Die Vorigen.
DIOMEDES über die Bühne ziehend.
Vom Platz hier fort, Doloperheld! Vom Platze!
Den einz'gen Weg, der dir noch offen bleibt,
Den schneiden dir die Frauen eben ab.
Hinweg!
Ab.
ODYSSEUS.
Schafft diese Kön'gin fort, ihr Griechen.
ACHILLES zum Hauptmann.
Alexis! Tu mir den Gefallen. Hilf ihr.
DER GRIECHE zum Hauptmann.
Sie regt sich nicht.
ACHILLES zu den Griechen, die ihn bedienen.
Den Schild mir her! Den Spieß!
Aufrufend, da sich die Königin sträubt.
Penthesilea!
PENTHESILEA.
O Neridensohn!
Du willst mir nicht nach Themiscyra folgen?
Du willst mir nicht zu jenem Tempel folgen,
Der aus den fernen Eichenwipfeln ragt?
Komm her, ich sagte dir noch alles nicht –
ACHILLES nun völlig gerüstet, tritt vor sie und reicht ihr die Hand.
Nach Phtia, Kön'gin.
PENTHESILEA.
Oh! – Nach Themiscyra!
Oh! Freund! Nach Themiscyra, sag ich dir,
Wo Dianas Tempel aus den Eichen ragt!
Und wenn der Sel'gen Sitz in Phtia wäre,
Doch, doch, oh! Freund! nach Themiscyra noch,
Wo Dianas Tempel aus den Wipfeln ragt!
ACHILLES indem er sie aufhebt.
So mußt du mir vergeben, Teuerste;
Ich bau dir solchen Tempel bei mir auf.
Achtzehnter Auftritt
Meroe, Asteria mit dem Heer der Amazonen treten auf.
Die Vorigen.
MEROE.
Schlagt ihn zu Boden!
ACHILLES läßt die Königin fahren und wendet sich.
Reiten sie auf Stürmen?
DIE AMAZONEN sich zwischen Penthesilea und Achilles eindrängend.
Befreit die Königin!
ACHILLES.
Bei dieser Rechten, sag ich!
Er will die Königin mit sich fortziehen.
PENTHESILEA ihn nach sich ziehend.
Du folgst mir nicht? Folgst nicht?
DIE AMAZONEN spannen ihre Bogen.
ODYSSEUS.
Fort! Rasender!
Hier ist der Ort nicht mehr, zu trotzen. – Folgt!
Er reißt den Achill hinweg. Alle ab.
Neunzehnter Auftritt
Die Oberpriesterin der Diana mit ihren Priesterinnen.
Die Vorigen ohne die Griechen.
DIE AMAZONEN.
Triumph! Triumph! Triumph! Sie ist gerettet!
PENTHESILEA nach einer Pause.
Verflucht sei dieser schändliche Triumph mir!
Verflucht jedwede Zunge, die ihn feiert,
Die Luft verflucht mir, die ihn weiter bringt!
War ich, nach jeder würd'gen Rittersitte,
Nicht durch das Glück der Schlacht ihm zugefallen?
Wenn das Geschlecht der Menschen unter sich,
Mit Wolf und Tiger nicht, im Streite liegt:
Gibt's ein Gesetz, frag ich, in solchem Kriege,
Das den Gefangenen, der sich ergeben,
Aus seines Siegers Banden lösen kann?
– Neridensohn!
DIE AMAZONEN.
Ihr Götter, hört ich recht?
MEROE.
Ehrwürd'ge Priesterin der Artemis,
Tritt näher vor, ich bitte dich –
ASTERIA.
Sie zürnt,
Weil wir sie aus der Knechtschaft Schmach befreiten!
DIE OBERPRIESTERIN aus dem Gewühl der Frauen hervortretend.
Nun denn, du setzest würdig, Königin,
Mit diesem Schmähungswort, muß ich gestehn,
Den Taten dieses Tags die Krone auf.
