PROTHOE.
Achill! Sie glaubt mir nicht. Sprich du!
PENTHESILEA.
Er wär gefangen mir?
PROTHOE.
Wie sonst? Ist's nicht
ACHILLES der währenddessen vorgetreten.
In jedem schönren Sinn, erhabne Königin!
Gewillt mein ganzes Leben fürderhin,
In deiner Blicke Fesseln zu verflattern.
PENTHESILEA drückt ihre Hände vors Gesicht.
PROTHOE.
Nun denn, da hörtest du's aus seinem Mund.
– Er sank, wie du, als ihr euch traft, in Staub;
Und während du entseelt am Boden lagst,
Ward er entwaffnet – nicht?
ACHILLES.
Ich ward entwaffnet;
Man führte mich zu deinen Füßen her.
Er beugt ein Knie vor ihr.
PENTHESILEA nach einer kurzen Pause.
Nun denn, so sei mir, frischer Lebensreiz,
Du junger, rosenwang'ger Gott, gegrüßt!
Hinweg jetzt, o mein Herz, mit diesem Blute,
Das aufgehäuft, wie seiner Ankunft harrend,
In beiden Kammern dieser Brüste liegt.
Ihr Boten, ihr geflügelten, der Lust,
Ihr Säfte meiner Jugend, macht euch auf,
Durch meine Adern fleucht, ihr jauchzenden,
Und laßt es einer roten Fahne gleich,
Von allen Reichen dieser Wangen wehn:
Der junge Nereïdensohn ist mein!
Sie steht auf.
PROTHOE.
O meine teure Königin, mäß'ge dich.
PENTHESILEA indem sie vorschreitet.
Heran, ihr sieggekrönten Jungfraun jetzt,
Ihr Töchter Mars', vom Wirbel bis zur Sohle
Vom Staub der Schlacht noch überdeckt, heran,
Mit dem Argiverjüngling jegliche,
Den sie sich überwunden, an der Hand!
Ihr Mädchen, naht euch, mit den Rosenkörben:
Wo sind für soviel Scheitel Kränze mir?
Hinaus mir über die Gefilde, sag ich,
Und mir die Rosen, die der Lenz verweigert,
Mit eurem Atem aus der Flur gehaucht!
An euer Amt, ihr Priestrinnen der Diana:
Daß eures Tempels Pforten rasselnd auf,
Des glanzerfüllten, weihrauchduftenden,
Mir, wie des Paradieses Tore, fliegen!
Zuerst den Stier, den feisten, kurzgehörnten,
Mir an den Altar hin; das Eisen stürz ihn,
Das blinkende, an heil'ger Stätte lautlos,
Daß das Gebäu erschüttere, darnieder.
Ihr Dienrinnen, ihr rüstigen, des Tempels,
Das Blut, wo seid ihr? rasch, ihr Emsigen,
Mit Perserölen, von der Kohle zischend,
Von des Getäfels Plan hinweggewaschen!
Und all ihr flatternden Gewänder, schürzt euch,
Ihr goldenen Pokale, füllt euch an,
Ihr Tuben, schmettert, donnert, ihr Posaunen,
Der Jubel mache, der melodische,
Den festen Bau des Firmamentes beben! –
O Prothoe! Hilf jauchzen mir, frohlocken,
Erfinde, Freundin, Schwesterherz, erdenke,
Wie ich ein Fest jetzt, göttlicher, als der
Olymp durchjubelte, verherrliche,
Das Hochzeitsfest der krieggeworbnen Bräute,
Der Inachiden und der Kinder Mars'! –
O Meroe, wo bist du? Megaris?
PROTHOE mit unterdrückter Rührung.
Freud ist und Schmerz dir, seh ich, gleich verderblich,
Und gleich zum Wahnsinn reißt dich beides hin.
Du wähnst, wähnst dich in Themiscyra schon,
Und wenn du so die Grenzen überschwärmst,
Fühl ich gereizt mich, dir das Wort zu nennen,
Das dir den Fittich plötzlich wieder lähmt.
Blick um dich her, Betrogene, wo bist du?
Wo ist das Volk? Wo sind die Priesterinnen?
Asteria? Meroe? Megaris? Wo sind sie?
PENTHESILEA an ihrem Busen.
O laß mich, Prothoe! O laß dies Herz
Zwei Augenblick in diesem Strom der Lust,
Wie ein besudelt Kind, sich untertauchen;
Mit jedem Schlag in seine üpp'gen Wellen
Wäscht sich ein Makel mir vom Busen weg.
