Es wird, indem es sich aus der Verwirrung, die in ihm angerichtet wird, zu ziehen bemüht, in neue verfallen und wohl zu dem Ausbruche kommen, daß ausgemachtermaßen dem so und so, jenes aber Sophistereien seien, – ein Schlagwort des gemeinen Menschenverstandes gegen die gebildete Vernunft, wie den Ausdruck: Träumereien die Unwissenheit der Philosophie sich für diese ein für allemal gemerkt hat. – Indem jener sich auf das Gefühl, sein inwendiges Orakel, beruft, ist er gegen den, der nicht übereinstimmt, fertig; er muß erklären, daß er dem weiter nichts zu sagen habe, der nicht dasselbe in sich finde[64] und fühle; – mit anderen Worten, er tritt die Wurzel der Humanität mit Füßen. Denn die Natur dieser ist, auf die Übereinkunft mit anderen zu dringen, und ihre Existenz nur in der zustande gebrachten Gemeinsamkeit der Bewußtsein[e]. Das Widermenschliche, das Tierische besteht darin, im Gefühle stehenzubleiben und nur durch dieses sich mitteilen zu können.
Wenn nach einem königlichen Wege zur Wissenschaft gefragt würde, so kann kein bequemerer angegeben werden als der, sich auf den gesunden Menschenverstand zu verlassen und, um übrigens auch mit der Zeit und mit der Philosophie fortzuschreiten, Rezensionen von philosophischen Schriften, etwa gar die Vorreden und ersten Paragraphen derselben zu lesen; denn diese geben die allgemeinen Grundsätze, worauf alles ankommt, und jene neben der historischen Notiz noch die Beurteilung, die sogar, weil sie Beurteilung ist, über das Beurteilte hinaus ist. Dieser gemeine Weg macht sich im Hausrocke; aber im hohenpriesterlichen Gewände schreitet das Hochgefühl des Ewigen, Heiligen, Unendlichen einher – einen Weg, der vielmehr schon selbst das unmittelbare Sein im Zentrum, die Genialität tiefer origineller Ideen und hoher Gedankenblitze ist. Wie Jedoch solche Tiefe noch nicht den Quell des Wesens offenbart, so sind diese Raketen noch nicht das Empyreum. Wahre Gedanken und wissenschaftliche Einsicht ist nur in der Arbeit des Begriffs zu gewinnen. Er allein kann die Allgemeinheit des Wissens hervorbringen, welche weder die gemeine Unbestimmtheit und Dürftigkeit des gemeinen Menschenverstandes, sondern gebildete und vollständige Erkenntnis, noch die ungemeine Allgemeinheit der durch Trägheit und Eigendünkel von Genie sich verderbenden Anlage der Vernunft, sondern die zu ihrer einheimischen Form gediehene Wahrheit [ist], – welche fähig ist, das Eigentum aller selbstbewußten Vernunft zu sein.
Indem ich das, wodurch die Wissenschaft existiert, in die Selbstbewegung des Begriffs setze, so scheint die Betrachtung,[65] daß die angeführten und noch andere äußere Seiten der Vorstellungen unserer Zeit über die Natur und Gestalt der Wahrheit hiervon abweichen, ja ganz entgegen sind, einem Versuche, das System der Wissenschaft in jener Bestimmung darzustellen, keine günstige Aufnahme zu versprechen. Inzwischen kann ich bedenken, daß, wenn z.B. zuweilen das Vortreffliche der Philosophie Platons in seine wissenschaftlich wertlosen Mythen gesetzt wird, es auch Zeiten gegeben, welche sogar Zeiten der Schwärmerei genannt werden, worin die Aristotelische Philosophie um ihrer spekulativen Tiefe willen geachtet und der Parmenides des Platon, wohl das größte Kunstwerk der alten Dialektik, für die wahre Enthüllung und den positiven Ausdruck des göttlichen Lebens gehalten wurde und sogar bei vieler Trübheit dessen, was die Ekstase erzeugte, diese mißverstandene Ekstase in der Tat nichts anderes als der reine Begriff sein sollte, – daß ferner das Vortreffliche der Philosophie unserer Zeit seinen Wert