Nicht bloß, daß du, die Sitte wenig achtend,
Den Gegner dir im Feld der Schlacht gesucht,
Nicht bloß, daß du, statt ihn in Staub zu werfen,
Ihm selbst im Kampf erliegst, nicht bloß, daß du
Zum Lohn dafür ihn noch mit Rosen kränzest:
Du zürnst auch deinem treuen Volke noch,
Das deine Ketten bricht, du wendest dich,
Und rufst den Überwinder dir zurück.
Wohlan denn große Tochter Tanaïs',
So bitt ich – ein Versehn war's, weiter nichts –
Für diese rasche Tat dich um Verzeihung.
Das Blut, das sie gekostet, reut mich jetzt,
Und die Gefangnen, eingebüßt um dich,
Wünsch ich von ganzer Seele mir zurück.
Frei, in des Volkes Namen, sprech ich dich;
Du kannst den Fuß jetzt wenden, wie du willst,
Kannst ihn mit flatterndem Gewand ereilen,
Der dich in Fesseln schlug, und ihm den Riß,
Da, wo wir sie zersprengten, überreichen:
Also ja will's das heil'ge Kriegsgesetz!
Uns aber, uns vergönnst du, Königin,
Den Krieg jetzt aufzugeben, und den Fuß
Nach Themiscyra wieder heimzusetzen;
Wir mindestens, wir können jene Griechen,
Die dort entfliehn, nicht bitten, stillzustehn,
Nicht, so wie du, den Siegskranz in der Hand,
Zu unsrer Füße Staub sie nieder flehn.
Pause.
PENTHESILEA wankend.
Prothoe!
PROTHOE.
Mein Schwesterherz!
PENTHESILEA.
Ich bitte dich, bleib bei mir.
PROTHOE.
Im Tod, du weißt – – Was bebst du, meine Königin?
PENTHESILEA.
Nichts, es ist nichts, ich werde gleich mich sammeln.
PROTHOE.
Ein großer Schmerz traf dich. Begegn ihm groß.
PENTHESILEA.
Sie sind verloren?
PROTHOE.
Meine Königin?
PENTHESILEA.
Die ganze junge Prachtschar, die wir fällten, –
Sie sind's durch mich?
PROTHOE.
Beruh'ge dich. Du wirst sie
In einem andern Krieg uns wiederschenken.
PENTHESILEA an ihrem Busen.
O niemals!
PROTHOE.
Meine Königin?
PENTHESILEA.
O niemals!
Ich will in ew'ge Finsternis mich bergen!
Zwanzigster Auftritt
Ein Herold tritt auf. Die Vorigen.
MEROE.
Ein Herold naht dir, Königin!
ASTERIA.
Was willst du?
PENTHESILEA mit schwacher Freude.
Von dem Peliden! – Ach, was werd ich hören?
Ach, Prothoe, heiß ihn wieder gehn!
PROTHOE.
Was bringst du?
DER HEROLD.
Mich sendet dir Achilleus, Königin,
Der schilfumkränzten Nereïde Sohn,
Und läßt durch meinen Mund dir kündigen:
Weil dich Gelüst treibt, als Gefangnen ihn
Nach deinen Heimatsfluren abzuführen,
Ihn aber auch hinwiederum Gelüst,
Nach seinen heimatlichen Fluren dich:
So fordert er zum Kampf, auf Tod und Leben,
Noch einmal dich ins Feld hinaus, auf daß
Das Schwert, des Schicksals ehrne Zung entscheide,
In der gerechten Götter Angesicht,
Wer würdig sei, du oder er, von beiden,
Den Staub nach ihrem heiligen Beschluß,
Zu seines Gegners Füßen aufzulecken.
Hast du's auf solchen Strauß zu wagen Lust?
PENTHESILEA mit einer fliegenden Blässe.
Laß dir vom Wetterstrahl die Zunge lösen,
Verwünschter Redner, eh du wieder sprichst!
Hört ich doch einen Sandblock just so gern,
Endlosen Falls, bald hier, bald dort anschmetternd,
Dem klafternhoben Felsenriff entpoltern.
Zu Prothoe.
– Du mußt es Wort für Wort mir wiederholen.
PROTHOE zitternd.
Der Sohn des Peleus, glaub ich, schickt ihn her,
Und fordert dich aufs Feld hinaus;
Verweigre kurz dich ihm, und sage, nein.
