. Nein, andere Sachen.

Ein ekliges Tier, solch ein Affenvieh.

Es steht zwar geschrieben: Du sollst wachen und fechten!

Doch ich kann nicht, weiß Gott, ich bin lahm und matt.

 

Wird wieder gestört; ungeduldig.

 

Was tun? Ich hab' das Unwesen satt.

Ich fang' mir einen von diesen Hechten,

Häng' ihn und schind' ihn und kriech' in sein Fell,

Sein zottiges, und der vermummte Gesell,

Was gilt's, fährt balde für einen echten. –

Was sind wir Menschen? Nicht mehr als ein Hauch.

Und man muß sich wohl finden in Schick und in Brauch.

Wieder ein Schwarm! Die Schufte sind zäh!

Packt Euch! Psch! Die tun wie Verrückte!

Wer mir nur jetzt einen Schwanz anstückte, –

Daß man mehr wie ein Tier aussäh' –!

Was nun! Da sind sie mir gar überm Kopfe –!

 

Blickt aufwärts.

 

Der Alte, – mit Fäusten voll von Schmutz –!

 

Kriecht ängstlich in sich zusammen und hält sich ein Weilchen still. Der Affe macht eine Bewegung; Peer Gynt beginnt ihm zu schmeicheln und schönzutun wie einem Hunde.

 

Je, je, – bist Du da, Du alter Butz!

Er ist anständig, gelt, zu mir armem Tropfe!

Er will gar nicht werfen; – das wär' nicht charmant; –

Ich bin's doch! Pip, pip! Wir stellen uns nicht nach, – nicht?

Eia, Eia! Da sag' noch, ich kennte Deine Sprach' nicht!

Butzchen und ich, wir sind lange bekannt;

Butz bekommt morgen Zucker –! Du Vieh!

Die ganze Ladung! Mich so vollzudrecken!

Oder war's Futter? Man konnt's nicht recht schmecken;

Doch da bestimmt meist Gewohnheit das Wie.

Sprach doch einmal welches Denkers Vernunft:

Man spuckt – und gewöhnt sich zuletzt in die Zunft? –

Da kommt auch der Nachwuchs noch!

 

Ficht und haut.

 

Närrisch bestallt,

Daß der Mensch, Herr der Erden und Himmelserbe,

Sich genötigt soll sehn zu –! Gewalt! Gewalt!

Die Rangen verstehn ihr verruchtes Gewerbe!

 

Früher Morgen. Steinige Gegend mit Aussicht auf die Wüste.

Auf der einen Seite eine Felsenschlucht und eine Höhle.

Ein Dieb und ein Hehler in der Felsenschlucht mit dem Pferd und den Kleidern des Kaisers. Das Pferd, reich aufgezäumt, steht an einen Stein gebunden. Reiter in der Ferne.

 

DER DIEB.

Wie sie schillern und schlecken,

Die Zungen der Lanzen, –

Schau', schau'!

DER HEHLER.

Ich fühl' meinen Kopf schon

Im Sande tanzen;

Au, au!

DER DIEB kreuzt die Arme über der Brust.

Mein Vater war Dieb;

Sein Sohn muß stehlen.

DER HEHLER.

Mein Vater war Hehler;

Sein Sohn muß hehlen.

DER DIEB.

Dein Los trag' ergeben;

Dich selbst sollst Du leben.

DER HEHLER horcht.

Schritte im Gebüsch!

Wenn uns einer erspäht!

DER DIEB.

Tief ist die Höhle

Und groß der Prophet!

 

Sie flüchten und lassen die Kostbarkeiten im Stich. Die Reiter verlieren sich in der Ferne.

 

PEER GYNT kommt, eine Rohrflöte schneidend.

Wie holdselig ist diese Morgenstund'! –

Der Mistkäfer rollt seine Kugel im Dreck;

Aus seinem Schneckenhaus kriecht der Schneck.

Ja, ja, – der Morgen hat Gold im Mund!

Es ist doch im Grund eine seltsame Macht,

Womit so Natur das Frühlicht bedacht.

Man fühlt sich so sicher, fühlt alle Furcht schwinden,

Man würde, tät's not, mit 'nem Ochsen anbinden. –

Wie still's hier rings ist! Ja, die ländlichen Freuden, –

Unbegreiflich genug, daß ich einst sie verwarf;

Daß man einkerkert sich in finstern Gebäuden,

Bloß daß jeder Lump dir ins Haus rennen darf. –

Nein, sieh, wie der Eidechs sich Schnaken fängt,

Schnappt, huscht, schnappt und an nichts dabei denkt.

Welch eine Unschuld solch Tier offenbart!

Jedwedes folgt seinem Schöpfer fein züchtiglich,

Bewahrt sich sein Sondergepräg' unverflüchtiglich,

Ist es selbst in jeglicher Lebensart,

Es selbst, es selbst, wie es ward, da es ward.

 

Setzt die Lorgnette auf die Nase.

 

Ein Krötlein. In einem Sandstein. Guck'!

Versteinerung rings. Nur der Kopf ist heraus.

Da sitzt es und sieht, wie aus einem Haus,

Auf die Welt und ist sich selber – genug.