Der letztere scheint zunächst nur die Reflexion des Bewußtseins in sich selbst zu sein, ein Vorstellen nicht eines Gegenstandes, sondern nur seines Wissens von Jenem ersten. Allein wie vorhin gezeigt worden, ändert sich ihm dabei der erste Gegenstand; er hört auf, das Ansich zu sein, und wird ihm zu einem solchen, der nur für es das Ansich ist; somit aber ist dann dies: das Für-es-Sein dieses Ansich, das Wahre, das heißt aber, dies ist das Wesen oder sein Gegenstand. Dieser neue Gegenstand enthält die Nichtigkeit des ersten, er ist die über ihn gemachte Erfahrung.
An dieser Darstellung des Verlaufs der Erfahrung ist ein Moment, wodurch sie mit demjenigen nicht übereinzustimmen scheint, was unter der Erfahrung verstanden zu werden pflegt. Der Übergang nämlich vom ersten Gegenstande und dem Wissen desselben zu dem anderen Gegenstande, an dem man sagt, daß die Erfahrung gemacht worden sei, wurde so angegeben, daß das Wissen vom ersten Gegenstande, oder das Für-das-Bewußtsein des ersten Ansich, der zweite Gegenstand selbst werden soll. Dagegen es sonst scheint, daß wir die Erfahrung von der Unwahrheit unseres ersten Begriffs an einem anderen Gegenstande machen, den wir zufälligerweise und äußerlich etwa finden, so daß überhaupt nur das reine Auffassen dessen, was an und für sich ist, in uns falle. In jener Ansicht aber zeigt sich der neue Gegenstand als geworden, durch eine Umkehrung des Bewußtseins selbst. Diese Betrachtung der Sache ist unsere Zutat, wodurch sich die Reihe der Erfahrungen des Bewußtseins zum wissenschaftlichen Gange erhebt und welche nicht für das Bewußtsein ist, das wir betrachten. Es ist aber dies in der Tat auch derselbe Umstand, von welchem oben schon in Ansehung des Verhältnisses dieser Darstellung zum Skeptizismus die Rede war, daß nämlich das jedesmalige Resultat,[79] welches sich an einem nicht wahrhaften Wissen ergibt, nicht in ein leeres Nichts zusammenlaufen dürfe, sondern notwendig als Nichts desjenigen, dessen Resultat es ist, aufgefaßt werden müsse; ein Resultat, welches das enthält, was das vorhergehende Wissen Wahres an ihm hat. Dies bietet sich hier so dar, daß, indem das, was zuerst als der Gegenstand erschien, dem Bewußtsein zu einem Wissen von ihm herabsinkt und das Ansich zu einem Für-das-Bewußtsein-Sein des Ansich wird, dies der neue Gegenstand ist, womit auch eine neue Gestalt des Bewußtseins auftritt, welcher etwas anderes das Wesen ist als der vorhergehenden. Dieser Umstand ist es, welcher die ganze Folge der Gestalten des Bewußtseins in ihrer Notwendigkeit leitet. Nur diese Notwendigkeit selbst oder die Entstehung des neuen Gegenstandes, der dem Bewußtsein, ohne zu wissen, wie ihm geschieht, sich darbietet, ist es, was für uns gleichsam hinter seinem Rücken vorgeht. Es kommt dadurch in seine Bewegung ein Moment des Ansich– oder Fürunsseins, welches nicht für das Bewußtsein, das in der Erfahrung selbst begriffen ist, sich darstellt; der Inhalt aber dessen, was uns entsteht, ist für es, und wir begreifen nur das Formelle desselben oder sein reines Entstehen; für es ist dies Entstandene nur als Gegenstand, für uns zugleich als Bewegung und Werden.
Durch diese Notwendigkeit ist dieser Weg zur Wissenschaft selbst schon Wissenschaft und nach ihrem Inhalte hiermit Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseins.
Die Erfahrung, welche das Bewußtsein über sich macht, kann ihrem Begriffe nach nichts weniger in sich begreifen als das ganze System desselben oder das ganze Reich der Wahrheit des Geistes, so daß die Momente derselben in dieser eigentümlichen Bestimmtheit sich darstellen, nicht abstrakte, reine Momente zu sein, sondern so, wie sie für das Bewußtsein sind oder wie dieses selbst in seiner Beziehung auf sie auftritt, wodurch die Momente des Ganzen Gestalten des Bewußtseins sind. Indem es zu seiner wahren Existenz[80] sich forttreibt, wird es einen Punkt erreichen, auf welchem es seinen Schein ablegt, mit Fremdartigem, das nur für es und als ein Anderes ist, behaftet zu sein, oder wo die Erscheinung dem Wesen gleich wird, seine Darstellung hiermit mit eben diesem Punkte der eigentlichen Wissenschaft des Geistes zusammenfällt; und endlich, indem es selbst dies sein Wesen erfaßt, wird es die Natur des absoluten Wissens selbst bezeichnen.[81]
A. Bewußtsein
I. Die sinnliche Gewißheit oder das Diese und das Meinen
Das Wissen, welches zuerst oder unmittelbar unser Gegenstand ist, kann kein anderes sein als dasjenige, welches selbst unmittelbares Wissen, Wissen des Unmittelbaren oder Seienden ist. Wir haben uns ebenso unmittelbar oder aufnehmend zu verhalten, also nichts an ihm, wie es sich darbietet, zu verändern und von dem Auffassen das Begreifen abzuhalten.