PENTHESILEA.
Es ist nicht möglich.
PROTHOE.
Meine Königin?
PENTHESILEA.
Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?
PROTHOE.
Sag ich dem Mann gleich: nein, und laß ihn gehn?
PENTHESILEA.
Der Sohn des Peleus fordert mich ins Feld?
PROTHOE.
Zum Kampf ja, meine Herrscherin, so sagt ich.
PENTHESILEA.
Der mich zu schwach weiß, sich mit ihm zu messen,
Der ruft zum Kampf mich, Prothoe, ins Feld?
Hier diese treue Brust, sie rührt ihn erst,
Wenn sie sein scharfer Speer zerschmetterte?
Was ich ihm zugeflüstert, hat sein Ohr
Mit der Musik der Rede bloß getroffen?
Des Tempels unter Wipfeln denkt er nicht,
Ein steinern Bild hat meine Hand bekränzt.
PROTHOE.
Vergiß den Unempfindlichen.
PENTHESILEA glühend.
Nun denn,
So ward die Kraft mir jetzo, ihm zu stehen:
So soll er in den Staub herab, und wenn
Lapithen und Giganten ihn beschützten!
PROTHOE.
Geliebte Königin –
MEROE.
Bedenkst du auch?
PENTHESILEA sie unterbrechend.
Ihr sollt all die Gefangnen wiederhaben!
DER HEROLD.
Du willst im Kampf dich –?
PENTHESILEA.
Stellen will ich mich:
Er soll im Angesicht der Götter mich,
Die Furien auch ruf ich herab, mich treffen!
Der Donner rollt.
DIE OBERPRIESTERIN.
Wenn dich mein Wort gereizt, Penthesilea,
So wirst du mir den Schmerz nicht –
PENTHESILEA ihre Tränen unterdrückend.
Laß, du Heilige!
Du sollst mir nicht umsonst gesprochen haben.
MEROE.
Ehrwürd'ge Priesterin, dein Ansehen brauche.
DIE OBERPRIESTERIN.
Hörst du ihn, Königin, der dir zürnt?
PENTHESILEA.
Ihn ruf ich
Mit allen seinen Donnern mir herab!
ERSTE OBERSTE in Bewegung.
Ihr Fürstinnen –
DIE ZWEITE.
Unmöglich ist's!
DIE DRITTE.
Es kann nicht!
PENTHESILEA mit zuckender Wildheit.
Herbei, Ananke, Führerin der Hunde!
DIE ERSTE OBERSTE.
Wir sind zerstreut, geschwächt –
DIE ZWEITE.
Wir sind ermüdet –
PENTHESILEA.
Du, mit den Elefanten, Thyrroe!
PROTHOE.
Königin!
Willst du mit Hunden ihn und Elefanten –
PENTHESILEA.
Ihr Sichelwagen, kommt, ihr blinkenden,
Die ihr des Schlachtfelds Erntefest bestellt,
Kommt, kommt in greul'gen Schnitterreihn herbei!
Und ihr, die ihr der Menschen Saat zerdrescht,
Daß Halm und Korn auf ewig untergehen,
Ihr Reuterscharen, stellt euch um mich her!
Du ganzer Schreckenspomp des Kriegs, dich ruf ich,
Vernichtender, entsetzlicher, herbei!
Sie ergreift den großen Bogen aus einer Amazone Hand. Amazonen mit Meuten gekoppelter Hunde. Späterhin Elefanten, Feuerbrände, Sichelwagen usw.
PROTHOE.
Geliebte meiner Seele! Höre mich!
PENTHESILEA sich zu den Hunden wendend.
Auf, Tigris, jetzt, dich brauch ich! Auf, Leäne!
Auf, mit der Zottelmähne du, Melampus!
Auf, Akle, die den Fuchs erhascht, auf, Sphinx,
Und der die Hirschkuh übereilt, Alektor,
Auf, Oxus, der den Eber niederreißt,
Und der dem Leuen nicht erbebt, Hyrkaon!
Der Donner rollt heftig.
PROTHOE.
Oh! Sie ist außer sich –!