Die Eumeniden fliehn, die schrecklichen,
Es weht, wie Nahn der Götter um mich her,
Ich möchte gleich in ihren Chor mich mischen,
Zum Tode war ich nie so reif als jetzt.
Doch jetzt vor allem: du vergibst mir doch?
PROTHOE.
O meine Herrscherin!
PENTHESILEA.
Ich weiß, ich weiß –
Nun, meines Blutes beßre Hälft ist dein.
– Das Unglück, sagt man, läutert die Gemüter,
Ich, du Geliebte, ich empfand es nicht;
Erbittert hat es, Göttern mich und Menschen
In unbegriffner Leidenschaft empört.
Wie seltsam war, auf jedem Antlitz, mir,
Wo ich sie traf, der Freude Spur verhaßt;
Das Kind, das in der Mutter Schoße spielte,
Schien mir verschworen wider meinen Schmerz.
Wie möcht ich alles jetzt, was mich umringt,
Zufrieden gern und glücklich sehn! Ach, Freundin!
Der Mensch kann groß, ein Held, im Leiden sein,
Doch göttlich ist er, wenn er selig ist!
– Doch rasch zur Sache jetzt. Es soll das Heer
Zur Rückkehr schleunig jede Anstalt treffen;
Sobald die Scharen ruhten, Tier und Menschen,
Bricht auch der Zug mit den Gefangenen,
Nach unsern heimatlichen Fluren auf. –
– Wo ist Lykaon?
PROTHOE.
Wer?
PENTHESILEA mit zärtlichem Unwillen.
Wer, fragst du noch!
Er, jener blühende Arkadierheld,
Den dir das Schwert erwarb. Was hält ihn fern?
PROTHOE verwirrt.
Er weilt noch in den Wäldern, meine Königin!
Wo man die übrigen Gefangnen hält.
Vergönne, daß er, dem Gesetz gemäß,
Eh nicht, als in der Heimat mir erscheine.
PENTHESILEA.
Man ruf ihn mir! – Er weilt noch in den Wäldern!
– Zu meiner Prothoe Füßen ist sein Platz!
– – Ich bitte dich, Geliebte, ruf ihn her,
Du stehst mir, wie ein Maienfrost, zur Seite,
Und hemmst der Freude junges Leben mir.
PROTHOE für sich.
Die Unglückselige! – Wohlan so geht,
Und tut, wie euch die Königin befohlen.
Sie winkt einer Amazone; diese geht ab.
PENTHESILEA.
Wer schafft mir jetzt die Rosenmädchen her?
Sie erblickt Rosen auf dem Boden.
Sieh! Kelche finden, und wie duftende,
Auf diesem Platz sich –!
Sie fährt sich mit der Hand über die Stirne.
Ach mein böser Traum!
Zu Prothoe.
War denn der Diana Oberpriestrin hier?
PROTHOE.
Nicht, daß ich wüßte, meine Königin –
PENTHESILEA.
Wie kommen denn die Rosen her?
PROTHOE rasch.
Sieh da!
Die Mädchen, die die Fluren plünderten,
Sie ließen einen Korb voll hier zurück.
Nun, diesen Zufall wahrlich nenn ich günstig.
Hier, diese duft'gen Blüten raff ich auf,
Und winde den Pelidenkranz dir. Soll ich?
Sie setzt sich an der Eiche nieder.
PENTHESILEA.
Du Liebe! Treffliche! Wie du mich rührst. –
Wohlan! Und diese hundertblättrigen
Ich dir zum Siegerkranz Lykaons. Komm.
Sie rafft gleichfalls einige Rosen auf, und setzt sich neben Prothoe nieder.
Musik, ihr Fraun, Musik! Ich bin nicht ruhig.
Laßt den Gesang erschallen! Macht mich still.
EINE JUNGFRAU aus ihrem Gefolge.
Was wünschest du?
EINE ANDERE.
Den Siegsgesang?
PENTHESILEA.
– Die Hymne.
DIE JUNGFRAU.
Es sei. – O die Betrogene! – Singt! Spielt!
CHOR DER JUNGFRAUN mit Musik.
Ares entweicht!
Seht, wie sein weißes Gespann
Fernhin dampfend zum Orkus niedereilt!
Die Eumeniden öffnen, die scheußlichen:
Sie schließen die Tore wieder hinter ihm zu.