Der konkrete Inhalt der sinnlichen Gewißheit läßt sie unmittelbar als die reichste Erkenntnis, ja als eine Erkenntnis von unendlichem Reichtum erscheinen, für welchen ebensowohl, wenn wir im Räume und in der Zeit, als worin er sich ausbreitet, hinaus-, als wenn wir uns ein Stück aus dieser Fülle nehmen und durch Teilung in dasselbe hineingehen, keine Grenze zu finden ist. Sie erscheint außerdem als die wahrhafteste; denn sie hat von dem Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich. Diese Gewißheit aber gibt in der Tat sich selbst für die abstrakteste und ärmste Wahrheit aus. Sie sagt von dem, was sie weiß, nur dies aus: es ist; und ihre Wahrheit enthält allein das Sein der Sache; das Bewußtsein seinerseits ist in dieser Gewißheit nur als reines Ich; oder Ich bin darin nur als reiner Dieser und der Gegenstand ebenso nur als reines Dieses. Ich, dieser, bin dieser Sache nicht darum gewiß, weil Ich als Bewußtsein hierbei mich entwickelte und mannigfaltig den Gedanken bewegte. Auch nicht darum, weil die Sache, deren ich gewiß bin, nach einer Menge unterschiedener[82] Beschaffenheiten eine reiche Beziehung an ihr selbst oder ein vielfaches Verhalten zu anderen wäre. Beides geht die Wahrheit der sinnlichen Gewißheit nichts an; weder Ich noch die Sache hat darin die Bedeutung einer mannigfaltigen Vermittlung, Ich nicht die Bedeutung eines mannigfaltigen Vorstellens oder Denkens, noch die Sache die Bedeutung mannigfaltiger Beschaffenheiten, sondern die Sache ist; und sie ist, nur weil sie ist; sie ist, dies ist dem sinnlichen Wissen das Wesentliche, und dieses reine Sein oder diese einfache Unmittelbarkeit macht ihre Wahrheit aus. Ebenso ist die Gewißheit als Beziehung unmittelbare reine Beziehung; das Bewußtsein ist Ich, weiter nichts, ein reiner Dieser; der Einzelne weiß reines Dieses oder das Einzelne.
An dem reinen Sein aber, welches das Wesen dieser Gewißheit ausmacht und welches sie als ihre Wahrheit aussagt, spielt, wenn wir zusehen, noch vieles andere beiher. Eine wirkliche sinnliche Gewißheit ist nicht nur diese reine Unmittelbarkeit, sondern ein Beispiel derselben. Unter den unzähligen dabei vorkommenden Unterschieden finden wir allenthalben die Hauptverschiedenheit, daß nämlich in ihr sogleich aus dem reinen Sein die beiden schon genannten Diesen, ein Dieser als Ich und ein Dieses als Gegenstand, herausfallen. Reflektieren wir über diesen Unterschied, so ergibt sich, daß weder das eine noch das andere nur unmittelbar, in der sinnlichen Gewißheit ist, sondern zugleich als vermittelt; Ich habe die Gewißheit durch ein Anderes, nämlich die Sache; und diese ist ebenso in der Gewißheit durch ein Anderes, nämlich durch Ich.
Diesen Unterschied des Wesens und des Beispiels, der Unmittelbarkeit und der Vermittlung, machen nicht nur wir, sondern wir finden ihn an der sinnlichen Gewißheit selbst, und in der Form, wie er an ihr ist, nicht wie wir ihn soeben bestimmten, ist er aufzunehmen. Es ist in ihr eines als das einfache unmittelbar Seiende oder als das Wesen gesetzt, der Gegenstand, das andere aber als das Unwesentliche und Vermittelte, welches darin nicht an sich, sondern durch ein[83] Anderes ist, Ich, ein Wissen, das den Gegenstand nur darum weiß, weil er ist, und das sein oder auch nicht sein kann. Der Gegenstand aber ist, das Wahre und das Wesen; er ist, gleichgültig dagegen, ob er gewußt wird oder nicht; er bleibt, wenn er auch nicht gewußt wird; das Wissen aber ist nicht, wenn nicht der Gegenstand ist.
Der Gegenstand ist also zu betrachten, ob er in der Tat, in der sinnlichen Gewißheit selbst, als solches Wesen ist, für welches er von ihr ausgegeben wird; ob dieser sein Begriff, Wesen zu sein, dem entspricht, wie er in ihr vorhanden ist. Wir haben zu dem Ende nicht über ihn zu reflektieren und nachzudenken, was er in Wahrheit sein mochte, sondern Ihn nur zu betrachten, wie ihn die sinnliche Gewißheit an ihr hat.
Sie ist also selbst zu fragen: Was ist das Diese? Nehmen wir es in der gedoppelten Gestalt seines Seins, als das Jetzt und als das Hier, so wird die Dialektik, die es an ihm hat, eine so verständliche Form erhalten, als es selbst ist. Auf die Frage: was ist das Jetzt antworten wir also zum Beispiel: das Jetzt ist die Nacht.
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