ERSTE OBERSTE.
Sie ist wahnsinnig!
PENTHESILEA kniet nieder, mit allen Zeichen des Wahnsinns, während die Hunde ein gräßliches Geheul anstimmen.
Dich, Ares, ruf ich jetzt, dich Schrecklichen,
Dich, meines Hauses hohen Gründer, an!
Oh! – deinen erznen Wagen mir herab:
Wo du der Städte Mauern auch und Tore
Zermalmst, Vertilgergott, gekeilt in Straßen,
Der Menschen Reihen jetzt auch niedertrittst;
Oh! – deinen erznen Wagen mir herab:
Daß ich den Fuß in seine Muschel setze,
Die Zügel greife, durch die Felder rolle,
Und wie ein Donnerkeil aus Wetterwolken,
Auf dieses Griechen Scheitel niederfalle!
Sie steht auf.
DIE ERSTE OBERSTE.
Ihr Fürstinnen!
DIE ZWEITE.
Auf! Wehrt der Rasenden!
PROTHOE.
Hör, meine große Königin, mich!
PENTHESILEA indem sie den Bogen spannt.
Ei, lustig!
So muß ich sehn, ob mir der Pfeil noch trifft.
Sie legt auf Prothoe an.
PROTHOE niederstürzend.
Ihr Himmlischen!
EINE PRIESTERIN indem sie sich rasch hinter die Königin stellt.
Achill ruft!
EINE ZWEITE ebenso.
Der Pelide!
EINE DRITTE.
Hier steht er hinter dir!
PENTHESILEA wendet sich.
Wo?
DIE ERSTE PRIESTERIN.
War er's nicht?
PENTHESILEA.
Nein, hier sind noch die Furien nicht versammelt.
– Folg mir, Ananke! Folgt, ihr anderen!
Ab mit dem ganzen Kriegstroß unter heftigen Gewitterschlägen.
MEROE indem sie Prothoe aufhebt.
Die Gräßliche!
ASTERIA.
Fort! Eilt ihr nach, ihr Frauen
DIE OBERPRIESTERIN leichenbleich.
Ihr Ew'gen! Was beschloßt ihr über uns?
Alle ab.
Einundzwanzigster Auftritt
Achilles, Diomedes treten auf. Späterhin Odysseus, zuletzt der Herold.
ACHILLES.
Hör, tu mir den Gefallen, Diomed,
Und sag dem Sittenrichter nichts, dem grämlichen
Odyß, von dem, was ich dir anvertraue;
Mir widersteht's, es macht mir Übelkeiten,
Wenn ich den Zug um seine Lippe sehe.
DIOMEDES.
Hast du den Herold ihr gesandt, Pelide?
Ist's wahr? Ist's wirklich?
ACHILLES.
Ich will dir sagen, Freund.
– Du aber, du erwiderst nichts, verstehst du?
Gar nichts, kein Wort! – Dies wunderbare Weib,
Halb Furie, halb Grazie, sie liebt mich –
Und allen Weibern Hellas' ich zum Trotz,
Beim Styx! beim ganzen Hades! – ich sie auch.
DIOMEDES.
Was!
ACHILLES.
Ja. Doch eine Grille, die ihr heilig,
Will, daß ich ihrem Schwert im Kampf erliege;
Eh' nicht in Liebe kann sie mich umfangen.
Nun schickt ich –
DIOMEDES.
Rasender!
ACHILLES.
Er hört mich nicht!
Was er im Weltkreis noch, solang er lebt,
Mit seinem blauen Auge nicht gesehn,
Das kann er in Gedanken auch nicht fassen.
DIOMEDES.
Du willst –? Nein, sprich! Du willst –?
ACHILLES nach einer Pause.
– Was also will ich?
Was ist's, daß ich so Ungeheures will?
DIOMEDES.
Du hast sie in die Schranken bloß gefordert,
Um ihr –?
ACHILLES.