EINE JUNGFRAU.
Hymen! Wo weilst du?
Zünde die Fackel an, und leuchte! leuchte!
Hymen! wo weilst du?
CHOR.
Ares entweicht! usw.
ACHILLES nähert sich während des Gesanges der Prothoe heimlich.
Sprich!
Wohin führt mich dies? Ich will es wissen!
PROTHOE.
Noch einen Augenblick, Großherziger,
Fleh ich dich um Geduld – du wirst es sehn.
Wenn die Kränze gewunden sind, wechselt Penthesilea den ihrigen gegen den Kranz der Prothoe, sie umarmen sich und betrachten die Windungen. Die Musik schweigt. Die Amazone kehrt zurück.
PENTHESILEA.
Hast du's bestellt?
DIE AMAZONE.
Lykaon wird sogleich,
Der junge Prinz Arkadiens, erscheinen.
Fünfzehnter Auftritt
Penthesilea, Prothoe, Achilles, Amazonen
PENTHESILEA.
Komm jetzt, du süßer Nereïdensohn,
Komm, lege dich zu Füßen mir – Ganz her!
Nur dreist heran! – – Du fürchtest mich doch nicht?
– Verhaßt nicht, weil ich siegte, bin ich dir?
Sprich! Fürchtest du, die dich in Staub gelegt?
ACHILLES zu ihren Füßen.
Wie Blumen Sonnenschein.
PENTHESILEA.
Gut, gut gesagt!
So sieh mich auch wie deine Sonne an. –
Diana, meine Herrscherin, er ist
Verletzt!
ACHILLES.
Geritzt am Arm, du siehst, nichts weiter.
PENTHESILEA.
Ich bitte dich, Pelide, glaube nicht,
Daß ich jemals nach deinem Leben zielte.
Zwar gern mit diesem Arm hier traf ich dich;
Doch als du niedersankst, beneidete,
Hier diese Brust den Staub, der dich empfing.
ACHILLES.
Wenn du mich liebst, so sprichst du nicht davon.
Du siehst, es heilt schon.
PENTHESILEA.
So verzeihst du mir?
ACHILLES.
Von ganzem Hetzen. –
PENTHESILEA.
Jetzt – kannst du mir sagen,
Wie es die Liebe macht, der Flügelknabe,
Wenn sie den störr'gen Leun in Fesseln schlägt?
ACHILLES.
Sie streichelt, denk ich, seine rauhen Wangen,
So hält er still.
PENTHESILEA.
Nun denn, so wirst du dich
Nicht mehr als eine junge Taube regen,
Um deren Hals ein Mädchen Schlingen legt.
Denn die Gefühle dieser Brust, o Jüngling,
Wie Hände sind sie, und sie streicheln dich.
Sie umschlingt ihn mit Kränzen.
ACHILLES.
Wer bist du, wunderbares Weib?
PENTHESILEA.
Gib her. – Ich sagte, still!
Du wirst es schon erfahren.
– Hier diese leichte Rosenwindung nur
Um deine Scheitel, deinen Nacken hin –
Zu deinen Armen, Händen, Füßen nieder –
Und wieder auf zum Haupt – – so ist's geschehn.
– Was atmest du?
ACHILLES.
Duft deiner süßen Lippen.
PENTHESILEA indem sie sich zurückbeugt.
Es sind die Rosen, die Gerüche streun.
– Nichts, nichts!
ACHILLES.
Ich wollte sie am Stock versuchen.
PENTHESILEA.
Sobald sie reif sind, Liebster, pflückst du sie.
Sie setzt ihm noch einen Kranz auf die Scheitel und läßt ihn gehn.
Jetzt ist's geschehn. – O sieh, ich bitte dich,
Wie der zerfloßne Rosenglanz ihm steht!
Wie sein gewitterdunkles Antlitz schimmert!
Der junge Tag, wahrhaftig, liebste Freundin,
Wenn ihn die Horen von den Bergen führen,
Demanten perlen unter seinen Tritten:
Er sieht so weich und mild nicht drein, als er. –
Sprich! Dünkt's dich nicht, als ob sein Auge glänzte? –
Fürwahr! Man möchte, wenn er so erscheint, fast zweifeln,
Daß er es sei.
PROTHOE.
Wer, meinst du?
PENTHESILEA.
Der Pelide! –
Sprich, wer den Größesten der Priamiden
Vor Trojas Mauern fällte, warst das du?