selbst in die Wissenschaftlichkeit setzt und, wenn auch die anderen es anders nehmen, nur durch sie in der Tat sich geltend macht. Somit kann ich auch hoffen, daß dieser Versuch, die Wissenschaft dem Begriffe zu vindizieren und sie in diesem ihrem eigentümlichen Elemente darzustellen, sich durch die innere Wahrheit der Sache Eingang zu verschaffen wissen werde. Wir müssen überzeugt sein, daß das Wahre die Natur hat, durchzudringen, wenn seine Zeit gekommen, und daß es nur erscheint, wenn diese gekommen, und deswegen nie zu früh erscheint noch ein unreifes Publikum findet; auch daß das Individuum dieses Effekts bedarf, um das, was noch seine einsame Sache ist, daran sich zu bewähren und die Überzeugung, die nur erst der Besonderheit angehört, als etwas Allgemeines zu erfahren. Hierbei aber ist häufig das Publikum von denen zu unterscheiden, welche sich als seine Repräsentanten und Sprecher betragen. Jenes verhält sich in manchen Rücksichten anders als diese, ja selbst entgegengesetzt. Wenn es gutmütigerweise die Schuld, daß ihm eine philosophische Schrift nicht zusagt, eher auf[66] sich nimmt, so schieben hingegen diese, ihrer Kompetenz gewiß, alle Schuld auf den Schriftsteller. Die Wirkung ist in jenem stiller als das Tun dieser Toten, wenn sie ihre Toten begraben. Wenn jetzt die allgemeine Einsicht überhaupt gebildeter, ihre Neugierde wachsamer und ihr Urteil schneller bestimmt ist, so daß die Füße derer, die dich hinaustragen werden, schon vor der Tür stehen, so ist hiervon oft die langsamere Wirkung zu unterscheiden, welche die Aufmerksamkeit, die durch imponierende Versicherungen erzwungen wurde, sowie den wegwerfenden Tadel berichtigt und einem Teile eine Mitwelt erst in einiger Zeit gibt, während ein anderer nach dieser keine Nachwelt mehr hat.
Weil übrigens in einer Zeit, worin die Allgemeinheit des Geistes so sehr erstarkt und die Einzelheit, wie sich gebührt, um soviel gleichgültiger geworden ist, auch jene an ihrem vollen Umfang und gebildeten Reichtum hält und ihn fordert, der Anteil, der an dem gesamten Werke des Geistes auf die Tätigkeit des Individuums fällt, nur gering sein kann, so muß dieses, wie die Natur der Wissenschaft schon es mit sich bringt, sich um so mehr vergessen, und zwar werden und tun, was es kann, aber es muß ebenso weniger von ihm gefordert werden, wie es selbst weniger von sich erwarten und für sich fordern darf.[67]
Einleitung
Es ist eine natürliche Vorstellung, daß, ehe in der Philosophie an die Sache selbst, nämlich an das wirkliche Erkennen dessen, was in Wahrheit ist, gegangen wird, es notwendig sei, vorher über das Erkennen sich zu verständigen, das als das Werkzeug, wodurch man des Absoluten sich bemächtige, oder als das Mittel, durch welches hindurch man es erblicke, betrachtet wird. Die Besorgnis scheint gerecht, teils, daß es verschiedene Arten der Erkenntnis geben und darunter eine geschickter als eine andere zur Erreichung dieses Endzwecks sein möchte, hiermit auch falsche Wahl unter ihnen, – teils auch daß, indem das Erkennen ein Vermögen von bestimmter Art und Umfange ist, ohne die genauere Bestimmung seiner Natur und Grenze Wolken des Irrtums statt des Himmels der Wahrheit erfaßt werden. Diese Besorgnis muß sich wohl sogar in die Überzeugung verwandeln, daß das ganze Beginnen, dasjenige, was an sich ist, durch das Erkennen dem Bewußtsein zu erwerben, in seinem Begriffe widersinnig sei, und zwischen das Erkennen und das Absolute eine sie schlechthin scheidende Grenze falle. Denn ist das Erkennen das Werkzeug, sich des absoluten Wesens zu bemächtigen, so fällt