Beim wolkenrüttelnden Kroniden,
Sie tut mir nichts, sag ich! Eh' wird ihr Arm,
Im Zweikampf gegen ihren Busen wüten,
Und rufen: »Sieg!« wenn er von Herzblut trieft,
Als wider mich! – Auf einen Mond bloß will ich ihr,
In dem, was sie begehrt, zu Willen sein;
Auf einen oder zwei, mehr nicht: das wird
Euch ja den alten, meerzerfreßnen Isthmus
Nicht gleich zusammenstürzen! – Frei bin ich dann;
Wie ich aus ihrem eignen Munde weiß,
Wie Wild auf Heiden wieder; und folgt sie mir,
Beim Jupiter! ich wär ein Seliger,
Könnt ich auf meiner Väter Thron sie setzen.
ODYSSEUS kommt.
DIOMEDES.
Komm her, Ulyß, ich bitte dich.
ODYSSEUS.
Pelide!
Du hast die Königin ins Feld gerufen;
Willst du, ermüdet, wie die Scharen sind,
Von neu'm das oft mißlungne Wagstück wagen?
DIOMEDES.
Nichts, Freund, von Wagestücken, nichts von Kämpfen;
Er will sich bloß ihr zu gefangen geben.
ODYSSEUS.
Was?
ACHILLES das Blut schießt ihm ins Gesicht.
Tu mir dein Gesicht weg, bitt ich dich!
ODYSSEUS.
Er will –?
DIOMEDES.
Du hörst's, ja! Ihr den Helm zerkeilen;
Gleich einem Fechter, grimmig sehn, und wüten;
Dem Schild aufdonnern, daß die Funken sprühen,
Und stumm sich, als ein Überwundener,
Zu ihren kleinen Füßen niederlegen.
ODYSSEUS.
Ist dieser Mann bei Sinnen, Sohn des Peleus?
Hast du gehört, was er –?
ACHILLES sich zurückhaltend.
Ich bitte dich,
Halt deine Oberlippe fest, Ulyß!
Es steckt mich an, bei den gerechten Göttern,
Und bis zur Faust gleich zuckt es mir herab.
ODYSSEUS wild.
Bei dem Kozyt, dem feurigen! Wissen will ich,
Ob meine Ohren hören, oder nicht!
Du wirst mir, Sohn des Tydeus, bitt ich, jetzt,
Mit einem Eid, daß ich aufs Reine komme,
Bekräftigen, was ich dich fragen werde.
Er will der Königin sich gefangen geben?
DIOMEDES.
Du hörst's!
ODYSSEUS.
Nach Themiscyra will er gehn?
DIOMEDES.
So ist's.
ODYSSEUS.
Und unseren Helenenstreit,
Vor der Dardanerburg, der Sinnentblößte,
Den will er, wie ein Kinderspiel, weil sich
Was anders Buntes zeigt, im Stiche lassen?
DIOMEDES.
Beim Jupiter! Ich schwör's.
ODYSSEUS indem er die Arme verschränkt.
– Ich kann's nicht glauben.
ACHILLES.
Er spricht von der Dardanerburg.
ODYSSEUS.
Was?
ACHILLES.
Was?
ODYSSEUS.
Mich dünkt, du sagtest was.
ACHILLES.
Ich?
ODYSSEUS.
Du!
ACHILLES.
Ich sagte:
Er spricht von der Dardanerburg.
ODYSSEUS.
Nun, ja!
Wie ein Beseßner fragt ich, ob der ganze
Helenenstreit, vor der Dardanerburg,
Gleich einem Morgentraum, vergessen sei?
ACHILLES indem er ihm näher tritt.
Wenn die Dardanerburg, Laertiade,
Versänke, du verstehst, so daß ein See,
Ein bläulicher, an ihre Stelle träte;
Wenn graue Fischer, bei dem Schein des Monds,
Den Kahn an ihre Wetterhähne knüpften;
Wenn im Palast des Priamus ein Hecht
Regiert', ein Ottern- oder Ratzenpaar
Im Bette sich der Helena umarmten:
So wär's für mich gerad soviel, als jetzt.
ODYSSEUS.
Beim Styx! Es ist sein voller Ernst, Tydide!
ACHILLES.
Beim Styx! Bei dem Lernäersumpf! Beim Hades!