Hast du ihm wirklich, du, mit diesen Händen
Den flücht'gen Fuß durchkeilt, an deiner Achse
Ihn häuptlings um die Vaterstadt geschleift? –
Sprich! Rede! Was bewegt dich so? Was fehlt dir?
ACHILLES.
Ich bin's.
PENTHESILEA nachdem sie ihn scharf angesehen.
Er sagt, er sei's.
PROTHOE.
Er ist es, Königin;
An diesem Schmuck hier kannst du ihn erkennen.
PENTHESILEA.
Woher?
PROTHOE.
Es ist die Rüstung, sieh nur her,
Die Thetis ihm, die hohe Göttermutter,
Bei dem Hephäst, des Feuers Gott, erschmeichelt.
PENTHESILEA.
Nun denn, so grüß ich dich mit diesem Kuß,
Unbändigster der Menschen, mein! Ich bin's,
Du junger Kriegsgott, der du angehörst;
Wenn man im Volk dich fragt, so nennst du mich.
ACHILLES.
O du, die eine Glanzerscheinung mir,
Als hätte sich das Ätherreich eröffnet,
Herabsteigst, Unbegreifliche, wer bist du?
Wie nenn ich dich, wenn meine eigne Seele
Sich, die entzückte, fragt, wem sie gehört?
PENTHESILEA.
Wenn sie dich fragt, so nenne diese Züge,
Das sei der Nam, in welchem du mich denkst. –
Zwar diesen goldnen Ring hier schenk ich dir,
Mit jedem Merkmal, das dich sicher stellt;
Und zeigst du ihn, so weist man dich zu mir.
Jedoch ein Ring vermißt sich, Namen schwinden
Wenn dir der Nam entschwänd, der Ring sich mißte:
Fändst du mein Bild in dir wohl wieder aus?
Kannst du's wohl mit geschloßnen Augen denken?
ACHILLES.
Es steht so fest, wie Züg in Diamanten.
PENTHESILEA.
Ich bin die Königin der Amazonen,
Er nennt sich marserzeugt, mein Völkerstamm,
Otrere war die große Mutter mir,
Und mich begrüßt das Volk: Penthesilea.
ACHILLES.
Penthesilea.
PENTHESILEA.
Ja, so sagt ich dir.
ACHILLES.
Mein Schwan singt noch im Tod: Penthesilea.
PENTHESILEA.
Die Freiheit schenk ich dir, du kannst den Fuß
Im Heer der Jungfraun setzen, wie du willst.
Denn eine andre Kette denk ich noch,
Wie Blumen leicht, und fester doch, als Erz,
Die dich mir fest verknüpft, ums Herz zu schlagen.
Doch bis sie zärtlich, Ring um Ring, geprägt,
In der Gefühle Glut, und ausgeschmiedet,
Der Zeit nicht, und dem Zufall, mehr zerstörbar,
Kehrst du, weil es die Pflicht erheischt, mir wieder,
Mir, junger Freund, versteh mich, die für jedes,
Sei's ein Bedürfnis, sei's ein Wunsch, dir sorgt.
Willst du das tun, sag an?
ACHILLES.
Wie junge Rosse
Zum Duft der Krippe, die ihr Leben nährt.
PENTHESILEA.
Gut. Ich verlaß mich drauf. Wir treten jetzt
Die Reise gleich nach Themiscyra an;
Mein ganzer Harras bis dahin ist dein.
Man wird dir purpurne Gezelte bringen,
Und auch an Sklaven nicht, dich zu bedienen,
Wird's deinem königlichen Willen fehlen.
Doch weil mich, auf dem Zuge, du begreifst,
So manche Sorge fesselt, wirst du dich
Noch zu den übrigen Gefangnen halten:
In Themiscyra erst, Neridensohn,
Kann ich mich ganz, aus voller Brust, dir weihn.
ACHILLES.
Es soll geschehn.
PENTHESILEA zu Prothoe.
Nun aber sage mir,
Wo weilt auch dein Arkadier?
PROTHOE.
Meine Fürstin –
PENTHESILEA.
So gern von deiner Hand, geliebte Prothoe,
Möcht ich bekränzt ihn sehn.
PROTHOE.
Er wird schon kommen. –
Der Kranz hier soll ihm nicht verlorengehn.
PENTHESILEA aufbrechend.
Nun denn – mich rufen mancherlei Geschäfte,
So laßt mich gehn.
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