sogleich auf, daß die Anwendung eines Werkzeugs auf eine Sache sie vielmehr nicht läßt, wie sie für sich ist, sondern eine Formierung und Veränderung mit ihr vornimmt. Oder ist das Erkennen nicht Werkzeug unserer Tätigkeit, sondern gewissermaßen ein passives Medium, durch welches hindurch das Licht der Wahrheit an uns gelangt, so erhalten wir auch so sie nicht, wie sie an sich, sondern wie sie durch und in diesem Medium ist. Wir gebrauchen in beiden Fällen ein Mittel, welches unmittelbar[68] das Gegenteil seines Zwecks hervorbringt; oder das Widersinnige ist vielmehr, daß wir uns überhaupt eines Mittels bedienen. Es scheint zwar, daß diesem Übelstande durch die Kenntnis der Wirkungsweise des Werkzeugs abzuhelfen steht, denn sie macht es möglich, den Teil, welcher in der Vorstellung, die wir durch es vom Absoluten erhalten, dem Werkzeuge angehört, im Resultate abzuziehen und so das Wahre rein zu erhalten. Allein diese Verbesserung würde uns in der Tat nur dahin zurückbringen, wo wir vorher waren. Wenn wir von einem formierten Dinge das wieder wegnehmen, was das Werkzeug daran getan hat, so ist uns das Ding – hier das Absolute – gerade wieder soviel als vor dieser somit überflüssigen Bemühung. Sollte das Absolute durch das Werkzeug uns nur überhaupt nähergebracht werden, ohne etwas an ihm zu verändern, wie etwa durch die Leimrute der Vogel, so würde es wohl, wenn es nicht an und für sich schon bei uns wäre und sein wollte, dieser List spotten; denn eine List wäre in diesem Falle das Erkennen, da es durch sein vielfaches Bemühen ganz etwas anderes zu treiben sich die Miene gibt, als nur die unmittelbare und somit mühelose Beziehung hervorzubringen. Oder wenn die Prüfung des Erkennens, das wir als ein Medium uns vorstellen, uns das Gesetz seiner Strahlenbrechung kennen lehrt, so nützt es ebenso nichts, sie im Resultate abzuziehen; denn nicht das Brechen des Strahls, sondern der Strahl selbst, wodurch die Wahrheit uns berührt, ist das Erkennen, und dieses abgezogen, wäre uns nur die reine Richtung oder der leere Ort bezeichnet worden.
Inzwischen, wenn die Besorgnis, in Irrtum zu geraten, ein Mißtrauen in die Wissenschaft setzt, welche ohne dergleichen Bedenklichkeiten ans Werk selbst geht und wirklich erkennt, so ist nicht abzusehen, warum nicht umgekehrt ein Mißtrauen in dies Mißtrauen gesetzt und besorgt werden soll, daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist. In der Tat setzt sie etwas, und zwar manches, als Wahrheit voraus und stützt darauf ihre Bedenklichkeiten und Konsequenzen,[69] was selbst vorher zu prüfen ist, ob es Wahrheit sei. Sie setzt nämlich Vorstellungen von dem Erkennen als einem Werkzeuge und Medium, auch einen Unterschied unserer selbst von diesem Erkennen voraus; vorzüglich aber dies, daß das Absolute auf einer Seite stehe und das Erkennen auf der andern Seite für sich und getrennt von dem Absoluten doch etwas Reelles [sei], oder hiermit, daß das Erkennen, welches, indem es außer dem Absoluten, wohl auch außer der Wahrheit ist, doch wahrhaft sei, – eine Annahme, wodurch das, was sich Furcht vor dem Irrtume nennt, sich eher als Furcht vor der Wahrheit zu erkennen gibt.
Diese Konsequenz ergibt sich daraus, daß das Absolute allem wahr oder das Wahre allein absolut ist. Sie kann abgelehnt werden durch den Unterschied, daß ein Erkennen, welches zwar nicht, wie die Wissenschaft will, das Absolute erkennt, doch auch wahr und das Erkennen überhaupt, wenn es dasselbe zu fassen zwar unfähig sei, doch anderer Wahrheit fähig sein könne.
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