Der ganzen Oberwelt und Unterwelt,
Und jedem dritten Ort: es ist mein Ernst;
Ich will den Tempel der Diana sehn!
ODYSSEUS halb ihm ins Ohr.
Laß ihn nicht von der Stelle, Diomed,
Wenn du so gut willst sein.
DIOMEDES.
Wenn ich – ich glaube!
Sei doch so gut, und leih mir deine Arme.
DER HEROLD tritt auf.
ACHILLES.
Ha! Stellt sie sich? Was bringst du? Stellt sie sich?
DER HEROLD.
Sie stellt sich, ja, Neridensohn, sie naht schon;
Jedoch mit Hunden auch und Elefanten,
Und einem ganzen wilden Reutertroß:
Was die beim Zweikampf sollen, weiß ich nicht.
ACHILLES.
Gut. Dem Gebrauch, war sie das schuldig. Folgt mir!
– O sie ist listig, bei den ewigen Göttern!
– – Mit Hunden, sagst du?
DER HEROLD.
Ja.
ACHILLES.
Und Elefanten?
DER HEROLD.
Daß es ein Schrecken ist, zu sehn, Pelide!
Gält es, die Atreïden anzugreifen,
Im Lager vor der Trojerburg, sie könnte
In keiner finstrern Greuelrüstung nahn.
ACHILLES in den Bart.
Die fressen aus der Hand, wahrscheinlich – Folgt mir!
– Oh! Die sind zahm, wie sie.
Ab mit dem Gefolge.
DIOMEDES.
Der Rasende!
ODYSSEUS.
Laßt uns ihn knebeln, binden – hört, ihr Griechen!
DIOMEDES.
Hier nahn die Amazonen schon – hinweg!
Alle ab.
Zweiundzwanzigster Auftritt
Die Oberpriesterin, bleich im Gesicht, mehrere andere Priesterinnen und Amazonen.
DIE OBERPRIESTERIN.
Schafft Stricke her, ihr Frauen!
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Hochwürdigste!
DIE OBERPRIESTERIN.
Reißt sie zu Boden nieder! Bindet sie!
EINE AMAZONE.
Meinst du die Königin?
DIE OBERPRIESTERIN.
Die Hündin, mein ich!
– Der Menschen Hände bänd'gen sie nicht mehr.
DIE AMAZONEN.
Hochheil'ge Mutter! Du scheinst außer dir.
DIE OBERPRIESTERIN.
Drei Jungfraun trat sie wütend in den Staub,
Die wir geschickt, sie aufzuhalten; Meroe,
Weil sie auf Knien sich in den Weg ihr warf,
Bei jedem süßen Namen sie beschwörend,
Mit Hunden hat sie sie hinweggehetzt.
Als ich von fern der Rasenden nur nahte,
Gleich einen Stein, gebückt, mit beiden Händen,
Den grimmerfüllten Blick auf mich gerichtet,
Riß sie vom Boden auf – verloren war ich,
Wenn ich im Haufen nicht des Volks verschwand.
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Es ist entsetzlich!
DIE ZWEITE.
Schrecklich ist's, ihr Fraun.
DIE OBERPRIESTERIN.
Jetzt unter ihren Hunden wütet sie,
Mit schaumbedeckter Lipp, und nennt sie Schwestern,
Die heulenden, und der Mänade gleich,
Mit ihrem Bogen durch die Felder tanzend,
Hetzt sie die Meute, die mordatmende,
Die sie umringt, das schönste Wild zu fangen,
Das je die Erde, wie sie sagt, durchschweift.
DIE AMAZONEN.
Ihr Orkusgötter! Wie bestraft ihr sie!
DIE OBERPRIESTERIN.
Drum mit dem Strick, ihr Arestöchter, schleunig
Dort auf den Kreuzweg hin, legt Schlingen ihr,
Bedeckt mit Sträuchern, vor der Füße Tritt.
Und reißt, wenn sich ihr Fuß darin verfängt,
Dem wutgetroffnen Hunde gleich, sie nieder:
Daß wir sie binden, in die Heimat bringen,
Und sehen, ob sie noch zu retten sei.
DAS HEER DER AMAZONEN außerhalb der Szene.
Triumph! Triumph! Triumph! Achilleus stürzt
Gefangen ist der Held! Die Siegerin,
Mit Rosen wird sie seine Scheitel kränzen!
Pause.
DIE OBERPRIESTERIN mit freudebeklemmter Stimme.
Hört ich auch recht?
DIE ERSTE PRIESTERIN UND AMAZONEN.
Ihr hochgepriesnen Götter!
DIE OBERPRIESTERIN.
War dieser Jubellaut der Freude nicht?
DIE ERSTE PRIESTERIN.
Geschrei des Siegs, o du Hochheilige,
Wie noch mein Ohr keins seliger vernahm!
DIE OBERPRIESTERIN.
Wer schafft mir Kund, ihr Jungfraun?
DIE ZWEITE PRIESTERIN.
Terpi! rasch!
Sag an, was du auf jenem Hügel siehst?
EINE AMAZONE die währenddessen den Hügel erstiegen, mit Entsetzen.
Euch, ihr der Hölle grauenvolle Götter,
Zu Zeugen ruf ich nieder – was erblick ich!
DIE OBERPRIESTERIN.
Nun denn – als ob sie die Medus' erblickte!
DIE PRIESTERINNEN.
Was siehst du? Rede! Sprich!
DIE AMAZONE.
Penthesilea,
Sie liegt, den grimm'gen Hunden beigesellt,
Sie, die ein Menschenschoß gebar, und reißt, –
Die Glieder des Achills reißt sie in Stücken!
DIE OBERPRIESTERIN.
Entsetzen! o Entsetzen!
ALLE.
Fürchterlich!
DIE AMAZONE.
Hier kommt es, bleich, wie eine Leiche, schon
Das Wort des Greuelrätsels uns heran.
Sie steigt vom Hügel herab.
Dreiundzwanzigster Auftritt
Meroe tritt auf. Die Vorigen.
MEROE.
O ihr, der Diana heil'ge Priesterinnen,
Und ihr, Mars' reine Töchter, hört mich an:
Die afrikanische Gorgone bin ich,
Und wie ihr steht, zu Steinen starr ich euch.
DIE OBERPRIESTERIN.
Sprich, Gräßliche! was ist geschehn?
MEROE.
Ihr wißt,
Sie zog dem Jüngling, den sie liebt, entgegen,
Sie, die fortan kein Name nennt –
In der Verwirrung ihrer jungen Sinne,
Den Wunsch, den glühenden, ihn zu besitzen,
Mit allen Schrecknissen der Waffen rüstend.
Von Hunden rings umheult und Elefanten,
Kam sie daher, den Bogen in der Hand:
Der Krieg, der unter Bürgern rast, wenn er,
Die blutumtriefte Graungestalt, einher,
Mit weiten Schritten des Entsetzens geht,
Die Fackel über blühnde Städte schwingend,
Er sieht so wild und scheußlich nicht, als sie.
Achilleus, der, wie man im Heer versichert,
Sie bloß ins Feld gerufen, um freiwillig
Im Kampf, der junge Tor, ihr zu erliegen:
Denn er auch, o wie mächtig sind die Götter!
Er liebte sie, gerührt von ihrer Jugend,
Zu Dianas Tempel folgen wollt er ihr:
Er naht sich ihr, voll süßer Ahndungen,
Und läßt die Freunde hinter sich zurück.
Doch jetzt, da sie mit solchen Greulnissen
Auf ihn herangrollt, ihn, der nur zum Schein
Mit einem Spieß sich arglos ausgerüstet:
Stutzt er, und dreht den schlanken Hals, und horcht,
Und eilt entsetzt, und stutzt, und eilet wieder:
Gleich einem jungen Reh, das im Geklüft
Fern das Gebrüll des grimmen Leun vernimmt.
Er ruft: Odysseus! mit beklemmter Stimme,
Und sieht sich schüchtern um, und ruft: Tydide!
Und will zurück noch zu den Freunden fliehn;
Und steht, von einer Schar schon abgeschnitten,
Und hebt die Händ empor, und duckt und birgt
In eine Fichte sich, der Unglücksel'ge,
Die schwer mit dunkeln Zweigen niederhangt. –
Inzwischen schritt die Königin heran,
Die Doggen hinter ihr, Gebirg und Wald
Hochher, gleich einem Jäger, überschauend;
Und da er eben, die Gezweige öffnend,
Zu ihren Füßen niedersinken will:
Ha! sein Geweih verrät den Hirsch, ruft sie,
Und spannt mit Kraft der Rasenden, sogleich
Den Bogen an, daß sich die Enden küssen,
Und hebt den Bogen auf und zielt und schießt,
Und jagt den Pfeil ihm durch den Hals; er stürzt:
Ein Siegsgeschrei schallt roh im Volk empor.
Jetzt gleichwohl lebt der Ärmste noch der Menschen,
Den Pfeil, den weit vorragenden, im Nacken,
Hebt er sich röchelnd auf, und überschlägt sich,
Und hebt sich wiederum und will entfliehn;
Doch, hetz! schon ruft sie: Tigris! hetz, Leäne!.
Hetz, Sphinx! Melampus! Dirke! Hetz, Hyrkaon!
Und stürzt – stürzt mit der ganzen Meut, o Diana!
Sich über ihn, und reißt – reißt ihn beim Helmbusch,
Gleich einer Hündin, Hunden beigesellt,
Der greift die Brust ihm, dieser greift den Nacken,
Daß von dem Fall der Boden bebt, ihn nieder!
Er, in dem Purpur seines Bluts sich wälzend,
Rührt ihre sanfte Wange an, und ruft:
Penthesilea! meine Braut! was tust du?
Ist dies das Rosenfest, das du versprachst?
Doch sie – die Löwin hätte ihn gehört,
Die hungrige, die wild nach Raub umher,
Auf öden Schneegefilden heulend treibt;
Sie schlägt, die Rüstung ihm vom Leibe reißend,
Den Zahn schlägt sie in seine weiße Brust,
Sie und die Hunde, die wetteifernden,
Oxus und Sphinx den Zahn in seine rechte,
In seine linke sie; als ich erschien,
Troff Blut von Mund und Händen ihr herab.
Pause voll Entsetzen.
Vernahmt ihr mich, ihr Fraun, wohlan, so redet,
Und gebt ein Zeichen eures Lebens mir.
Pause.
DIE ERSTE PRIESTERIN am Busen der zweiten weinend.
Solch eine Jungfrau, Hermia! So sittsam!
In jeder Kunst der Hände so geschickt!
So reizend, wenn sie tanzte, wenn sie sang!
So voll Verstand und Würd und Grazie!
DIE OBERPRIESTERIN.
O die gebar Otrere nicht! Die Gorgo
Hat im Palast der Hauptstadt sie gezeugt!
DIE ERSTE PRIESTERIN fortfahrend.
Sie war wie von der Nachtigall geboren,
Die um den Tempel der Diana wohnt.
Gewiegt im Eichenwipfel saß sie da,
Und flötete, und schmetterte, und flötete,
Die stille Nacht durch, daß der Wandrer horchte,
Und fern die Brust ihm von Gefühlen schwoll.
Sie trat den Wurm nicht, den gesprenkelten,
Der unter ihrer Füße Sohle spielte,
Den Pfeil, der eines Ebers Busen traf,
Rief sie zurück, es hätte sie sein Auge,
Im Tod gebrochen, ganz zerschmelzt in Reue,
Auf Knieen vor ihn niederziehen können!
Pause.
MEROE.
Jetzt steht sie lautlos da, die Grauenvolle,
Bei seiner Leich, umschnüffelt von der Meute,
Und blicket starr, als wär's ein leeres Blatt,
Den Bogen siegreich auf der Schulter tragend,
In das Unendliche hinaus, und schweigt.
Wir fragen mit gesträubten Haaren, sie,
Was sie getan? Sie schweigt. Ob sie uns kenne?
Sie schweigt. Ob sie uns folgen will? Sie schweigt.
Entsetzen griff mich, und ich floh zu euch.
Vierundzwanzigster Auftritt
Penthesilea.
1 comment